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Wirri und Senko

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Nach dem Gewitter blieb das Wetter regnerisch. Selten nur brach die Sonne durch das tiefliegende Gewölk. Dann nutzte Robbi ihre schwachen Strahlen, um sich ein wenig aufzuwärmen. Meist aber lagen die Sandbänke bei Ebbe im Wolkenschatten, und der Wind strich kühl übers Watt. Doch das trübe Wetter machte ihm nicht viel aus.

Robbi war wohlgenährt, sein kleines Bäuchlein stattlich gerundet. Und er war wieder ein Stück gewachsen. Jetzt nahm seine Mutter ihn immer häufiger mit auf ihre Fischzüge. Mitunter trieb sie ihm einen Hering oder einen kleinen Plattfisch zu. Er sollte allmählich lernen, sich selbst seine Nahrung zu fangen.

Für Robbi aber war das nur ein aufregendes Spiel. Die vor seiner Nase herumwedelnden Fischschwänze reizten ihn. Pfeilschnell jagte er hinter ihnen her. Und manchmal schnappte er zu, biß auch mal ein Stückchen ab, spuckte es aber gleich wieder aus, um es mit der Nase vor sich herzustupsen. Nun konnte das Spielzeug nicht mehr ausreißen. Geschickt wirbelte er es hoch, schwamm ihm nach, schnappte es wieder und hielt es für Augenblicke zwischen seinen Zähnen. Aber noch schluckte er es nicht hinunter. Er war noch satt von der Milch seiner Mutter, und Fisch brauchte er noch nicht. Doch das Spiel machte ihm Spaß.

Seine Mutter war zufrieden. Wenn ihre Milch zu versiegen begann, würde Robbi sich allein ernähren müssen. Und bis dahin mußte er es können. Noch aber war Zeit: Zeit zum Spiel. Und Robbi war ein sehr verspieltes Robbenkind.

Allmählich lernte er beim Jagen im Meer auch die anderen Mitglieder des Rudels kennen; bei Ebbe lag er ja immer noch getrennt von ihnen bei der Mutter auf der Sandbank. Im Meer aber schlossen sich beide dem Rudel wieder an.

Vor allem hielt sich seine Mutter oft in der Nähe von Harrso auf. Er war der Älteste des Rudels, weit über dreißig Jahre alt und von mächtiger Gestalt. Sein Fell war bedeckt von zahllosen Narben: Bißwunden blutiger Rivalenkämpfe. Diese Narben hatten ihn vor dem Abschuß bewahrt. Trophäenjäger schätzten keine zernarbten Felle, sie bevorzugten die glatten Felle der Jungtiere.

Harrso hatte so seine Erfahrungen mit den Menschen gemacht. Und er besaß ein untrügliches Gespür für ziehende Fischschwärme. Wo Harrso jagte, gab es immer genügend Beute. So folgten die anderen stets dem erfahrenen Alten.

Robbi mochte den alten Harrso, auch wenn er immer respektvollen Abstand hielt. Mehr noch aber mochte er die kleine Wirri. Dieses zierliche Seehundmädchen war ein paar Tage nach ihm geboren worden, am anderen Ende der Sandbank, wo ihre Mutter sie bei Niedrigwasser säugte. Nur selten traf Robbi sie im Wasser an. Auch Wirri war noch ein Milchkind, sorgsam bewacht von ihrer Mutter. Manchmal aber begegneten sie sich. Auch Wirri jagte Fische nur zum Spaß. Das gefiel Robbi. Und er suchte ihre Nähe.

An diesem Tag war das Meer grau und glatt wie gegossenes Blei, nur ab und zu gekräuselt von einer trägen Welle. Robbi schwamm gerade in Kiellinie hinter seiner Mutter, da entdeckte er über der Wasseroberfläche Wirris kleinen runden Kopf mit den großen Augen. Auch sie blickte zu ihm hinüber, blieb aber brav bei ihrer Mutter.

Robbi tauchte kurz ab, um nach Fischen Ausschau zu halten. Da war auch schon einer, ein kleiner Hering. Spielerisch jagte Robbi Wirri den Hering zu, schnitt ihm geschickt den Fluchtweg ab und trieb ihn immer näher. Wirri ging auf das Spiel ein und jagte den Hering zurück zu ihm. So ging das eine ganze Weile; der Hering aber suchte verzweifelt nach einem Ausweg.

Plötzlich tauchte Senko zwischen ihnen auf. Er war etwas älter und größer als Robbi. Und Senko jagte den beiden ihren Fisch ab und schnappte zu. Schwanzlos trieb der Hering davon. Die beiden stutzten. Senko spuckte den Fischschwanz aus. Auch er hatte noch keinen Appetit auf Fisch.

Robbi suchte nach einem anderen Hering, während Wirri ihm unter Wasser folgte und lautlos an seine Seite glitt. Aber da war nichts, keine Bewegung. Die Fische waren geflüchtet. Robbi schnappte nach dem davontreibenden Heringsschwanz. Damit zu spielen machte nur halb so viel Spaß. Doch dann stupste Senko den schwanzlosen Hering mit der Nase vor sich her, den beiden entgegen. Sofort schwammen sie auf ihn los.

In diesem Augenblick wurden die drei jäh unterbrochen. Im Spieleifer waren sie zu weit hinter dem Rudel zurückgeblieben, kaum sichtbar noch in der bleigrauen See. Jetzt preschte Wirris Mutter heran und scheuchte ihre kleine Tochter, die sich folgsam Huckepack nehmen ließ. Dann verschwanden die beiden seewärts.

Robbi blieb mit Senko allein zurück. Aber nicht lange. Gemächlich folgten die zwei Seehundknaben dem Rudel. Das Spiel war zu Ende.

Robbi, der Heuler vom Wattenmeer

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