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Die Jugend des Nazareners

Erstes Kapitel

Im Urglanz der Himmel, aus dem seit Äonen die Wonnen unendlicher Liebesstrahlen in das All verströmen und sich das Licht zu einem unvorstellbaren Glorienschein verdichtet, webt Gottgeist und sinnt über die Pracht Seiner Schöpfung. Um Ihn brausen die Welten, und an Sein Ohr rauscht der Gesang der Sphären. Unter der Macht der auf und ab schwebenden Engel, die den Lauf der Welten nach dem Gesetz der Urweisheit regeln, kreisen Sonnen und Planeten, erfüllt von der Kraft der gottgegebenen Bewegung, um das Zentrum der Allmacht.

In nie ermüdender Schöpferlust formt der erhabene Geist in der Materie Welt auf Welt. Rastlos webt und wirkt Sein Gedanke, und aus Seiner Taten Fülle schwebt lautlos der Dank, von Engellippen gesungen, durch die Schöpfung. Die Flamme des erhabenen Willens durchglüht Sein Werk und facht das Leben auf Sonnen und Planeten immer wieder neu an. Unendlich ist des Gottgeistes Liebe, die sich der Sonne wie des Ameisenfüßchens erbarmt. Aus ihr entspringt das Gesetz der Zeugung, die Spaltung der Geschlechter in jeglichem Leben auf allen Welten.

Gottgeist ist das schaffende Wort und die schaffende Tat, das Lichtherz der Welten, und Urweisheit ist der Inhalt Seiner Gedankenfülle.

Da blickt Sein Sonnenauge in einen dunkelnden Nebel im Kreisen der Welten. Um ihn wogen die Lichtgestalten zahlloser Engel, aber der Schein ihrer Wesenswonnen vermag die Dichtigkeit des Nebels nicht zu durchdringen. Gottgeist kost Seiner Wächter Herrlichkeit mit dem Licht Seines Auges. Er kennt des Weltnebels Wesen und weiß, was er verhüllt: einen Seiner schönsten, Form gewordenen Schöpfungsgedanken.

Aus dem liebeumhegten Dunkelkörper hebt es sich nun goldleuchtend empor. Ein Engel, lichter geflügelt als die anderen, schwebt brausend durch die Wellen der Sphären herauf und wirft seine himmlische Schönheit vor die Füße des Erhabenen hin.

Da braust der Choral der Ursonnenengel, die dem Herzen Gottes am nächsten stehen, dem lichtschimmernden Cherub entgegen: „Willkommen, Erdengel!“ Und der Jubel rauscht in den sternumflimmerten Weltenräumen.

Gottgeist horcht auf. Erhabene Gelassenheit liegt auf Seinem Antlitz, während Sein Auge den Gesandten Seines Sternenkindes anblickt.

„Du nahst aus verdunkelten Tiefen. Ist Meiner Schöpfungsgesetze Sinn durchbrochen?“

Trauernd senkt der Engel sein Haupt. „Lichtsehnende Menschen rufen nach dir, erhabener Geist. Der Erde Not ist groß.“

„Wer schuf die Not?“

„Die Menschen selbst. Jener Engelgeist, den Du einst verstießest, da er sich selbstherrlich und hochmütig Deinem Weltenplan widersetzte, vermochte kraft seines eingeborenen Wesens und seiner Sendung in der Erde Stofflichkeit ein gewaltiges Reich zu gründen, das böser Triebe, um Deines Geistes zu spotten. Wohl hüllt er sich in einen schimmernden Lichtmantel, aber nur um die Menschheit durch einen falschen Glanz seines erborgten Lichtes zu betören. Unter seinem Einfluss verdirbt alles, was Dein Wille zu Dir emporgezogen hatte, die Seelen leiden Schaden, Deine Geschöpfe hadern mit Dir, da sie Dich nicht sehen, während Luzifer in lichtglänzender Stofflichkeit west. Sie halten ihn für Gott, der alles schuf, was die Menschen sichtbarlich und fühlbar erquickt. Die Arbeit im Schweiße ihres Angesichts, von Dir weisheitsvoll zum Gebot erhoben, fliehen sie, da ihnen der Gaukler im lichthellen Mantel ein greifbares Paradies ohne Arbeit, voll Luft und Freude vorzaubert. Vom Wahn irdischer Seligkeit berauscht und geblendet, verachten sie Mühe und Leid. Nur wenige lichtsehnsüchtige Menschen schreien nach Gott dem Erhabenen.“

Das lichtdurchglühte Antlitz Gottgeistes hat sich verfinstert. Und die gewaltigen Lippen tönen: „Ewiger Holdklang schien einst Meiner Schöpfung Melodie zu sein, und dennoch schuf Ich auch des Dämons Gewalt, stellte sie in der Geschöpfe Dasein, auf dass der Kampf mit ihr den Menschen zum erhabenen Sieger mache. Gezeichnet ist die Spur Meines Willens bis in die Bahnen der Gestirne, gezeichnet in dem Hilfeflug Meiner Engel, gezeichnet in dem Sein jeglicher Kreatur. Doch all das versteht der Mensch gar schlecht. Ich schuf auf Erden die Völker, jedes nach seiner Art, von der Sprache seines Blutes beschwingt. Niemand sollte ungestraft diesen Blutwillen zerstören. Ich lasse Völker straucheln und sich wieder erheben, wenn ihr Wert ihr Dasein fördert. Und Ich lasse Völker sterben, so sie untauglich sind, Meine Schöpfung sinnvoll zu gestalten. Aber selbst aus ihrem Tod schaffe ich neue Völker, und neue Gedanken werden in neuen Völkern zur Tat. Gar wohl geregelt ist der Lauf der Himmelskörper, Feuer kreisen nach ewigen Gesetzen durch das All, gebändigt durch Meines Willens strenge Hut. Aber es soll auch das Feuer gebändigt glühen im Innern jeglicher Kreatur.“

Der Erdengel hebt preisend die schneeschimmernden Arme. „Dein Geist sollte niedersteigen in die Tiefe der Menschenseele, den körperlichen Träger beherrschend. Aber sie missbrauchten Dein Licht, nannten es wahnverblendet Vernunft und machten eine gleißende Fratze aus ihm. Der Seele holder Friede ist geschwunden, das innere Schauen, das einst bis zu Deines Lichtes Quellen drang, ist vergessen, der Prophetengeist wird verlacht, und das Sonnenwort ist zum Gespött der Weisen geworden. Verschieden hast Du Dich einst in der Menschen Seele gespiegelt, als Götter und als Gott standest Du mitten unter ihnen. Das alles ist dahin. Zeus, Jupiter, Indra, Wotan, Osiris, Ahura-Mazdah, Brahma, Apollon, Ormuzd – Gebilde ihres Geistes, haben nicht vermocht, ihre Seelen zu läutern. Die Verkünder ihres Gottes oder ihrer Götter sind gestorben und haben nichts als Trümmer ihrer Lehre hinterlassen, die die Menschen dann noch verfälschten oder veräußerlichten. Orpheus singt nicht mehr und kündet nicht mehr von Dionysos, dem sonnenschönen Erdengott, kein Buddha wandelt mehr unter dem Mangobaum, den Menschen irdischen Frieden und Leidbefreiung zu schenken, Krischna hat aufgehört, heldenhaft den Sieg der Seele über die Vernunft zu preisen, Zoroasters sanftes Liebeslicht leuchtet nicht mehr, und Moses’ Feuersinn durchglüht nicht mehr das Herz Israels. Wohl hat das Volk nur einen Gott, aber es ist der Gott der Rache. Apollo schweigt, die Orakel schweigen, die Mysterien von Eleusis haben ihren Sinn verloren, das Volk schmäht die Weisheit der Propheten. Ägypten, Griechenland, Rom, Juda, die Stätten geistiger Erhebung, sind verarmt an Geist, die Philosophen und die Künste leben von dem Gute der Vergangenheit und schauen verzagt in eine grauverhängte Zukunft. Die Menschen drängen nach Leidenthaftung, sie träumen sehnsüchtig von dem heiligen Land ihrer Seele, nur wissen sie ihre Sehnsucht nicht zu deuten. O dreimal geheiligter Gott, gib ihnen den Weiser, den Tröster, das Abbild Deiner selbst. Lass ihre Sinne schauen, was ihre Seele noch nicht begreifen kann, was aber durch Deine Offenbarung zum hellen Gotteslicht werden soll.“

Gottgeist strahlt. „Aus Meinem Feuerwesen verdichtete Ich die Welten, schuf Sonnen und Planeten, darunter die Erde, Meiner Liebe schönes Kind. Ich trennte das Licht von der Finsternis, aber die Menschen begriffen nicht, dass die Scheidung auch für ihre Seele galt, dass sie wählen durften zwischen Licht und Finsternis. Ich schrieb an das Himmelsgewölbe die Schrift Meines Geistes, aber die Menschen lasen sie nicht und verkrochen sich in die Stofflichkeit ihres Erdenwahns. Da und dort flammte ein Herz auf, das Meiner Wesenheit lichte Spur trug. Ein Gotama wollte die Menschheit veredeln, aber sie glaubten nicht ihm, sondern seinen hölzernen Statuen, glaubten an Siva, den Verderber in ihrer eigenen Brust. Buddhas Leidbefreiung hielten sie für ein törichtes Gedankenweben, und seine einsame Erhöhung erhöhte die Menschen nicht. Gotama blieb tatenlos, und er half keinem Armen aus seinem Elend. Er sah das Leiden, aber er hob es nicht zur Läuterung zu Mir empor. Er verneinte das Leben, das nun ein anderer bejahen soll!“

Cherubim und Seraphim horchten auf, und ihre Flügel schlugen knisternd aneinander. Aus des Erhabenen Gedanken formt sich ein Wille, das fühlen sie alle, die lichten Beweger und Beleber der Welten.

Gottgeist erhebt sich, und ein herrliches Ursonnenstrahlen geht durch das All, als jetzt die mächtige Stimme den heiligen Willen verkündet: „So will Ich der Erde den Erlöser senden.“

Die Sphären rauschen auf, berührt vom Sonnenwort der Urheimat.

Das Reich der Engel erbebt in seliger Freude. Der Erdengel aber kniet nieder vor dem tönenden Urgeist. „Befiehl, o Herr, die Vollendung.“

„Auf wunderbare Art will Ich den Menschen erwecken, der Gottes ist, als leuchtendes Beispiel für die mögliche Vollkommenheit des Menschen, der Mein Abbild sein soll. Die einen werden vor ihm erschrecken, die anderen werden ihn hassen, die dritten werden zu ihm beten. Ob ihn wohl ein einziger ganz durchdringen, ganz durchfühlen wird? Meine unendliche Liebe zu jeglicher Kreatur soll durch diesen Erlöser Wohnung nehmen in den Herzen der Willigen. In der Seele des Einen will Ich das Reich der Himmel bewegen, und der Menschen Seelen will Ich zur Empfängnis seiner Größe öffnen.“

Der Engelsbote unterstützt die Willenssendung der Allmacht. „Herr, die Gefangenen des Wahns werden ihre Mauern durchbrechen und mit sehnsüchtigen Armen nach dem greifen, der da kommt.“

Gottes Antlitz ist voll Majestät. „Ihrer wartet ein Königreich, und dennoch werden sich viele an ihrer Hütte Armut klammern und lieber verkommen, als sich in seine Arme zu retten. Viele werden ihn groß in der Liebe nennen, viele den unnützen Wolkenträumer heißen. Ohne Trost werden von ihm gehen, die ihn mit Worten anbeten, ohne ihm nachzuleben. Der Welt Wissen wird vor ihm kein Knie beugen, aber das reine Herz wird ihm Loblieder singen, denn der Urgrund der Dinge offenbart sich nur in der Weisheit des reinen Herzens, die höher ist als das klügelnde Wissen der Vernunft. Seine erlösende Botschaft aber heißt Wandlung. Von Wonnen zu Wonnen werden die schreiten, die der Mühe Sinn begriffen haben, und sie werden mit ihres Herzens Kraft die Himmel sprengen.“

„Wie soll ich die Schöpfung vollziehen?“, schauert der Erd­engel vor der Größe des Meisterwillens zusammen.

Gottgeist sinnt in die Urwonnen des Ihn umgebenden Lichtes. „Auf irdische Weise offenbare sich das Himmlische. Nicht durchbrechen will Ich das Gesetz Meiner Schöpfung. Er muss sich im Leib gestalten, wie alles Lebendige auf dem Planeten, das Meines Geistes Hoheitszeichen trägt. Die herrlichste Form, das lieblichste Gefäß sollst du, Engel, ihm wählen, und er soll zum Zeichen der Einmaligkeit jungfräulich empfangen werden und rein von Erdenschlacken sich aus dem reinsten Schoß in die Welt ringen. Aus dem Unendlichen führe Ich ihn in das scheinbar Endliche. Meine in ihm enthaltene Göttlichkeit wird ihn zu Mir zwingen, zu seinem Vater im Himmel, und sie wird alle Gerechten anziehen. Verkörpere denn, Gabriel, Mein Sonnenwort und stelle Mein Kind vor das Antlitz der Menschheit.“

Des Gottesboten Flügel rauschen auf. Die Sphären geraten in schimmernde Bewegung. Die Allmacht setzt zum herrlichsten Schöpfungswunder an. Von allen Seiten schweben die Lichtgestalten dienender Engel heran, denen der Erde Hut anvertraut ist.

Des Allmächtigen Wille tönt in überseligem Schöpfungsdrang in das strahlende Getriebe der Engelscharen. „Erzengel herbei! Stürzt euch in die Tiefen des Weltraums, wo Mein Planetenkind Erde sich nach ehernen Gesetzen durch die kalte Nacht wälzt! Gabriel, Ordner inneren Lebens, suche die arme, irdisch reine Magd und fülle ihren Leib mit der Empfängnisglut Meines Geistes, stärke den Mut der Erschreckten, gib ihr gottseligen Rat und Auftrag, das menschlich zu formen, was Mein Geist sich erlösend gedacht. Mache Mein Wort zu Fleisch und Blut und lass es leuchten in der Menschen Nacht. Schaffe den Christ! Sei Mir Bote des heiligsten Willens!“

Da drängt sich Raphael, der goldstrahlende Seraph, der trauliche Wächter irdischen Lebens, vor seinen Herrn hin. „O lass, Erhabener, nicht allzu schnell Deinen Willen Tat werden. Unvorbereitet trifft die Menschheit Dein Rettungswerk, und sie wird es nicht fassen, was sich an Göttlichkeit mitten unter ihr begibt, und des Zweifels arge Not wird ihren Sinn wankend machen. Das allzu Wunderbare, unversehens in ihr Leben gestellt, mag die Menschen verwirren und erschrecken. Drum sende vorerst den Wegbereiter, der die hohen Tage der Menschheit hellsichtig ankündigt, gib ihnen noch einmal einen Propheten als warnenden Rufer, lass ihn unter das schmachtende Volk treten und seine Stimme erheben zur inneren Wandlung.“

Gottgeist hört den bittenden Rat, sinnt und beschließt. Und Sein Gedanke formt sich zum einzigen Schöpfungsakt des Täufers. Gabriel lauscht dem Wort von der Schmach, die er von einem betagten Weibe zu nehmen hat, aus dessen Leib der Herold des Herrn geboren werden soll. Und des Engels Auge fühlt nach der Erde hin, die Stätte zu finden, wo auch dieses Wunder Wahrheit werden soll. Ein judäischer Tempelpriester und sein Weib sind es, die er auswählt für die Menschwerdung des letzten Propheten.

Das alles geschieht zeit- und raumlos. Es ist ein schöpferisches Formen und Bilden in der Idee, das Menschenworte nur stammelnd deuten können.

Um das hohe Leuchten der Urwonnen verdichtet sich jetzt alles zur strahlenden Gloriole. Ein Abglanz davon fällt auf den Planeten Erde, der im eiskalten Raum, von seiner Sonne erwärmt und belebt, seine Bahn zieht. Und viele hellsinnende Menschen erbeben im frohen Schauer eines großen kommenden Geschehens.

Der Himmel über Palästina rötet sich leise, als wäre er über und über mit Rosen besät.

Ein Stern geht auf

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