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Kapitel 5
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Michael drehte und wälzte sich. Träume von magischen Wesen durchzogen seinen Schlaf. Böse Wesen, die ihm an den Kragen wollten. Gute Wesen, die ihn beschützen wollten, und Nele, die ihn mit ihrem geheimnisvollen Lächeln aus der Ferne anblickte, um ihm Mut zu geben. Nele, von ihr wollte er träumen. Von ihren glänzenden braunen Haaren, die ihr weiches Gesicht sanft umrahmten und ihren sanften haselnussbraunen Augen. Von ihrem hübschen Mund, der sich langsam in ihr charmantes Lächeln bog. Wie sich ihr Kopf Stück für Stück seinem näherte und wie sie ihre Lippen an sein Ohr brachte, damit sie ihm sanft zuflüstern konnte… Ding Dong! Ding Dong!
Die Klingel an seiner Wohnungstür riss ihn sofort aus seinem Traum. Er brauchte ein wenig, um zu begreifen, dass jemand tatsächlich an seiner Tür stand und ungeduldig wartete, bis er die Tür aufmachte. Neles Angesicht schwebte noch vor seinen Augen, doch als es allmählich verblasste, schüttelte er seinen Kopf, um vollkommen wach zu werden. Er griff nach einer Hose, die auf dem Boden neben seinem Bett lag, und einem T-Shirt, das daneben war, und zog sich stolpernd auf dem Weg zur Tür an.
Kaum hatte er diese geöffnet, trat auch schon sein Kollege Thomas ein:
„Wird aber auch mal Zeit, dass du aufmachst!“
Nach kurzem Betrachten seines Kollegen fügte er hinzu:
„Wie siehst du denn aus? Hast du etwa noch geschlafen? Es ist zehn Uhr und wir haben seit zwei Stunden Rufdienst!“
„Was? Wie?“, brachte Michael nur heraus, während er von Thomas in Richtung Badezimmer geschoben wurde.
Er schloss die Tür hinter sich und hörte, während er versuchte, seine verstrubbelten Haare zu bändigen, wie sein Kollege ihm berichtete, dass sie zu einem Tatort gerufen worden waren. Ein junger Mann war, nicht weit von einer Diskothek entfernt, mit Schädelverletzungen tot aufgefunden worden.
Seit einem halben Jahr arbeiteten sie nun als Kollegen zusammen. Das Verhältnis zwischen ihnen war immer gut gewesen, doch nach Neles Verhaftung waren sie gute Freunde geworden. Der Fall hatte sie zusammengeschweißt und seitdem vertrauten sie einander alles an, was in ihren Köpfen vor sich ging. Von daher war es auch nicht verwunderlich, dass sich Thomas nach seinen Albträumen erkundigte, als er schließlich aus dem Bad kam.
„Seit zwei Monaten hast du sie jede Nacht. Sie rauben dir den Schlaf und die Kraft. Das ist doch nicht mehr normal! Es ist ja nicht so, dass mir das Ganze nicht auch keine Ruhe mehr lässt. Bei jedem neuen Fall suche ich nach Anzeichen, die auf, nun ja, sagen wir außergewöhnliche Umstände hinweisen, aber das, das macht dich doch noch irgendwann kaputt!“, sagte Thomas besorgt.
„Was kann ich denn tun? Es ist ja nicht so, als könne man sich seine Träume aussuchen!“, konterte Michael.
„Vielleicht würde ja eine Therapie helfen? Die Polizei hat doch zum Beispiel, jemanden, der uns psychologisch betreut. Willst du nicht dort einmal vorbeischauen?“, schlug Thomas vor.
Michael lies ein sarkastisches Lachen verlauten:
„Und der dann erzählen, dass ich ein Mädchen kennengelernt habe, die Gedanken lesen und die Zukunft deuten kann und ich ihr auch noch glaube? Ach ja und das war ja auch noch nicht alles! Es gibt auch noch andere Wesen auf dieser Welt, die unschuldige kleine Schulmädchen töten, aber was genau sie sind, das weiß ich leider auch nicht so genau. Wenn ich das erzähle, dann schicken die mich doch sofort in die Klapse!“
Michael wusste, dass es Thomas mit seinen Ratschlägen nur gut meinte und ihm weiterhelfen wollte. Doch hierbei würde ihm keiner weiterhelfen können.
Betretenes Schweigen machte sich breit, während sie im Streifenwagen zum Tatort fuhren. Irgendetwas war geschehen an dem Tag, an dem er mit Nele gesprochen hatte. Es war, als seien sie miteinander verbunden und er spürte, dass etwas mit ihr passiert war, das sie weiter von ihm entfernt erscheinen ließ. Thomas fuhr auf den Parkplatz der Diskothek.
Er legte, als er den Motor abstellte, sanft eine Hand auf Michaels Arm und sagte:
„Und wenn wir versuchen sie zu finden?“
Michael sah ihn mit großen Augen an. War es das, was er wollte? Sie wiedersehen?
Der Verlauf des weiteren Tages war recht ereignislos. Die Befragung der Zeugen ergab, dass der junge Mann sich in der Disco mit ein paar zwielichtigen Gestalten gestritten hatte, die ihm gefolgt waren, nachdem er die Disco verlassen hatte. Am Morgen darauf war dann seine Leiche von einem Mann entdeckt worden, der mit seinem Hund Gassi gegangen war. Alles deutete darauf hin, dass es die vier Männer aus der Disco gewesen waren, die ihn ermordet hatten. Jetzt galt es nur noch herauszufinden, wie sie hießen und wo sie wohnten. DNS-Spuren würden ergeben, dass es einer von ihnen gewesen war, oder eben alle vier. Vielleicht würde auch einer, oder eben alle, die Tat gestehen und ein weiterer Fall würde geschlossen werden. Ein Fall ohne jegliche außergewöhnliche Vorkommnisse. In der Tat war der Tod des jungen Mädchens in der Mädchentoilette bis dahin der einzige Fall mit solchen außergewöhnlichen Vorkommnissen, der den beiden Polizisten begegnet war.
Als Michael am Abend nach Hause zurückkehrte, hoffte er insgeheim, dass er erneut zum Dienst gerufen werden würde, damit er sich keine Gedanken darüber machen musste, ob er nach Nele suchen sollte. Seine Gefühle für sie waren eindeutig, aber er wusste nicht, was er sich davon erhoffen konnte. Empfand sie das Gleiche für ihn, oder war er ihr egal? War es nicht besser keine Antwort auf diese Frage zu bekommen und wenigstens in seinen Träumen mit ihr zusammen sein zu können, als bitterlich enttäuscht zu werden, wenn er erfahren würde, dass sie ihn nicht liebte? Wäre eine Beziehung zwischen den beiden überhaupt möglich? Sie war ja schließlich nicht wirklich komplett ‚menschlich‘? Er erinnerte sich an etwas, das ihm seine Großmutter einmal gesagt hatte:
Das Bauchgefühl lässt einen niemals im Stich.