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Trägerin der Lebenskraft

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Die Knospe ist ähnlich einem Samenkorn Trägerin der unverbrauchbaren Lebenskraft, die (ohne jegliche Verschleißerscheinungen zu zeigen) über unvorstellbare Zeiten hinweg jedes Jahr erneut aufgeht und auf vielfältige Weise Grundlage jedes Lebens ist – einer Lebenskraft, die es der modernen Naturwissenschaft zufolge gar nicht gibt, die in ihren Augen entweder ein verstaubtes Konzept veralteter Medizinsysteme oder ganz einfach esoterischer Humbug ist, da man sie mit den Werkzeugen der Naturwissenschaft nicht messen kann. Trotz der Unwägbarkeit dieser numinosen Kraft wurde sie zu allen Zeiten und in allen Kulturen wahrgenommen und erhielt viele unterschiedliche Namen und Darstellungen. Einen beredten, auf (vor)bildhafte Weise entstandenen Begriff dieser Kraft schenkte uns die Benediktineräbtissin Hildegard von Bingen (1098–1179). Sie gab ihr den Namen »Viriditas« – »Grünkraft« –, die aus Gott kommt und aus ihm immer wieder regeneriert werden muss. Krankheit ist ihrer Lehre gemäß ein Mangel an Viriditas, die zu »Ariditas« (»Trockenheit«) führt. Ziel einer jeglichen Behandlung sei zuvorderst die Stärkung der Viriditas. Dazu erteilte Hildegard in ihrem literarischen Werk viele bis zum heutigen Tag sinnvolle Ratschläge.

Nicht umsonst brauchte sie die Farbe Grün, um etwas in Worte zu kleiden, was ihr so sehr am Herzen lag und in ihren Werken immer wieder zur Sprache kommt. Im europäischen Kulturraum wird jeder Mensch mit der Farbe Grün die Pflanzenwelt in Verbindung bringen, die uns die meiste Zeit des Jahres über begleitet und für so gewöhnlich gehalten wird, dass man sie im Alltag kaum würdigt. Erst nach einem schneereichen Winter, wenn die frisch sprossende Vegetation ihre überbordende Grünkraft auf Mensch und Tier überträgt, werden wir ihrer wieder bewusst. Dann ist die Jahreszeit gekommen, in der unsere Vorfahren ausgelassene Frühlingsfeste feierten – jene Feste, bei denen es immer um die Wiederauferstehung der Natur geht, die Erneuerung der Lebenskraft, die alles und jeden mit der unerschöpflichen Quelle des Lebens verbindet.

Aus der Sonne stammt letztendlich das Grün der Pflanzen. Im Blattgrün (Chlorophyll) wird über die Photosynthese aus Licht die Grundlage des Lebens geschaffen. Aus diesem Grund auch sind Pflanzen, allen voran die Bäume, Symbole des Lebens. Menschen und Pflanzen verhalten sich zueinander wie die Farben Grün und Rot. Sie sind einander komplementär. Der rote Blutfarbstoff des Menschen, das Hämoglobin, und das pflanzliche Chlorophyll sind strukturell bis auf ein Spurenelement nah verwandt. Das Hämoglobin enthält Eisen an derselben Stelle, wo sich beim Chlorophyll Magnesium befindet. Das Eisen gibt die rote, das Magnesium die grüne Farbe. Die nahe Verwandtschaft des Chlorophylls mit dem Hämoglobin kann der menschliche Organismus sogar für den eigenen Blutaufbau nutzen. Der Verzehr chlorophyllreichen Gemüses unterstützt nachweislich die Bildung von roten Blutkörperchen und Hämoglobin im roten Knochenmark. Ebenso sind Mensch und Pflanze durch den Austausch von Kohlendioxid und Sauerstoff im Atemprozess verbunden.

Selbst wenn die Lebenskraft im naturwissenschaftlichen Sinne nicht zu beweisen ist, so kann man sie naturwissenschaftlich auch nicht widerlegen. Eines aber dürfte klar sein: Jeder Einzelne ist dazu in der Lage, sie zu erleben, zu fühlen und in ihren Wirkungen zu beobachten.

Gemmotherapie

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