Читать книгу Die zwei Welten - L.R. Bäuml - Страница 12
Kapitel 9
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Tropfen des rauschenden Wasserfalls prasselten gegen ihr Fenster. Sie schritt ungeduldig in ihrem Zimmer auf und ab. Er konnte, nein, er durfte sie nicht zur Frau nehmen – Niemals! Egal wie sehr er ihr einzureden versuchte, dass er alles für sie getan hatte, dass er derjenige gewesen war, der sie gerettet hatte – Es durfte nicht geschehen! Schon seit Tagen machte sich das ungute Gefühl in ihr breit, dass er sie bald empfangen würde. Dies zu verhindern, dafür war es bereits zu spät. Eine Vermählung jedoch musste sich doch irgendwie vermeiden lassen!
„Trajfel!“, rief sie und ihr Diener kam wenige Sekunden später in ihr ausschweifendes, aber dennoch wohl dekoriertes Zimmer.
„Ja meine Herrin?“, fragte dieser, als er sich leicht vor ihr verbeugte.
„Hole mir Bogoris, ich möchte mit ihm sprechen!“, befahl sie ihm und er verließ eilig das Zimmer mit den Worten:
„Sehr wohl, meine Herrin.“
Sie fuhr mit ihrem ungeduldigen Tanz fort und schritt gedankenversunken auf und ab, auf und ab. Normalerweise beruhigte sie das kräftige Plätschern des Wasserfalls, doch in diesen kritischen Zeiten half auch das nichts.
Warum hatte sie seine Pläne nicht schon vorher durchschaut? War sie so blind gewesen die Gefahr nicht zu erkennen?
Mensch, wo blieb denn nur Bogoris? Wenn einer ihr helfen konnte, dann ihr treuer Berater Bogoris!
Schon so oft hatte er seine Weisheit und sein Geschick unter Beweis gestellt. Wie das eine mal, als er ihr Volk vor den bösen Mächten des Nordens beschützt hatte, ohne dass auch nur ein Tropfen Blut geflossen war. Man konnte zwar nicht gerade behaupten, dass sie nun Verbündete waren, aber zumindest mussten sie sich nicht mehr vor einem Angriff aus dem Norden fürchten. Dies könnte sich jedoch schlagartig ändern, sollte es zu einer Hochzeit kommen.
„Meine Herrin?“, fragte Bogoris, als er außer Atem, aber dennoch graziös ihr Zimmer betrat.
„Bogoris! Da bist du ja endlich!“, erwiderte sie ungeduldig.
„Ich habe etwas mit dir zu besprechen! Trajfel, schließe die Tür und sieh zu, dass uns niemand stört!“
Trajfel tat, wie ihm befohlen wurde. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, wandte sie sich Bogoris zu.
„Ava, meine Liebe“, sagte dieser, als er sie in den Arm nahm.
„Was ist los mit dir? Du scheinst beunruhigt!“
Endlich konnte sie loslassen und sich in seinen Armen geborgen fühlen. Es war manchmal sehr schwer, die Herrscherin eines Volkes zu sein. Die wenigen Minuten, die sie mit ihrem Bogoris verbringen konnte ,waren die einzigen, in denen sie Schwäche zeigen durfte. Die einzigen Minuten, in denen sie eine Frau und keine Herrscherin sein durfte.
„Bogoris“, sagte sie als sie sich an seine Brust kuschelte „die Vermählung muss gestoppt werden, oder mein Volk, die Einwohner der Stadt der tausend Tränen, wird Vergangenheit sein!“
Bogoris zog sie näher an sich heran, um ihr zu zeigen, dass er sie beschützen würde, egal was passieren möge.
„Von welcher Hochzeit sprichst du?“, fragte er sanft und Ava begann ihm zu erzählen, was sie gesehen hatte.
Kapitel 10
„Thomas, es ist Zeit uns auf den Weg zu machen!“, rief Michael aus seiner Küche.
„Gib mir noch fünf Minuten, ich muss noch schnell fertig packen!“, antwortete Thomas, der die letzte Nacht bei Michael auf dem Sofa verbracht hatte, so dass sie gemeinsam und rechtzeitig zum Bahnhof kommen konnten.
Sie waren zu dem Entschluss gekommen, dass das wohl die beste Lösung war; Zum einen, weil Michaels Wohnung in der Nähe des Hauptbahnhofs lag, der somit von dort aus zu Fuß zu erreichen war, zum anderen, weil sie Thomas Frau nicht in ihren Plan einbeziehen wollten und sie ihr nur so erzählen konnten, dass Thomas für vier Tage auf Fortbildung sei, ohne dass sie ihn eventuell zum Bahnhof begleiten wollte. Sie wollten nicht, dass irgendwer wusste, wohin sie wirklich hinfuhren. Strenggenommen war es nämlich nicht in Ordnung, auf eigene Faust Ermittlungen zu beginnen, und genau hiernach würde es für Außenstehende aussehen.
„Thomas! Wenn du so weiter trödelst, dann fährt der Zug noch ohne uns ab!“, rief Michael ungeduldig, während er seinen Wanderrucksack zur Wohnungstür schleppte.
„Immer mit der Ruhe, ich bin ja schon da!“, sagte Thomas, der gerade um die Ecke kam.
Obwohl sie das meiste des Weges rannten, kamen sie gerade rechtzeitig am Gleis an; denn kaum waren sie eingestiegen, ertönte auch schon der Pfiff des Schaffners und der Zug fuhr los. Eine Stunde würde die Fahrt dauern. Eine Stunde, die sie damit verbrachten, noch einmal alle möglichen Anhaltspunkte durchzugehen. Es waren nicht gerade viele. Sie hatten die Adresse von Neles Hütte, den Namen und die Adresse desjenigen, der sich in ihrer Abwesenheit um diese kümmerte, die Adresse des nächstgelegenen Supermarkts und den Namen des Ortes, zu dem die Hütte gehörte. Sie würden zunächst versuchen mit dem Mann Kontakt aufzunehmen, der sich um die Hütte kümmerte. Vielleicht könnten sie ja gegen ein wenig Geld dort schlafen? Dies hätte den Vorteil, dass sie von ihrer Dienstmarke keinen Gebrauch machen müssten und somit ganz zivil dort einen Blick hinein werfen könnten. Aber wer weiß, vielleicht war Nele sogar dort?
Als sie in dem kleinen Ort ankamen, machten sie sich auf die Suche nach dem Mann. Sie fanden sein kleines Haus auf der Hauptstraße mühelos und klingelten. Wenig später ging die Tür auf und ein älterer Herr mit grauen Haaren schaute sie misstrauisch an.
„Ja bitte?“, fragte er.
„Sind Sie Herr Walter? Uns wurde gesagt, dass sie für die schöne Hütte am Berg verantwortlich sind.“, sagte Thomas.
„Ja?“, fragte der alte Mann skeptisch.
„Wir wollten fragen, ob es vielleicht möglich wäre, diese für ein paar Tage zu mieten?“, fragte Thomas.
Der Mann ließ ein zustimmendes Grunzen verlauten und nachdem sie einen Preis ausgehandelt hatten, holte er den Schlüssel.
„Ich fahr sie ein Stück weit nach oben, den Rest muss man zu Fuß gehen. Ich begleite sie jedoch, damit ich Ihnen zeigen kann, wie das mit dem Stromgenerator funktioniert“, meinte er und führte sie zu seinem Auto.
Michaels Hoffnung, dass Nele dort sein könnte, war zwar ruiniert, dennoch konnte er ihr Glück, dass sie die Hütte mieten konnten, kaum fassen. Selbst hier in den Bergen schien den Leuten ein kleiner Nebenverdienst recht zu sein. Manchmal war es wohl von Vorteil, dass Geld die Welt regierte.
Während der Fahrt wollte der alte Mann wissen, was sie eigentlich in diese Gegend trieb. Michael antwortete, dass sie ein wenig aus der Stadt raus wollten, ein bisschen Natur erleben. Diese Antwort schien dem Mann zu gefallen, denn er erzählte, dass sein Sohn in die Stadt gezogen sei und er ihn bis jetzt nur einmal besucht hätte. Er fand es dort viel zu schrecklich. So viele Menschen, andauernd ist es laut und diese Werbung überall… Nein, nein, auf dem Land, in den Bergen, sei es doch viel schöner.
Als sie sich zu Fuß der Hütte näherten sagte er überraschend:
„Eine junge Frau lebte hier während der Schulferien. Ein sehr nettes Mädchen und hübsch. Doch vor nicht allzu langer Zeit zog sie unerwartet aus. Ich hatte sie noch am Nachmittag im Dorf gesehen, doch am nächsten Tag war sie schon wieder weg. Seitdem steht die Hütte leer, denn auch ihre Sachen, die sie dort aufbewahrt hatte, waren weg.“
Diese Information traf Michael wie ein Blitz, sie würden wohl kaum etwas entdecken, was ihnen weiterhelfen würde, sie zu finden, wenn all ihre Sachen weg waren. Doch wenigstens wussten sie, dass sie hier gewesen war. Er wollte mehr wissen, doch nicht allzu auffällig zu erkennen geben, dass er sich in Wirklichkeit sehr dafür interessierte, von daher sagte er:
„Das klingt ja merkwürdig. Warum sollte sie denn einfach so von heute auf morgen verschwinden und alles mitnehmen?“
Der alte Mann blieb stehen und drehte sich mit zusammen gekniffenen Augen zu ihm um:
„Merkwürdig, allerdings. Doch in dieser Gegend geschehen allerhand merkwürdige Dinge. Fremde wie Sie sieht man hier selten – ebenfalls sehr merkwürdig, dass Sie gerade jetzt kommen und nach dieser Hütte fragen. Finden Sie nicht auch?“