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Kapitel 5
Оглавление1608 wird aus Waddens berichtet, daß »etliche
Wickerinnen ohne Ehren bestattet worden«; 1609 aus
Stollhamm, »die große Hannet habe des Wickens gebraucht.
« 1637 klagt man in Zetel: »daß man hiesigen
Orts teils aus Aberglauben, teils Rachgier oder sonst
böser Begierde, entweder um Wissenschaft künftiger
und verlorener Dinge oder wegen zugefügten Schaden
sich zum Wicker, Wahrsager und Krystallenseher
dazu in fremdes Gebiet verfügt usw.« – Aus Waddens
lief man 1644 zu einem Wahrsager in Tungeln und
fragte (1662) einen Teufelskenner wegen gestohlenen
Geldes. In Bardenfleth gab es 1645 Wicker, ebenso
1655 und 1662 in Schwei. (Schauenburg a.a.O. IV.
123 ff.) Auch im Münsterlande treten zu der Zeit
Wickers und Wickersche auf.
Das Nachweisen gestohlener Gegenstände wird
von Männern und Frauen geübt, die meist nur diese
eine Kunst zu treiben pflegen, und Nawisers und Na-
wiserschen, Befinder, Befinderinnen genannt werden.
Über die Mittel kann ein wenig angegeben werden.
Die Diebe werden nie bei Namen genannt, sondern
stets durch Umschreibungen und Vergleichungen bezeichnet;
die Furcht vor einer Verleumdungsklage
wird diese Vorsicht erfunden haben. Zuweilen zeigt
die Nawisersche das Bild des Diebes in einem Eimer
mit Wasser. Mitunter wird jede Auskunft verweigert,
weil die gestohlene Sache sich schon in der dritten
Hand befinde, womit die Kunst zu Ende sei.
Vielleicht ist es ein Splitter von der Lehre über den
tierischen Magnetismus, wenn es in Holle heißt,
einem schlafenden Menschen könne man alles abfragen,
wenn man ihm ein Stück Geld, z.B. einen Groschen,
auf die Herzgrube lege.
a.
Ein längst verstorbener Bürger zu Oldenburg, welcher
aus dem Hannoverschen stammte, erzählte: Ich war in
meiner Jugend bei einem Verwandten im Hannoverschen.
Einst ging ich wegen eines kranken Pferdes zu
einer alten Frau, da wir glaubten, dem Pferde sei
etwas angetan. Als ich hinkam, saß die Frau beim
Kaffeetrinken und schenkte mir auch eine Tasse ein,
die ich austrank. Wir sprachen hin und her, endlich
guckte die Frau in meine Tasse und fragte, ob uns ein
Pferd krank sei. Ich bejahte dies, und nachdem wir
diese Sache beredet hatten, und sie mir zwei Pulver
für das Pferd gegeben hatte, fragte die Frau, was ich
sonst noch vor hätte. Nun hatte ich die Absicht, nach
London zu gehen und dort in einer Zuckerfabrik zu
arbeiten, wie viele meiner Landsleute taten, hatte dies
aber noch niemanden mitgeteilt. Deshalb sagte ich
nein, ich hätte weiter nichts vor. Da fuhr die Frau fort,
daß ich noch was vor habe, habe sie aus der Kaffeetasse
gesehen, legte dann die Karten und sagte, ich
möge doch mein Vorhaben nicht ohne Einwilligung
meines Vaters ausführen, ich würde es aber auch
nicht tun; dort bei meinen Verwandten würde ich aber
auch nicht bleiben, vielmehr in eine Stadt zu dienen
kommen, um welche ein Wasser gehe, genauer könne
sie dieselbe nicht bezeichnen, dort würde ich mich
auch verheiraten und vor einem schwarzen Altar getraut
werden. Später kam ich hin nach Oldenburg (das
von Wasser umflossen ist) in einen Dienst und verlobte
mich hier auch. Der Zeit verstarb aber der Herzog
Friedrich August († 1785), eine Landestrauer
wurde angeordnet und auch der Altar in der Kirche
wurde schwarz behangen. Da erzählte ich meiner
Braut jene Prophezeiung und sagte: »Die Frau soll
doch nicht recht behalten, wir wollen mit der Trauung
warten, bis die Landestrauer vorbei ist.« Wir setzten
sie 14 Tage nach dem Ende. Inzwischen starb aber
eine Schwester des Herzogs Friedrich August, die
Landestrauer wurde verlängert, und da wir die Hochzeit
nicht wohl bis zu deren Beendigung aufschieben
konnten, wurden wir doch vor einem schwarzen Altar
getraut.
b.
Zu Visbek waren einst Zigeuner bei einem Bauer über
Nacht, und gerade in dieser Nacht wurde dem Bauer
ein Kind geboren. So wie die Zigeuner nun hörten,
daß die Zeit da sei, standen sie von ihrem Lager auf,
sahen draußen nach den Sternen und riefen dann, sie
sollten das Kind noch einige Minuten aufhalten, es sei
grade eine schlechte Zeit. Das Kind aber ließ sich
nicht halten, es trat ans Licht und war ein gesunder
Knabe. Da fragte der Bauer, was denn dem Kinde Unglückliches
widerfahren werde. Die Zigeuner antworteten,
dieser Knabe werde einst aufgehängt. Die Eltern
entsetzten sich vor dieser Prophezeihung und ließen
den Knaben, als er aus der Schule war, Theologie
studieren, denn, dachten sie, als Geistlicher werde er
doch sicher nicht den verkehrten Weg gehen. Und
damit er als Geistlicher auch leben könne, stifteten sie
die Vikarie St. Annä und begabten sie mit vielen
guten Ländereien. Der Sohn verwaltete die Vikarie
längere Zeit ohne Tadel; eines morgens aber, als er
aus der Kirche kam, wo er die Messe gelesen hatte,
stieg er auf den Boden, und als er nicht wieder kam,
suchte man nach und fand ihn auf dem Boden in einer
Ecke, wo er sich mit einem Stück Garn erhängt hatte.
Und so ist aller Vorsicht ungeachtet die Vorhersagung
doch in Erfüllung gegangen. Die Vikarie ist 1482 gestiftet.
Der Selbstmörder soll noch jetzt zur Nachtzeit
ohne Kopf im Pfarrgarten umgehen.
c.
Im Jahre 1878 wurden die Huntloser Mörder Belke
und Arnken nach Vechta gebracht, um dort den Rest
ihres Lebens im Zuchthause zu verbringen. Belke
starb 1884. Einige Zeit darauf besuchte Schreiber dieses
den Arnken in seiner Zelle, und die Rede kam auf
den Tod Belkes. »Er hats also doch nicht wahr gekriegt,
« bemerkte Arnken. »Was wollen Sie damit
sagen,« entgegnete ich, und nun erzählte der Genosse
Belkes, dieser habe früher, wenn beim Tode Bekannter
das Gespräch auf das Sterben gekommen, wiederholt
geäußert, er werde 84 Jahre alt werden. Er habe
sich mal im Bückeburgischen weissagen lassen, und
dabei sei die Äußerung gefallen, er werde »84 sterben
«. Dies habe Belke dahin ausgelegt, er werde ein
Alter von 84 Jahren erreichen.
d.
Einem Schneider in Bösel war von einer Wahrsagerin
ein wichtiges Amt in Aussicht gestellt. Als er später
Amtsbotengehilfe wurde, glaubte er fest, daß das
Wahrsagen kein Aberglaube sei.
e.
Aus Osternburg melden die Zeitungen vom 12. Dez.
1907: Gestohlen wurde hier vor der Wirtschaft Mohrmann
dem Haussohn Dellwisch aus Beverbruch sein
neues Fahrrad. Sofort nahm man nach allen Richtungen
die Verfolgung des Diebes auf. Leider kehrten
alle unverrichteter Sache zurück. Da kam einer auf die
glückliche Idee, noch zuguterletzt eine Kartenlegerin
zu Rate zu ziehen. Gesagt, getan. Diese wußte gleich
den richtigen Weg und verwies die Suchenden an den
Mann, der ihnen zuerst begegnet sei. Und richtig, unweit
dessen Wohnung fand man das Rad unter der
Hecke versteckt.
114.
Befragung des Zufalls. Wurf und Fall. Unter den im
ganzen Volke verbreiteten Mitteln tritt namentlich die
Befragung des Zufalls hervor. Wer unentschlossen
zwischen zwei Möglichkeiten, zwischen Tun und
Lassen hin und her schwankt, läßt das Schicksal
durch das Los entscheiden oder zählt mit ja und nein
an den Knöpfen ab, auf welcher Seite das Glück liegt.
Vorzüglich ist es aber der Fall geworfener Dinge, aus
welchem man über die Gunst oder Ungunst des
Schicksals und darüber, welche von mehreren Möglichkeiten
eintreten wird, sich zu vergewissern sucht.
Wer den Ausgang eines Vorhabens wissen will, faßt
ein Messer, dessen Klinge auf der einen Seite einen
Namen, ein Wappen oder dergl. zeigt, an der Spitze
und wirft es nach sich herum, sodaß es zur Erde fällt.
Fällt das Mal nach oben, so wird das Geschäft glücklich
ablaufen, fällt es nach unten (anmal, unmal), unglücklich.
Fällt die Spitze in den Sand, oder ist die
Schneide mit Sand bedeckt, so sagt man: »dat barnt«
(brennt), und der Wurf gilt nicht. Dies Malwerfen
kommt mehrfach vor, die Ausdrücke sind aus dem Saterlande.
115.
Als verschwundene Sitte wird aus dem Saterlande
mitgeteilt: Der Hausvater setzte sich in der Neujahrsnacht
an das Herdfeuer, das Gesicht der Flamme zugewandt,
auf dem Kopfe einen dreieckigen Hut, zur
Rechten eine Hängelampe, die an allen drei Ecken
brannte, in der Hand eine Wäperraut (298). So saß er
und betete, und wenn er den rechten Augenblick gekommen
glaubte, schleuderte er die Rute rücklings
über den Kopf auf den Dielenraum. Wohin die Rute
mit der Spitze zeigte, daher kam im Laufe des Jahres
die Braut seines großjährigen Sohnes, oder dahin zog
seine erwachsene Tochter als Frau; wenn sich das Zeichen
dreimal wiederholte, galt die Erfüllung als ausgemacht.
– Gleichfalls als verschwundene satersche
Sitte wird angeführt: Man setzte sich in der Neujahrsnacht
vor das Herdfeuer und warf den Schuh oder
Holzschuh des rechten Fußes rückwärts über den
Kopf auf die Diele. Zeigte die Spitze des Schuhes
nach der Tür, so war dies ein Zeichen, daß der Werfer
im Laufe des Jahres als Leiche werde aus dem Hause
getragen werden. Damit stimmt eine Mitteilung aus
dem Stedingerlande: Man wirft über einen andern, der
vor der Türe steht (z.B. eine Frau über einen Mann,
den sie gern los wäre) seinen Schuh; steht die Spitze
nach dem Hause, so lebt jener noch lange, steht sie
vom Hause ab, so stirbt er bald.
116.
Wenn nach einer Trauung das junge Paar die Schwelle
überschreitet, wird dem Manne ein Glas mit Wein
oder Branntwein überreicht. Der Mann trinkt halb aus
und überreicht das Glas der Frau, die den Rest austrinkt
und das Glas über den Kopf hinter sich wirft.
Zerbricht das Glas, so bedeutet dies Glück, bleibt es
ganz, Unglück für die Ehe. (Teile des Münsterlandes:
Lindern, Löningen, Lastrup. Der alte Brauch ist jetzt
unbekannt. Es wird gesagt, blieb das Glas beim fallen
zufällig heil, dann hätten es die dem Brautpaar folgenden
Trauzeugen zertreten). – Zu der Pfingstfeier
im Dinklageschen Kreise (317) ließ der Bauer, dem
für das Jahr die Bewirtung oblag, durch seinen
Knecht die Leute einladen. Der Knecht erschien zu
Pferde; Pferd und Mütze waren mit Flittergold und
bunten Bändern verziert. Hatte er seine Einladung
vorgebracht, so erhielt er einen Schnaps. Das
Schnapsglas wurde, wenn es geleert war, über den
Kopf geworfen. Wo es möglich war, ritt der Knecht
um die Feuerstelle. – Allgemein ist, daß nach einer
Hausrichtung (oder Haushebung, d.i. nach dem Aufsetzen
des Dachgezimmers) der Altgesell auf der Spitze
des Daches eine Ansprache hält, dann ein Glas
Wein oder Branntwein leert und das Glas hinter sich
in das Haus wirft. Zerbricht das Glas, so bedeutet dies
Glück – und umgekehrt. Im Saterlande warf der Zimmermann
ehedem eine geleerte Kanne hinab; fiel die
Öffnung nach oben, so bedeutete dies Glück, fiel sie
nach unten, Unglück. (468).
117.
In der Neujahrsnacht wurde eine große Schale mit reinem
Wasser auf den Tisch gestellt. Dann warf man
eine blank gescheuerte Münze, früher einen Münsterschen
Kreuzhalbegroten, später, nachdem diese
Münze seltener geworden, einen Bremer Groten, mit
der scharfen Kante nach unten, in das Wasser. So oft
bei diesem Wurfe die Münze in der Schale liegen
blieb, so viel Jahre lebte man noch; sprang sie heraus,
so bedeutete dies Tod (Saterld.) – Wenn man einen
Apfel schält und die Schale nicht abreißt, so wirft
man sie rückwärts über den Kopf; der Buchstabe,
welcher durch die Schale auf dem Fußboden gebildet
wird, ist der Anfangsbuchstabe des Namens des oder
der künftigen Geliebten. – Oder man denkt sich beim
Wurfe einen Wunsch; bleibt die Schale heil, so wird
der Wunsch erfüllt (Oldenbg.) – Ein Mädchen nimmt
einen Apfelkern zwischen Daumen und Zeigefinger,
spricht:
Ern Kern Kräutigam,
flieg nach meinem Bräutigam,
flieg nach Osten oder Westen,
flieg nach meinem Allerbesten!
und läßt den Kern fortspringen. Wohin der Kern
springt, in der Richtung befindet sich der künftige
Bräutigam (Oldenbg). In Jever sprechen bei gleicher
Gelegenheit die Mädchen:
Kennel, Kennel, spring Ost, spring West,
spring na minen Allerleewbest!
die Jünglinge:
Kennel Kennel Krut,
war wahnt mine Brut?
118.
Andere Arten, den Zufall zu befragen. Wenn ein neu
eingezogenes Ehepaar die Probe mit dem Glase (116)
gemacht hatte, folgte mitunter noch eine zweite Probe.
Der erste Ackerknecht, der Bauschulte, hielt den Eheleuten
einen Stuten (ein Weißbrod) zum Abbeißen
hin; je nachdem der Biß ausfiel, war auch das künftige
Schicksal der Ehe (Lastrup). – Auf dem Hümmling
pflegte, wenn das Brautpaar aus der Kirche kam, die
Braut voraus zu eilen, und der Bräutigam mußte sie
einholen; gelang ihm dies nicht, so war es ein übles
Vorzeichen für die Ehe.
119.
Wenn man sich die Haare hat schneiden lassen und
und die abgeschnittenen ins Feuer wirft, so wird man
noch lange leben, falls die Flamme lebendig auflodert,
dagegen bald sterben, wenn die Haare langsam wegglimmen
(Oldenbg.) – Spinnerinnen in Wardenburg
benannten zwei Flocken Heede, die sie gehörig auflockerten,
mit dem Namen eines Burschen und eines
Mädchens, von denen sie wissen wollten, ob sie ein
Paar würden, und zündeten die Flocken an. Wenn
beide Flocken flammend aufschossen, so war dies ein
günstiges Zeichen. Die Neigung zur Partie fehlte dem
Teile, dessen Flocke nicht auflodern wollte. – Wer
eine ausgeblasene, noch glimmende Talgkerze wieder
anblasen kann, ist noch Junggesell – Jungfrau.
120.
Wenn ein Mädchen einen Mann liebt und wissen will,
ob dieser es wieder liebt, so gräbt es einen Stein in
die Erde und pflanzt darüber irgend eine Pflanze.
Wächst die Pflanze, so liebt der Mann das Mädchen
und wird es heiraten, andernfalls nicht (Tettens). –
Wollen mehrere Personen wissen, wer von ihnen zuerst
sterben wird, so legt jede am Johannisabende ein
Bündel Hauslauch (Donnerlok, barba Jovis, sempervivum)
an eine Stelle; wessen Pflanze zuerst verwelkt,
der stirbt zuerst (18) (Münsterld.) – Wenn man stark
auf den mit Samenfäden besetzten Fruchtboden einer
abgeblühten Hundeblume (Löwenzahn) bläst und hernach
die auf dem Fruchtboden übrig gebliebenen
Fäden zählt, so gewinnt man die Zahl der Jahre, welche
man noch zu leben hat. (Zetel). – Will man wissen,
ob einem ein Wunsch in Erfüllung geht, so
nimmt man verschiedene lange Grashalme zwischen
die Hände und läßt sie an beiden Enden den einen mit
dem anderen zusammenknoten. Entsteht so aus den
Halmen ein Kranz, so geht der Wunsch in Erfüllung
(Wildeshs.)
121.
Um zu erfahren, wie lange sie noch ledig sein werden,
fragen die Mädchen beim ersten Kuckucksruf:
Kuckuck in den Sünnenschin,
wo lange schall ick Jungfer sin?
So oft er ruft, so viele Jahre (Jever, Zwischenahn). –
Ebenso erfährt man die Zahl der noch übrigen Lebensjahre,
wenn man frägt:
Kuckuck van Häwen,
wo lang schall ick läwen?
– Wenn ein Sünneküken (coccinella septempunctata)
sich einem auf die Hand setzt, spricht man: »Sünneküken,
oder Sünneküken, Maneküken, wo lang schall
ick läwen?« und zählt. Soweit man im zählen kommt,
ehe das Käferchen wegfliegt, so viel Jahre. – Wenn
man ein Sünneküken in die Luft wirft und es hernach
wiedersieht, so ist am folgenden Tage gutes Wetter
(Wiarden). – Wieviel schwarze Punkte auf den Flügeln
des ersten Marienkäfers gezählt werden, soviel
Taler kostet der Roggen im Jahr. – Auf wessen Kleid
der Käfer sich niederläßt, der hat Glück. Je nachdem
er lange sitzt oder bald wegfliegt, wird ein langes oder
kurzes Leben prophezeit. Aus der Richtung, wohin
der Käfer fliegt, kann eine Jungfrau die Gegend erfahren,
woher der Bräutigam kommt. Eine alte Frau in
Lastrup erzählte, in ihren jungen Jahren habe sich
beim Flachsjäten ein Sünneküken auf ihre Hand gesetzt.
Sie habe gesprochen: »Sünneküken, flüg! Sünneküken
flüg!« worauf von dem Tierchen die Richtung
im Fluge nach einem Orte genommen sei, woher
später ihr Bräutigam gekommen, woher sie ihn aber
garnicht erwarten konnte.
122.
Knacken die Finger, wenn sie angezogen werden, so
ist man verliebt. – Wenn man in der Neujahrsnacht
um 12 Uhr die Asche im Ofen sorgfältig umrührt und
darin ein Roggenkorn findet, so bedeutet dies ein
fruchtbares Jahr (Saterld.) Ebenso wenn man in der
Neujahrsnacht oder in der Nacht vor heil. drei Königen
den Kehricht unter dem Tische, von welchem
abends gegessen ist, wegfegt und ein Roggenkorn
darin findet (Delmenh.) – Um zu erfahren, was ein
neu beginnendes Jahr einem Mädchen bringen wird,
stellt man in der Neujahrsnacht einen viereckigen
Tisch mitten in die Stube und legt auf die eine Ecke
einen Ring, auf die zweite ein Stück Brot, auf die dritte
einen Kranz, auf die vierte stellt man ein Gefäß mit
Wasser. Nun führt man das Mädchen mit verbundenen
Augen um den Tisch herum und läßt es endlich
den Tisch aufsuchen. Die Ecke, auf welche es zuerst
stößt, ist vorbedeutend, und zwar bedeutet der Ring
Verlobung, das Brot alltäglich fortgehendes Leben,
der Kranz Tod, das Wasser Tränen (Oldenbg.) – Aus
Bibel und Gesangbuch erforscht man die Zukunft,
indem man auf irgend eine Weise dem Zufall überläßt,
einen Vers zu bezeichnen, der dann als weissagend
ausgelegt wird. So durchsticht man eine Lage
Blätter mit einer Nadel, und der Vers, welchen der
Stich zuletzt trifft, ist der prophetische. Oder man läßt
das Buch ohne Wahl sich aufschlagen und tupft
blindlings mit einem Finger auf das Blatt.
123.
Mittel, Gesichte zu sehen. Zündet man am Weihnachtsmorgen
mit einem Schwefelholze ein Talglicht
an und leuchtet mit diesem auf die Asche des Herdes,
so sieht man auf derselben die Spuren sämtlicher
Tiere, welche man während des Jahres im Hause gehabt
hat (Saterld.) – Prophetische Träume ruft man
herbei, wenn man abends vor dem Schlafengehen
dreimal hinter sich eine Bewegung macht, als ob man
säe, und dazu spricht:
Ick sei, ick seie Linenkien, (Leinsamen)
dat mi min Glück in'n Drom erschien!
dann aber, ohne weiteres zu sprechen, zu Bette geht
(Ganderk.) – Wenn man in der Neujahrsnacht zwischen
12 und 1 Uhr in die Kirche geht, sieht man dort
alle Personen in den Stühlen sitzen, die das nächste
Jahr sterben werden.
a.
Ein Küster ging einmal in der Sylvesternacht zum
Turme, um das neue Jahr einzuläuten. Er mußte durch
die Kirche, und wie er auf dem Rückwege wieder
durch die Kirche kam, sah er eine Anzahl bekannter
Personen in den Stühlen sitzen. Er eilte zum Prediger,
und dieser kam sofort mit. Beide sahen nun in der
Kirche die Leute sitzen, konnten aber wohl bemerken,
daß es nur eine Erscheinung, keine Wirklichkeit war,
was sie sahen. Um 1 Uhr war alles verschwunden. Im
Laufe des Jahres fiel beiden auf, daß alle Sterbefälle,
die vorkamen, solche Personen trafen, die sie in der
Kirche gesehen hatten, und als das Jahr um war,
waren auch alle jene Leute tot. Sie gingen in der nächsten
Neujahrsnacht abermals in die Kirche, und die
Erscheinung wiederholte sich und kam im Laufe des
Jahres wieder genau aus. So haben sie noch mehrere
Jahre die Erscheinung gesehen und immer vorhergewußt,
wer in der Gemeinde das nächste Jahr sterben
müsse. Endlich sahen sie sich in einer Nacht beide
selbst in der Kirche sitzen und sind auch beide in
demselben Jahre gestorben (Jeverld.)
124.
Wenn man nachts zwischen 11 und 12 (12 und 1) Uhr
mit einem brennenden Lichte in jeder Hand in einem
einsamen Zimmer, während niemand im Hause mehr
auf ist, vor einen Spiegel tritt, aufmerksam hineinsieht
und dreimal seinen eigenen vollen Namen ruft oder
laut auflacht, tut man Blicke in seine Zukunft. Nicht
immer werden grade alle vorstehenden Bedingungen
ausgeführt.
a.
Ein Schiffer ging einmal nachts zwischen 12-1 Uhr
mit einem brennenden Lichte in ein Zimmer, wo er
von niemand gesehen oder gehört werden konnte,
stellte sich vor den Spiegel und sah einige Zeit grade
hinein, dann fing er plötzlich laut zu lachen an. Das,
hatte er gehört, sollte ein Mittel sein, einen Blick in
die Geisterwelt zu tun und die Zukunft zu erfahren, es
lag ihm aber daran, seine künftige Frau zu sehen. Da
sah er nun im Spiegel das unordentlichste und roheste
(eigentlich rauheste – ruchste) Mädchen seiner Bekanntschaft
von mehreren Kindern umgeben. Höchst
unbefriedigt von diesem Gesichte erzählte er es mehreren
Freunden und versicherte dabei, dazu solle ihn
in der Welt doch nichts vermögen, diese Schmiertasche
zu heiraten. Aber – nach nicht langer Zeit nahm
er sie doch (Varel).
125.
Wenn in der Andreasnacht (30. Nov.) ein Mädchen
seinen Schutzgeist bittet, ihm seinen künftigen Mann
zu zeigen, so führt der Schutzgeist den Mann auf einige
Minuten vor das Bett (Cloppenbg.). Andreas ist in
Cloppenburg Patron der Kirche. – Wenn man in der
Thomasnacht (21. Dez.) ein geweihtes Licht anzündet
und in einem Baumgarten (einem kathol. Gebetbuche)
liest, so sieht man zwischen 12 und 1 Uhr alle Mädchen,
mit denen man schon einmal gefreit hat, und zuletzt
kommt auch das, welches man noch einmal zur
Frau haben soll. Ist die Zukünftige noch nicht geboren,
so erfährt man keine Erscheinung; schläft man
ein, so empfängt man eine Ohrfeige. Wird eins der erscheinenden
Mädchen während der Zeit zu Hause gerufen,
so stirbt es, weil der Geist abwesend war
(Saterld.).
126.
Wenn eine ledige Person in der Johannisnacht vor das
Bett einen vierkantigen Tisch stellt, auf welchem sich
eine Kumme mit Wasser, Seife, Handtuch und ein
Licht befinden, so erscheint zwischen 12 und 1 Uhr
die künftige Braut (der Bräutigam) und wäscht sich.
Man darf die Erscheinung aber nicht anreden (Elsfleth).
– Wenn eine Braut wissen will, ob ihr Bräutigam
sich in der Ehe als ein guter Ehemann und Hausvater
erweisen werde, so muß sie an dem letzten Tage
eines Monats, welcher 31 Tage zählt, nachts zwischen
12 und 1 Uhr sich vor ein Haus, in welchem keine
Mannsperson ist, hinstellen. Alsdann wird jemand
kommen und ihr sagen, ob sie ihren Bräutigam heiraten
soll oder nicht (Oldenbg.). – In der Neujahrsnacht
gießt man geschmolzenes Blei in Wasser und deutet
die entstehenden Bleifiguren als prophezeihend.
V. Zaubermittel zu Glück u. dergl.
127.
M i t t e l z u G l ü c k i m A l l g e m e i n e n und
insbesondere im Spiel. Wenn eine Sternschnuppe
fällt, muß man rasch einen Wunsch tun, der Wunsch
wird erfüllt (Jade). – Einige Kinder haben bei der Geburt
eine Haut, Helm oder Krone genannt, auf dem
Kopfe. Diese Krone muß sorgfältig aufbewahrt werden,
denn sie bringt dem Kinde Glück. Wenn das
Kind erwachsen ist und jene Krone mit zur Losung
der Wehrpflichtigen nimmt, lost es sich frei. Trägt der
Jüngling sie bei der Brautwerbung bei sich, so erhält
er das Jawort. Mit dem Verluste der Krone ist auch
das Glück dahin. – Geschnitzte Pferdeköpfe auf der
Spitze der Hausgiebel (im Süden des Herzogtums gebräuchlich)
bringen Glück (369).
128.
Bei der Kindtaufe muß der Gevatter seinem Paten ein
Ei schenken, das bringt Glück (Varel). Im Stedingerlande
schenkten die Leute einem Kinde, das ihnen
zum erstenmale ins Haus kam, ein Ei; das bedeutete,
es solle einmal ein eigenes Gespann haben, mit eigenen
Wagen und Pferden fahren. Im Stadlande sagte
man, das Kind werde dereinst ein eigenes Haus
haben. Auch in Bockhorn, Neuenburg usw. schenkte
man den Kindern, die zum erstenmal in ein Haus
kamen, ein Ei; »dat schall wiß so god wäsen,« fügte
eine Frau erklärend bei, »wenn man Kinner in fremde
Lü Hüs' wat Wittes gifft.« – Geht jemand zur Jagd,
auf Reisen oder in Geschäften von Hause, so muß
man ihm, wenn er aus der Türe geht, einen Holzschuh
nachwerfen, dann hat er Glück (Saterld., Münsterland).
129.
Wenn unter dem Mastbaum eines Schiffes Geld liegt,
so hat das Schiff Glück; am liebsten legt man ein
Goldstück darunter. – Kreuzhalbegroten, Kreuzpfennige
bringen Glück, namentlich Geldgewinn und ein
Freilos bei der Losung der Wehrpflichtigen. Für letzteren
Gebrauch näht man das Geldstück ohne Wissen
des Wehrpflichtigen in dessen rechten Rockärmel
oder steckt es ihm heimlich in die Tasche. – Ebenso
bringen Glück, namentlich dem losenden Wehrpflichtigen,
(drei) vierblätterige Kleeblätter, eine Zwillingsroggenähre,
eine Nadel, mit welcher ein Totenhemd
genäht ist, ein Hasenfuß. Auch diese Dinge müssen
dem Tragenden heimlich in die Kleidung gebracht
sein. – Das linke Bein eines Maulwurfs (welches man
aber dem Tiere abgebissen haben muß) bringt Glück,
vorzüglich Geld und Glück im Spiel. Daher sagt man
in Jeverland von Glückskindern: »He hett'n Mullfoot
in de Task.« –
a.
Das Wilhelmshav. Tageblatt berichtete im Sommer
1907, daß ein Kaufmann in einem Dorfe in der Umgegend
von Jever in seinem Laden ein Beutelchen gefunden
habe, in welches der in Papier gewickelte Fuß
eines Maulwurfs eingenäht gewesen. Es wurde dabei
bemerkt, daß der Wahn, ein Maulwurfsfuß in der Tasche
bringe Glück im Spiel, in Spielerkreisen weit
verbreitet sei.
b.
Eine Witwe in der Landgemeinde Oldenburg hatte
zwei Söhne, die Zwillinge waren und deshalb zu gleicher
Zeit für den Militärdienst losen mußten. Sorgsam
nähte sie jedem, und ohne daß dieselben es merkten,
einen Hasenfuß in den Rock. Die beiden gingen gesondert
zum Losungstermin in die Stadt, der eine, ein
Schiffer, ging allein, der andere, ein Bauernknecht,
mit den übrigen Knechten. Unterwegs nahm der
Schiffer in seinem Rocke einen fremdartigen Gegenstand
wahr; er trennte das Futter auf, fand den Hasenfuß
und, mochte er nun ein Freigeist oder mit der Bedeutung
des Dinges ganz unbekannt sein, warf denselben
fort. Der andere verspürte nichts, oder wenn er
etwas wahrnahm, so ließ er es doch gut sein, ohne
weiter nachzuforschen. In der Losung nun kam der
Schiffer gleich fest, der Bauernknecht loste sich frei.
Man kann sich den Jammer und die Vorwürfe der
Mutter denken, als sie erfuhr, was geschehen war. –
In einem anderen Losungstermine zu Oldenburg zog
ein Wehrpflichtiger unversehens mit seinem Taschentuche
einen Hasenfuß aus der Tasche, zur großen Beschämung
für ihn, aber zum großen Ergötzen für die
übrigen Anwesenden. Die komische Zusammenstellung
eines Hasenfußes mit einem den Militärdienst
scheuenden Wehrpflichtigen fordert zu allerlei Scherzen
heraus, dient aber vielleicht zur Bestärkung des
Glaubens an das Mittel.
c.
Ein Zauberer vollbrachte auf einem Jahrmarkt das
Kunststück, daß er durch ein dickes Brett ohne Loch
und Spalt schlüpfte. Keiner der Zuschauer konnte sich
das Rätsel erklären. Nur eine Frau hatte beobachten
können, daß der Schwarzkünstler mit affenartiger Geschwindigkeit
sich um das Brett herumgeschwungen,
während alle anderen der Meinung waren, er müsse
durch die Poren des Holzes seinen Weg gefunden
haben. Die Frau hatte ohne ihr Wissen vierblätterige
Kleeblätter bei sich getragen. Diese hatten sie sehend
gemacht. (Vechta).
Vgl. 204w.
130.
Glück im Kartenspiele. Von den Personen, welche
Kartenspielern in die Karten gucken, haben einige ein
gutes, andere ein schlechtes Auge; erstere werden von
den Spielern herbeigerufen, letztere weggescholten. –
Man kann einem anderen Glück im Spiele bringen,
wenn man ihm den Daumen hält, d.h. den Daumen
mit der Faust umschließt. – Wer Unglück im Spiel in
Glück verwandeln will, muß über den Daumen sein
Wasser lassen. Oder er muß seinen Stuhl umsetzen,
etwa so, daß die Lehne dem Tische zugewandt ist,
oder auch nur so, daß der Stuhl um einige Zoll weiter
rechts oder links steht – »ick sitte nich up dat rechte
Sandkoorn,« sagt alsdann wohl der Spieler. Oder er
dreht sich mit seinem Stuhle einmal rund herum. Oder
er nimmt einen andern Stuhl. Oder sorgt dafür, daß
die beiden Spiele Karten, welche abwechselnd zum
Spiele dienen und gemischt werden, einmal vertauscht
werden, sodaß also mit dem einen Spiele zweimal
hintereinander gespielt, das andere zweimal gemischt
wird. – Wer beim Whist angibt, sucht mit den hinten
blau bedruckten Karten anzugeben. – Beim Whist
muß man die herumgegebenen Karten nicht eher aufnehmen,
als bis alle Karten verteilt sind, die Karten
werden so besser: sie hecken. Doch gibt es auch Spie-
ler, welche es für heilsam halten, jede Karte einzeln
aufzunehmen. – Diese sämtlichen Spielregeln entstammen
den Kreisen sog. Gebildeter. Meist werden
sie unter Scherz erwähnt und angewandt, sehr häufig
steckt aber doch hinter dem Scherze der Glaube, wenigstens
ein halber Glaube. Die Mehrzahl der Regeln
beruht übrigens auf durchaus volksmäßigen Anschauungen
von Sympathie.
131. Gesundheit, Stärke.
Verliert ein Kind einen Zahn, so muß man ihn in ein
Mauseloch legen und sprechen:
»Mus, Mus,
bring mi'n nee Kus'!«
alsdann bekommt das Kind bald einen neuen Zahn
(Brake). Oder das Kind muß den Zahn rückwärts über
den Kopf werfen, und zwar (Jade) grade hinüber,
sonst wächst der neue Zahn schief. In Oldenburg
heißt es, man müsse dabei sprechen:
Steen,
giff mi'n neet Been!
und fügt wohl auch noch hinzu:
dat mi nich killt (schmerzt)
dat mi nich swillt!
Ferner heißt es in Oldenburg, man dürfe den weggeworfenen
Zahn garnicht wiedersehen, in Jade, man
müsse ihn wohl aufheben oder verbrennen. – Wenn
ein Zahn ausgefallen ist, muß man ihn hinunterschluk-
ken, dann bekommt man einen neuen (Oldenbg.). –
Wenn man eine gut verkorkte Flasche Wein in einen
Ameisenhaufen verscharrt und von einem Frühjahr
zum andern liegen läßt, so verleiht nachher der Genuß
des Weines eine riesenhafte Stärke (Münsterld.).
132. Klugheit.
Neugeborenen Kindern muß man etwas geschriebenes
(schräben Schrift) in die Hand geben, dann werden sie
sehr klug (Oldenbg., Münsterld.). – Die Nabelschnur
des Kindes muß man aufheben und demnächst dem
schulpflichtig gewordenen Kinde durch das Loch der
Nabelschnur das große A der Fibel zeigen, dann lernt
das Kind leichter lesen (Stedgn.). – Wenn man etwas
auswendig lernen will, muß man abends das Buch
unter das Kopfkissen legen. – Um etwas zu vergessen,
werfe man, sobald man wieder daran denkt, den
Pantoffel rückwärts über den Kopf (Oldenbg.).
133. Liebesgunst.
Es gibt Liebeszauber, mit welchem man Menschen
und Tiere an sich fesseln kann; derselbe wird jedoch
als etwas Böses und Unheimliches aufgefaßt. Das
häufigste Mittel ist, daß man der anderen Person oder
dem Tiere etwas von seinem eigenen Körper eingibt,
z.B. drei Tropfen Blut in einem Glase Wein oder in
Kaffee, oder ein Stückchen Brot, das man unter der
Achsel getragen und so mit seinem Schweiße durchgefeuchtet
hat. – Wenn ein Mädchen eine Locke von
dem Haar ihres Geliebten in Wasser kocht, so muß
dieser solange um das Haus herumgehen, als das Kochen
dauert (Münsterland).
a.
Im Stedingerlande hatte ein Mädchen, übrigens auch
sonst von schlechtem Ruf, es einem Burschen angetan,
welcher zur See fuhr. Bis nach Newyork konnte
er den Gedanken an sie nicht los werden; sie stand
ihm immer wieder vor Augen, so gern er sich dessen
auch erwehrt hätte. In Newyork wurde er aber zu
einem Manne gewiesen, der sich auf dergleichen
Dinge verstehe, und dieser befreite ihn von dem Zauber.
b.
»Ein junges Mädchen zu Lüerte, Ksp. Wildeshausen,
liebte einen Jüngling, fand aber keine Gegenliebe; der
Jüngling war und blieb gleichgültig. Um ihn nun zu
gewinnen, gab ihm das Mädchen etwas von sich
selbst zu genießen, und von der Zeit an faßte er eine
ganz besondere Neigung zu dem Mädchen, das er hernach
auch heiratete. Indeß war die Ehe eine unglückliche,
und die Liebe verwandelte sich in Haß. So geht
es allemal, wenn man sich in dieser Weise die Liebe
einer Person erwirbt, aber das Mittel ist sicher.«
c.
Aus Altenhuntorf wird 1637 berichtet, daß ein Bräutigam
vom Wicker in Markhausen ein Pulver geholt
und es vergeblich seiner Braut in der Meinung beigebracht
habe, sie zu beständiger Liebe zu bannen.
(Schauenburg a.a.O. IV. 125.)
134.
Ein lebender Frosch wird in einer durchlöcherten
Schachtel in einen Ameisenhaufen gesetzt; der Schenkelknochen
des Gerippes, welchen man später herausnimmt,
heißt Booshaken und hat die Kraft, in einer
Person des anderen Geschlechts Liebe zu erwecken
(Brake). Mit dem Knochen berührt man die Person;
nach dreimaligem Gebrauche hat er seine Kraft verloren
(Ovelgönne). Einige sagen, wenn man den Frosch
in den Ameisenhaufen gesetzt habe, müsse man
schleunigst weglaufen, denn höre man den Frosch
schreien, so werde man taub; es bleibe von dem Frosche
nur ein ganz kleiner Knochen, den man der andern
Person in das Essen geben müsse (Ovelgönne).
Aus Butjadingen heißt es, nach sieben Tagen finde
man in dem Kästchen nur noch zwei Knochen; wenn
nun jemand mit einem dieser Knochen einen Menschen
berührt, so ist dieser so lange an ihn gebannt,
bis er durch Berührung mit dem andern Knochen wieder
befreit wird. Nach einer stedinger Mitteilung findet
man zwei Knochen, einen Leefhaken und einen
Leedhaken; jener erzeugt durch Berührung Liebe, dieser
Haß; man weiß aber vorher nicht, welcher der
Knochen der Leef-, welcher der Leedhaken ist.
135. Jagdglück.
Wenn ein Jäger auf der Jagd gut treffen will, muß er
vor dem Weggehen eine Jungfer über sein Gewehr
springen lassen (Münsterld). Wenn ein Jäger auf die
Jagd geht, muß man ihm zurufen: »Ich wollte, daß du
Arm' und Beine zerbrächest!« dann macht er eine gute
Jagd; wenn man ihm dagegen Glück wünscht, so hat
er Unglück. – Um eine Flinte gut treffen zu machen,
schießt man einmal mit zerstoßenem Fensterglase daraus
(Oldenbg). Wenn ein Gewehr auf der Jagd nicht
gut trifft oder doch nicht tötet, ladet man auf einen
Schuß eine Blindschleiche (eine lebendige Schlange,
Münsterld.) und schießt diese mit aus. Vielleicht, weil
die Blindschleiche ihren Weg ohne Augen zu finden
weiß?
136.
Es gibt Leute, welche einen freien Schuß haben, d.h.
mit ihrem Gewehr unfehlbar treffen können, wenn sie
das Wild auch gar nicht einmal sehen; sie erlegen den
Hasen, der etwa in Osten von ihnen läuft, und blicken
gleichzeitig nach Westen, vielleicht um zu erspähen,
ob sich ein Förster naht. Einige sagen auch, wer einen
freien Schuß habe, könne sich unsichtbar machen,
wann es ihm beliebe (Ammerld). Die Gabe, einen
freien Schuß zu haben, erhält man, wenn man zum
Abendmahl geht, die Hostie wieder aus den Mund
und mit nach Hause nimmt, sie irgendwo anheftet und
mit einem Schuß aus der Flinte durchlöchert. Man
kann sich die h. Hostie aber auch auf anderem Wege
aneignen, etwa durch Diebstahl mittels Einbruchs in
eine Kirche. Der erstere Weg ist aber der bequemere.
Selbstverständlich ist der Mensch, der so gottesräuberisch
handelt, fortan auf immer dem Teufel verfallen.
(Die Erzählung vom Freischuß geht noch heute unter
dem Volke).
Vgl. 176g, 204r-u.
137. Schätze zu finden.
Zum Aufsuchen von vergrabenen Schätzen oder in der
Erde ruhenden Metalladern, einzeln auch (Stedgn.)
zum Aufsuchen von Wasserquellen bedient man sich
der Wünschelrute. Das ist eine einjährige Haselgerte,
welche in zwei Zweige gabelförmig ausläuft; die
Zweige müssen gleich lang sein und so sitzen, daß die
Mittagssonne gerade hindurchscheint. Die Gabel muß
am Johannistage gerade um Mittag geschnitten werden.
Hat man eine solche richtige Wünschelrute, so
nimmt man zwischen Ring- und Mittelfinger jeder
Hand einen Gabelzweig, hält beide Hände vor die
Brust, den Stiel der Gabel voraus, und geht suchen,
indem man den Stiel genau beobachtet. Kommt man
an einem Ort, wo ein Schatz liegt, so beginnt der Stiel
sich heftig auf und nieder zu bewegen, während er für
gewöhnlich ruhig ist. Nach anderen muß die Wünschelrute
in der Johannisnacht zwischen 11 und 12
Uhr von einem Baume, welcher in einem Jahre sieben
Schüsse getan hat (Münsterld), wieder nach anderen
in derselben Nacht zwischen 12 und 1 Uhr von einem
Kreuzdorn (Ammerld.) geschnitten werden.
138. Schätze zu erwerben.
H e c k e g e l d ist ein Geldstück, welches immer ein
gleiches zu sich zaubert, so daß man stets außer ihm
Geld in der Tasche hat und ausgeben kann. W e c h -
s e l t a l e r ist ein Taler, der immer in die Tasche zurückkehrt,
wenn man den letzten Pfennig des für ihn
eingewechselten kleinen Geldes ausgibt. Um einen
Hecke- oder Wechseltaler zu erhalten, muß man mit
einer Katze in einem Sacke nachts vor die Kirche
gehen und durch das Schlüsselloch fragen, ob sie
drinnen einen Hasen kaufen wollten. Man bekommt
keine Antwort und muß nun um die Kirche herumgehen
und an der Tür zum zweiten Male die Frage stellen.
Es erfolgt wieder keine Antwort. Erst beim dritten
Male, wenn man nochmals den Weg gemacht, ertönt
die Gegenfrage, wie teuer der Hase sei. Man muß
antworten: »Einen Taler«. Damit öffnet sich die Tür,
man wirft schnell den Sack hinein und läuft Hals über
Kopf davon, denn wenn man die Katze schreien hört,
wird man taub (vgl. 134). Entkommt man aber glücklich,
so findet man in der Tasche den gewünschten
Taler. Es ist aber kein Glück dabei, denn in der Regel
muß der Besitzer im selben Jahr sterben (Ovelg.).
Vgl. 256.
139. Schlösser zu öffnen.
Alle Schlösser, mögen sie noch so fest und künstlich
sein, springen auf, wenn sie mit der Spring- oder
Sprengwurzel berührt werden. Menschen vermögen
keine Springwurzel zu finden, nur der Schwarzspecht
kann es. Der Specht hat einen stählernen Schnabel,
mit dem pickt er ein Loch in einen Baum und macht
darin sein Nest. Ein solches Nest, in welchem Junge
sind, sucht man und verklebt es oder pflöckt das
Baumloch zu, während die Alten abwesend sind. Findet
nun der Specht nach seiner Rückkunft den Zugang
verschlossen, so holt er eine Springwurzel, um das
Loch zu öffnen, denn es offen zu picken dauert ihm zu
lange. In dem Augenblicke, wo er wieder vor dem
Neste ist, springt man hervor und breitet ein rotes
Tuch unter dem Neste aus. Alsdann läßt der Specht in
der Meinung, das sei Feuer, die Wurzel fallen, denn
eine Springwurzel ist auch gut, um Feuer auszumachen.
Nun läuft man rasch hin und holt die Wurzel.
(Saterland, aber ähnlich überall; nur wird es meistens
so dargestellt, als wenn der Specht die Wurzel lediglich
im Schrecken über das vermeintliche Feuer fallen
lasse.)
140. Unsichtbar zu werden.
Wenn man eine Erbse in den Kopf einer toten Katze
steckt und mit diesem pflanzt, so daß es von niemanden
gesehen wird, und von den daraus gewachsenen
Erbsen ißt, so wird man unsichtbar (Ovelg.). – Es
gibt eine Kugel, wenn man die in den Mund nimmt,
so ist man unsichtbar. Um dieselbe zu bekommen,
geht man so zu Werke. Weiß man ein Krähennest mit
Jungen, so klettert man in den Baum, nimmt eines
von den Jungen, bindet an die obere und untere Hälfte
des Schnabels je einen Faden und knüpft diese an
zwei Zweige einen Fuß über dem Neste in der Weise
fest, daß der Schnabel weit auseinander steht und
stark gähnt. Nun kommt die alte Krähe, will die Jungen
füttern und sieht, daß das eine so jämmerlich
hängt. Das kann sie nicht länger ansehen, fliegt fort
und holt die Kugel, die unsichtbar macht, und steckt
sie dem Jungen in den Schnabel. Nun kann sie es
nicht mehr sehen, und damit ist sie zufrieden. Wenn
man nun unten hört, daß die alte Krähe nicht mehr unruhig
ist und schreit, dann weiß man, daß das Junge
die Kugel im Halse hat, und kann sie holen
(Saterld). – Wer einen freien Schuß sich verschafft,
gewinnt zugleich die Kunst, sich unsichtbar zu machen.
(136).
141. Schlaf fest zu machen.
Der Finger eines ungeborenen Kindes dient Dieben,
um die Bewohner eines Hauses, in welches sie eingedrungen
sind, im Schlafe zu erhalten; er wird einfach
auf den Tisch gelegt (Vechta). – In Wardenburg heißt
es, Räuber und Mörder schneiden schwangeren Weibern
den Leib auf und machen von den Fingern der
ungeborenen Kinder Kerzen. Wenn diese Kerzen angezündet
sind, so lassen sie, so lange sie brennen, keinen
Schlafenden erwachen. Man kann die Kerzen nur
auslöschen, wenn man sie in süße Milch taucht. –
Wenn Diebe in ein Haus eingebrochen sind, verrichten
sie mitunter in demselben, auf dem Tisch oder auf
der Fensterbank, ihre Notdurft; so lange der Kot
dampft, kann keiner der im Hause Schlafenden wach
werden, oder so lange werden sie nicht verfolgt.
Ueber die Verbreitung dieses Aberglaubens vergleiche
die Artikel »Einiges über den grumus merdae der
Einbrecher« von Dr. jur. Albert Hellwig in der Monatsschrift
für Kriminalpsychologie und Strafrechtsform
Seite 256 und 639 (Heidelberg, 1906).
a.
Früher ist im Münsterlande eine Diebesbande gewesen,
deren man gar nicht hat habhaft werden können.
Kein Schatz ist ihnen zu verborgen, kein Schloß zu
fest gewesen. Die Diebe haben den Finger eines ungeborenen
Kindes bei sich geführt, den haben sie jedesmal
in dem Hause, wo sie gestohlen haben, auf den
Tisch gelegt. Dann haben sie mit aller Ruhe und bei
brennender Kerze alle Behälter öffnen und durchsuchen
können, und weder ist von den Hausbewohnern
einer erwacht, noch ist draußen das Licht bemerkt
worden (Vechta).
b.
Hardemente, ein Räuberhauptmann des 18. Jahrhunderts
im Kreise Berssenbrück, wurde in Iburg gehängt.
In dem peinlichen Verhör, bei welchem man
ihm heißes Oel auf den kahl geschorenen Kopf gegossen,
hat er anfangs alles geleugnet, bis endlich der
Teufel in Gestalt einer schwarzen Fliege aus seinem
Ohre geflogen ist, da hat er bekannt. Unter Anderem
hat er gestanden, daß er neun schwangere Frauen ermordet
habe, um sich der Frucht zu bemächtigen.
Wenn man nämlich einen Einbruch in ein Haus
mache und so viele Finger von ungeborenen Kindern,
getrocknet und mit Talg umgeben, anzünde, als Personen
im Hause seien, so würden die Hausbewohner
von dem festesten Schlafe befallen, und man könne
ungestört das Haus ausräumen. Als er einmal, so hat
er erzählt, einen Finger zu wenig angezündet, hat der
Knecht gewacht. Der hat den Gegenzauber gekannt
und die brennenden Finger in süße Milch getaucht.
Nun sind sämtliche Leute erwacht und haben Hardemente
vertrieben.
Vgl. Mitt. des Vereins für Gesch. u. Altertumskunde
des Hasegaus, VII. Heft, 1898.
142. Diebe festzubannen.
Die über Nacht im Freien bleibenden Gegenstände,
namentlich Wäsche auf der Bleiche, das Obst auf den
Bäumen, Bienenkörbe usw. schützt man vor Diebstahl,
indem man die Diebe festbannt, festsetzt. Jemand,
der das Besprechen versteht, geht dreimal
(rücklings, Ammerld.) um den zu schützenden Raum
(geht einmal um den Raum, aber ohne den Kreisgang
zu schließen, indem er also den Umgang nicht ganz
vollendet – Holle), betet das Vater unser rückwärts
und spricht: »Komm, Petrus, mit dem Schlüssel und
binde, binde, binde!« (Ammerld.), oder betet Evangel.
Joh. Kap. 1 V. 1-14 rückwärts (Cloppenbg.), oder
spricht einen der folgenden Segen: »Die heilige Jungfrau
Maria ging im Garten, die h. drei Engel rüsten
ihr (mußten sie? mußten ihr Kind?) tragen und warten.
Der erste h. Engel heißt S. Michael, der andere h.
Engel heißt S. Gabriel, der dritte h. Engel heißt S.
Raphael. Da sprach S.a. (sanctus apostolus) Petrus:
›Unsere liebe Jungfrau, ich sehe hier drei Diebe bei S.
Jesum stehen, und die wollen dein liebes Kind Jesum
stehlen.‹ Da sprach die h. Jungfrau zu Petrus: ›Binde
die Diebe mit Stricken und Banden und mit Gottesgnade,
daß der Dieb, der mich bestehlen will, müsse
stehen wie ein Stock und wie ein Block und als wie
ein Nagel in der Wand, bis so lang als 24 Stunden
sind lang und bis so lange die h. Jungfrau gebäre
ihren anderen Sohn.‹« (Handschriftl. a.d. Saterld.)
»A. Petrus (apostole P.) a. Petrus, a. Petrus.
Kommt von Gott die Gewalt, daß, was du binden
würdest mit der Hand, mit der Hand Gottes, Hand der
Christus, der Hand aller Diebe (mit der Hand Christi
die Hand aller Diebe?), die mir mein Gut wollen von
der Hofstätte tragen, auf daß sie sollen stille stehen
wie ein Stock und wie ein Block, sie seien jung oder
alt, groß oder klein, so sollen sie von Gott dem Vater
gestellet sein, von Gott dem h. Geiste gebunden sein,
von den drei Personen in 24 Stunden beschweret sein,
daß sie keinen Schritt weiter vor oder hinter sich
gehen können, bis ich sie wieder mit meiner Zunge
Urlaub gebe, die stehen mir alle hier, die zwischen
Himmel und Erde sein und alle – – – Tau, Laus (Tau,
Laub?) und Gras, das tue ich im Namen des Vaters«
usw. (Handschr. a.d. Saterld.)
Wenn der Dieb nach den so geschützten Sachen
langen will, ist er plötzlich festgebannt, muß stehen
bleiben, die Augen nach den Sternen gerichtet oder zu
Boden gesenkt, und kann sich nicht rühren. Der Beschwörer
muß aber Sonnenaufgang nachsehen und
den festgemachten Dieb lösen, sonst muß derselbe 24
Stunden lang stehen, und seine Zunge wird schwarz,
oder wie öfter auch gesagt wird, der Dieb wird
schwarz und muß sterben oder die Sonne wird ihn
zerschmelzen. Die Lösung geschieht dadurch, daß der
Beschwörer dreimal recht (vorwärts) wieder um geschützte
Stätte geht, das Vater unser recht hersagt und
spricht: »Komm, Petrus, mit dem Schlüssel und löse,
löse, löse!« (Ammerld.) oder: »Gehe hin, Dieb, im
Namen des Vaters« usw. (Saterld.). Sich selbst würde
der Dieb erlösen können, wenn er die Sterne am Himmel
oder den Sand am Meere zählte; da das aber niemand
vermag, »mot he woll stahn bliben« (Holle). –
In einer Mitteilung wird gesagt, daß man auch nach
vollbrachtem Diebstahl den Dieb in einen Zauberkreis
bannen könne.
a.
Ein Mann bei Hooksiel, dem zu seinem Verdrusse
alle Äpfel aus dem Garten gestohlen wurden, bannte
den Dieb fest. Der Bann wurde wirksam, grade als der
Dieb unter dem Baume stand und einen Apfel angefaßt
hatte. Der Eigentümer verschlief sich aber des
Morgens ein wenig, und als er in den Garten kam,
war die Sonne schon vor einer Viertelstunde aufgegangen.
Da war der Dieb kohlschwarz geworden und
gestorben.
b.
Es kam einmal eine alte Frau des Abends zu einem
Müller und bat um Nachtquartier. Der Müller nahm
sie freundlich auf, gab ihr zu essen und zu trinken und
wies ihr ein warmes Bett an. Am andern Morgen, als
die Frau weiter gehen wollte, dankte sie dem Müller
vielmals und konnte des Dankens kein Ende finden,
sondern fing immer wieder von vorne an. Zuletzt
sprach der Müller: »Ich muß nach meinen Leuten
sehen,« sie aber bedankte sich nochmals und sagte:
»Sehet, ich habe hier ein Büchlein, das will ich euch
geben; wenn ihr fleißig darin leset, so ist es euch
mehr wert als eine Kanne voll Goldstücke.« Der Müller
nahm es mit Dank an und las auch fleißig darin. –
Eines Abends, als der Müller grade bei seinem Buche
saß, hörte er auf einmal ein Geschrei bei seinem
Hause, und es dauerte nicht lange, so kamen sechs
große bewaffnete Männer, klopften an das Fenster
und begehrten mit lauter Stimme Einlaß. Der Müller
weckte seine Frau und Tochter, die schon zur Ruhe
waren, und dann ging er hin und öffnete den Männern
das Haus. Diese waren sehr zornig, daß er sie so
lange habe warten lassen, und sprachen: »Du alter
Mehlwurm, hast wohl schon manchen betrogen!« Der
Müller antwortete: »Kommt nur herein, ihr könnt
essen, was ihr wollt.« Die Räuber sprachen: »Wir
sind auch sehr hungrig, und wenn du uns auch nichts
geben wolltest, wollten wir doch schon was bekommen.
« Der Müller trug ihnen ganz dienstfertig auf
Wein, Butter, Käse und alles was sie nur wünschten,
und sagte: »Nun esset und trinket, meine Frau und
Tochter sollen euch aufwarten, wenn noch was fehlt,
könnt ihr es nur sagen.« Dann sah er vor sich hin und
betete. Die Räuber riefen: »Du alter Schurke, es soll
ohne Beten wohl schmecken.« Der Müller antwortete:
»Esset nur zu.« Da wollten sie zugreifen, aber mit
einem Male standen alle fest, und niemand rührte
sich. Der Müller sprach: »So faßt doch zu, ihr rohen
Gäste!« Da sahen sie sich alle an, aber ihre Glieder
waren nicht beweglich. Und der Müller sprach weiter:
»Für diesmal will ich euch wieder gehen lassen, denn
wenn ich euch so lange festhalte, bis die Sonne aufgeht,
werdet ihr alle schwarz wie die Nacht. Und machet,
daß ihr aus dieser Gegend fortkommt, sonst,
wenn ich euch nochmals treffe, so sollet ihr fällig
sein.« Seit dieser Zeit hat man in der Gegend nichts
mehr von Räubern gehört. – Ein ähnliches Festmachen
kommt vor 204 x, y. – »In meinem Heimatdorfe
H. wohnte ein Mann, der einen Strumpfhandel trieb.
Wenn die Strümpfe gewaschen und gewalkt waren,
mußten sie einige Tage und Nächte draußen aufgehängt
bleiben. Gestohlen wurde nichts. Der Mann
›besprach‹ die Wäsche, das war bekannt, und nach
Strümpfen lüsterne Diebe mieden den Hof wie die
Pest.« (Cloppenburg.)
143. Diebe zu strafen.
Häufig wenden Bestohlene sympathetische Mittel an,
welche den Dieb krank machen und selbst töten, sofern
er nicht das Gestohlene wieder bringt oder in anderer
Weise die Kraft des angewandten Zaubers zerstört.
Die Erde, in welche ein Dieb seine Fußspur eingetreten
hat, wird aufgehoben und in einem Sack in
fließendes Wasser gehängt (Wildeshsn.) oder in den
Sonnenschein (Vechta) oder auf den Rahmen eines
Feuerherdes gelegt: so wie die Erde aus dem Sacke
weggespült wird oder im Sonnenschein eintrocknet
und zerfällt, auf dem Rahmen verschrumpft, so muß
auch der Dieb hinschwinden, vertrocknen, verschrumpfen.
Oder man legt die Erde einer Leiche in
den Mund, in den Sarg, in das Grab, so muß der Dieb
vergehen, wie die Leiche verwest. – Auch genügt es,
wenn man mit einem grünen Zweige die Fußspur mißt
und das Maß in den Schornstein hängt. Zu allen jenen
Handlungen nimmt man statt der Erde auch Sachen,
welche der Dieb hat liegen oder von dem Gestohlenen
unterwegs fallen lassen. Wenn man eine derartige
Sache an den Perpendikel einer Uhr hängt, wird der
Dieb von ewiger Unruhe ergriffen (Dötl.). – Wenn ein
Bienenkorb gestohlen ist, und man hat noch etwas
von dem Werk aus dem Korbe, so legt man dies mit
etwas Quecksilber in ein Glas oder in einen hohlen
Knochen, pfropft das Behältnis fest zu und wirft es in
ein fließendes Wasser. Dann wird der Dieb fortan von
Angst und Unruhe gequält. Um das Mittel mit Sicherheit
anwenden zu können, nehmen Bienenhalter aus
jedem Korb etwas Werk und stellen es in einer Reihe
auf, damit, wenn ein Korb gestohlen wird, das Werk
gleich zur Hand ist (Ammerld.). Das Quecksilber soll
anscheinend zu der Beweglichkeit des Glases oder
Knochens in fließendem Wasser noch seine eigene
Lebendigkeit hinzutun. – Mit den vorstehenden Regeln
stimmt nicht recht, was aus Dinklage berichtet
wird, man könne einen Dieb mit gewissen Sprüchen
zwingen, Gestohlenes wieder zu bringen, die Sprüche
seien aber unwirksam, wenn der Dieb etwas von seiner
Beute bei dem bestohlenen Hause liegen lasse. –
Wenn ein Bestohlener eine Antoniusmesse lesen läßt,
wird der Dieb von einer solchen Unruhe ergriffen, daß
er das Gestohlene wieder bringt; auch sieht der Geistliche
den Dieb während der Wandlung (Cloppenburg).
a.
Einer Frau waren Kartoffeln gestohlen. Einige Kartoffeln
hatte der Dieb unterwegs fallen lassen; auch war
seine Spur auf dem Wege deutlich zu erkennen. Da
sagte die Bestohlene zu ihrer Nachbarin: »Es mag
sein, wer es will, ich will ihn schon bald herauskriegen.
« Sie nahm von den verstreuten Kartoffeln, nahm
ein genaues Maß von der Spur und kochte beides zusammen
morgens vor Sonnenaufgang auf einem großen
Feuer. Drei Tage nachher starb ein Mann in der
Nachbarschaft an großen Leibschmerzen – es war der
Dieb (Saterld.).
144. Gedeihen der Haustiere.
Wenn der Hausvater mit seiner Frau zum heiligen
Abendmahl gewesen ist, pflegt die Frau sofort nach
ihrer Rückkehr ins Haus den Kühen Heu zum Fressen
vorzuwerfen; sie gedeihen dann besser (Oldenburg). –
Eine Kuh, die das erste Mal gekalbt hat, muß man das
erste Mal stillschweigend melken, dann wird sie
fromm (Blexen). – Wenn die Kühe die Kälber zu früh
werfen, muß man das nicht ausgetragene Kalb auf
einem Kreuzwege vergraben um Mitternacht, dann
hört die Plage auf. – Die Nachgeburt der Pferde muß
man an einen Baum hängen, dann trägt das Füllen den
Kopf hoch – sonst stirbt das Füllen oder gedeiht wenigstens
nicht. Viele sagen (Dötlgn.), der Baum
müsse eine Esche, andere (Schönemoor) eine Eiche
sein; in den Marschen, wo es keine Eichen gibt, wählt
man regelmäßig eine Esche. Die Nachgeburt hängt
bis zum nächsten Jahre. Das Kopfhochtragen wird
auch so erklärt, das Füllen werde eine vorteilhafte
stolze Haltung annehmen. Der Gebrauch des Aufhängens
der Nachgeburt ist nachzuweisen in Butjadingen,
Friesische Wede bis in Ostfriesland hinein, Goldenstedt
und dem benachbarten Hannover, Kneheim bei
Cloppenburg. An mehreren Orten ist der Gebrauch
jetzt unbekannt, aber früher bekannt gewesen (Oythe,
Großenkneten usw.). In Goldenstedt wählt man einen
Baum, der einen passenden abgestorbenen Zweig
trägt und dieser wird dann Jahr auf Jahr benutzt. Die
Nachgeburt bleibt darauf hängen, bis sie von selbst
verschwindet. Wer den Gebrauch nicht kennt und
sieht zum ersten Male die Nachgeburt in den Baumzweigen,
glaubt, altes verwittertes Leder wäre dort
aufgehängt. (Vgl. 55.) – Wenn eine Sau beim Eber
gewesen ist, muß man ihr so viel Hände voll Hafer in
den Trog werfen, als man Ferkel wünscht (Jeverld.).
145.
Um einem Hunde das Laufen abzugewöhnen, zieht
man ihm drei Haare aus und legt diese in der Küche
unter ein Tischbein (Dinklage). – Um eine Katze
schnell ans Haus zu gewöhnen, steckt man dieselbe in
einen Sack, schlägt diesen dreimal um sich herum und
läßt darauf die Katze in den Schornstein und dann in
einen Spiegel sehen (Oldenbg.). – Damit neu angeschaffte
Hühner und Enten nicht weglaufen, muß man
sie, bevor man sie frei läßt, in einen Spiegel sehen
lassen (Oldenbg.). Um ein fremdes Huhn, eine Katze,
einen Hund usw. an das Haus zu gewöhnen, muß man
sie dreimal um den Feuerherd leiten (Löningen).
(40). – Wenn man eine neue Kuh in den Stall bringt,
muß man ihr ein Stück Brot geben und sie hat sich
gleich gefunden. – Hühner müssen in den Zwölften
mit Erbsen gefüttert werden; dann geben sie viele Eier
(Brake). – Wenn man Hühner brüten lassen will, muß
man ihnen unpaar Eier unterlegen.
146.
Den ersten Schmetterling, den man im Frühjahr sieht,
muß man fangen und durch das Ärmelloch des Rokkes
oder der Weste fliegen lassen, so fängt man im
Sommer einen Bienenschwarm (Essen, Oythe). Oder
aber, heißt es jedoch im Ammerlande, man zerbricht
einen Arm, und deshalb wird das Mittel nur wenig angewandt.
– Tritt ein Bienenzüchter vor seinen
Schwarm, wenn dieser ausfliegt, so kann er denselben
mit einem Segen zwingen, daß er sich setzt. Solche
Segen sind:
Biene, setze dich ins Laub oder in Gras
und sammle Wachs zu Gottes Preise
und Honig zu der Menschen Speise,
im Namen Gottes usw. (Holle).
Immenmutter, sette dich,
Gottesmutter bette dich
fest ans grüne Gras,
und mach Honig und Waß,
damit man Kirchen und Altar verzieren mag.
(Handschr. a.d. Saterld.)
Vergl. 81.
147. Gedeihen im Garten.
Wickelt man am Katharinentage (25. Nov.) welke
grüne Kohlblätter zusammen, umbindet sie mit einem
Stücke trocknen Wollenzeuges (und wäre es auch nur
von einem alten wollenen Strumpfe) und vergräbt sie
einen Fuß tief, so sitzt beim Herausnehmen im nächsten
Jahre, wozu besonders der 6. März gut ist, an
allen Adern der Blätter neuer Kohlsamen, und zwar
von einer ganz anderen Sorte, als von welcher die
Blätter stammen. Man wendet dies Mittel hauptsächlich
an, um eine neue Sorte Kohl zu bekommen
(Holle). – Alles was in der Erde die nutzbaren Teile
entwickelt, pflanze man bei abnehmenden Monde,
was über der Erde, bei zunehmendem (Saterld.). Gartensämereien
müssen bei zunehmendem Monde gesäet
werden (Butjadgn.). – Buchweizen soll man im Mondenschein
säen (Holle).
Vgl. 53.
148.
Damit ein Obstbaum gut trage, muß man ihn tüchtig
schlagen oder die Nachgeburt eines Pferdes hineinhängen
(Jeverld.) – Oder man umwickelt ihn in der
Johannisnacht (Holle), am Weihnachtsmorgen
(Saterld.), am Neujahrsmorgen in der Weihnachtsoder
Neujahrsnacht zwischen 12 und 1 Uhr, oder
überhaupt in der Zwölften (Ammerld.) stillschweigend
und ohne auch vorher gesprochen zu haben, mit
einem Strohseil. In Ganderkesee heißt es, das Strohseil
müsse am Weihnachtsabend geflochten und am
Weihnachtsmorgen stillschweigend umgebunden werden.
Im Ammerlande kommt für dies Mittel der Ausdruck
vor: »De Böm bin Bullen kriegen« und man
spricht beim Umbinden:
»Bom, Bom, bull,
dräg tokum Jahr ganz vull.«
149. Wind zu machen.
Wenn man bei Windstille Wind machen will, kratzt
man mit Nägeln am Maste. – Man kann beliebigen
Wind machen, wenn man einen alten Besen in der
Richtung über Bord wirft, woher der Wind kommen
soll. Es ist aber sehr gefährlich, denn man hat die
Stärke des Windes nicht in der Gewalt, und statt einer
erwünschten Brise kann ein heftiger Orkan kommen.
– Wenn ein Schiff bei dem Winde segelt und
das Kielwasser eines vor dem Winde segelnden Schiffes
kreuzt, so kann man auf ersterem bewirken, daß
man vor dem Winde zu segeln kommt, wenn man
einen alten Besen in das Kielwasser des vor dem
Winde segelnden Schiffes wirft. Auch diese speziellere
Anwendung des vorigen Mittels gilt für gefährlich
und zugleich für unerlaubt.
150. Verschiedenes.
Um sich von Ungeziefer zu reinigen, nimmt man eins
der Plageinsekten zwischen drei Finger, geht nach
einem Hause, dem man die Plage lieber gönnt als sich
selbst, faßt dort etwa ein Kind gleichgültig bei der
Hand und sagt leichthin: »Ji kriegt Volk in't Hus;«
damit läßt man das Tierchen zwischen den Fingern
los. Die Leute bemerken das nicht; aber bald beginnt
sämtliches Ungeziefer auszuziehen und das neue Haus
in Besitz zu nehmen (Jade). – Die Bierhefe wird, ehe
man sie in die Maische legt, mit einem belaubten Eichenzweig
gestrichen (Saterld.). – Wenn man Schweine
bei zunehmendem Monde schlachtet, quillen
Fleisch und Speck beim Kochen aus und werden größer.
Gänse muß man bei Vollmond schlachten, denn
bei abnehmendem Monde würden sie magerer werden
(Butjadingen).
151. Fest zu bauen.
In mehreren Sagen kehrt es wieder, daß beim Bau von
Kirchen, Schlössern, Deichen usw. Menschen, namentlich
Kinder, eingemauert sind, um dem Bau, der
vorher nicht gelingen wollte, Festigkeit zu geben. »Mi
hebbt se woll vertellt,« äußerte ein Landmann, »wenn
se so'n Kind innmurt hebbt, denn hebbt se't in'n lütje
holten Tunn leggt un hebbt'r noch'n Kringel oder
Twiback oder so wat mit inndahn. Denn hett dat Kind
darna langt un hett lacht. Man mi dücht, dat Lachen
harr ick nich mit ansehn kunnt.« Es ist kaum anzunehmen,
daß dieser Aberglaube im Volke noch lebendig
sei. Wie indessen jene Aeußerung des Landmanns
noch frische, kräftige Überlieferung anzudeuten
scheint, so liegt ein unzweifelhaftes Zeugnis vor, daß
man noch vor zwei Jahrhunderten im Volke daran
dachte, ihm eine tatsächliche Anwendung zu geben.
Als nach den Zerstörungen der Weihnachtsflut von
1717 die Arbeiten zur Wiederherstellung des
Mariensiels im Jeverlande nicht recht vonstatten
gehen wollten, und das Wasser das Fertige mehr wie
einmal wieder vernichtete, namentlich die geschlagenen
Holzdämme wegriß, kamen die Leute zum Teil
auf den Gedanken, daß das Werk nicht bestehen
könne, wenn man nicht ganz andere Mittel als bisher
zur Hand nähme, und es kam eine gemeine Rede aus,
es würde die Arbeit nimmer zustandekommen, noch
das Loch verdichtet werden, wenn man nicht vorher
ein lebendiges Kind in das Loch gestürzt hätte und
dasselbe darin lebendig begraben und eindeichen
ließe. Man müsse demnach und wolle ein armes Kind
kaufen und solches lebendig in die Erde begraben und
darauf das übrige Werk wieder anfangen. (Nach J.J.
Jansen, Historisch-Theologisch Denkmahl der Wasserflut
von 1717, Bremen und Jever 1722, S. 326,
327). Hier und in der Mehrzahl der Sagen erscheint
das Kind als ein Opfer, wenn auch die Gottheit, welche
versöhnt werden soll, nicht mehr genannt wird –
nur einmal das Meer. Es kommt übrigens das Eingraben
auch als Strafe vor: 558a. 570a.
a.
Als unter Graf Anton Günther der Ellenserdamm fertig
gebaut wurde (im Jahre 1615) und der Graf einstens
zur Besichtigung des Baues herangeritten kam,
fand er die Arbeiter im Begriff, ein kleines Kind mit
einzudeichen. Der Graf ließ das Kind wegnehmen und
bestrafte die Mutter, die es verkauft hatte. Vielleicht
ist es dieselbe Sage, wenn erzählt wird: Bei Steinhausersiel
hat ein neuer Deichbau nicht halten wollen.
Da hat jemand gesagt, es müsse ein lebendiges Kind
darin begraben werden, und man hat einer Mutter ein
taubstummes Kind, das dieser lästig gewesen, abgekauft,
es in eine Tonne gesteckt und im Deich vergraben.
Das Kind hat, als man begonnen hat, Erde auf
die Tonne zu werfen, plötzlich die Sprache wieder erlangt
und gerufen: »Moders Hart is harter as en
Steen« (Zetel).
b.
In der Mauer der Kirche zu Sandel ist eine Stelle, die
bis vor wenig Jahren durch dunkle Färbung das Bild
zweier Kinder, die einander das Gesicht zuwandten,
erkennen ließ. Auch nach der sorgfältigsten Tünchung
trat das Bild sogleich wieder hervor. Bei Erbauung
der Kirche hatte man, um die Mauern zum feststehen
zu bringen, an jener Stelle zwei Kinder mit eingemauert.
c.
Auch die Kirche zu Ganderkesee wollte anfänglich
nicht stehen bis man ein Kind einmauerte. Der Erzähler
meinte, es komme in der Geschichte ein mit
Quecksilber gefüllter Pferdekopf vor, wußte aber
nicht wie.
d.
Wie Butjadingen gegen die Fluten der Jade und Nordsee
bedeicht worden, hat an einer Stelle der Deich keinen
festen Boden gewinnen können, sondern ist stets
ausgewichen und gesunken. Da bedeichte man, um
das Meer zu versöhnen, einen Knaben namens Hayo
in jene Stelle, und seitdem hat der Deich standgehalten.
Die benachbarte Gegend aber heißt nach dem geopferten
Kinde Hayensloot.
e.
Die Blexer Kirche sollte zuerst auf dem Rading,
einem Platze zwischen dem Ohlhamm und der Blexer
Mühle, erbaut werden; allein was des Tags aufgerichtet
wurde, sank in der Nacht wieder weg. Da beschloß
man, zwei Ochsen aneinander zu binden und am
Abend auszutreiben; wo die am andern Morgen sein
würden, sollte die Kirche stehen. Man fand die Ochsen
oben auf dem Deiche, und dort wurde nun der
Bau begonnen. Aber auch hier wollte das Werk nicht
vorwärts schreiten; wenn die Mauern einige Fuß hoch
geworden, wich der Grund, und die Mauern stürzten
zusammen. Da fuhren sie über die Weser nach Bremerlehe,
kauften ein Kind und mauerten es in den
Grund des Baues, der von nun an hielt und zu Ende
geführt werden konnte. Schon hatten sie ein gutes
Stück in die Höhe gebracht, da kam der heilige Hypolyt
des Weges und rief den Fluch des Himmels herab
auf die Bremerleher, die ein unschuldiges Kind für
Geld geopfert hatten. Die Blexer aber, die fürchteten,
es könne durch diesen Fluch auch ihr Kirchenbau gestört
werden, ließen in der Mauer, die nach Bremerlehe
hingewandt ist, ein Loch frei, kaum so groß, daß
ein Mensch darin Platz fand, setzten den Heiligen hinein
und mauerten das Loch zu. Nur zwei Öffnungen
ließen sie, die eine am Kopfende nach Bremerlehe zu,
die andere am Fußende nach der Kirche hinein. Durch
die letztere sollte der Eingeschlossene den Gottesdienst
in der Kirche mit anhören. Durch die Öffnung
am Kopfende aber brachten zwei Tauben dem Heiligen
die tägliche Nahrung. Und so oft der Gefangene
durch die Öffnung das jenseits der Weser liegende
Bremerlehe erblickte, rief er:
»O weh, o weh
du sündig Leh',
wenn ick di seh,
deit mi dat Hart im Liwe weh!«
Nicht lange hernach soll Bremerlehe abgebrannt
sein. –
Vgl. auch 152g.