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Kapitel 6
Оглавление101. Die Luftbrücke
Aus dem Ahrtale ragten stolz und kühn einst zwei
stattliche Nachbarburgen einander gegenüber, zwischen
beiden rauschte in der Taltiefe die Ahr, das
waren die Schlösser Nuwenahr und Landskron, und
hoch über dem Tale zog sich eine luftige Brücke, welche
beide Burgsitze miteinander verband. Die beiden
Herren dieser Burgen, der Graf von Nuwenahr und
der Herr von Landskron, waren so traut befreundet,
daß sie gemeinschaftlich diese Brücke bauten, welche
mit unsaglicher Kunst gefügt war, ohne Stützen und
doch dauerhaft, so daß die beiden Freunde zu jeder
Stunde beisammensein und doch auch jeder schnell
wieder in seinem Hause sein konnte, während ein
nachbarlicher Besuch durch Herabritt und Hinaufritt
mehrere Stunden in Anspruch nahm. Als diese Freunde
verstorben waren, kam die Brücke in Verfall, die
Elemente zerstörten sie, nur blieben an jeder Burg die
Brückenpfeiler, die das Ganze mächtig stützen mußten,
erhalten. Da geschah es, daß ein Rittersohn auf
Landskron seine Nachbarin, eine junge Gräfin von
Nuwenahr, liebte, die waren eingedenk ihrer Väter
Freundschaft und wünschten sich sehnend die Brücke
zurück. Da band die Grafentochter an einen Armbrustpfeil
ein Garnknaul, ganz lose gewickelt, dessen
Endfaden sie befestigte, und schoß den Pfeil zur
Nachbarburg hinüber, da waren durch den Faden die
Burgen wieder verbunden, und an dem Faden lief
noch eine dünnere Schnur mit einem Vorhangring,
daran ließen sich Brieflein und Liebespfänder hinund
herziehen in der Dämmerstunde; den dünnen
Faden, dessen Farbe nicht ganz hell und nicht ganz
dunkel war, gewahrte man kaum oben und von unten
gar nicht. Als die Herzen beider Liebenden sich nun
verständigt hatten, heirateten sie einander und bauten,
wie die Sage meldet, die Brücke noch einmal neu, und
dann ist sie wieder verfallen und nimmer wieder aufgebaut
worden, und die Burgen sind verfallen, und
Freundschaft und Liebe wohnen dort nicht mehr, ja
Burg Nuwenahr ist bis auf seine Ruinen aus der Gegenwart
hinweggeschwunden.
102. Die Gefangenen auf Altenahr
Wenn des jüngern Schlosses Nuwenahr (Neuenahr)
bauliche Überreste vom Zahne der Zeit so ganz zermalmt
sind, daß keine Spur mehr von ihnen zu erblikken
ist, so ragt dagegen um so stattlicher die stolze
Trümmer der Burg Altenahr auf felsreichem Kegelgipfel
über dem Ort gleichen Namens in die Lüfte.
Mächtige Gaugrafen beherrschten von ihr aus das
Land, und einer derselben, Graf Friedrich von Hochstaden-
Ahre, dessen Bruder Konrad von Hochstaden
als Erzbischof in Köln gebot, schenkte die ganze
Grafschaft mit den beiden Stammschlössern Ahr und
Hochstaden dem Erzstift Köln, und das Erzstift wußte
die starken Burgen wohl zu nutzen. Als einst eine Anzahl
von Rat und Bürgerschaft Kölns sich gegen den
Bischofstuhl erhob, wurden eilf Patrizier, die Führer
der gegenbischöflichen Partei, gefangengenommen
und auf Altenahr in sichern Gewahrsam gebracht. Da
schmachteten sie hart und lange, und ihr einziger Zeitund
Leidvertreib war ein Mäuselein, das sie kirre gemacht
hatten, und das ohne Scheu zu ihnen kam, doch
immer schnell, wenn es Geräusch vernahm, in sein
Loch zurückschlüpfte. Eines Tages beobachteten sie
das Mäuslein auch, wie es munter sich sehen ließ und
Brosamen knusperte – als plötzlich draußen Schlüssel
klirrten, da fuhr es schnell in sein Loch, und da hörte
einer, daß es in dem Loche auch klirrte, und begann
nun nachzusuchen, als es wieder stille und sicher geworden
war. Da fand sich in das Mauseloch verborgen
eine Feile und ein Meißel, schon etwas rostig,
aber doch noch brauchbar, so gut, daß bald genug die
Gefangenen ihre Ketten abgefeilt und ihre Bande gesprengt
hatten und die Gitterstäbe ihres Kerkerfensters
durchschnitten. Darauf zerschnitten die Gefangenen
ihre Gewande und machten Seile daraus und
knüpften diese fest aneinander und stiegen durch das
Fenster allzumal nieder, kletterten den steilen Ziegenpfad
herab und entkamen glücklich, niemand konnte
fassen und begreifen, wie solche Flucht möglich geworden.
103. Vom Siebengebürg
Von sieben Burgen, die auf nachbarlichen Berghöhen
einander nahe lagen, hat das Siebengebürge am Rhein
seinen Namen, und nicht von einem Gebirge, nicht
Mons Sibenus, wie die Alten im barbarischen Latein
es nannten, sollte es geheißen haben, sondern Heptapyrgos,
obschon diese Berggruppe auch den Namen
eines kleinen Gebirges verdient. Die Namen dieser
Burgtürme waren: Drachenfels, Wolkenburg, Löwenburg,
Dadenberg, Blankenberg, Mahlberg und Stromberg.
Die Niederländer hatten den Glauben, daß in
dem innern Bergesschoß des Siebengebürgs der Fegefeuersitz
sei, wie die Thüringer vom Hörseelberg
glaubten, wohinein auch die armen Seelen gebannt
würden, die das Jüngste Gericht den Böcken zugesellen
müsse. Die hatten also schon etwas voraus, nämlich
ihr Urteil. Bisweilen sieht man zwischen den
Burgen und Bergen, deren viel mehr als nur sieben
sind, eine und die andere Seele leibhaftig spuken
gehn; da tappt sich mühselig ein Gespenst mit beschwerten
Füßen durchs Klippengestein, das ist der
Geist eines Wucherers aus Köln, hierher verwünscht,
mit bleiernen Schuhen umzuwandeln bis zum Jüngsten
Tag. Dort flackert ein rasches großes Licht heran,
ein Feuermann, rast- und ruhelos; es ist der Geist
eines weiland sehr feurigen Staatsministers aus Bonn,
der feurig und eifrig bemüht war, das Volk zu schinden
und mit ekelhaftem Geiz Schätze für sich zu häufen,
und war ihm ganz einerlei, ob die ganze Welt zugrunde
ging, wenn er nur hatte. Ein gemütlicher
Bauer traf den Minister-Feuermann einstens bei Königswinter
an, erkannte in ihm das Glied aus der berühmten
Ministerfamilie Kümmelspalter und rief ihn
an: Warte he mant en bisken! Ick will mir mant an
ihm mine Piepe anzonden! – Su – hebbe jou Dank! –
Da pustete und prustete der Feuermann und schnob
einen ganzen Regen von Funken um sich her, mußte
aber doch stillhalten und dem Bauer die Pfeife an sich
anzünden lassen, und als der Bauer obigen Dank gesagt
hatte, fügte er noch hinzu: He is mant doch ein
schlechter Kerel geweten! Dat bisken Brennen schadt
ihm nich de Lus! – Dort fährt viermal im Jahre auf
einem Wagen mit Feuerrädern ein verdammter Bürgermeister
Kölns, der seine Stadt an den Feind verriet,
lichterloh brennend umher. Wenn die Talschluchten
Nebel dampfen aus dem Siebengebürg und Wolken
schwer um die Gipfel schweben, so sind das die
ganzen Scharen armer Seelen, die von Zeit zu Zeit aus
dem Bergesschoß, wie die Züchtlinge aus einem Philanthropin,
herausdürfen, um der frischen Luft zu genießen.
Sie müssen sich aber immer wieder hineinverziehen.
Die höchste Spitze des kleinen Gebirgs ist der
Drachenfels, er ist mit Drachen- und Lindwurmsagen
völlig umschuppt und umpanzert, es wäre mit ihnen
allein leicht ein Buch zu füllen. Hier hat der hörnene,
nicht der fälschlich so genannte gehörnte Siegfried
des alten deutschen Volksbuchs den Drachen erlegt,
gebraten und mit seinem Fett, das zu Horn erhärtete,
sich überall die Haut bestrichen, daß sie unverwundbar
ward. Nur zwischen die Achseln vermochte er
nicht zu langen, eine kleine Stelle blieb unbestrichen,
und das ward hernach die Ursache, daß der Kampfheld
erlag, denn gerade, als Siegfried sich an einem
Brunnen niederbückte und diese Stelle preisgab,
schleuderte ein boshafter Feind eine Lanze auf ihn,
die ihm tödlich ward.
104. Rolandseck
Es saß auf hoher Burg am Rhein hoch über dem
Stromtal ein junger Rittersmann, Roland geheißen,
manche sagen Roland von Angers, Neffe Karl des
Großen, der liebte ein Burgfräulein, Hildegunde, die
Tochter des Burggrafen Heribert, der auf dem nahen
Schloß Drachenfels saß, und wurde wiederum auch
von ihr geliebt. Da auch der alte Burggraf nichts
gegen die Verbindung seiner Tochter mit Ritter Roland
einzuwenden hatte, so verlobte er ihm seine geliebte
Tochter herzlich gern. Da erscholl, noch bevor
die Vermählung des Brautpaares erfolgen konnte, ein
Aufgebot der Ritterschaft gegen Hunnen und Heidenscharen,
die im Osten das Reich bedrohten, und dem
Ritter Roland geboten Pflicht und Ehre, diesem Aufgebot
zu folgen. Große Taten der Tapferkeit tat Roland
gegen die Heidenschwärme, und seine tapfere
Hand entschied den Kampf zugunsten des Christenheeres.
Davon kam die erfreuliche Kunde bald an den
Rhein und auf den Drachenfels und weckte dort große
Freude. Dann aber ward wieder eine Zeitlang keine
Kunde vom Ritter Roland vernommen. Endlich kam
ein heimkehrender Ritter am Siebengebürge vorüber
und sprach ein Nachtlager auf dem gastlichen Drachenfels
an, der verkündete, ohne daß er wußte, wie
schmerzlich für seine Wirte seine Kunde sei, daß Ritter
Roland in einem der letzten Kämpfe an seiner
Seite den Heldentod gefunden habe. Da entstand großes
Leid und Wehklagen, und Hildegunde war so
trauervoll, daß sie sogleich den Entschluß faßte, im
Kloster Nonnenwerth den Schleier zu nehmen, und da
der Bischof, der über dieses Kloster gebot, ihr Verwandter
war, so willigte er in Hildegundens dringendes
Verlangen, ihr das Probejahr zu erlassen, und ließ
sie schon nach eines Monates Frist als Nonne einkleiden.
Am folgenden Tage stieg ein Gast zum Drachenfels
empor, ward eingelassen und sah auf allen Mienen
nur Trauer. Mit Schreck und Freude erkannte Ritter
Heribert in dem Fremden den geliebten Ritter Roland.
Wohl war dieser für tot vom Schlachtfeld getragen
worden, aber wieder genesen, wohl hatte er Botschaft
gesendet, aber der Bote war nicht angelangt, und nun
fragte er nach seiner Hildegund und vernahm das
Donnerwort: Sie ist eine Nonne!
Schrecklich war, was Roland empfand. Stumm vor
Schmerz geht er vom Drachenfels herab, besteigt sein
Roß, reitet nach Rolandseck hinauf, entläßt seine Diener,
wählt sich droben einen Felsensitz, wo er herabschauen
kann nach Nonnenwerth, und schaut herab
nach der Geliebten, jeden Tag, und Mond um Mond,
und Jahr um Jahr, lebt als Einsiedler und murmelt Ge-
bete, wenn drunten im Tale die Klosterglocke klingt.
Bisweilen erblickt er die Nonne Hildegund, die aus
Trauer um ihn das ewig unlösbare Gelübde tat – bis
er einst sie lange nicht mehr sieht, bis ein Leichenzug
ihm sagt, daß sie geschieden aus dem irdischen Leben
und zum ewigen Frieden eingegangen. Und bald danach
ist Roland erblichen gefunden worden und ihr
dahin nachgegangen, wo alle liebenden Seelen im
Schoße der ewigen Liebe sich wieder einigen.
105. Die Knappschaft im Lüderich
Wie zum Bau des Kölner Domes der Drachenfels
einen großen Teil seines Gesteins lieferte, so auch lieferte
der Lüderich über Vollberg, der ein Eigentum
des Domkapitels in Köln war, sein Gestein, aber ein
edleres als der Drachenfels, zum großen Dombau, wie
die Sage geht. Der Schoß des Lüderichs gebar unermeßliche
Ausbeute seines Bergbaues, und auch früher,
schon in den Heidenzeiten, daher ward auch die
spätere christliche Knappschaft im Lüderich angesteckt
von heidnischem Wesen und allerlei Frevel.
Noch ist eine Stelle dort zu finden, welche der Heidenkeller
heißt, und die Sage kündet und deutet darauf
hin, daß der Bergbau im Lüderich Heidentum und
Christentum wohl eine Zeitlang gegenseitig bekämpft
habe, ehe es zusammenschmolz und das Christentum
den völligen Sieg errang. So gottlos war die Knappschaft,
daß sie die Räder an Karren und Göpeln aus
holländischen Käsen machten, daß sie runde Weizenbrote
den Berg hinabkollern ließen, denen etwa das
Bild der heiligen Hostien aufgedrückt war, und hinterdrein
riefen: Fall dich tot! Herrgott! fall dich tot!,
dann Steine hinterdrein schickten und schrien: Teufel!
lauf dem Herrgott nach! lauf dem Herrgott nach! –
Über solche und zahllose andere Frevel erwachte end-
lich der rächende Zorn des Himmels. Einem frommen
Hirten, der auf sonniger Trift des Lüderichs seine
Schafe weidete, erklang eine Stimme aus der Höhe:
Hirte, treibe weg vom Lüderich! – Den Herren des
Bergbaues erschien verlockend ein Jagdtier, dem sie
nacheilten, es flüchtete in die Höhle des Heidenkellers,
jene folgten, und da brachen mit einem Male
unter Donnerkrachen alle Schachte zusammen und erschlugen
die ganze Knappschaft; die Schachte ersoffen,
die Stollen wurden unfahrbar, und das Wasser,
das an einer Stelle aus dem Geklüft eines verschütteten
Stollens hervordrang, war rot vom Blute der Erschlagenen,
und immer noch quillt es, und immer
noch ist dessen Farbe rot wie Blut.
106. Die letzte Saat
Bei Mülheim, nahe dem Rhein, lag vorzeiten ein Kloster
namens Dünnwald, das war in Streit geraten über
hundert Morgen Ackerlandes mit einem nachbarlichen
Edeln, Junker Hall von Schleebusch. Das Kloster wie
der Junker sprachen dieses große Grundstück als Eigentum
an, doch hatte es der Junker im Besitz, aber
alle Nutzung verzehrten die Kosten des vor Gericht
geführten Rechtsstreites, die Anwälte, die Fürsprecher,
die Richter, die Schöffen, die Schreiber. Da bot
endlich der Junker Hall von Schleebusch gütlichen
Vergleich an und sprach zu den frommen Vätern des
Klosters Dünnwald: Fromme Väter, ich bin des langen
Haders müde, der uns beiderseits nicht frommt.
Die hundert Morgen sollen fürder und künftig für alle
Zeiten des Klosters Eigen sein, nur eins bedinge ich:
noch einmal eine, und zwar die letzte Aussaat. Ist die
zur Ernte reif und gediehen und eingebracht, so begebe
ich mich jedes Anspruchs an die hundert Morgen.
– Der Himmel stärke Euch, edler Junker, in solch
frommem Entschluß, sprach der Abt, doch seid Ihr
wohl so gnädig, dieses Versprechen uns schriftlich zu
geben. – Darauf wurde ein Brief auf Pergament doppelt
geschrieben und ausgefertigt, und der Junker hing
sein Siegel in Wachs daran, und der Abt des Klosters
das seine, und das große Konventsiegel kam auch
noch hinzu, und das des Priors, und noch zwölf Siegel
erbetener ritterlicher Zeugen, und war ein sehr schöner
Brief, diese Schenkungsurkunde auf ewige Zeiten
nach der Ernte der letzten Aussaat, die noch des Junkers
sein sollte. Junker Hall von Schleebusch ließ nun
seinen Acker bestellen und die hundert Morgen besäen,
das geschah im Herbst, und im Frühjahr ging die
Saat auf, wollte aber gar nicht recht in die Höhe
schießen wie andere Saat. Da nun das Fest der Hagelfeier
kam, wo man mit Prozessionen und Fahnen die
Felder umgeht und für sie betet, da sahen die Mönche
nach der Saat auf dem künftigen Klostererbe – aber
was sahen sie? – Eine Saat von Eicheln. – Betrug!
Betrug! schrien Abt und Prior und Konvent – aber es
half nichts, denn im Briefe stand: vnde bewilligen
ihme deme edeln junkherrn Hall vom Sleehenbosche
die letzte Vssaat sinder widerrede unde sinder alle geferde.
deßez czo gezügen han wir erbeten etc. Lange
noch freute Junker Hall von Schleebusch sich seines
schönen herrlich gedeihenden jungen Eichenwaldes,
er jagte noch Hasen und Hühner darin – die Bäume
wuchsen, und Abt und Prior und der ganze damalige
Konvent gingen einer nach dem andern zur ewigen
Ruhe der Saat, von Gott gesäet – und immer noch
wuchsen die Eichen, und im Archive der schöne Brief
wurde grau, und die Siegel wurden voll Staub, und es
dachte niemand mehr an ihn – und immer noch wuchsen
die Eichen, und das Kloster versank in Schutt und
Trümmer, und das neue Geschlecht, das gekommen
war, konnte die Schrift des alten Briefes nicht mehr
lesen.
107. Der Alte-Berg
Hoch und herrlich stand, landbeherrschend, das stolze
Grafenschloß Berg überm Tal der Dhüne und gab der
ganzen Grafschaft Berg den Namen, die hinter Jülich
und Cleve in so vielen Titeln deutscher Fürstenhäuser
unsterblich fortgeführt wird. An der Wupper wohnte
ein Vogt, Eberhard, aus dem Hause Teißerbant, der
hatte einen lieben Bruder, Adolf mit Namen, beide
besaßen die Schlösser Berg und Altena. Adolf vermählte
sich, und Eberhard minnte ein schönes Fräulein
auf Burg Odinthal, aber dieses starb in seiner Jugendblüte.
Graf Eberhard von Berg suchte seinen tiefen
Schmerz durch Waffenlärm zu übertäuben, und da
der Herzog Gottfried von Brabant dem Ritter von
Limburg und den Grafen von Berg Fehde bot, so
führte Eberhard die Scharen an und erfocht einen vollständigen
Sieg, ward aber verwundet und kam von
den Seinen hinweg, die ihn tot glauben mußten. Graf
Eberhard trat eine große Wallfahrt gen Rom an, wie
auch gen Compostell, dann kam er auf seinem Pilgergange
nach Thüringen zum Schlosse Käfernburg, wo
ein Verwandter von ihm namens Sizzo, nach andern
Sieghard, wohnte. Dieser Sizzo war es, welcher unter
der St. Johanniskirche auf dem Altenberge, wo der
heilige Bonifazius den Thüringern zuerst das Evange-
lium predigte, noch eine Kirche in des heiligen Georgs
Ehre erbaute, hernach im Tale das Kloster Asolverod
gründete, zu welcher Gründung Graf Eberhard
riet, und vom Kirchlein auf dem Georgenberge das
Kloster nun Georgenthal nannte. Und da wurde Graf
Eberhard von Berg und von der Mark der erste Abt.
Allein der demütige und fromme Sinn dieses Grafen
litt nicht lange diesen hohen Rang; er wollte dienen,
nicht herrschen, legte daher die Abtwürde zu Georgenthal
in Thüringen freiwillig nieder und zog als ein
büßender Pilgrim weiter. Da kam er zu dem Kloster
Morimund (Morimont) in der Champagne und bat daselbst
um den geringsten Dienst. Dort ließ man ihn
um Knechteslohn die Schweine hüten, und dies trieb
er unerkannt lange Jahre. Sein Bruder Adolf und nicht
minder der Bruder seiner verstorbenen Braut trugen
großes Sehnen nach dem Verlorenen, und der letztere
fand ihn auf einer Pilgerfahrt, die er zum Grabe des
heiligen Aegidius in Morimund machte, unversehens
in seinem niedern Dienste. Da nun der Freund in
Eberhard dringt, ihm zu folgen, ruft dieser aus: Ja, hin
nach dem alten Berge! Und bat den Abt von Morimund,
zwölf Klosterbrüder mit ihm in seine Heimat
ziehen zu lassen, zog heim und wandelte Schloß Berg
in ein Kloster um, das er nun, vielleicht mit aus Erinnerung
an jenes thüringische Altenberge, wo er oft auf
waldiger Höhe im Gebet gekniet hatte, auch Altenber-
ge nannte. Sein Bruder Adolf trat als Mitbegründer
auch in das neue Kloster, dem Eberhard vorstand, und
da es mit ihm zum Sterben kam und sein Bruder weinend
an seinem Lager stand, sagte er einen Tag und
eine Stunde voraus, wo er Adolf wiedersehen werde,
und genau zu derselben Stunde ging Adolf zum Tode
ein und zum Wiedersehen in dem ewigen Leben.
108. Der Klosteresel
Als die vormaligen Grafen und nun Klostermönche
Eberhard und Adolf in Altenberge gestorben waren,
wurde ein Mönch, der mit von Morimund gekommen
und dort schon Subprior gewesen war, zum Abt von
Altenberge erwählt, der hieß Berno. Unter ihm beschloß
der Konvent, das Kloster von der steilen Berghöhe,
auf der es lag, herab und in das Tal zu verlegen,
durch das die Dhüne ihre raschen Wellen rollt. Einige
schlugen nun diese, andere jene zum neuen Aufbau
geeignete Stelle vor, aber die Meinungen waren sehr
verschieden und ließen sich nicht vereinigen. Da riet
Abt Berno, die Brüder sollten doch den Klosteresel
entscheiden lassen. Da nun die Brüder mit dieser Entscheidung
vollkommen einverstanden waren, so
wurde der Esel an das Tor der alten Burg geführt und
von da seinem Gang überlassen. Der Langohr schritt
gemachsam den Berg hinab, und die Mönche folgten
ihm. Im Tale, wo der Kaibach von der Spechtshard
herunterkommt, und wo damals nur Wald und Waldwiesen
waren, stand der Esel still, trank einmal,
schaute sich um, iahte und legte sich. An dieser Stelle
nun wurde das neue Kloster erbaut. Hundert Jahre
hatte es dort bestanden, da war Konrad von Hochstaden,
welcher zum Kölner Dome den ersten Stein
legte, auch in Altenberge, und man legte dort den
Grundstein zu einer Dom- und Klosterkirche von großer
Pracht und Herrlichkeit, und in ihr sind die Grabstätten
und Grabdenkmäler fast aller Grafen und spätern
Herzoge von Berg und Mark, bis im Jahre 1511
das altberühmte edle Geschlecht erlosch.
109. Der blühende Bischofstab
Aus dem Geschlechte der Grafen vom Berge und Altena
stammte auch Bruno, der sechsundvierzigste Erzbischof
von Köln, das war gar ein andächtiger und
frommer Priester und von so großer Demut und Bescheidenheit,
daß er sich lange weigerte, sein wichtiges
Amt zu übernehmen. Es drückte ihn die hohe
Würde, und nur drei Jahre behielt er sie, dann kam er
nach Altenberge von Köln herüber, hielt noch einmal
in pontificalibus in der herrlichen Kathedrale das
Hochamt und trat dann als schlichter Zisterziensermönch
in die Schar der Brüder des Klosters Altenberge
ein. Seinen Bischofstab hing er zum Andenken
hinter dem Hochaltar der Kirche auf, diente Gott in
Treue und starb am Tage des heiligen Gregorius im
Jahre des Herrn eintausendzweihundert. Als die Brüder
früh in die Kirche kamen, die Vigilien zu singen,
war sie mit Wohlgeruch erfüllt, und dem Bischofstabe
waren Palmenzweige und weiße Lilien entsproßt, die
also dufteten. Da erkannten alle, welch ein heiliger
Mann ihr Bruder Bruno gewesen.
110. Immenkapelle
Im Kloster Altenberge lebte auch ein Klosterbruder,
der war des Klosters Bienenvater und schien nicht mit
sonders hellem Geist begabt, viel eher am Verstande
beschränkt, doch gar sinnig treu vom Herzen. Da man
nun das Allerheiligste durch die Fluren trug unter Gesängen
und Litaneien, der Saaten Wachstum und Gedeihen
zu fördern, so dachte der Bienenvater in seiner
Einfalt, wenn die heilige Hostie dem Korn und Weizen
Gedeihen gebe, so könne, werde und müsse sie
das auch dem Honig und Wachse, nahm heimlich eine
geweihte Hostie und legte sie in das Bienenhaus in
einen leeren Korb von Glas. Da schwärmten alsbald
die Immen herbei und bauten um das Heiligtum von
eitel Wachs ein überaus kunstvolles Sakramenthäuschen
mit Türen, Kuppeln, Türmchen, Spitzbogen,
Pfeilern und gar wunderzierlichem Schmuck. Darauf
kamen die Tiere des Feldes und beugten sich vor dieser
wunderbaren Monstranz. Da nun die Brüder solches
Wunder anstaunten, bekannte der Bruder Bienenvater,
was er getan, und da erhob man das Sakramenthaus
der Immen und stellte es unter Absingung
frommer Hymnen in der Klosterkirche auf, das Bienenhaus
aber ward abgebrochen und an seine Stätte
eine Kapelle gebaut, die nannte man hernach stetig
die Immenkapelle. Der Klosterbruder Bienenvater
aber ward von der Zeit noch stiller und in sich gekehrter
und starb bald darauf.
111. Nibelung von Hardenberg und der Zwerg
Goldemar
Im Jülicher Lande saß ein Edler, des Namens Nibelung
von Hardenberg, dem waren die Schlösser Hardenberg,
Hardenstein und Rauenthal, und bei ihm
wohnte ein Zwergenkönig oder Elbe, der hieß Goldemar,
der war dem Nibelung von Hardenberg und nicht
minder dessen schöner Schwester gar sehr zugetan,
gab Ratschläge und war hülfreich in allen Sachen.
Und obschon der Elb Goldemar sich nicht sehen ließ,
vielmehr stets unsichtbar blieb, so ließ er sich doch
deutlich wahrnehmen, er trank Wein mit dem Ritter,
spielte mit ihm und seiner Schwester im Brett und
selbst mit Würfeln und spielte auch die Harfe gar
wundersam, daß kein Mensch auf Erden ihr solche
Töne entlocken konnte. Wollte Nibelung sich überzeugen,
ob wirklich der Elbe bei ihm sei, so fühlte er
nach dessen Hand, und die war sehr klein, zart, weich
und warm. Dieser Elb trieb es also drei Jahre lang auf
Hardenbergs Schlössern und beleidigte niemand, da
geschah es, daß er beleidigt wurde, denn die Hausgenossen,
denen seine Anwesenheit unverborgen war,
wurden von Neugierde geplagt, ihn zu sehen und doch
zu erfahren, wie der Elbe aussähe. Da streuten sie
heimlich Asche auf den Fußboden und Erbsen, und
Goldemar der Zwerg kam, sich nichts versehend, in
den Saal und trat auf die Erbsen und glitt aus und fiel,
und seine Gestalt drückte sich in die Asche ab. Die
war aber gestaltet wie eines sehr jungen Kindes Gestalt,
und die Füße waren ungestaltet. Da kam der
Elbe Goldemar nimmer wieder auf des Hardenbergs
Schlösser. Er wandte sich anderswohin und entführte
eine Königstochter, die hieß Hertlin. Die Mutter dieser
Königstochter starb vor Leid über der Tochter
Verlust, letztere aber ward durch den sieghaften Helden
Dietrich von Bern, den alte Lieder feiern, befreit
und von ihm geehelichet. Manche sagen, daß dieses
Bern, wovon der Held Dietrich den Namen geführt,
nicht das Bern in der Schweiz, auch nicht das welsche
Bern, Verona, gewesen, sondern das rechte Dietrichs-
Bern sei Bonn gewesen, der älteste Teil dieser Stadt
habe auch Verona oder Bern geheißen, und da in dieses
rheinische Land und Gefilde so viele Taten Dietrichs
von Bern fallen, von denen in alten Heldenbüchern
viel zu lesen, so dürfte wohl etwas Wahres an
der Sache und Sage sein. Der Gezwerg Goldemar aber
habe, nachdem ihm Dietrich die Beute abgedrungen,
die Riesen zu Hülfe gerufen und Berge und Wälder
ringsum schrecklich verwüstet. Die Stadt Elberfeld
soll ihren Namen von nichts anderm tragen als von
den Elben, auf deren Felde sie begründet ward.
112. Das heilige Köln
Köln ist eine der ältesten, größesten und berühmtesten
Städte am Rhein. Es soll, nachdem seine Stätte
schon von Urvölkern bewohnt worden, sechzehn
Jahre vor Christi Geburt begründet sein, und zwar
von Marcus Agrippa, dem Tochtermann Kaiser Augusts,
daher sein lateinischer Name Colonia Agrippina,
den es noch heute führt, und der offenbar auf Römeransiedelung
hindeutet, sprächen nicht noch steinerne
Zeugnisse für deren Vorhandensein schon in
sehr früher Zeit. Es hatte die Stadt Köln so viele Kirchen
und Kapellen, als das Jahr Tage zählt, und es
birgt so viele Heiligen- und Martyrerleiber, daß der
Stadt schon in früher Zeit der Beiname der heiligen
wurde, auch ward Köln häufig das deutsche Rom genannt.
Zahllose Wunderlegenden wären von alle den
hier aufbewahrten Martyrerleibern, Schädeln und Gebeinen
zu erzählen. Die drei Weisen des Morgenlandes,
die das Christkind begabten, ruhen allda, St. Gereon
mit seinen Kriegern, St. Ursula mit ihren eilftausend
Jungfrauen, St. Georg der Drachentöter, die
Mutter der Makkabäer mit ihren Söhnen, St. Matern,
des heiligen Apostel Petrus Jünger, kein anderer als
der Sohn der Witwe zu Nain, vom heiligen Petrus mit
seinen Gefährten Eucharius und Valerianus nach
Deutschland gesendet, im Elsaß, drei Meilen von
Schlettstadt, abermals gestorben, begraben und nach
vierzig Tagen mit dem Stab St. Petri, der noch im
Kölner Domschatz vorhanden, berührt und wieder lebendig
gemacht, der erste Bischof von Köln geworden
und im einhundertundfünfzehnten Jahre seines Lebens
zum dritten und letztenmal gestorben. Und nun die
langen Reihen heiliger und frommer Bischöfe, dann
Erzbischöfe aus den edelsten und berühmtesten rheinischen
Geschlechtern, mit großer Macht begabt,
unter ihnen St. Severin, St. Cunibert u.a. Und Anno,
der heilige Erzbischof, mit dem die heilige Stadt Köln
die erste Fehde hatte, ihn unterm Banner ihrer Heiligen
und Martyrer verjagte und dann aufs neue ihm
dennoch huldigen mußte – und so viele andere. Gar
große Rechte und Freiheiten hatte die Stadt und hat
sie zum Teil noch immer, und sie stammen aus uralten
Zeiten her.
113. Der Bürger Marsilius
Zu den Heidenzeiten geschah es, daß ein römischer
Kaiser Köln belagerte und es in große Not brachte. Es
begann in der Stadt an allem zu mangeln, am meisten
aber war Mangel am Holz. Da war ein edler Bürger
und Hauptmann in der Stadt gesessen, der hieß Marsilius,
der ersann einen listigen Anschlag und gab
guten Rat. Eine Schar Frauen, als Männer verkleidet,
mußte mit Karren und Holzwagen zu dem einen Tore
aus und nach dem Walde ziehen, dort Holz zu fällen
oder auch nur so zu tun, als sei das der Schar Geschäft
und Wille, die Bürger aber unter ihrem Führer
Marsilius zogen zu einem andern Tore hinaus, um den
Feind, sobald er sich gegen die Schar der Frauen wenden
würde, in den Rücken zu fallen. Und es geschah
alles so, wie es vorgesehen war, und die Bürger drangen
mit großer Macht auf den Feind, und auch die
Frauen trugen ihre Wehren nicht zum Schein, und die
Kölner gewannen einen vollständigen Sieg, erwarben
viele Beute und gewannen eine große Schar von Gefangenen,
darunter den Kaiser selbst, der ihre Stadt
belagert. Der ward in einen tiefen Turm gelegt und
sollte dann auf offenem Markte enthauptet werden.
Schon war ein köstlicher Teppich bereitet, der des
Römerkaisers Blut trinken sollte, und schon mußte
der Kaiser auf ihn niederknieen; da sprach er: Ließet
ihr mich leben, ihr Bürger von Colonia, so sollte euch
mein Leben viel nützer sein denn mein Tod. – Da
wurde dem Henker geboten, noch zu harren, und
wurde noch einmal Rat gehalten, und Marsilius riet,
dem Kaiser das Leben zu schenken, aber von ihm
stattliche Gerechtsame zu begehren. Der Rat war den
Kölnern abermals genehm, und Marsilius und die Senatoren
entwarfen die Gerechtsame, welche sie fordern
wollten, und schrieben sie auf eine glatte Tierhaut,
und der Kaiser mußte sie besiegeln und seinen
großen Ring in ein dickes Stück Wachs auf dem pergamentnen
Brief drücken und seinen Namenszug danebenschreiben
nach alter Sitte. Solches geschah an
einem Donnerstage im Monat Junius, und hernachmals
haben die zu Köln fort und fort am Donnerstag
nach dem heiligen Pfingstfest diesen Tag begangen
und ihn Holzfahrttag geheißen und sind mit Gesang
und Spiel und Festlust nach dem Walde gezogen.
Marsilius aber ward ob seines guten Rates hoch geehrt
und der Stadt vornehmster Bürger und Hauptmann,
und als er gestorben war, wurde sein Sarg in
die Stadtmauer beigesetzt, da, wo man es nachher zu
St. Aposteln genannt hat, und ihm ein steinern Denkmal
aufgerichtet. Auch ist seine Bildsäule noch am
Gürzenich zu sehen, dem alten Kauf- und Ballhaus
der Stadt Köln, neben ihrem Begründer Marcus
Agrippa, zu ewigen Ehren und Gedächtnis.
114. Die Kölner Dom-Sage
Da man begann, den Kölner Dom zu bauen, verdroß
den Teufel mächtig, daß in der heiligen Stadt Köln,
welche schon so viele Kirchen und Kapellen hatte,
darinnen die Frommen Gott dienten, dem Herrn auch
noch so ein übergroßes Haus erbaut werden solle; der
Teufel nahm daher Menschengestaltung an, trat mit
List zu dem Baumeister und sprach zu ihm: Du übernimmst
ein unausführbar schweres Werk! Was wettest
du, daß ich eher einen Kanal lege von Trier bis
nach Köln, ehe du deinen Bau vollendest? Einen
Kanal, mittelst dessen dieser guten Stadt reines Trinkwasser
nicht minder als auch edler Moselwein zufließen
kann, und meine ich fast, solcher Kanal wäre der
Stadt nützer als noch eine Kirche zu den vielen, die
Köln schon hat. – Was soll ich wetten? fragte der
Baumeister. – Wir wetten, daß der von uns sein begonnenes
Werk alsbald einstelle, es sei vollendet, so
weit es wolle, wenn das des andern als vollendet erscheint.
Ich das meine, wenn du die höchsten Kronen
auf die Spitzen deiner Domtürme setzest, du das
deine, wenn von Trier das Wasser in meinem Bau geflossen
kommt und in deinen ausmündet. – Der Dombaumeister
ging diesen Vertrag ein, und beide gingen
an ihr Werk. Hoch und höher wuchs der Dombau, nah
und näher rückten von Trier aus die Säulen einer gewaltigen
Wasserleitung, ein stolzes Werk, wie nur die
Kunst der alten Römer aufzuführen vermocht hätte.
Da – als die Domtürme die Höhe des Krans erreicht
hatten, da stand der Baumeister oben auf dem Gerüste
und blickte hinab und sahe zu seinem Schrecken das
Werk vollendet, der Kanal war bis an den Dom herangerückt,
noch war er wasserleer, da schien in der
Ferne ein weißer Punkt sich zu bewegen, näher und
immer näher – und da kam das Wasser brausend geschossen,
und auf dem Wasser schwamm eine weiße
Ente. Als der Baumeister so sich überwunden sah,
stürzte er sich von der Höhe des Turmes und des Baugerüstes
in die Tiefe herab, und sein treuer Hund, der
ihm auf das Gerüste gefolgt war, sprang ihm nach.
Nimmer konnte der Dom vollendet werden, aber auch
jene Wasserleitung brach die mächtige Hand der Zeit.
Das Volk nennt ihre Trümmer die Teufelskralle. Zum
Überfluß und als Siegeszeichen warf der Teufel einen
Stein durch das Dach im Chor über der Heiligen-
Dreikönigs-Kapelle, davon ein drei bis vier Fuß weites
Loch blieb. Späterer Aufschrift zufolge soll es der
Wind gewesen sein, der den Stein herabwarf; der
Stein aber lag oder liegt noch auf dem Pflaster bei der
Kapelle, die Leute nennen ihn den Teufelsstein, man
sieht auf ihm eine Marke wie eine Hahnenkralle, die
von der Teufelskralle eingebrannt ward. Da die Leiber
der heiligen drei Könige gen Köln kamen, welche der
Erzbischof Reinold II., ein Graf von Dassel, vom
Kaiser Friedrich Barbarossa für Köln erbat, da dieser
Mailand, allwo diese heiligen Leiber früher aufbewahrt
wurden, hatte schleifen lassen, trug ein Kameel
die werte Last, und es neigete sich, die Reste der Weisen
zu ehren, ein Turm gegen sie und blieb in geneigter
Stellung. Das Tor am Rhein, durch das sie gebracht
wurden, ward alsbald vermauert, damit es nie
wieder entweiht werde. Zahllose Wunder erzählt man
von diesen Heiligen, deren drei Kronen die Stadt in
ihrem Wappen führt. Einst kam aus Ungarland, wo
wegen zu großer anhaltender Dürre merkliche Hungersnot
entstanden war, eine Menge Volkes nach
Köln und wollte die heiligen drei Könige um Regen
anflehen. Kaum war das erste Gebet erklungen, als
der Himmel sich trübte und heftiger Regen niederströmte
zum Gnadenzeichen, und es hat dann im Ungarlande
im Überfluß geregnet. Zum Danke dafür
sind aller sieben Jahre Abgesandte aus Ungarn gen
Köln gefahren, haben die heiligen drei Könige verehrt
und ihre Kapelle und Priester begabt, und der Magistrat
hat sie vierzehn Tage gespeist und getränkt und
geherbergt.
115. Albertus Magnus
Es war ein berühmter Mönch und hochgelahrter Doktor
des Namens Albertus Magnus, vordessen Bischof
zu Regensburg und hernachmals zu Köln am Rheine
gestorben und begraben. Er war in allen hohen Künsten
erfahren, ja auch ein Baumeister. Manche sagen,
daß Albertus Magnus den Grundplan des Kölner
Doms erfunden und aufgezeichnet habe, und das Chor
der vormaligen Dominikanerkirche habe er auch erbaut.
In dieser Kirche ruhten seine Gebeine, kamen
aber in St. Andreas' Kirche, als jene der Dominikaner
ihre Zerstörung fand.
Im Jahre 1248 kam Kaiser Wilhelm von Holland,
Kaiser Friedrich des Zweiten Gegenkaiser, mit ziemlichem
Hofstaate gen Köln, und zwar am Tage der heiligen
drei Könige, den bat, samt seinem Hofe, Albertus
in seinen Klostergarten zu den Predigern zu Gaste.
Es war große Kälte eingetreten und fiel ein starker tiefer
Schnee, da meinten die Räte und vornehmen
Dienstmannen, der Mönch möge wohl sein Gehirn erfroren
haben, daß er zu solcher Jahreszeit zu einem
Gartenvergnügen einlade, und rieten dem Kaiser,
ihrem Herrn, der Einladung keine Folge zu geben.
Aber der Kaiser ließ sich dazu nicht bewegen, hieß
vielmehr die Seinen ihm folgen, und kamen zu dem
Predigerkloster, wurden auch alsobald in den Garten
geleitet. Da lagen alle Bäume und Sträucher dick voll
Schnee, und waren alle Wege verschneit, und alles
Laub und Gras war bedeckt, unter den Bäumen aber
standen die Tafeln mit kostbaren Gedecken und Aufsätzen
und herrliche Sessel und schmucke Diener zur
Aufwartung. Dem Kaiser machte das Seltsame solcher
Anordnung eine Lust, und setzte sich auf den für
ihn bereiten Stuhl, da mußten die andern sich auch
setzen, und die Tafel hub an. Da klärte sich der Himmel
auf, und trat lieblicher Sonnenschein herfür, und
verging der Schnee wie ein Dunst, und hoben sich
Gras und Laub frischgrün zu Tage, und kamen Blumen
aus dem Boden hervorgesproßt, und die Bäume
alle trieben Laub und Blüten. Auch Vöglein kamen
geflogen und sangen gar lieblich, und wurde sehr heiß
allmählich, so daß der Bäume Blüten abfielen und die
Fruchtkeime schwollen und die Früchte reiften. Und
der Kaiser tät seine winterliche Pelzschaube ab, weil
ihm allzu warm wurde, und die andern auch die ihrigen.
Da nun die Mahlzeit mit großen Freuden geendet
war, obschon niemand wußte, wer und von wannen
die zierlichen und willfährigen Diener waren und wo
die Speisen alle zubereitet wurden, da verloren sich
die Diener, und die Vögel sangen nicht mehr und entflohen,
die Blumen blühten ab, die Bäume wurden
fahl, es ward kühl, dann kalt, die Winterschauben
wurden wieder umgehangen, der Kaiser hob die Tafel
auf, die Sonne verschwand, der Himmel ward grau,
und auf Bäumen, Laub und Gras lag wieder Schnee.
Alles eilte in das Kloster, um im warmen Refektorium
vor der Kälte gesichert zu sein. Kaiser Wilhelm aber
pries seinen kunstfertigen Wirt und begabte ihn und
den Konvent mit Gütern reichlich und erlebte nie wieder
solch wunderseltsames Gastmahl.
116. Herr Gryn und der Löwe
Zu Köln saß auf dem geistlichen Herrscherstuhle Erzbischof
Engelbert, der hatte viel Streitens mit der
Bürgerschaft, das bis zum blutigen Kampf gedieh.
Dieser Bischof hatte einen Löwen, den hatten ihm
zwei Domherren aufgezogen. Gegen den Bischof
stand im steten Streite der Bürgermeister der Stadt,
Herr Hermann Gryn, und hielt zur Gemeinde und verteidigte
deren Rechte, doch war er mit den Domherren
gleichwohl persönlich nicht verfeindet. So luden die
zwei, welche des Erzbischofs enge Freunde waren,
eines Tages – es soll im Jahre 1266 sich zugetragen
haben – den Bürgermeister zu sich ein zu einem Gastmahl
und brachten das Gespräch auf den Löwen, den
sie heimlich hatten fasten und sehr hungrig werden
lassen, und erboten sich, vor dem Essen ihm den
Löwen sehen zu lassen. Sie führten Hermann Gryn an
die Pforte des Löwenzwingers, öffneten diese und
stießen ihn unversehens hinein, worauf sie die Türe
zuschlugen und vermeinten, der Löwe werde ihn alsobald
zerreißen. Der Löwe, als er den Mann sah, riß
den Rachen mit den scharfen Zähnen weit auf, schlug
einen Schweifring und legte sich nach Katzenart zum
Sprunge; Herr Hermann Gryn aber, wie er sah, was
ihm drohte, schlang rasch seinen Mantel um den lin-
ken Arm und faßte seine Gugel, die er in der Hand
hielt, fest und zog sein Schwert und wartete nicht, bis
der Löwe sprang, sondern stürzte sich auf ihn mit gezücktem
Schwerte, fuhr ihm mit dem linken Arm in
den Rachen hinein und durchstieß ihn mit dem
Schwerte. Dann gewann er einen Ausgang und ging,
ohne gegessen zu haben, seinem Hause zu. Dieses
Mittagessen bekam aber den beiden Domherren gar
übel, denn der Bürgermeister sandte seine Häscher
unversehens und ließ sie greifen und aufhenken an
einen Balken gleich am Tore des Chorherrenhauses
neben dem Dom, das nannte man seitdem das Pfaffentor.
Darauf wurde zum Andenken solchen Mutes das
Bild Gryns mit noch dreien andern Löwenbändigern
in Gesellschaft in Stein ausgeführt und zur Zier über
dem Pfeilerbogengang am Rathaus angebracht, da
sieht man die Mär von Herzog Heinrich dem Löwen,
Simsons Löwenkampf und Daniel in der Löwengrube
dem Kölner Löwensieger beigesellt. –
117. Die Pferde aus dem Bodenloch
Zu Köln nahe dem Eingange der Kirche zu den heiligen
zwölf Aposteln war ein Gemälde zu schauen, das
stellte eine gar absonderliche Geschichte dar. Es war
ein Bürgermeister daselbst, hieß Richmuth von
Andocht, dem starb sein Eheweib und ward begraben,
und da man am Grabe den Sarg nochmals öffnete, wie
es sonst üblich war, und über der Leiche betete, so
sahe der Totengräber, daß die Frau einen großen goldnen
Ring am Finger hatte, mit Edelsteinen wohl geziert.
Da wurde in dem Totengräber die Gier lebendig,
zur Nacht das Grab wieder zu öffnen und der Leiche
den Ring zu stehlen. Aber wie er das tat, drückte die
Leiche ihm die Hand zusammen, denn sie war nicht
tot, sondern lebend begraben, und wollte sich aus dem
Sarge helfen. Eilend entfloh voller Schreck der Totengräber,
die Begrabene aber wickelte sich aus den
Grabtüchern los, trat aus dem Grabe und ging auf ihr
Haus zu, klopfte und befahl dem Diener, zu öffnen,
sie sei es. Der Diener vermeinte ein Gespenst zu
sehen und zu hören und lief eilend zu seinem Herrn,
ihm die Begebenheit zu melden, und stammelte: Ach
Herr! Unsere Frau – drunten vorm Hause steht sie
leibhaftig und will, daß ich ihr auftue. – Du bist ein
Narr, antwortete der Bürgermeister, Herr Richmuth
von Andocht. Ebenso wahr könntest du sagen, meine
Schimmel stünden droben auf dem Heuboden. –
Kaum hatte er das Wort ausgeredet, so erhob sich von
unten nach oben ein grausamer Tumult, und als der
Diener nachsah, so standen schon die sechs Kutschenpferde
oben, ohne die andern, die noch nachkamen.
Der Bürgermeister war ganz starr vor Schreck und
glaubte nun, und die Frau ward eingelassen und ihrer
mit warmen Tüchern und Arzeneien wohl gepflegt,
daß sie sich wieder erholte. Am andern Tage schauten
zu jedermanns Verwunderung die Pferde aus den Bodenlöchern
heraus, und man mußte große Gerüste und
Maschinen anwenden, um sie nur wieder herunter in
den Stall zu bringen. Darauf wurden einige Pferde
ausgestopft, die mußten zum Andenken auch fürder
oben herausschauen. Und die Frau lebte noch sieben
Jahre lang und spann und webte einen schönen großen
Vorhang von weißem Linnen, den sie in die Apostelkirche
verehrte.
Solche Sage ist an mehr als einem Orte gangbar,
unter andern auch in der vormaligen alten Reichsstadt
Schweinfurt, wo die Frau des Syndikus Albert Angetraute
war, die als Wöchnerin beerdigt worden, und
die der Totengräber durch seine Raubsucht erweckte,
doch lebte sie samt ihrem Kindlein nicht lange, und
ihr Grabmal wird noch auf dem Schweinfurter Gottesacker
gezeigt.
118. Umrittener Wald
Nicht gar weit von Dören, zwischen Köln und Aachen,
liegt ein Dorf, das führt den Namen Arnoldsweiler,
und denselben Namen führt es von einem
frommen Sänger, der am Hofe Kaiser Karl des Großen
lebte und sein Liebling war. Da forderte einst der
große Kaiser von Arnold, seinem Sänger, derselbe
möge sich einen Lohn erbitten für seine vielen und
schönen Lieder, und der Sänger bat, Karl wolle ihn
mit einem Stück Wald begaben, so viel, als Arnold
werde umreiten können in der Zeit, wo Karl sein
Mahl halte. Das ward ihm gewähret; Arnold hatte
aber schon von Strecke zu Strecke, so weit ein Roß
im gestreckten Lauf aushalten konnte, ausgeruhte
Rosse, die seiner harrten, aufgestellt und damit eine
Waldstrecke vom Bürgelwald umstellt, die ein Mann
kaum in eines Tages Länge umschritten hätte. Darauf
begann er, als der Kaiser sein Mittagmahl begann,
sein Jagen, bezeichnete und bestreute allenden, wo er
vorbeisauste, durch Schwerthiebe in die Äste seinen
Weg mit grünen Brüchen von Eichen- und Buchenlaub
und kam schon wieder und trat vor den Kaiser,
bevor dieser noch sein Mahl beendet, dieweil er noch
beim Äpfelessen verweilte. Da sprach Karl: Du hast
dir gewißlich ein zu kleines Stück erritten, da du so
bald wiederkehrest. – Arnold aber antwortete: Mitnichten,
ich umritt ein großes Stück, das ein Mann
wohl kaum in Tageslänge umwandeln kann. – Da fiel
auf den Sänger ein ernster Blick seines Herrn, welcher
bei sich dachte, daß im Bürgelwald für Arnold die
Blume der Bescheidenheit wohl nicht gewachsen sei,
und der Kaiser schwieg. Da nahm aber Arnold das
Wort und sprach: Du zürnest mir, mein hoher kaiserlicher
Herr! Zürne nicht! Nicht für mich umritt ich
deinen Bürgelwald. Sieh, alle den Dörfern von Dören
bis Bredburg und von Jülich bis Bergheim gebricht es
an Holz. Für sie habe ich den Wald, den du mir zu
schenken angeboten, umritten. – Da freute sich Kaiser
Karl über seines Sängers Biederherzigkeit und sagte
ihm gern die ganze Waldstrecke zu.
119. Kaiser Karls Apfelschnitze
Der große Kaiser und König Karl hatte eine Gewohnheit
an sich, daß er allewege nach dem Essen am Tische
sitzenblieb und einen Apfel aß, den er selber
schälte. Einmal standen seine drei Söhne neben seinem
Stuhl, da wollte er sie bewähren, wie gehorsam
sie seien, und rief dem Ältesten, der hieß Karl, wie er
selber, und sprach: Komm zu mir und tue deinen
Mund auf und empfahe einen Apfelschnitz von mir.
Karl aber sprach: Herr Vater, es wäre eine Schande,
sollt' ich von Euch einen Apfelschnitz empfahen; ich
kann wohl selbst einen Apfel schälen und auch essen.
Da rief der Vater den andern Sohn, der hieß Pipin,
und sprach: Komm, empfahe du den Apfelschnitz von
mir in deinen Mund. Pipin sprach: Vater, was Ihr befehlt,
dem bin ich gehorsam, und ging hin und kniete
nieder und empfing den Apfelschnitz in seinen Mund,
und der Vater sprach dazu: Ich mache dich zum
König über Gallia und Italien. Und rief darauf den
dritten Sohn, der hieß Ludwig, und sprach: Komm
und empfahe den Apfelschnitz. Und Ludwig gehorchte
gleichermaßen, da sprach der Vater: Dir gebe ich
Lothringen und Burgund, und das ganze Deutsche
Reich soll dein sein, wenn ich sterbe. Da kam Karl
nun auch und sprach: Sieh, Vater, ich tue meinen
Mund auch auf, gebt mir auch einen Apfelschnitz.
Aber der König antwortete ihm: Mein Sohn, du bist
zu spät gekommen. Ich gebe dir weder Apfelschnitz,
noch Land, noch Leute. Darnach ist in diesen Landen
ein Sprüchwort aufgekommen: Karle, du hast zu spät
aufgeginnet.
120. Dom zu Aachen
Da der Dom zu Aachen erbauet ward, hehr und prächtig,
drohte es zu gehen wie beim Dombau zu Köln; es
gebrach an Geld, der Bau konnte nicht fortgeführt
werden, und unvollendet stand das herrliche Münster.
Da erschien vor dem hohen Rat ein reicher Fremder,
der sagte, er habe wohl Geldes die Fülle, wolle das
auch geben zu dem Dombau, damit er vollendet
werde, aber ein hoher Rat müsse ihm auch etwas versprechen.
Als nun der Rat den Fremden fragte, was es
denn sei, das er begehre, da antwortete jener: Nicht
viel, nur die Seele des Ersten, der nach der Vollendung
den Dom betreten wird, verlange ich zu eigen.
Muß damals eine fromme Menschheit gelebt haben,
daß sich's einer so viel kosten ließ, um einer Seele
habhaft zu werden, hat sie später schockweise billiger
haben können – der Rat aber merkte nun, daß der
Fremde der Teufel sei – schauderte, zauderte, bedachte
sich lange, sagte aber doch zu, unter dem Beding,
daß der Pakt geheimgehalten werde. Und ward nun
mit besonderer Kunst und Hülfe das Münster schnell
und herrlich ausgebaut, ward aber auch das Geheimnis
ruchtbar unter den Leuten, und wollte niemand in
den Dom gehen, weder Pfaffen noch Laien. Der Teufel
lauerte Tag auf Tag auf die erste arme Seele, und
ward ihm schier Zeit und Weile lang, es kam niemand,
und da bedräute er den hohen Rat, daß er bald
genug einen aus seiner Mitte holen werde, wenn er
nicht bald einen ersten Kirchengänger schaffe. Da
ward dem Rat bange, sann auf eine List, ließ im Gebirg
einen Wolf fangen, diesen an das Haupttor des
Domes bringen, ließ die Glocken lauten, wie zum
hohen Feste, und stieß, nachdem das Portal geöffnet
war, den Wolf ins Gotteshaus, wo der Teufel schon so
lange lauerte, da es noch nicht geweiht war. Alsbald
fuhr der Teufel zu und packte mit einem Griff den
armen Wolf, daß ihm alsbald die Seele aus dem Halse
fuhr. Wie aber der Teufel sah, daß er nur eine
schlechte Wolfsseele erlangt hatte, fuhr er mit Gebrüll
aus dem Tempel und schlug die eherne Türpforte so
heftiglich zu, daß sie borst und sich spaltete, und ist
der Spalt noch heute zu sehen. Der Rat aber war froh,
daß er des Teufels ledig war, und ließ den Wolf und
dessen arme Seele in Erz gießen und im Dome befestigen.
Die Seele hält das Mittel zwischen einer Artischocke
und einem Tannenzapfen.
Andere erzählen diese Sage anders, und zwar also.
Der Rat zu Aachen hatte just, als der Teufel seine Bedingung
machte, eine arme Sünderin in seinem Gewahrsam,
die schon zum Tode verurteilt war, und
deren Seele verloren gegeben wurde. Diese Verurteilte
nun ward in die Kirche hineingestoßen und ihre Seele
vom Teufel in Empfang genommen, der aber deshalb
aus Ärger die Tür zuwarf, daß sie borst, weil des
Weibes Seele ohnehin schon sein gewesen wäre. Hernachmals
goß man das eherne Bild und stellte den
Teufel selbst in Gestalt eines unreinen Tieres, des
Wolfes, dar, welcher bemüht ist, die Seele in Form
eines Tannenzapfens in seinen Rachen hinabzuschlingen.
121. Der Teufel im Ponellenturm
Zu Aachen in der Stadtmauer steht ein starker Turm,
heißt der Ponellenturm, dahinein haben sie einen Teufel
gebannt, daß er nimmermehr wieder heraus kann,
darin höret man ihn öfters wild rumoren, plärren, an
die Glocke schlagen, auch äfft er sonderlich die Vorübergehenden,
aber heraus kann er nicht, der gebannte
Teufel, ehe denn der Jüngste Tag kommt. Daraus ist
ein Sprüchwort im Volke von einem Ding der Unmöglichkeit,
oder wenn einer eine Sache, die ein anderer
als nahe in Aussicht stellt, bezweifeln will, so
sagt er: Ja, das wird kommen, wenn der Teufel von
Aachen kommt – das ist so viel als nimmermehr.
122. Vom Loosberg über Aachen
Als der Teufel mit der Wolfsseele arg betrogen worden
war, ergrimmte er heftiglich über die Stadt Aachen
und fuhr auf Sturmwindsflügeln bis zum Meeresstrande
im Niederland, sah da die weißen Dünen
im fahlen Lichte schimmern und brütete einen Rachegedanken
aus. Mit einer ganzen breiten Düne belud er
sich, die hing ihm über die Schultern, wie einem
Bauer der Querchsack, und nun ging es mit Teufelsgewalt
auf Aachen los; schon war er über die Maas
und gelangte an das Soerstal, da erhob sich ein starker
Wirbelwind, der schmiß ihm aus der Düne vielen
Sand in die Augen, und da hätte der Teufel sich fast
verirrt. Da begegnete ihm ein altes Weib, das kam des
Wegs von Aachen her, und der Teufel fragte es: Wie
weit ist's noch bis Aachen? – Die Alte sah ihren
Mann an, erkannte ihn am Pferdefuß, zeigte ihm ihren
Schuh und sagte: Schauet, Herr! Die Schuhe zog ich
zu Aachen neu an, und jetzt sind sie zerschlissen – so
weit habt Ihr noch. Darob ergrimmte der Teufel, denn
er war müd und matt und hatte die Schlepperei und
den Sand in den Augen satt, und rief: Ins Teufels
Namen, liege hier, Lausesand! – Und warf die ganze
Düne hin, daß es krachte und stäubte, und hub sich
von dannen. Das sind die beiden Berge, der Loos-
oder Luisberg und neben ihm, niedriger, St. Salvatorsberg,
und in Aachen sagen sie, entweder sei der
Loosberg nach dem losen Sinn, mit dem das alte
Weib den Teufel betrogen, und weil ein alt Weib
loser sein kann wie der Teufel selbst, genannt, oder
nach des Teufels Wort und Namengebung.
In Aachen aber ward das Münster herrlich geweiht
durch den Papst und Kaiser Karl den Großen, im Beisein
vieler Bischöfe und allen Volkes. Auf den einen
Sandhügel ließ Karl der Große eine Kapelle und ein
Kloster erbauen und weihete sie dem Erlöser, weil die
Stadt Aachen von der ihr durch den Bösen drohenden
Gefahr erlöst worden, das ist die Kapelle St. Salvator.
Als Aachens Münster geweiht wurde, sollten so
viele Bischöfe dasselbe weihen helfen, als das Jahr
Tage zählt, es kamen aber deren nur
dreihundertunddreiundsechzig zusammen. Da erhoben
sich zwei gestorbene Bischöfe aus Maastricht aus
ihren Gräbern, dienten mit und legten sich dann wieder
nieder zur ewigen Ruhe.
123. Schlangenring
Kaiser Karl der Große, da er in Zürch im Hause
»Zum Loch« genannt wohnte, ließ eine Rügesäule
aufrichten mit einer Glocke und einem Seile daran
und gebot, wer Recht begehre, das ihm irgend geweigert
werde, der solle an diesem Seile ziehen und diese
Glocke läuten, es sei, wenn es sei, und selbst wenn
der Kaiser am Mittagmahle sitze. Nun geschah es
eines Tages, daß die Glocke erklang und des Kaisers
Diener an die Säule eilten, da fanden sie niemand.
Bald aber erschallte von neuem die Glocke, und fort
und fort, und der Kaiser sandte abermals hin. Da fanden
die Diener eine große Schlange, die hatte das Seil
im Rachen gefaßt und läutete. Wie die Diener dieses
Wunderbare dem Herrn überbrachten, erhub er sich
alsbald und wollte auch dem Tiere Recht sprechen, so
dieses solches begehre. Und siehe, der Wurm neigete
sich vor dem Kaiser und wandelte von der Säule fort
hinab zum Rand eines Wassers; dort fanden sie das
Schlangennest, und auf den Eiern der Schlange saß
eine übergroße Kröte, die wollte nicht herab. Alsbald
gebot der Kaiser, ein Feuer zu schüren, die Kröte mit
Zangen zu packen und zu verbrennen. Als dieses geschehen
war und der Kaiser eines Tages bei Tische
saß, ringelte sich dieselbe Schlange ins Gemach,
kroch zur Tafel hinan, hob von einem Pokal den Dekkel
und ließ einen Ring mit einem kostbaren Edelstein
aus ihrem Munde hineinfallen, verneigete sich gegen
den Kaiser und schlüpfte schnell von dannen. Kaiser
Karl nahm den Ring und schenkte ihn seiner Gemahlin
Fastrada, die er sehr liebte und nun noch mehr
liebte, denn es lag in dem Schlangenring ein heimlicher,
wundersamer Zauber. Auch gebot der Kaiser, an
dem Orte, wo er der Schlange Recht gesprochen, eine
Kirche zu erbauen, dieses geschah, und hieß man dieselbe
Wasserkilch.
124. Kaiser Karl kehrt heim
Im Dome zu Aachen steht ein Stuhl, der ist elfenbeinern,
daran ist uraltes Bildwerk zu erschauen, und das
ist der Stuhl Kaiser Karl des Großen. Als zu einer
Zeit der starke Held auszog in das Heidenland, die
Heiden zum Christentum zu bekehren, schied er sich
von seinem Ehegemahl und gab seiner Hausfrauen
auf, seiner in Züchten zu harren zehen Jahre lang,
käme er dann nicht zurück, so wäre sein Tod gewiß.
Werde er aber ihr einen Boten senden mit seinem Ringelein,
das er ihr wies, dann solle sie dem alles vertrauen
und tun, was er ihr entbieten ließ.
Neun Jahre und viele Monden darüber stritt und
siegte Kaiser Karl im Ungarlande gegen die Heiden,
und daheim hielten sie ihn für tot, und weil das Land
keinen Zuchtherrn hatte, erhob sich um Aachen und
gegen den Rhein eitel Raub und Mord und Brand, und
traten die Räte zu der Herrin, Karls Gemahlin, und
lagen ihr an, einen andern Herrn und König zu erkiesen,
damit das Land nicht zugrunde gehe. Lange weigerte
sich die Frau, weil ihr noch kein Wahrzeichen
gesendet war, aber endlich, da die Herren und Räte
allzumal heftig in sie drangen, ließ sie es zu, daß ihre
Vermählung mit einem reichen König anberaumt
wurde, und kam die Zeit heran, daß nur noch drei
Tage waren vor der Hochzeit, welche festlich begangen
werden sollte. Da sendete Gott der Herr einen seiner
Boten ins Lager nach dem Ungarland, der sagte
Kaiser Karl an, was sich daheim begebe, und sprach
zu ihm: Rüste dich und reite heim, binnen dreien
Tagen ist Hochzeit! – Wie soll ich reiten, fragte Karolus,
in dreien Tagen hundert Tagereisen weit und darüber?
– Reite, und Gott wird mit dir sein! sprach der
himmlische Bote, und da gewann der Kaiser ein gutes
Roß, damit ritt er an einem Tag aus Bulgarien bis gen
Raab, und am andern Tag von Raab bis gen Passau.
Dort gewann er ein frisches Roß und kam gen Aachen
vor das Burgtor, und Gott war mit ihm. Ganz Aachen
war schon ein Sang und ein Schall von eitel Hochzeitglanz
und Klang, denn andern Tages sollte die Hochzeit
sein, und die Trauung früh im Dom. Da ging Kaiser
Karl bei guter Zeit, da es noch Nacht war, in den
Dom, setzte sich auf seinen elfenbeinernen Stuhl und
legte sein großes Schwert quer über seine Kniee, saß
allda ganz ruhig wie ein Steinbild und ruhete von seinem
weiten Ritt. Da kam zuerst der Mesner in den
Dom, der trug die Bücher vor und beschickte die Altäre
und steckte Kerzen auf, und mit einem Male sah
er auf dem Königsstuhle einen greisen Mann sitzen,
in ernster Stille und mit blankem Schwert, da kam
ihm ein Grauen an, und ging und sagte es den Domherren
an. Die wollten solche Mär nicht glauben, denn
auf dem Stuhle durfte niemand sitzen, er wäre denn
König, kamen daher mit Licht, und der Kühnste unter
ihnen nahte dem Stuhle unerschrocken. Aber als er
den Mann darauf sitzen sah so still und wie steinern,
entfiel der Leuchter seiner Hand, und er zitterte und
entwich aus der Kirche und sagte dem Bischof von
dem Ereignis. Der Bischof nahm sogleich zwei Kerzenträger
der Kirche, ließ die vorangehen mit brennenden
Kerzen und folgte ihnen hin zum Kaiserstuhle.
Da sah er den Greisen sitzen und hub bänglich an zu
sprechen: Sag an, wer bist du Mann, und durch wessen
Gewalt unterfängst du dich, diesen Stuhl zu behaupten?
Weißt du nicht, daß dies der Sessel ist unsers
Herrn und Kaisers? – Darauf erwiderte der Kaiser:
Wie du sagst, so ist es, da ich noch König Karl
hieß, war ich euch allen wohlbekannt, da durfte keiner
diesen Stuhl mir wehren! – Und erhob sich und stand
vor dem Bischof in seiner stattlichen Größe, eines
Kopfes höher als der größte Mann, und der Bischof
rief frohlockend aus: Seid gottwillkommen, mein königlicher
Herr! Segen sei mit Eurer Wiederkunft. –
Da läuteten von selbst alle Glocken, des erschraken
die Hochzeitgäste und zogen eilend von dannen, und
der Bischof bat für die Königin und sagte, daß sie gedrungen
worden sei, da verzieh ihr Karolus gerne und
gab ihr seine Huld zu erkennen, denn er liebte sie unabänderlich
und konnte nimmer von ihr lassen.
125. Fastradas Liebeszauber
Mit einer unsterblichen Liebe liebte Kaiser Karl sein
Ehegemahl Fastrada, bis sie erkrankte und starb. Dies
geschah zu Frankfurt am Main, von wannen ihr
Leichnam erhoben ward und gen Mainz geführt, ihn
allda zu bestatten. Aber der Kaiser wich nicht von der
Verstorbenen und duldete nicht, daß man sie von ihm
entferne, denn es fesselte ihn ein Zauber, wie vorher
an die Lebende, so jetzt an die Tote. Das ward des
Kaisers Umgebung auf die Länge ganz unerträglich,
fort und fort den Stank der Verwesung zu atmen, und
endlich ahnete der weise Turpin, des Kaisers Ohm
und Bischof von Mainz, daß ein Zauber hier walte,
suchte und fand im Munde der Toten, oder nach andern
in ihr Haar geflochten, den Ring mit dem Edelstein,
den damals zu Zürch die Schlange in des Königs
Becher gesenkt, und nahm den Ring an sich. Alsbald
wich der Zauber von Fastradens Leichnam, die
dem Kaiser bislang noch immer schön und frisch und
blühend, wie eine Schlafende, erschienen war, deshalb
er sie auch nicht zu bestatten erlaubte – und er
erbebte jetzt vor ihrem Anblick und wollte sie nicht
mehr sehen. Also ward Fastrada bestattet, aber nun
wandte sich Karls ganze Liebe dem Erzbischof zu,
der nun schon wußte, woher diese Neigung stamme.
Und als Erzbischof Turpin im Gefolge des Kaisers
gen Aachen zog, da sah er unterm Frankenberge einen
schönen See, der war still und tief und heimlich.
Dahinein warf Turpin den Schlangenring. Alsobald
entwich die Zauberliebe aus Karols Herzen und
wandte sich nun zu diesem See, wollte nimmer von
ihm scheiden. Ließ ein Schloß zur Wohnstätte auf den
Berg über dem See bauen, da weilte er nun immerdar
und hatte seine Augen stündlich auf den See gerichtet
und verordnete, daß man ihn bei seinem Absterben
allda in seinem Münster zu Aachen begraben solle,
befahl auch, daß alle seine Nachfolger zu Aachen vor
ihrer Krönung sich sollten salben und weihen lassen,
welches auch also geschehen ist in langer Reihe deutscher
Kaiser bis nahe heran an die neue Zeit, da man
nicht mehr deutsche Kaiser zu salben und zu krönen
hatte und das Reich ein Ende genommen.
126. Karl des Großen Tod und Grab
Als es mit Kaiser Karl dem Großen zum Sterben kam,
verordnete der Held, wie es mit seinem Begräbnis geschehen
solle, und geschahen zugleich große Wunderzeichen
am Himmel und auf Erden, welche des mächtigen
Kaisers Absterben vorausverkündigten. So
stürzte der bedeckte Gang ein, der von der Kaiserpfalz
auf den Markt zum Münster führte. Und da Karolus
nun verstorben war, da ward er beigesetzt im
rechten Sinn, in eine neue wohlverwahrte Gruft, auf
einem Stuhl von Marbelstein aufrechtsitzend, auf seinem
Haupt die Krone und in der einen Hand den
Szepter, in der andern das Evangeliumbuch, und ward
dann über ihm die Gruft geschlossen und vermauert.
Das geschahe gleich am zweiten Tage nach dem Tode
des großen Herrschers, und kam nach wenigen Wochen
Ludwig der Fromme, sein Sohn, und übernahm
das Erbe des Reiches. Der sahe seinen Vater nicht
mehr, und kein Mensch sah ihn mehr, bis man das
Jahr Eintausend schrieb. Da trug des Reiches Krone
Kaiser Otto III. vom Sachsenstamme, dem gelüstete
zu einer Zeit, den Leichnam Karl des Großen zu
schauen, ging zum Grabe dar, geleitet von zwei Bischöfen
und einem Grafen, und ließ eine Öffnung in
die Gruft brechen. Da saß der nun seit fast zwei Jahr-
hunderten beigesetzte Kaiser noch hoch und hehr, wie
ein steinern Heldenbild, auf seinem Marbelstuhl, die
Krone noch auf dem Haupte, das Szepter in der behandschuhten
Hand und das Buch auf den Knien,
schier dräuend und schrecklich. Alle beugten sich ehrfurchtvoll
vor dem großen Toten und befanden, daß
die Nägel fortgewachsen waren durch die Handschuhe
hindurch, und daß die Fäule nur erst die Nase ergriffen.
Die ließ Kaiser Otto von Gold ergänzen, schnitt
dem Leichnam mit goldner Schere die Nägel ab und
kleidete ihn in ein weißes Gewand. Dann entnahm er
dem Munde Karols einen Zahn, diesen aufzubewahren
als heilige Reliquie, dann ließ er das Grab wieder
schließen und fest vermauern. In der Nacht darauf
aber erschien Karolus dem Kaiser Otto III. im Traume,
hehr und schrecklich anzusehen, und sprach zu
ihm: Mußtest du kommen und meine Ruhe stören?
Bald wirst du ruhen, wo ich ruhe, nicht weit von mir,
und erlöschen wird mit dir dein Stamm. – Otto, der
Kaiser, nahm sich dies Gesicht sehr zu Herzen; er
gründete eine Kirche und ein Klosterstift und weihte
es in die Ehre Sankt Adalberts, und im zweiten Jahre,
nachdem er Karoli Leichnam gesehen, da war schon
das Wort der Erscheinung erfüllt, und Otto III. ruhete
in der Kaisergruft im Aachner Dome. Hernachmals
hat nach aber zweihundert Jahren Kaiser Friedrich II.
von Hohenstaufen Kaiser Karls Gebeine erheben und
in einen prächtigen goldnen und silbernen Kasten
legen lassen, die Krone aber und andere Kleinodien
dem Domschatz überwiesen.
127. Templerkirche zu Aachen
Weit verbreitet war der Orden der Templer; auch zu
Aachen erbauten sie ein Tempelhaus, dessen Stätte
heißt noch heute der Tempelgraben. Als sich die Feinde
des Ordens gegen den Templerbund erhoben, als
der schreckliche Tag im Märzmond des Jahres 1314
den heldenherzigen Großmeister Jakob Molay nebst
seinen Todesgenossen in Flammen zu Märtyrern verklärete,
da versank zu Aachen plötzlich die Templerkapelle,
an ihrer Stelle schoß ein Wasserstrahl aus
dem Boden herauf, und ein Weiher bedeckte den Ort.
Das war fast wieder volle hundert Jahre, seit Kaiser
Friedrich Karl den Großen zum andern Male bestattet
hatte. Immer noch quillt jene Quelle über der versunkenen
Templerkirche, und im Märzen hört man wohl
bei stiller Luft ihre tiefversunknen Glocken läuten,
das klingt wie aus weiter Ferne und geisterhaft. Auch
geht die Sage, daß in der Mitternachtstunde jenes Unheiltages
drei Ritter in Templertracht, auf ihren Mänteln
das rote Kreuz, von Blut gezeichnet, über den
Tempelgraben wandeln.
128. Die Hinzlein zu Aachen
Allenden in Deutschland und den Nachbarländern
gehen Sagen von Zwergen und Neckebolden, heißen
da so und dort anders, Hinzelmännlein, Bergmanndli,
Hütchen, Heinzchen, Wichtlein, Querchlein, Quarkse,
stilles Volk, Unterirdische, sind ein wunderlich spukhaft
Geistervolk, den Menschen gut und feindlich, je
nachdem es kommt, hülfreich und zuwider, nütze und
schädlich, doch am meisten den Guten mild und den
Bösen feindlich gesinnt.
Solcher Kobolde hatte es auch zu Aachen, hießen
dort Hinze, wie man auch hie und da in Deutschland
die Katzen nennt, die Hexenlieblinge, wohnten im
Felsgeklüft unter der Emmaburg, da waren viele
Gänge und unterirdische Keller, daraus zog in gewissen
Nächten der Hinzenschwarm hervor mit spukhaftem
Gelärm und Gepolter, klapperten an die Haustüren
und trieben viel Tückerei und bösen Mutwillen.
Kein Geisterbannspruch, kein Kreidekreuz an Türen
und Läden half gegen den Nachtspuk der Hinzemännlein;
erst als man eine Kapelle dicht an die Felsen der
Emmaburg baute und deren Glocken zum ersten Male
erklangen, da war alles vorbei – denn Glockengeläute
können die Unterirdischen nicht hören und vertragen,
aber die guten Aachener ahneten nicht, daß sie sich
mit dem Kapellenbau erst recht eine Rute auf den
Hals gebunden hatten. Denn die Hinzlein zogen zwar
aus den Felsen fort, aber wo zogen sie hin? – In die
Stadt Aachen zogen sie, in einen alten Mauerturm, zu
dem ein unterirdischer Gang nach dem Felsen unter
der Emmaburg führte, und nun ging der Spuk erst
recht an. Der alte Turm lag ohnweit der Kölner
Straße, da klopfte es zur Nacht an die Häuser, da knisterte
es auf dem Herd, da rasselte und klapperte es in
den Küchengeschirren, und das ging stundenlang so
fort, daß kein Mensch ein Auge zutun konnte. Wußten
sich keines Rates zu erholen gegen die schlimmen
Poltergeister. Da kam von auswärts her ein weit umgewanderter
Gesell gen Aachen, der vernahm von
dem Spuk und erzählte, solcher Zwergvölker gebe es
in Thüringen und Sachsen vollauf, bei Jena, bei Königsee,
bei Plauen, in der Grafschaft Hohnstein am
Harzwald, bei Zittau in Sachsen, im Zobten in Schlesien,
im Kuttenberg in Böheim und an vielen andern
Orten, auch im ganzen Vogtland, in der Schweiz am
Pilatus, im Erzgebirge, im Untersberg bei Salzburg,
sowie am Rhein usw. Da sei nichts besser, als man
stelle vor jedes Haus ein Geschirr, ehern oder irden,
dessen wären die Hinzlein sehr froh, benutzten es zur
Nacht und stellten es ungeschädigt wieder an seinen
Ort, ließen dagegen die Leute in Ruhe. Der Rat des
guten Gesellen ward probiert und war probat, man
folgte ihm und hatte Ruhe. Kamen nachmals zwei
fremde Kriegsgesellen nach Aachen, die hörten in
ihrem Quartier von der Sache und der Sage, hatten
Spottens kein Ende, daß die Aachner Töpfe und Kessel
für die Zwergmännlein hinstellten, deren es doch
auf der Welt keine gebe, und vermaßen sich, nachts
Wache zu stehen, da sollten die Hinzen statt der blanken
Kessel blanke Degen finden. Darauf bezechten
sich die Kriegsgurgeln, setzten sich vor die Tür, sangen
und hatten sich sehr lustiglich, schrien immer
einer den andern an: He da! Hinz! Jetzt kommt der
Hinz!, trieben einander zur Kurzweil auf der Straße
um, jagten sich, traten sich, rannten durchs Hinzengäßlein
hinter bis zu dem alten Mauerturm, da hörte
man sie beide noch einmal brüllen, dann war alles
still.
Am andern Morgen lagen die Prahlhänse tot vorm
Hinzenturm, hatte einer den andern durch und durch
gestochen. – Und noch lange nachher hat der Hinzenspuk
gedauert, bis ein reguliertes Chorherrenstift erbaut
ward in der Nähe der Spukgassen, da hat der
abermalige mächtige Glockenschall die Hinzlein auf
immer vertrieben.
129. Die buckligen Musikanten auf dem
Pervisch
Zu Aachen, in der alten Reichsstadt, haben einmal
zwei Musikanten gelebt, von denen hatte jeder einen
nicht kleinen Buckel; das war aber auch alles, was sie
miteinander gemein hatten, denn der eine war gut und
wohlgesinnt, der andere war neidisch und tückisch,
scheelsüchtig und habsüchtig. Nun trug sich's einstmals
zu, daß der erstere auf ein Dorf erfordert war,
dort zu einer Hochzeit mit aufzuspielen, und erst am
späten Abend heimwanderte. Er mochte dort manch
gutes Trünklein getan haben, denn er war ganz fröhlich,
und als er auf seinem Wege am hohen Dome
vorbeikam, pfiff er wohlgemut ein lustiges Schelmenstücklein.
Indem schlug die Glocke Mitternacht, und
alsbald war um ihn her ein Schwirren und Schweben,
geisterhaft und grauenhaft, und die Gespensterfurcht
ergriff den Spielmann und trieb ihn eilend vorwärts
durch die Schmiedegasse vor auf den Pervisch, das ist
der Fischmarkt. Siehe, da traf es der Spielmann ganz
hell an, alle Fischbänke waren illuminiert, Wein und
Speisen die Hülle und Fülle standen auf reich gedeckten
Tafeln in köstlichen Gefäßen, und vornehme Frauen
saßen da und schmausten und zechten. Da trat eine
solche Dame auf den Spielmann zu und sprach:
Holla, Fiedler! Du kommst gerade recht, jetzt geig
uns eins auf, wir wollen tanzen! Doch zuvor trink erst
einmal! – Und reichte ihm würzigen Wein in einem
Goldpokal, und er trank und erglühte vor Lust, nahm
sein Saitenspiel und geigte fröhlich darauf los. Und
die Frauen begannen miteinander zu tanzen im wilden
Reigen, und des Geigers Tanzweisen gellten wie toll
durch die Nacht. Da schlug es drei Viertel auf Eins,
und jetzt ließen allgemach die wirbelnden Paare vom
Tanzen ab, wie ermüdet – und die Frau, die den Geiger
angesprochen, trat jetzt wieder zu diesem und
sprach: Habe Dank und auch Lohn – und dabei strich
sie ihn mit ihrer Hand sanft über den Rücken, daß er
vermeinte, sie wolle ihn an sich ziehen – aber indem
war sie verschwunden, und alle andern Frauen desgleichen,
und die Lichter, die Speisen, die Geräte –
alles – und die Münsteruhr schlug eins. Der Spielmann
ging nach Hause, so leicht, so wohlig – er
wußte gar nicht, wie ihm geschehen. Und siehe, als er
sich auskleidete, weg war sein Buckel, den hatte zum
Lohn die nächtliche Tanzfrau ihm abgestreift. Bald
lief durch ganz Aachen die Wundermär, die hörte
nicht sobald der andere Buckelmusikant, als der Neid
über ihn kam, und dachte, mir soll das doch wohl
auch gelingen, was jenem Lump gelang. Konnte kaum
die Nacht erharren, stand lange vor Mitternacht schon
auf dem Pervisch, seine Geige mit dem Fiedelbogen
in der Hand. Endlich schlug's, und da glänzten auch
die Fischbänke voll Lichter, da standen die kostbaren
Geräte, da reichte ihm eine Dame würzigen Wein,
alles wie vor geschehen, und forderte auch ihn auf,
seine Tanzweisen aufzuspielen. Solches tat er, aber
seine Tänze wurden, ohne daß er wollte, Grabmelodien,
der Tanz wurde ein Totentanz, die holden Frauenbilder
wurden zu Gerippen, und als es drei Viertel
schlug, huschte ein molkiges Schattengebild an den
Spielmann heran, das hatte zuvor aus einem Silbergefäß
etwa ein Kleinod gehoben, und sprach: Habe
Dank und auch Lohn – und hing ihm und drückte ihm
das Kleinod an die Brust, schier wie einen Orden.
Dann schwand alles hinweg, und der Spielmann
wankte und schwankte nach Hause, und war ihm weh
auf der Brust, und hatte kurzen Odem. Und als er sich
auszog da hatte er den Buckel seines Spielgesellen
vorn auf der Brust, und seinen eigenen dahinten, den
hatte er auch noch, und mußte beide Buckel tragen bis
an sein Ende. –
130. Der fliegende Holländer
Im Lande Limburg liegt ein altes Schloß, das ist Falkenberg
genannt, darin es spukt und umgeht. Eine
Stimme ruft gegen die vier Wände den Klageruf:
Mörder! Mörder! – Zwei kleine Flämmchen flackern
vor der Stimme her, aber den Rufer sieht keiner. Und
das ist also seit sechshundert Jahren. Damals, vor so
langer Zeit, stand das Schloß noch in seinem Glanze,
zwei Brüder von Falkenberg wohnten darin, die
hießen Waleram und Reginald und liebten beide die
schöne Tochter eines Grafen von Cleve, Alix. Waleram
war der Glückliche, den die Jungfrau erkor, und
feierte mit ihr glänzende Hochzeit. Dem verschmähten
Reginald aber wandte der Rachegeist das Herz im
Busen, und er ging und ermordete die Liebenden in
ihrem Brautbette. Im Todeskampfe griff Waleram in
des Bruders Mordwaffe, schlug ihm die blutende
Hand ins Gesicht und sank dann tot zurück. Der Mörder
schnitt vom Haupt der von ihm erdolchten Braut
eine Locke und entwich, war auch nimmer zu finden,
als man die Toten fand und bejammerte und den Mörder
ahnete. Es lebte dazumal nicht allzuweit vom
Schlosse Falkenberg ein frommer Einsiedel, dessen
Klause neben einer kleinen Kapelle stand. Bei dem
klopfte es an um Mitternacht und begehrte Einlaß im
Namen des Himmels. Reginald war's, den die Reue
marterte, und auf dessen Gesicht die Spur einer blutigen
Hand unaustilgbar sichtbar war, ein Wahrzeichen,
was kein Wasser abwusch. Reginald beichtete
dem Einsiedel seine schwere Schuld, und der hieß ihn
mit ihm gehen, und führte ihn in die Kapelle, und
kniete mit ihm am Altare, und betete mit ihm die
ganze Nacht. Am andern Morgen gebot der Einsiedel
dem Grafen Reginald von Falkenberg: Wandelt als
büßender Pilger gen Norden und immer gen Norden,
bis Ihr keine Erde mehr unter den Füßen habt, dann
wird Gott Euch durch ein Zeichen offenbaren, was Ihr
weiter beginnen sollt. Da sprach Reginald kein anderes
Wort als Amen und verbrannte an der ewigen
Ampel des Altars Alixens Locke und ging von dannen,
gen Norden und immer gen Norden, und büßte
und betete. Und da sind zwei Gestalten mit ihm gegangen,
eine weiße zu seiner Rechten und eine
schwarze zu seiner Linken; die zur Rechten bestärkte
ihn im Büßen und Beten, die zur Linken aber flüsterte
ihm zu, davon abzulassen und den Freuden der Welt
zu leben, und so kämpften sie um seine Seele, und
dieser Kampf, den er im Herzen fühlte und mitkämpfte,
war seine Buße. So ging er Tage lang, und Wochen
lang, und Monden lang, bis er am Meere stand
und kein Erdreich mehr vor sich sah, darauf er seinen
Fuß hätte setzen können. Aber da fuhr ein Nachen
heran, da saß einer drin, der winkte Reginald und
sprach: Exspectamus te! Und das war das Zeichen,
und Reginald stieg in den Kahn, und die zwei Gestalten
mit ihm. Und der Mann im Nachen stieß ab und
fuhr nach einem großen Schiffe hin, das im Meere lag
und alle Segel aufgespannt hatte und alle Flaggen aufgezogen.
Da stiegen die drei an Bord, und der Mann
samt dem Nachen verschwand, und das Schiff segelte
durch das Meer. Reginald aber ging unter das Verdeck
des Schiffes, das ganz menschenleer war und
ohne alle Bemannung; da stand eine Tafel und Stühle,
und die drei setzten sich, und die schwarze Gestalt
legte drei beinerne Würfel auf den Tisch und sprach:
Jetzt wollen wir um deine Seele würfeln bis zum
Jüngsten Tag.
Und das tun sie noch heute, ohne Ruder und ohne
Steuer fährt das Schiff durch den Ozean im Norden,
zur Nacht webern Flammen auf seinen Masten und
tanzen auf den Rahen. Seine Segel sind grau wie
Erde, und seine Flaggen sind fahl wie abgebleichte
Bänder an Totenkränzen. Sein Bord ist leer, und am
Steuer steht kein Steuermann. Sein Gang ist Flug, und
sein Begegnen ist Fluch, Unheil verheißend dem
Fahrzeug, dem es begegnet. Mancher Schiffer hat es
schon gesehen, und es hat ihm Grausen erregt. Selbst
bei Windstille fliegt es wie ein Pfeil über die Meeresglätte.
Und sie nennen es den fliegenden Holländer.
131. Sankt Remaclus Fuß zu Spa
In dem quellenreichen Spa, darinnen mehr denn hundert
Gesundbrunnen ihre Heilwasser ausströmen, ist
eine Quelle, die heißt Groesbeeck, die ist ein Jungbrunnen
und Frauenbad, absonderlich heilsam und
kräftigend. Nahe dabei ist das Zeichen eines Fußes
tief in den Boden eingetreten. Einstens kam der heilige
Remaclus, welcher im Lütticher Lande wohnte, zu
dieser Quelle und verrichtete allda seine Andacht. Der
heilige Mann mochte aber ermüdet sein oder sich
allzu tief in sein Gebet versenken, er schlief ein über
dem Gebet. Solches hat den lieben Gott in etwas verdrossen,
und er schuf, daß einer der Füße des heiligen
Mannes tief in die Erde sank und das Wahrzeichen
also blieb, daß es nimmermehr wieder ausgefüllt werden
konnte. Der heilige Remaclus aber fühlte tiefe
Reue über sein Vergehen und legte sich die strengste
Buße auf, dies sahe Gott mit Wohlgefallen an und
schuf der Fußtapfe eine wunderwirkende Kraft. Frauen,
welche Nachkommenschaft entbehren und Nachkommenschaft
wünschen, halten in der Kirche des
heiligen Remaclus zu Spa eine neuntägige Andacht
und trinken an jedem dieser Tage aus dem Brunnen
Groesbeeck ein Glas Wasser, indem sie den einen
Fuß in die Fußtapfe des heiligen Remaclus setzen.
Vielen hat dort ihr Glaube geholfen.
132. Die schlafenden Kinder
Im Lütticher Lande, zu Stockum, lebte ein armes
Weiblein, eine Wittib mit drei Kindern, kümmerlich,
denn es war teure Zeit, und sie mußte betteln gehen
und konnte doch nichts erbitten und erbeten. Da kam
sie voll Jammer zu ihren drei Kindlein daheim und
sagte: Weh uns Armen! Die Herzen der Menschen
sind hart, und Gott hat ihr Ohr verschlossen. Lasset
uns mitsammen sterben, das ist das Beste für uns
viere, da hungern wir nicht mehr! – Da die Kinder
diese Worte vernahmen, begannen sie zu weinen, und
eines derselben sprach: Ach, liebe Mutter, du wirst
doch dich und uns nicht schlachten wollen – denn die
Alte hielt schon das scharfe Messer in der Hand – laß
uns doch lieber schlafen bis zum Herbst, da gibt es
wieder Korn und Obst, da lesen wir wieder Ähren mit
dir und können leben. Da fiel der Mutter das Messer
aus der Hand, und den Kindern allen dreien fielen die
Augen zu, und entschliefen, und schliefen und
schlummerten in einem fort, durch den Winter und
Frühling und Sommer, und wachten nie nicht auf.
Viele Menschen kamen herbei aus Lüttich und aus
Brabant und sahen mit Verwunderung die immer
schlafenden Kinder, und alle schenkten der armen
Frau etwas, und davon wurde die arme Frau sehr
reich. Und als der Monat August kam, da die Sicheln
der Ährenschnitter im Felde klangen, da wachten die
Kinder allzumal auf und hatten einmal recht ausgeschlafen,
lobten Gott und den frommen Heiland mit
ihrer Mutter und litten nie wieder Mangel.
133. Roß Bayard und Schloß Bayard
Die vier Haimonskinder ritten zumal auf einem großen
überstarken Rosse, des Name war Bayard. Viele
Wahrzeichen gibt es noch von ihm im Lütticher
Lande und der Gegend dort herum. Nahe bei Lüttich
ist ein Felsen, der zeigt eine kahle glatte Stelle, darauf
ist ein Rosseshuf eingetreten, der rührt vom Bayard
her. Als das Roß auf Kaiser Karls Befehl von den vier
Haimonskindern zur Sühne dargebracht wurde, ließ es
der harte Kaiser von der Brücke zu Paris in die Seine
werfen, nachdem es mit Stricken gebunden war, aber
mit seiner Kraft zersprengte es die Stricke und kam
wieder hervor aus dem Wasser und lief zu seinem
Herrn und leckte ihm die Hand. Da ließ der Kaiser
das Roß mit Steinen belasten und abermals in den
Strom stürzen, und wiederum kam es hervor und hatte
die Steine von sich geschüttelt und lief zu seinem
Herrn und stand – und zitterte. Aber der Kaiser fand
seines Zornes gegen das Roß kein Ende und gebot, es
solle am Hals und an den Füßen mit Mühlsteinen belastet
und zum dritten Male in die Flut geworfen werden.
Als das kluge Roß Bayard dieses grausame Wort
vernahm, erschrak es und entfloh ins Weite – aber der
Kaiser gebot Reinhold von Dordone, dem jüngsten,
aber stärksten Sohne Haimons, des Rosses Herrn,
dem es willig wie ein Kind diente und gehorchte, daß
er gehe und den Bayard fange. Da ging Reinhold –
schwerer am Kummer auf seinem Herzen tragend, als
das Roß an Steinen getragen hatte – und fing den Bayard
und brachte ihn geführt, und so wurde das treue
Roß zum dritten Male in die Flut gestoßen, so schwer
belastet, daß es sich nicht wieder ihr entringen konnte.
Es hob nur noch ein einziges Mal den Kopf in die
Höhe und blickte auf Reinhold, seinen Herrn, hin,
dann versank es. Da tät sich Reinhold aller ritterlichen
Gewaffen ab, wanderte als Büßer von hinnen,
kam nach Köln, der heiligen Stadt, und arbeitete allda
unter den Maurern um kargen Lohn am Dombau, bis
neidische Mitgesellen ihn durch einen Steinwurf töteten,
den sie von einer Höhe niederwarfen.
Das Roß Bayard aber blieb unvergessen, vielfach
blieb sein Name in Ehren, ja es geht auch die Sage,
daß es sich an ferner Stelle dennoch wieder aus dem
Strom gerettet und in den Ardennerwald sich geborgen
habe, wo es noch immer bisweilen sich sichtbar
zeige. Bei Dinant ist ein vielfach zerklüfteter Fels, der
heißt der Bayardsfelsen, und ohnweit Charleroi, oberhalb
dem Dorfe Couillet, wird auch ein Bayardstritt
im Stein gezeigt. Dem Rosse zu Ehren hatten die vier
Haimonskinder ein Schloß Bayard genannt, das steht
zu Dhuy in der Grafschaft Namur, dort haben sie öfter
gewohnt, sowie auch auf dem Schlosse Reinoldstein
in der Provinz Lüttich, wo nahe dabei Schloß Poulseur
gelegen war, darauf Malagys, der Vetter der vier
Haimonskinder, ein mächtiger und listiger Zauberer,
wohnte, wie auch im Schloß Amblème, das noch nach
ihnen heißt, und in Eggernwalde. Auch liegt ein Dorf,
Berthem, im belgischen Lande, das hat das Roß Bayard
zum Wappen. Auch zeigte man allda des Rosses
große Krippe und nahe bei Berthem, im Walde
Meerdael, auch einen Bayardhuftritt. Als Reinhold
von Dordone von seinen Brüdern geschieden war, entsagte
auch sein ältester Bruder Adelard der Welt, begabte
die Abtei Corvey mit der Oberherrlichkeit von
Berthem und trat als Mönch in jenes Stift, verstarb
auch alldort eines seligen Todes. Über dem Hochaltare
der Kirche zu Berthem fand sich vordem ein Gemälde
aufgestellt, darauf sahe man Adelard und seine
Brüder samt dem Rosse Bayard vor einem Kreuze
knieen.