Читать книгу Die Zwillingsschwester - Lisa Scott - Страница 13

Kapitel 10

Оглавление

Alice betrat die Gefängnisbibliothek, einen großen grauen, mit einem dünnen grauen Teppich ausgelegten Raum, und reichte dem Wärter an der Tür ihren Erlaubnisschein. Sie hatte nur fünfzehn Minuten zur Verfügung. Es würde reichen. Sie entdeckte Valencias Schmalzlockenflut in einer der Lesenischen, die in der Mitte des Saales nur durch graue Metallzwischenwände getrennt aneinandergereiht waren. Sie hatte den Kopf über einen juristischen Wälzer gesenkt. Das Mädchen bemühte sich unablässig um eine Aufhebung ihres Urteils, beschwerte sich in Briefen an den Kongreß, an den Präsidenten und bei weiß Gott wem alles. Valencias Argument lautete, die zwingend vorgeschriebene Verurteilung wegen Kokainbesitzes sei ungerecht, in erster Linie, weil sie wegen dieses Delikts verurteilt worden war.

Alice lachte in sich hinein. Valencia hatte gewußt, worauf sie sich einließ, als sie den Job angenommen hatte. Sie hatte als Kokskurier gearbeitet und mit dem Geld, das sie dafür bekommen hatte, Santo die Babysachen mit den meisten Rüschen gekauft, die je für einen Jungen angefertigt worden waren, und einen Kinderwagen mit einer Plastikabdeckung wie ein Sauerstoffzelt. Nicht direkt von Nutzen nach Alices Ansicht, und das war auch Valencia inzwischen nicht mehr für sie. Alice ging durch den Saal, der von Wänden voller juristischer Bücher und Gesetzessammlungen eingerahmt war, und schlüpfte in die Nische neben der von Valencia. »He«, sagte sie, und Valencia hob den Kopf von ihrem Wälzer und verzog ihren kirschroten Mund zu einem seligen Lächeln.

»Ich sprechen mit mi madre!« Sie blickte sich um und senkte die Stimme. Zwei in der Nähe sitzende Gefangene hoben kurz die Köpfe. »Psst!« Valencia kicherte und hielt einen passend zum Lippenstift kirschrot lackierten Fingernagel an ihre Lippen. »Psst! Is Bibliothek.«

»Psst! Is Bibliothek.« Connolly imitierte ihre Stimme fast zum Verwechseln, und Valencia lachte.

»Meine Mutter, sie sagen, bekommen Extrageld heute morgen! Für die Tropfen! Danke, danke!«

»Wie geht es Santo?«

»Sie sagen, er ’fektion, aber schon besser. Sie sagen, er nehmen Medizin jeden Tag, is rosa Medizin, wie Kaugummi. Er nicht wehren!«

»Ich habe dir gesagt, er kommt in Ordnung. Sag deiner Mutter, sie darf das Geld nicht für was anderes ausgeben. Wenn er Tropfen braucht, kriegt er Tropfen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.« Alice lugte in das aufgeschlagene juristische Buch. »Was macht deine Berufung?«

»Sieh mal, was ich finden!« sagte Valencia aufgeregt. »Sieh dir an.« Mit großem Eifer legte sie das Buch so hin, daß Alice hineinsehen konnte. Es war ein Prozeßbericht, eine zweispaltige, fein bedruckte Seite aus Dünndruckpapier.

Alice verhöhnte sie. »Du bist keine Anwältin. Du kapierst überhaupt nichts von dem Zeug.«

»Klar.« Valencia nickte, und ihre duftenden Haare bewegten sich so elastisch wie in den Werbespots. »Der Richter sagen, Urteil ungerecht. Er erheben Einspruch. Er sagen, er nicht mehr machen Drogenprozeß. Der Richter, er verzichten!«

»Wirklich? Ein Richter legt sein Amt nieder?«

»Si. In New York.«

»In New York? Das hilft dir in Pennsylvania gar nichts, du Dummkopf.«

»Was?«

»In New York gilt ein anderes Gesetz als in Pennsylvania, und was du da hast, ist sowieso ein Band mit Bundesgerichtsurteilen, da geht es nur um Bundesgesetze. Du hast doch verdammt noch mal keine Ahnung, was du tust.«

Enttäuscht schürzte Valencia die Unterlippe. »Ich schreiben das in meine Brief. Ich das angeben.«

»Na und? Das braucht die nicht zu kümmern. In Philadelphia ist das einen Dreck wert. Gott, bist du dämlich.« Alice streckte sich und schlug Valencias Buch zu. »Ich weiß was Besseres für deine Berufung.« Sie beugte sich näher zu ihr, damit die anderen sie nicht verstehen konnten, und erstickte fast an dem Geruch des verschwenderisch benutzten Giorgio. »Ich habe eine neue Anwältin, eine tolle Anwältin, und ich habe ihr alles über dich erzählt. Sie hat eine Idee für deine Berufung. Ein neues Argument. Sie glaubt, sie kann dich hier rausholen.«

»Dios!« platzte Valencia heraus und schlug die Hand vor den Mund wie eine Kandidatin für den Titel der Miss Venezuela. »Dios mío!«

»Ja, ja. Ist das nicht toll? Trotzdem, nimm dich zusammen. Ich treffe mich mit ihr wegen deiner Sache. Ich habe ihr die Unterlagen vom Gericht gegeben, die du mir überlassen hast, und sie hat versprochen, sie zu lesen und mich dann wieder zu besuchen. Anschließend will sie mit dir über deine Berufung sprechen.« Alice hielt einen Finger an die Lippen. »Du mußt das aber für dich behalten. Wenn irgend jemand erfährt, daß ich das für dich tue, wollen alle anderen auch, daß ich mich für sie einsetze. Dann legt die Anwältin deinen Fall sofort nieder.«

»Ich nichts sagen.« Valencia sah sich rasch um. »Gar nichts.«

»Nicht einmal zu deiner Mutter oder Miguel. Zu niemandem.«

»Niemand, si.«

»Du kannst Geheimnisse gut für dich behalten, das weiß ich. Das hast du ja bewiesen.« Alice tätschelte ihre Hand, weil das für gewöhnlich eine überschwengliche Reaktion auslöste. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich kümmere mich um dich, und ich kümmere mich auch um Santo.«

»Danke Gott«, sagte Valencia leise und drückte Alices Hand. »Danke Gott für dich, meine Freundin.«

Die Zwillingsschwester

Подняться наверх