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Kapitel 3

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Vier Streifenpolizisten zwängten sich bei Little Pete’s in eine Nische. Sie hatten sich für den am weitesten von der Tür entfernten Tisch entschieden, eine Polizistengewohnheit. Als sie sich auf die roten Vinylbänke quetschten, schoben sich blaue Baumwollepauletten nach oben, die Funkgeräte hingen stumm an breiten Ledergürteln. Schwarze Gummiknüppel rollten wie treibende Baumstämme in die Mitte des Tisches und bildeten eine Barriere, und blaue Mützen mit Kordeln und eindrucksvollen Chromabzeichen über jedem lackglänzenden Schild lagen nebeneinander aufgereiht auf einem nahen Sims. Es war noch etwas früh für das Mittagessen, die Nachtschicht brachte die Mahlzeiten durcheinander, doch Patrick »Surf« Lenihan hatte etwas anderes gründlich den Appetit verdorben.

Seinen Spitznamen verdankte Surf seinem Aussehen; sonnengebleichte, weißblonde Haare und ein braungebrannter Körper mit Muskeln, die er in den Sommern als Rettungsschwimmer in South Jersey aufgebaut hatte. Surf hatte den nervösen Stoffwechsel des geborenen Athleten und regte sich ständig über irgend etwas auf; über die neuen Abmachungen, die Zuteilungen, die Gerichtsverhandlung. Obwohl Little Pete’s praktisch leer war, beugte er sich beim Sprechen über den Tisch.

»Es stimmt wirklich«, flüsterte Surf, aber Shawn McShea lachte so heftig, daß er fast an seinem Käsesteak erstickte, und Art Reston nannte Surf einen Witzbold.

»Warum schluckst du so einen Mist?« fragte Reston kopfschüttelnd. Er war groß und kräftig, und die zu schmale Oberlippe kaschierte ein gepflegter dunkler Schnurrbart. In seinen braunen Augen funkelte berufsbedingte Skepsis. In den fünfundzwanzig Jahren, die Reston bei der Polizei war, hatte er gelernt, nichts zu glauben, es sei denn, es wurde von ballistischen und forensischen Untersuchungen belegt oder vom Gewerkschaftsvorsitzenden unter Eid bestätigt.

»Es stimmt, okay?« Surf fuhr sich mit der Hand durch die strohfarbenen Stirnhaare. »Rosato ist Connollys Zwillingsschwester. Ich weiß das von Katies Freundin, die im Knast arbeitet. Sie hat Katie erzählt, daß Rosato heute bei Connolly war.«

»Die nimmt dich auf den Arm.« Reston legte sein Pfefferspecksandwich in einen roten Plastikkorb, der aus unerfindlichen Gründen die Form eines Bootes hatte. Shawn McShea, der neben ihm saß, lachte immer noch, während er eine Serviette aus dem Stahlspender nestelte. McShea, ein fröhlicher Mann mit Knollennase und roten Backen, war der geborene Nikolaus für die Bescherung in einem Kinderkrankenhaus. Sein großes Gesicht lief vor Heiterkeit rot an, als er schluckte und einen Ketchupklecks auf der grobkörnigen Serviette hinterließ.

»Sie nimmt mich nicht auf den Arm«, entgegnete Surf. »Warum sollte sie?«

»Verdammt, woher soll ich das wissen? Vielleicht hat sie was nötig. Vielleicht braucht sie’s mal mit der Rute – mit deiner.« Reston lachte, aber Surfs Miene heiterte sich nicht auf.

»Wenn ihr mir nicht glaubt, kontrollieren wir die Besucherliste. Ich sage euch, Rosato war dort. Und Katie sagte, die beiden sähen einander sehr ähnlich.«

»Blödsinn.« McShea hörte endlich auf zu lachen und trocknete sich mit dem sauberen Ende der verschmierten Serviette die Augen. »Wenn die beiden einander so ähnlich sehen würden, wäre das längst jemandem aufgefallen.«

»Nein.« Surf schüttelte den Kopf. »Connolly hat die Haare rot gefärbt. Rosato ist blond. Rosato ist auch ein bißchen anders gebaut. Sie ist kräftiger, das wißt ihr doch, oder?«

»Nein, ich habe Rosato nie zu Gesicht bekommen. Und kann auch gut darauf verzichten.« Reston schnaubte verächtlich. »Das ist eine Masche, Kleiner. Ein Trick. Connolly beherrscht so was meisterhaft. Du weißt ja, wie sie uns aufs Kreuz gelegt hat.«

»Und wenn schon? Das spielt keine Rolle. Wenn Connolly mit dieser Tour Rosato so weit bringt, daß sie sie im Prozeß vertritt, sind wir geliefert.«

Joe Citrone, der neben Surf saß, hörte mit dem für ihn typischen eisigen Schweigen zu. Joe stand kurz vor der Pensionierung. Er war hoch aufgeschossen wie eine Bohnenstange, und langgezogene Falten, die zu einem scharfkantigen Kinn hinabliefen, faßten seine große knochige Nase wie eine Klammer ein. Joe war kein Mann vieler Worte. Surf fand, daß er immer traurig aussah, weil er diese dunklen Ringe unter den Augen hatte wie viele ältere Italiener. Trotzdem, Joe war der intelligenteste Bulle, den Surf kannte.

»Joe.« Surf wandte sich direkt an ihn. »Was denkst du? Katies Freundin behauptet, die zwei gingen als Doppelgängerinnen durch. Warum sollte sie uns verscheißern?«

»Weiß nicht.«

»Kennst du Katies Freundin? Du kennst doch jeden.«

»Die Tochter von Scotty.« .

»Genau. Und würde die Katie bei so was verscheißern?«

»Weiß nicht.«

»Glaubst du, daß die beiden Zwillinge sind?«

»Weiß nicht.«

McShea begann wieder zu lachen. »Joe im Zeugenstand: ›Nein.‹ ›Nein.‹ ›Nein.‹ ›Nein.‹ ›Weiß nicht.‹«

»Das Joe-Spiel! Das Joe-Spiel! Das Joe-Spiel!« riefen sie und klopften mit Ausnahme von Surf auf den Tisch. Das Joe-Spiel spielten sie stets, um Citrone endlich einmal auf die Palme zu bringen. »Auf ein Neues. Joe kommt nach Hause«, sagte Reston, der den Anfang machte. »Seine Frau fragt: ›Schatz, möchtest du Spaghetti?‹ ›Weiß nicht.‹ ›Schatz, hat es dir in Disney World gefallen ?‹ ›Weiß nicht.‹ ›Schatz, liebst du mich?‹ ›Nein.‹«

McShea hieb mit schwerer Hand auf den Tisch. »Ich hab auch eins! Joe im Bett.« Seine angeregte Miene wurde schlagartig ausdruckslos. »›Nein.‹ ›Nein.‹ ›Nein.‹ ›Oh.‹«

Citrone ignorierte ihr Gelächter und aß seelenruhig sein Käsesteak auf, was McShea und Reston zu noch lauterem Gelächter veranlaßte. Surf konnte es nicht fassen. Was war bloß los mit diesen Arschlöchern? Vielleicht war Joe überhaupt nicht clever. Vielleicht hatte er einfach nie genug gesagt, um etwas Dummes von sich zu geben. »Ich hätte mich da nie mit reinziehen lassen sollen«, jammerte Surf. »Ich wußte es. Verdammt, ich habe es gewußt.«

»Hör auf, du machst dich bloß selbst verrückt.« Reston schnitt eine Grimasse. »Ooh, ich mach mir in die Hosen wegen Rosato.« Er lächelte. »Verdammt, sie ist Anwältin, Mann.«

Surf schüttelte unablässig den Kopf. »Sie ist dem Schwachkopf, der jetzt an dem Fall dran ist, bei weitem über.«

»Und wenn schon«, sagte Reston. »Sie hat eine Anwaltskanzlei mit lauter Frauen. Glaubt ihr, die kriegen alle zur gleichen Zeit ihre Periode?« Er stieß McShea an. »Was für ein entsetzlicher Alptraum. Anwältinnen mit Periode.«

Als McShea Surfs besorgtes Gesicht sah, hörte er auf zu lachen. Er streckte die Hand aus und faßte dem jungen Cop zärtlich unter das Kinn. »Mach dir keine Sorgen, Mädel. Wenn Rosato den Fall übernimmt, und ich sage dir, sie tut es nicht, hat sie gar keine Zeit, um was auf die Beine zu stellen. Sie hätte gerade noch eine Woche, und die halbe Zeit würde sie Interviews geben. Den Zeitungen, dem Fernsehen, dem Kabel. Ihr wißt doch, wie sie ist. Steht sie nicht im Gericht, steht sie vor Kameras.«

»Ta-ta!« sagte Reston, aber Surf warf ihm nur einen finsteren Blick zu.

»Ich unternehme etwas in der Sache, wenn ihr es nicht tut.«

Citrone rieb seine Fingerspitzen aneinander, als entferne er unsichtbare Krümel. »Tu das nicht, Kleiner«, sagte er gelassen.

»Tu was nicht? Mich damit befassen?«

Citrone verzog keine Miene. »Ich kümmere mich darum.«

»Ich regle das. Ich weiß, was zu tun ist. Ich kann nicht tatenlos herumhocken.«

»Ich sagte, ich kümmere mich darum«, wiederholte Citrone, und alle akzeptierten das als letztes Wort in dieser Sache.

Alle, mit Ausnahme von Surf.

Die Zwillingsschwester

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