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Das Pandababy

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Nebelschwaden trieben über den Hangwald, zerfaserten zwischen den Baumkronen. Auf den Berggipfeln der Qionglai-Kette glitzerte ewiger Schnee: kalt schimmerndes Weiß unter tiefblauem Himmel. Die Septembersonne aber schien warm in das Bambusdickicht nahe dem klaren Gebirgsbach.

Die Pandabärin hatte ihren Wurfplatz unterhalb einer hochragenden Felswand sorgsam gewählt: in einem dikken, hohlen Baumstumpf einer uralten, verwitterten Bergfichte, windgeschützt und trocken und weich ausgepolstert mit Bambuszweigen. Hier saß sie Tag und Nacht mit dem massigen Rücken gegen die Öffnung, ihr Baby schützend in den Armen: eine fast nackte, rosafarbene Winzigkeit von knapp hundert Gramm, kaum größer als eine Maus.

Behutsam hielt sie das Kleine warm zwischen ihren mächtigen Vordertatzen und säugte es, wenn es hungrig wurde und laute Babyschreie ausstieß. Und sie leckte es sauber und tröstete es liebevoll, wenn es sich unwohl fühlte und mit quiekenden Klagelauten weinte. Lange Zeit saß sie so, mehr als drei Wochen, während das Kleine kaum merklich heranwuchs und sein dünnes, weiches Fell allmählich die schwarzweiße Pandafärbung annahm.

Von alldem sah Palu noch nichts. Noch waren seine Augen geschlossen. Palu spürte nur die Geborgenheit im wärmenden Pelz seiner Mutter, spürte ihre Fürsorglichkeit, hörte ihre zärtlichen Laute. Und er schnupperte ihren warmen Geruch. Nach Milch mußte er nicht erst suchen. Die Bärin hielt seine kleine Schnauze immer dicht an der Quelle. Palu brauchte nur zu saugen. Und er schmatzte mit Behagen.

Nur selten verließ die Pandabärin die Baumhöhle, um in der Nähe Kot abzusetzen und Nahrung aufzunehmen und zu trinken. Weit war es nicht bis zum Bambusdickicht und zum rasch strömenden Bergbach, der auch im Winter nicht zufror. Und sie brauchte viel Bambus und klares Wasser.

Kaum vermißte Palu ihre wärmende Nähe, schrie er so laut, daß es weithin über die zerklüftete Talschlucht tönte. Ohne seine Mutter fühlte er sich schutzlos. Und er hatte Angst. Doch schon beim ersten Schrei kehrte die Pandabärin eilig zurück, damit seine Stimme keine Feinde anlockte. Für Pandababys lauerten in der Bergwildnis viele Gefahren. Und die Pandamutter wußte das.

Als Palu nach mehr als einem Monat erstmals seine Augen öffnete und die Helligkeit eines späten Sonnentages wahrnahm, sah er auch nicht viel anderes als das wuschelige Fell seiner Mutter, ihren rundlich-dicken weißen Kopf mit den dunklen Augenflecken und den schwarzen Ohren. Und mitunter sah er ihre rosige Zunge, bevor sie ihn behutsam ableckte. Das mochte Palu, besonders an seiner kleinen Nase. Und das genügte ihm. Trinken und vor allem Schlafen, weit mehr als zwanzig Stunden am Tag, und ihre bergende Nähe, mehr brauchte er noch nicht.

Inzwischen war es Herbst geworden am östlichen Abhang des Himalaja. Die Blätter von Ahorn und Birke färbten sich bunt und fielen zu Boden, bildeten eine dichte Decke. Und die Lärchen mit ihren gelb verfärbten Nadeln glichen flammenden Kerzen im letzten Sonnenlicht.

Auf einen warmen feuchten Sommer folgten neblige Tage mit Nieselregen. Und es wurde kalt. Der Winter kam früh in den Qionglai-Bergen. Und er dauerte lange. Schnee fiel bis in die tieferen Lagen. Und über dem grünen Bambusdickicht lag eine eisige Last.

Palu machte der Winter nicht viel aus. Sein dichter gewordenes schwarzweißes Fell wärmte ihn. Und nur selten verließ er die bergenden Arme seiner Mutter, um auf seinen kleinen Tatzen ein wenig herumzukrabbeln. Das konnte er inzwischen. Und es machte ihm Spaß.

Tapsig und unbeholfen krabbelte er über die raschelnden Bambusblätter in der Baumhöhle. Und manchmal streckte er seine kleine, dunkle Nase neugierig hinaus in die wirbelnden Flocken. Bei jedem Luftzug aber flüchtete er zurück in die schützenden Arme seiner Mutter. Palu mochte den kalten Wind nicht.

Er war nun drei Monate alt und mehr als einen halben Meter groß. Seine ersten Zähne brachen durch; und wenn es schmerzte, weinte er ein bißchen und steckte eine Pfote in den Mund. Das half ein wenig gegen den Schmerz.

Immer wieder aber lauschte er aufmerksam, wenn von irgendwo aus der dick verschneiten Landschaft die Laute eines anderen Tieres herüberklangen. Die Bergwildnis war voll von Stimmen, fremden Stimmen, von fern und nah. Und von Geräuschen, seltsamen, unheimlichen Geräuschen.

Das ferne Rauschen des Wasserfalls oberhalb der Talschlucht, wo der Bergbach über eine schroffe Felsklippe sprang, tönte Tag und Nacht. Die Äste der Bergfichten unweit der Baumhöhle knackten unter der Last des Schnees. Manche brachen ab und stürzten krachend zu Boden. An stürmischen Tagen heulte der Wind durch die Baumwipfel, ließ die Eiszapfen klirren. Und wenn die Sonne ins Geäst schien, tropfte es von den Zweigen. Doch in das kalt glitzernde Weiß draußen vor der Wurfhöhle traute Palu sich noch nicht.

Palu, der Panda

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