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Die Milch der frommen Denkart

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Endlich ist es der EU mithilfe ihrer Fachexperten nach ernsthafter, gründlicher Prüfung gelungen, für eines der brisantesten Themen unserer derzeitigen Situation eine einstimmige Lösung beziehungsweise Verordnung zu erreichen. Das Resultat ihrer Bemühungen ist ebenso sensationell wie die daraus abzuleitende Meinung der EU vom Intelligenzgrad ihrer Bürger, sprich: Wähler. Es handelt sich um die verbindlich geltende Anordnung, dass ab sofort mit dem Begriff »Milch« nur die aus einem Euter, einer Zitze oder Brust abgezapfte Flüssigkeit bezeichnet werden darf, zum Schutze der Fauna-Milch und der EU-Bürger, da diese sonst annehmen könnten, dass auch Soja-, Bräunungs-, Rosen- und sonstige Milche ein eutergemolkenes Produkt sind.

Es ist schon mehr als beängstigend, dass die EU auch in Chaoszeiten wie diesen − ähnlich unserer glorreichen Koalitionsregierung – fröhlich weitermacht wie bisher: mit Bevormundungen, Überregulierungen, unbelehrbar und uneinsichtig. Da kann der allmählich hoffnungslose Bürger wirklich nur noch die Schiller’sche »Milch der frommen Denkart« trinken, sich der Sommersonne erfreuen und sich dafür ordentlich mit Sonnenmilch einschmieren.

Am Anfang der Zivilisation war das in Worte gefasste und mit Worten gesprochene Recht. Für den nach Gemeinschaft strebenden Menschen die Lösung, um mit seinen aus unterschiedlichen Interessen entsprießenden Konflikten zivilisiert umgehen zu können. Ein Dualismus der besonderen Art, durch den einerseits des Menschen soziale Neigung zum friedvollen Zusammenleben als auch dessen Veranlagung, seinesgleichen vernichten zu wollen, anschaulich wird.

Der Mensch hat bis heute keinen effizienteren Schlüssel für die Entschärfung der stets tickenden Zeitbombe individueller Bedürfnisse und Begierden gefunden. Ohne staatlich erlassene und durch Sanktionen gesicherte Rechtsnormen würde durch das menschliche Streben nach Selbstverwirklichung die Gemeinschaft einer in uns allen schlummernden Barbarei weichen. Und dort, wo das geschieht, entpuppt sich das Recht auf alles auf tragisch-inhumane Weise als ein Recht auf nichts.

Rechtsstaaten haben den Hang, die Freiheit des Einzelnen durch rechtliche Begrenzung dessen Handelns zu sichern. Das bedeutet im Idealfall, dass die Freiheit des einen dort aufhört, wo die Freiheit des anderen beginnt. Doch um dies zu erreichen, müssten sich alle Parteien so verhalten, dass die Rechtslage keine Schlagseite bekommt.

Unmaß und Banalität liegen zumeist eng beisammen und können, wenn nicht im Zaum gehalten, durchgehen. Und wie jeder Reiter weiß und jeder Politiker wissen sollte, bedarf es großen Könnens und Feingefühls, um ein durchgehendes Pferd, das aus seinem vertrauenden Frieden geschreckt wurde, zu stoppen.

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