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Lehrzeit

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Tage und Nächte vergingen im ewigen Wechsel von Ebbe und Flut. Robbi war gewachsen, größer und schwerer geworden. Aber noch war er ein Baby, blieb auf seine Mutter angewiesen. Und das würde er auch noch eine Weile bleiben.

Doch er war schon ein wenig selbständiger. Das Schwimmen machte ihm Spaß, auch bei Nacht, unter dem fernen Glitzern der Sterne. Pfeilschnell schoß er dann durch die dunklen Fluten, dicht bei seiner Mutter.

Wenn eine Welle ihn abtrieb und er für Augenblicke den Kontakt zu ihr verlor, heulte er kläglich auf. Einsamkeit konnte er nicht ertragen. Erst wenn seine Mutter herbeischwamm und ihm einen tröstenden Nasenkuß gab, fühlte er sich beruhigt.

Dafür war er auf der trockenen Sandbank um so neugieriger. Hier konnte er seine Mutter nicht verlieren. Auf jedes unbekannte Wesen robbte er vertrauensvoll zu, um damit zu spielen.

Inzwischen wußte er, daß die Strandkrabben viel schneller waren als er. Trotzdem mußte er es immer wieder versuchen. Aber es gab ja noch mehr seltsame Tiere im Watt: Muscheln und Einsiedlerkrebse, die mit ihrem Hinterleib im Gehäuse einer Wellhornschnecke steckten. Die waren längst nicht so schnell. Und in den angespülten Tanghaufen trieben sich Sandhüpfer und Strandflöhe herum und verfingen sich mitunter in seinen Barthaaren.

Robbi stutzte und robbte weiter. Ein heller Schlangenstern, der mit seinen fünf Armen in einer flachen Wasserpfütze langsam dahinkroch, interessierte ihn. Den mußte er genauer betrachten. Vorsichtig stieß er ihn mit seiner kleinen Nase an. Seine Mutter ließ ihn gewähren.

Aber nicht alle Tiere waren für den kleinen Robbi so harmlos. Bei Ebbe kamen auch allerlei Vögel, um mit ihren spitzen Schnäbeln im Watt nach Nahrung zu stochern: Austernfischer und Säbelschnäbler, Lachmöwen und Strandläufer. Gegen die hatte Robbis Mutter nichts einzuwenden. Wenn er sich aber den großen Silbermöwen nähern wollte, hielt sie ihn mit ihrer Vorderflosse energisch zurück. Diese riesigen Vögel waren kein Spielzeug für kleine Seehunde.

Nicht immer aber fiel das Watt trocken, bei bewegter See oft tagelang nicht. Und wenn kurz nach Neu- und Vollmond die Springtiden kamen und ein Windstau vor der Küste das Hochwasser nicht ablaufen ließ, blieben auch die großen Sandbänke überflutet. Dann gab es keine Ruhepausen in der wärmenden Sonne. Auch das mußte Robbi lernen. Zwar konnte er sich, wenn er müde war, mit seinen kleinen Flossen auf dem Rücken der Mutter festklammern, doch auch sie mußte irgendwann einmal schlafen. Das ging, wie Robbi bald merkte, auch im Wasser. Seine Mutter legte sich dann waagerecht flach zur Wasseroberfläche und hob zum Atmen nur ab und zu die Nase. Und das tat Robbi dann auch. Hauptsache, seine Mutter war bei ihm.

Erst später lernte er, daß man auch senkrecht im Wasser oder auf dem Meeresgrund schlafen konnte. Das Atmen an der Oberfläche ging dann ganz automatisch vor sich. Eigentlich war es nicht viel anders als beim Tauchen. Und das konnte Robbi schließlich.

Tauchen hatte ihm schon am ersten Tag Spaß gemacht. Nur hatte er sich da noch nicht so recht getraut. Inzwischen spürte er keine Angst mehr vor dem tiefen Meer. Er wußte, daß seine Mutter ihm überallhin folgte und ihn auch unter Wasser nicht aus den Augen ließ. Das war ein beruhigendes Gefühl.

Verspielt jagte er hinter den silbrig schimmernden Fischen her, die eiligst vor ihm davonstoben. Das hatte er seiner Mutter abgesehen, wenn sie ihre Nahrung im Meer suchte. Aber Robbi spielte nur. Er folgte dem Urtrieb, spielend das Überleben zu lernen. Noch hatte er keinen Appetit auf Fisch. Robbi war ja noch ein Säugling.

Und auch darin hatte Robbi etwas dazugelernt. Das Milchtrinken gelang auch unter Wasser. Seine kleine Zun ge war so geformt, daß er damit die Milchquelle seiner Mutter fest genug umschließen konnte, ohne dabei Wasser zu schlucken. Er brauchte also nicht zu hungern, wenn es nirgendwo eine trockene Sandbank gab.

Das fand Robbi tröstlich, trotzdem zog er seine Mahlzeiten auf der Sandbank vor. Er döste danach gern in der warmen Sonne, ließ sie sich genießerisch auf den Pelz brennen. Und Sonne gab es nur auf dem Sand.

Die Welt des kleinen Robbi schien in Ordnung. Aber noch wußte er ja nicht viel von der Welt, hatte noch keine bösen Erfahrungen gemacht.

Robbi, der Heuler vom Wattenmeer

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