Читать книгу Ein Stern geht auf - Ludwig Huna - Страница 11

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Achtes Kapitel

Im Königspalast atmet alles auf. Selbst die weißen Tauben an den Teichen des Palastgartens flattern wie befreit in Scharen auf, und ihre weißen Wolken überschimmern das Blau des Himmels.

Auf dem Prachtbett, aus Akazienholz geschnitzt, in einem mit griechischen Statuen angefüllten Gemach, von seinem Leibarzt Thebaldeos und seiner samaritischen Frau Malthake betreut, liegt der ermattete Leib des Königs Herodes mit allen Zeichen des Erlöschens tief in kostbaren Polstern gebettet. Es ist tief in der Nacht.

Nun öffnet der König die Augen. Sie glühen unheimlich aus einem von einem grauen Wildbart umwachsenen Gesicht.

Vor ihm steht ein hellenischer Kitharöde in der langen, golddurchwirkten Tunika, den Purpurmantel um die Schulter geworfen, den goldenen Lorbeerkranz auf den dunkelbraunen Locken. Er beginnt ein römisches Volkslied zu singen, wie es in den Tavernen von Trastevere von den Lippen verkommener Weiber erklingt. Es ist ein Lieblingslied der noch immer hie und da vom Kitzel gestochenen Malthake, und sie meint, es könne auch ihren todesmatten Gebieter ein wenig aufstacheln und ihn an bessere Tage erinnern. Ihre Augen spannen sich nach dem bleichen Gesicht des Mannes, der sie einst feurig an die Brust gedrückt und dessen Liebeswonnen sie mit anderen Frauen teilen musste. Innere Anteilnahme erfüllt dieses Weib, und ihrer Augen Feuchte entspringt ehrlichem Mitleid, das dieser fragwürdige Beglücker vieler Frauenherzen nicht verdient. Denn er hat sie alle, mit Ausnahme seiner wirklich geliebten Mariamne, nur mit tierhafter Gier und nicht mit der Seele geliebt. Und auch alle diese Frauenseelen hatten nichts mit der Hingabe des Leibes an den schrecklichen König zu tun.

Herodes hat während des Gesanges die Lider geschlossen und liegt mit pfeifendem Atem da.

Wieder öffnen sich die vom Siechtum glanzlos gewordenen Augen, die nur noch in zorniger Aufwallung zu leuchten vermögen. Dann aber springen Blitze aus dieser Iris, die den, dem sie gelten, zu vernichten drohen.

„Mir war, als hörte ich Fanfaren im Traum. Zogen meine Syrier und Germanen aus?“ Der König heißt den Kitharöden mit der Hand verstummen. Dieser lässt die Leier sinken.

Thebaldeos wechselt den kühlen Umschlag auf der Stirn des Kranken. „Der Prokurator hat die Soldaten durch die Gassen marschieren lassen.“

„Aaah! Ich entsinne mich“, seufzt Herodes mit klarer werdenden Gedanken. „Judas und Matthias — der Aufstand — — ist er unterdrückt?“

„Der Prokurator wartet in der Halle, um, wenn es Euch beliebt, Bericht zu erstatten.“

Malthake, die aufgedunsene Matrone, tritt an das Bett. „Ihr seid noch zu schwach. Lasst die Nacht vorübergehen.“

„Ah – Malthake!“ Herodes lächelt ein wenig. „Haben deine sanften Hände meine Träume behütet? Nein, nein, der Prokurator soll kommen.“

„Ich will es nicht“, bittet die Fürsorge heuchelnde Frau. „Wenn Ihr kräftiger werdet, schicke ich Euch meine Söhne Antipas und Archelaus, dass sie mit Euch Pläne spinnen.“

„Vorsichtige Trösterin!“, lächelt der König, während ihm Speichel aus dem Mundwinkel fließt. „Lass sie ruhen, Frau. Antipas wird mein Nachfolger, er ist im Testament reichlich bedacht. Und Augustus wird alles bestätigen. Er soll vom künftigen Glück träumen, mein Antipas. Den Prokurator!“

„Jetzt in der Nacht – die Sache des Aufruhrs? Ich will es nicht.“

Da bemüht sich Herodes zu schreien, es klingt heiser und jämmerlich. „Was gilt dein Wille, wenn ich will?“ Eine Eiterbeule an der Stirn des Königs bricht plötzlich infolge der Erregung auf.

Der Grieche eilt herbei. „Ihr müsst ruhig liegen, mein König. Ein allzu rasches Strömen des Blutes kann ein Gefäß bersten machen.“

„Was kümmern mich Gefäße? Was das Blut? Den Prokurator!“

Da geht Thebaldeos achselzuckend hinaus.

Malthake will sich an das Bett setzen, der König weist sie mit verdunkeltem Blick weg. „Geh auch du!“

Da verlässt sie schmollend mit dem Kitharöden das Schlafgemach.

Des Königs Blick fällt auf ein Bild des römischen Malers Ludius, das er vom Kaiser Augustus zum Geschenk erhalten hatte. Es stellt einen Gladiatorenkampf dar, und der vom Blut leuchtende Boden ist mit sterbenden Fechtern bedeckt. Lange heftet sich der Blick des Herodes auf das grelle Rot der Arena. Und ihm ist, als beginne plötzlich das Blut zu kreisen und als erhöben sich die verkämpften Gladiatoren und drängten aus dem Bild heraus, gerade auf ihn zu. „Was wollt ihr?“, ruft Herodes mit schreckgeöffneten Augen und hält ihnen die Hand abwehrend entgegen.

Und die immer größer werdenden, endlich ins Riesenhafte wachsenden Fechter stehen nun vor ihm und sprechen mit verzerrten Mündern im Chorus: „Wir morden deine Gedanken, denn sie sind Blut.“

Da zieht der König bangfröstelnd die Decke übers Gesicht, sein Atem rasselt. Lange liegt er unbeweglich – dann hebt er die Decke ab. Der Paroxismus ist vorbei. Die Gladiatoren liegen wieder auf dem Arenaboden, gebannt durch den Rahmen des Bildes. Herodes’ Blick verliert den Glanz des Schreckens.

Der Leibarzt bringt den Prokurator Philippos ans Bett des Königs, einen hageren Römer mit männlicher Haltung und finstern Augen, aus denen des Tartaros Eiskühle weht.

„Die Meute auseinandergejagt?“, fragt der König hohl.

Philippos berichtet alles. „Vierzig junge Aufrührer sind verhaftet, darunter die Häupter Judas und Matthias, gefährliche Gesetzesausleger, die das Volk zum Zweifel an der Richtigkeit der Überlieferungen erziehen wollten, Widersacher Eurer Herrlichkeit und Empörer gegen Rom. Ich ließ aufgrund des königlichen Mandats die Gefangenen fesseln und sie sollen morgen nach Jericho geschleppt werden, um das Volk hier nicht unnötig zu erregen. Die Angehörigen der Verhafteten werden überwacht; sollte es zu Empörungen kommen, würden auch sie ihrem Schicksal nicht entgehen.“

Herodes ist mit Philippos sehr zufrieden. „Vierzig ist eine schöne Zahl. Sie wird durch Blut nur noch teurer gemacht. Auch das mit Jericho ist gut. Sie sollen den Weg dahin in Ketten und zu Fuß zurücklegen.“

„Es ist ein sechsstündiger Weg“, wagt der Prokurator einzuwenden. „Und es sind schwache Gestalten dabei.“

Der König verzieht hämisch die Lippen. „Es tut mir leid, dass er nicht länger ist, sie könnten so besser ihre Sünden büßen. In Ketten, befehle ich. Exequator!“

„Das Urteil in Jericho?“, fragt bang der Prokurator.

Herodes’ Blick fliegt flüchtig nach der Gladiatorenwand. Wieder leuchtet der purpurne Sand auf. „Was würdest du tun, Mensch?“ Er fragt’s mit scheinheiliger Vorsicht.

„Ich habe hier keine Stimme“, entzieht sich Philippos der Verantwortung.

„So soll die meine umso lauter klingen. Wegen Tempelschändung und Verunehrung des kaiserlichen Roms: Tod durch Verbrennen der Anführer, die anderen werden erschlagen. Die Hinrichtung erfolgt in Jericho.“ Gnadenlos fällt der Spruch von den Tyrannenlippen, die noch vor kurzer Zeit der Tod leise berührt hatte. Der Henkerkönig hat ins Leben zurückgefunden, und seine erste Tat ist diesem Leben angepasst: ein Todesurteil über vierzig Menschen.

Ein Wink des Ungeheuers – der Prokurator ist entlassen.

„Ich höre, dass der Steinschneider Dioskorides, der das Haupt des Augustus in Onyx geschnitten, angekommen sein soll –“

Der Leibarzt nickt.

„Er soll mir vorgeführt werden. Ich will meinen Frauen Malthake, Pallas, Kleopatra und Phädra teure Andenken an mich hinterlassen. Der Mann möge sich beeilen, ich will ihm stillhalten.“

Thebaldeos will sich entfernen.

„Komm her, Freund, leih mir dein Ohr. Wiege ich meine Bluttaten, die für das Gedeihen des anständigen Volkes notwendig sind, nicht durch meine Baudenkmäler hundertfach auf? Was hab ich allein dem Kaiser Augustus zu Ehren gebaut? Was den Juden zuliebe? Diesen Palast, wo ich mein Leben veratmen will, das samarische Sebaste, den Tempel Panäon, die Stadt Antipatris in der blühenden Ebene von Saron, die Feste Herodäon, die mir die Grenze gegen das gefährliche Arabien schützt, und den Tempel der Juden, eine Marmorarche des Moses – oh, es wuchs viel aus meinen Händen. Aus alten Trümmern schuf ich schimmernde Marmorstädte, Cäsarea, Damaskus, Ptolemäus, Tyros, Agrippäon, Askalon – ach, wer mag die Namen aufzählen, wer zu einem Ende kommen? Und selbst fremde Länder beschenkte meine Huld mit Gold und Marmor – denk an Rhodus, Antiochia, Tripolis. Wer kann mich geizig schelten? Oh, meine Bauten tilgen meine Sünden an den Menschen. Und was da unter meinem Urteilsspruch fiel, war wert zu verschwinden. Genug davon. Lass meine zehn Lieblingssklavinnen kommen, sie sollen unter der Aufsicht des Atriensis ihre Tänze aufführen.“

Die Sinne begannen den alten Sünder zu kitzeln. Die Warnung des ewigen Vergelters prallte von dem verstockten Herzen ab.

Ein Stern geht auf

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