Читать книгу Palu, der Panda - Lothar Streblow - Страница 11

Frühling

Оглавление

Das änderte sich erst mit dem beginnenden Frühling. Zwar überzog mitunter noch Nachtfrost die Zweige mit pelzigem Rauhreif, doch die warmen Südwinde ließen die Schneedecke von Tag zu Tag mehr zusammenschmelzen. Der verharrschte Schnee wurde dünn und pappig. Selbst unter den letzten Schneeinseln zeigten sich schon junge Grasspitzen. An den Talhängen wurde es wieder grün. Nur oben auf den hochragenden Berggipfeln jenseits der Baumgrenze blieb der Schnee.

Neugierig blickte Palu auf die veränderte Landschaft. Und wenn die Morgennebel der wärmenden Sonne wichen, tobte er verspielt durch die hellen Lichtstrahlen.

Nur lief es sich in dem vom Tauwasser aufgeweichten Erdreich auch nicht leichter als im pappigen Schnee. Mit seinen kurzen Beinen landete Palu trotz seiner scharfen Krallen mitunter in einem glitschigen Loch. Schlamm spritzte hoch. Und sein weißer Pelz bekam schmutzige Flecken.

Doch das kümmerte ihn nicht. Übermütig rannte er vor seiner Mutter her zum Bambuswald. Diesen täglichen Weg kannte er. Und er kannte ihre Gewohnheiten, ihre bedächtige Auswahl der Bambusblätter.

An einem sonnigen Frühlingstag aber verhielt sie sich im Bambusdickicht anders als gewohnt. Die verzweigten Spitzen an den stammartigen Stengeln, die sie sonst immer nahm, interessierten sie offenbar nicht. Unentwegt suchte sie zwischen dem dichten Bambusgewirr und bog die Halme auseinander. Sie suchte etwas anderes. Und sie brauchte eine ganze Weile, bis sie es fand.

Geduldig stapfte Palu durch den Bambushain hinter ihr her. Endlich setzte die Bärin sich hin, griff nach etwas direkt vor ihr.

Es war auch Bambus, aber ganz frischer, ein gerade aus dem Boden gewachsener junger Bambusschößling. Geschickt faßte sie den Schößling mir ihren Vordertatzen und brach ihn ab. Dabei streifte sie die papierähnliche Hülle am Knoten mit den Zähnen herunter wie eine Bananenschale. Und genießerisch schmatzend verspeiste sie den saftigen Jungtrieb.

Das machte Palu neugierig. Was seine Mutter da futterte, war offensichtlich sehr schmackhaft. Und Hunger hatte Palu eigentlich immer. Aufmerksam beobachtete er seine Mutter, wie sie weitersuchte. Und eifrig begann auch er im Bambusgewirr herumzuwühlen.

Doch so einfach war das gar nicht. Selbst für seine Mutter schien es nicht leicht, im dichten Bambusgebüsch die zarten Schößlinge zu entdecken. Und Palu war noch völlig unerfahren. Er mußte lange suchen. Oft erwischte er nur einen abgebrochenen Halmstrunk vom Vorjahr. Aber der war ungenießbar und holzig. Und es war mehr ein Zufall, als er schließlich auf einen Schößling stieß.

Noch ziemlich unbeholfen packte er den schmalen Trieb mit seinen kleinen Pfoten, wie er es bei seiner Mutter gesehen hatte. Hungrig knabberte er daran herum. Zwar bekam er erst die papierartige Hülle zwischen die Zähne, spürte dann aber den fleischigen Innenteil. Und der schmeckte ihm, schmeckte ihm fast so gut wie Milch: zart und saftig.

Palu mampfte und schmatzte. Er war auf den Geschmack gekommen. Und von diesem Geschmack konnte er gar nicht genug kriegen.

Manchmal warf die Bärin ihm einen Blick zu. Sie wußte, daß Palu sich neben der Milch jetzt an feste Nahrung gewöhnen mußte, um selbständig zu werden. Und er brauchte kräftiges Futter, reich an Nährstoffen und Kohlehydraten. Dazu gab es kaum Besseres als junge Bambusschößlinge. Und sie war zufrieden, daß Palu endlich seine Zähne benutzte. Alt genug war er dafür.

Stundenlang blieben die beiden im Bambuswald, suchten und futterten. Zwischendurch dösten sie ein bißchen eng aneinandergeschmiegt im Dickicht, standen auf und futterten an einer anderen Stelle weiter.

Palu lernte ziemlich schnell. Es machte ihm offensichtlich Spaß. Und er wurde satt dabei.

Nur einmal scheuchte er zwischen den Wurzeln eine Bambusratte auf und ließ vor Schreck einen gerade entdeckten frischen Schößling fallen. Doch als sie quiekend flüchtete, nahm er seinen Schößling wieder auf.

Inzwischen war es spät geworden. Allmählich hatten die beiden ihren Hunger gestillt, knabberten nur manchmal noch einen jungen Trieb. Und gemächlich trotteten sie hinaus zum offenen Hang.

Noch schien die Sonne, aber von Norden her bezog sich der Himmel. Graue Wolken verdeckten die letzten Sonnenstrahlen, ließen die verschneiten Gipfel der Qionglai-Berge verschwinden. Es wurde dämmrig im Tal. Und aus einer düsteren Wolkenwand begann es zu regnen.

Verdutzt starrte Palu in die Luft. Regen hatte er noch nie erlebt. Wasser von oben war neu für ihn. Und der Regen wurde heftiger, prasselte in dicken Tropfen auf sein Fell, ließ platschende Blasen auf den überschwappenden Taupfützen tanzen.

Palu fühlte sich unbehaglich. Und er wollte gleich den Rückweg zur Baumhöhle einschlagen. Doch seine Mutter lief erst hinüber zum Bergbach. Palu mußte warten, im strömenden Regen.

Erst als sie ihren Durst am klaren Wasser gelöscht hatte, folgte sie ihm ins Trockene.

Palu, der Panda

Подняться наверх