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Blutige Spur

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Das Leben aber besteht nicht nur aus Spiel, auch für kleine Seehunde nicht. Robbi sollte das sehr bald erfahren. Er war nun fast fünf Wochen alt. Und immer häufiger drang seine Mutter darauf, daß er selbständig jagen lernte.

Zwar machte Robbi das Jagen Spaß, und ab und zu erwischte er auch mal einen Fisch, aber er dachte gar nicht daran, ihn auch hinunterzuschlucken. Mitunter kaute er nur lustlos ein wenig darauf herum, spuckte das Fischstückchen aber gleich wieder ins Wasser. Er wollte nur seine Milch. Die schmeckte ihm besser.

An diesem Abend setzte die Flut mit der Dämmerung ein. Robbis Mutter jagte im Priel. Und sie trieb Robbi immer wieder Plattfische zu, die sie mit ihren Barthaaren vom Grund aufscheuchte. Das kannte Robbi schon. Nur hielt er auch heute noch nichts von einer Fischmahlzeit.

Aufmerksam beobachtete er seine Mutter, wie sie mit ihrem spindelförmigen Körper dicht über den sandigen Grund dahinglitt. Garnelen und Kleinfische stoben in überstürzter Flucht davon.

Mit einemmal sah er, daß seine Mutter schmerzlich zusammenzuckte. Unter ihr, halb verborgen im Sand, schimmerte der schartige Rand einer Konservenbüchse im Dämmerlicht. Und von einer klaffenden Wunde am Bauch zog sich eine blutige Spur durch das Wasser.

Robbi erschrak, spürte dumpf die Gefahr. Noch wußte er nicht, was das bedeutete. Er sah nur den Schmerz in den Augen seiner Mutter. Und er begriff, daß die Jagd zu Ende war. Seine Mutter schwamm den Priel hinab seewärts, dem offenen Meer zu. Er folgte ihr.

Sie schwamm sehr schnell, viel schneller, als Robbi es von ihr gewohnt war. Und sie jagte nicht, sondern schien vielmehr in gerader Linie ein bestimmtes Ziel anzusteuern. Robbi hatte Mühe, ihr zu folgen. Aber die Blutspur im Wasser zeigte deutlich den Weg. Seine Mutter verlor viel Blut.

Längst schon hatten sie das offene Meer erreicht. Die See wurde bewegter. Und noch immer hielt seine Mutter ihren Kurs. Plötzlich aber tauchte sie ab in Tiefen, wo Robbi noch nie gewesen war. Hier war der Grund dunkel. Lange Bänder von Seetang trieben in der Unterwasserströmung, wedelten ihm wie unheimliche Wesen um den Kopf.

Robbi zögerte kurz. Dann sah er, wie seine Mutter anhielt. Und sie tat etwas, das er noch nie gesehen hatte. Sie kaute die Tangblätter, kaute den ganzen Strang entlang. Dabei drehte sie sich langsam um sich selbst, wand sich die Tangschlingen um den Körper, immer wieder, bis die zerkauten Blätter ihre Bauchwunde dicht verschlossen. Endlich schwamm sie nach oben, um Luft zu holen.

Robbi blieb nahe bei ihr und tauchte mit ihr auf. Hier oben war es heller, hier herrschte ein trübes Dämmerlicht. Doch es war hell genug zu erkennen, daß die Blutung aufgehört hatte. Jetzt schwamm seine Mutter langsamer, mit äußerster Vorsicht, damit die Tangbänder sich nicht durch die Strömung lösten. Es dauerte lange, bis sie die Sandbank erreichten.

Nur wenige erhöhte Stellen lagen noch trocken. Die meisten Seehunde waren schon im Wasser und blickten ihnen aufmerksam entgegen. Dann folgten auch die anderen. Das Rudel wandte sich seewärts. Gemeinsam schwammen sie hinaus in die anbrandende Flut.

Robbi verspürte Hunger. Aber in dieser Nacht mußte er hungrig bleiben. Diesmal gab es keine Milch für ihn. Und das gefiel ihm gar nicht.

Robbi, der Heuler vom Wattenmeer

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