Читать книгу Auf den Punkt gebracht - Lotte Tobisch - Страница 22

Weihnachtsmann und Christkindl

Оглавление

Nach zwei Monaten Besatzungszeit sind wir diesen wattbärtigen Riesenmann mit seinem Rentierschlitten samt den selig-fröhlichen Ihr Kinderlein, kommet-Geräuschen wieder für ein Jahr los. Und man wünscht sich, dass er diesmal auch seinen Halloween-Kürbiskopf mitnehmen möge und dass dann die Gemeinde Wien schleunigst die Stadt von den Resten der zurückgelassenen Fressbuden und Ramschstandln reinigt, die sie für teures Geld den Händlern vermietet, als wäre die Stadt ihr Eigentum.

Habe ich nicht irgendwo ungläubig gelesen, dass wir angesichts einer Islam-Bedrohung das christliche Abendland verteidigen müssen? Und verkündigt nicht die Weihnachtsgeschichte, ganz unabhängig davon, ob man sie als eine göttliche Offenbarung oder eine Menschheitsdichtung erkennt, eine der zentralen Botschaften des Abendlandes? So oder so: Ob Gott die Menschen oder die Menschen Gott erfunden haben − mit der Geschichte des Kindes von Bethlehem beginnt das Wunder der jüdisch-christlichen Kultur des Abendlandes. Und darum sollte man den importierten Weihnachtsmann hinauswerfen und den Kleinen ihren Altersgenossen, das Wiener Christkindl, wiederschenken.

Am Anfang der Weihnachtsgeschichte war die Werbung. Mit den cherubinischen Worten »Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll« war es um die Stille der Weihnacht geschehen. Der Teufel war los, als sich die Menschen infolgedessen auf den Weg machten, um das Verkündigte zu sehen.

Die himmlische Werbestrategie von einst wirkt bis heute nach. Durch die Weihnachtswerbung entsteht nicht zufällig ein der ursprünglichen Bedeutung des Wortes »Werbung« etymologisch entsprechendes »Wirbeln« der Gesellschaft, in der sich wochenlang alles um das bevorstehende Fest dreht. Frieden und Versöhnung sind nach wie vor verlockende Angebote, um sich auf das Heil versprechende Fest einzulassen.

Seltsamerweise wird jedoch die Weihnachtsgeschichte, die Geschichte von der Geburt Jesu, in den Evangelien nach Markus und Johannes nicht erzählt. Noch seltsamer, da das Wort, das am Anfang gottgleich bei Gott war, laut dem Evangelisten Johannes durch die Geburt des Kindes Fleisch geworden ist.

Warum die Evangelisten Markus und Johannes von diesem freudig staunenden Willkommensgruß der Welt, den wir Weihnachten nennen, keine Notiz nahmen, bleibt ein weihnachtliches Geheimnis, mit dem wir uns heute näher auseinandersetzen sollten. Warum wollten sie nicht über dieses im Judentum stattfindende Initialereignis für das Christentum berichten? Wir wissen es nicht und können darüber nur spekulieren. Ich jedenfalls könnte mir vorstellen, dass sie den »Wirbel« um Weihnachten prophetisch ahnten und dem Christkind die Gefahr, in diesem Wirbelsturm verloren zu gehen, ersparen wollten.

Auf den Punkt gebracht

Подняться наверх