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Selbst denken empfohlen

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Während im grundbürgerlichen Graz bei den Gemeinderatswahlen die Kommunisten zur zweitstärksten Partei aufgestiegen sind, überlegen engagierte Spindoktoren, wie man nachlesen konnte, für jede einzelne unserer Ex-Großparteien, wie weit man sich gegebenenfalls nach rechts verbiegen könnte, um in neufärbiger Koalition nach den nächsten Nationalratswahlen weiter mitrudern zu können. Angesichts des Wählerverhaltens in Graz, einer Stadt, die für KP-Ideologie nie anfällig war (ganz im Gegenteil bekanntlich), wären unsere Ex-Großparteien gut beraten, ihre Spindoktoren heimzugeigen und wieder selbstständig denken zu lernen. Dann würden sie bald draufkommen, womit es der rührigen KP-Chefin gelungen ist, mehr als 20 Prozent der rosa und schwarzen Mittelständler dafür zu gewinnen, »ein Stück des Weges mit ihr gemeinsam zu gehen«.

Der alte, kluge Fuchs Kreisky mag wohl ihr Lehrmeister gewesen sein: Jeder Bürger des Landes konnte seine Privatadresse samt Telefonnummer im amtlichen Telefonbuch finden. Ihn zu erwischen, war allerdings schwer, aber immerhin: Es lag im Bereich der Möglichkeit, und, wie man hörte, mit viel Glück und Geduld ist es auch tatsächlich gelungen.

Am Anfang war der Gedanke und nicht das Wort. Das sagen uns die Psychologen, und wir sollten es ihnen mit aufklärerischer Skepsis glauben. Schon deshalb, weil das Nichtdenken unmöglich ist, da man es nur durch bewusstes Denken ausschalten kann. Und das ist die Krux an der Sache, dienen doch 99 Prozent der Gehirnleistung dazu, den Laden in Gang zu halten, und nur ein mickriges Prozent, um die auf uns einwirkenden 11 Millionen Reize pro Sekunde zu verarbeiten. Dass das funktionieren kann, liegt daran, dass unser Hirn ein Sieb ist, welches das Unnötige herausfiltert, um uns mit dem Rest eine vermeintliche Realität vorzutäuschen.

Wir können von Glück sprechen, dass uns die Evolution diese vorgetäuschte Wirklichkeit auch als Täuschung erkennen lässt. Wenn dem nicht so wäre, wäre uns ein gesellschaftlich relevantes Denken nicht möglich, und wir würden alles für bare Münze nehmen.

Dass Denken die Welt zu einer besseren macht, ist eine Mär. Das Denkvermögen vieler Menschen führt oft in eine gedankliche Pleite. Wer dem Schwarz-Weiß-Denken den Vorzug gibt, erspart sich die belastenden Zwischentöne des Differenzierens. Und wer das Um-die-Ecke-Denken forciert, vergewaltigt das Nervenkorsett der anderen, ohne das Problem zu bewältigen. Mit dem Sich-nichts-dabei-Denken erhält man unwidersprochen seine Unbekümmertheit und mit einem Nicht-daran-zu-Denken das insgeheim angepeilte Argument, alles so zu belassen, wie es ist. Doch die Ritter der allertraurigsten Gestalt sind jene, die das Altabgelagerte in ihrem Gehirn immer wieder bestätigen, damit die daraus gefassten Meinungen nicht überdacht werden müssen.

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