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3.2 Weitere thermochronologische Ergebnisse aus Mitteleuropa

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Nachdem nun das hydrographische Dach Europas und das KTB-Umfeld exemplarisch näher behandelt wurden, stellt sich die Frage, ob und inwiefern die hier gewonnenen neueren Erkenntnisse auf andere Regionen Mitteleuropas übertragbar sind. Leider liegen thermochronologische Daten nur von einigen mitteleuropäischen Regionen vor.

Im belgischen Grundgebirge untersuchen Vercautere & Van den houte (1993) das südliche Massiv von Brabant und die Mulde von Dinant. Die Spurlängen aller Proben weisen auf eine beständige und relativ rasche Abkühlung durch die PAZ. Die mittleren Apatit-FT-Alter nehmen im Brabanter Massiv von etwa 146 Millionen Jahren im Westen auf etwa 200 Millionen Jahre im Osten zu, auch die beiden Proben aus der Mulde von Dinant liegen um 200 Millionen Jahre. Trotz relativ geringer Reliefunterschiede von nur einigen Hundert Metern zeigt sich eine Abhängigkeit der Alter von der Höhenlage derart, dass die Proben von höher gelegenen Standorten höhere Alter aufweisen. Die Zeit-Temperatur-Pfade (T-t-Pfade) sprechen für eine rasche Abkühlung durch Hebung und Erosion während der kimmerischen tektonischen Phase (Jura) in Nordwesteuropa, wohingegen jüngere tektonische Phasen keinen merklichen Niederschlag mehr im Abkühlverhalten fanden.

In den kristallinen Gebieten von Schwarzwald, Odenwald und Vogesen wurden Apatit-FT-Alter in den Altersklassen 25 bis 50 Millionen Jahre, 50 bis100 Millionen Jahre und 100 bis 200 Millionen Jahre dargestellt (Wagner 1990). Die jüngste Altersgruppe dominiert in den Vogesen, im Hochschwarzwald und vereinzelter im Nordschwarzwald, während im Mittleren Schwarzwald und an der Abdachung des Hochschwarzwaldes zum Hochrhein Alter zwischen 50 und 100 Millionen Jahren vorherrschen. Diese räumliche Verteilung wird als Ergebnis von ausgeprägter Bruchschollenbildung im Zusammenhang mit der Entstehung des Oberrheingrabens interpretiert. Im Odenwald herrschen im Norden Alter der höchsten Gruppe (100 bis 200 Millionen Jahre) vor, die nach Süden und zu den Rändern jünger (50 bis100 Millionen Jahre) werden.

Aus dem böhmischen Barrandium wurden durch Glasmacher et al. (2002) Apatit-FT-Alter mit mittleren Altern zwischen 196 und 324 Millionen Jahren vorgelegt. Diese im Vergleich zu den Altern von der Westböhmischen Masse deutlich höhere Altersspanne belegt eine deutlich frühere Abkühlung und Exhumation des Barrandiums. Nach einer Aufheizung im Oberdevon/Unterkarbon infolge der variszischen Orogenese erfolgte eine Abkühlung infolge Denudation im Karbon. Eine weitere Abkühlung während des Mesozoikums bis zur Oberkreide erklärt sich durch einen lang andauernden langsamen bis moderaten Exhumierungsprozess des zentralen variszischen Gürtels. Entsprechend ist das heutige Relief in einem Nordwest-Südost-Profil relativ gering ausgeprägt. Die Bedeckung durch kreidezeitliche Sedimente im Böhmischen Becken war nicht mächtig genug, um die präkretazische Oberfläche nochmals bis in die PAZ zu versenken. Im Nord-west-Barrandium weisen die T-t-Pfade auf eine schnelle Abkühlung bis zur Unteren Trias und eine langsame bis zur Oberkreide hin, im Südwest-Barrandium (Brdy-Wad) hingegen auf eine schnellere Exhumierung während der Unterkreide im nörlichen und zentralen Teil und im südlichen Teil auf eine wesentlich schnellere Abkühlung bis zum Mittleren Jura und auf eine Abkühlung bis nahezu auf Oberflächentemperatur bis zur Oberkreide. Im Zentral-Barrandium sprechen die T-t-Pfade für eine langsame Exhumierung bis zum Mittleren Jura, gefolgt von schnellerer Exhumierung während der Unterkreide.

Aus dem Waldviertel (Österreich, südöstliche Böhmische Masse) wurden Apatit-FT-Alter von Hejl et al. (2003) publiziert. Geomorphologisch ist die Region aus verschiedenen Gründen interessant. Sie unterlief verschiedene Phasen der Einebnung (Peneplanation), zeitweilig unterbrochen durch flachmarine Ingressionen während der Oberkreide und des Miozäns. Zwei bedeutende Störungen, die Vitis-Störung im Westen und die Diendorf-Störung im Osten durchziehen das Arbeitsgebiet. Im nordwestlichen Waldviertel treten auf Granit weitverbreitet morphologische Relikte eines tropischen Klimas auf, die mit einer exhumierten präoberkretazischen Verwitterungszone zusammenhängen können. Drei höher gelegene annähernd horizontale Verebnungen erstrecken sich im Weinsberger Wald zwischen 880 und 710 Meter ü. M., tiefer gelegene (vermutlich neogenen Alters) in der Nähe der Donau zwischen 550 und 400 Meter ü. M. Die mitteleuropäische Hauptwasserscheide verläuft grob entlang der tschechisch-österreichischen Grenze. Die mittleren FT-Alter variieren zwischen 233 Millionen Jahren im Norden (Mittlere Trias) und 92 Millionen Jahren (frühe Oberrkeide) im Westen des Untersuchungsgebietes. Sie nehmen im Großen und Ganzen von Westen nach Osten und von Süden nach Norden zu. Die Spurlängenverteilung spricht für ein längeres Verweilen in der PAZ. Die T-t-Modellierungsergebnisse sprechen dafür, dass das tektonische Thaya-Fenster und die Vitis-Störung keine signifikaten Vertikalbewegungen während der Kreidezeit und im Känozoikum erlebten. Eine kontinuierliche Abkühlung seit Beginn des Mesozoikums erscheint ausgeschlossen zugunsten einer schrittweisen Abkühlung und einer möglichen oberkretazischen Versenkung um maximal 1 Kilometer. Der gesamte känozoische Abtrag seit 65 Millionen Jahren wird mit 1 bis 3 Kilometern angenommen.

Aus dem sächsischen Grundgebirge haben Lange et al. (2008) die beachtliche Zahl von 96 Apatit-Spaltspur-Altern zwischen 38 Millionen Jahren und 210 Millionen Jahren ermittelt und ihre Altersverteilung graphisch dargestellt (Abb 3.10). Aus den Spurlängen lässt sich überwiegend eine zweiphasige Abkühlung ableiten. Nahezu alle Proben haben vor dem Känozoikum die 60 °C-Isotherme deutlich unterschritten. Demnach haben die heute an der Oberfläche anstehenden Grundgebirgsgesteine in der Kreidezeit eine deutliche Abkühlung erfahren. Die Proben aus der Lausitz (50 bis 102 Millionen Jahre) lagen noch bis zur Unterkreide unterhalb der PAZ im Bereich vollständiger Spurenausheilung und sind erst in der Oberkreide unter 60 °C abgekühlt. Das unterstützt die Annahme einer mächtigen mesozoischen Sedimentbedeckung, deren Reste heute infolge starker oberkretazisch-alttertiärer Abtragung (ca. 100 m/Ma) nur noch punktuell im Bereich der Lausitzer Überschiebung existieren. Die noch wenigen Daten aus der Elbezone lassen eine ähnliche thermotektonische Entwicklung wie in der Lausitz vermuten. Die deutlich älteren Proben aus dem Granulitgebirge (82 bis 198 Millionen Jahre) lassen hingegen auf eine lang andauernde kontinuierliche Abkühlung schließen; sie lagen zu Beginn der Kreidezeit schon oberflächennah, ähnlich wie Proben aus dem Vorerzgebirgsbecken(150 bis 210 Millionen Jahre). Im Erzgebirge und Vogtland liegen die Alter zwischen 45 und 210 Millionen Jahren und lassen keine Korrelation zur topographischen Höhe erkennen, aber eine regional differenzierte Verteilung. Im West- und Osterzgebirge treten unter- und oberkretazische Alter auf, während im mittleren Teil (vor allem Flöha-Zone) jurassische und unterkretazische Alter vorherrschen. Darin schlägt sich eine uneinheitliche und komplexe postvariszische thermotektonische Entwicklung des Erzgebirges nieder. Der Betrag der känozoischen Exhumierung des gesamten Erzgebirges tritt aber hinter dem der mesozoischen deutlich zurück, auch wenn aus geologischen und geomorphologischen Gründen eine känozoische Hebung des Erzgebirges von über 1000 Metern angenommen werden muss. Diese schlägt sich aber im Apatit-Spaltspur-System nicht nieder, weil alle Proben im gesamten Känozoikum oberhalb der PAZ lagen. Der känozoische Anteil der Exhumierung des Erzgebirges wird mit weniger als 1 Kilometer angenommen. Die Häufigkeitsverteilung der Spaltspur-Alter aus dem sächsischen Grundgebirge mit Maximum in der Oberkreide und dem ältesten Tertiär zeigt die Abbildung 3.10.


Abb. 3.10 Häufigkeitsverteilung von Apatit-Spaltspur-Altern aus dem sächsischen Grundgebirge (bearbeitet nach Lange et al. 2008).


Abb. 3.11 Räumliche Verteilung von Apatit-FT-Altern in Sachsen (bearbeitet nach Lange et al. 2008).

Aus dem Riesengebirge (Karkonosze) am Nordostrand der Böhmischen Masse wurde durch Danišík et al. (2010) eine Studie vorgelegt, die aus verschiedenen Gründen von besonderem Interesse für die Geomorphologie ist (Migoń & Danišík 2012). Die Arbeit adressiert die Probleme der geomorphologischen Modellbildung in einem Gebiet, in dem Gipfelplateaus die umgebenden Hügelländer um bis zu etwa 1000 Meter überragen, und setzt eine Kombination aus Apatit-FT-Altern (AFT) und (U, Th)/He-Altern an Zirkonen (ZHe) sowie (U, Th, [Sm])/He-Altern an Apatiten (AHe) zur Ermittlung der Denudationsgeschichte ein. Damit stehen am gleichen Probenmaterial gleich drei verschiedene Schließungstemperaturen zwischen ungefähr fähr 190 °C und ungefähr 60 °C bereit. Aus der Analyse von Beckensedimenten der Umgebung des Riesengebirges geht hervor, dass der Karkonosze-Jizera-Pluton, der vor etwa 310 bis 330 Millionen Jahren in einer Tiefe von 7 bis 8 Kilometern erstarrte, am Ende des Perms bereits exhumiert und weitgehend eingeebnet war. Die Lausitzer Überschiebung östlich von Pirna (Elbe), die ebenso wie die Fränkische Line etwa von Nordwest nach Südost streicht und an der der Lausitzer Granit als westlicher Teil des Sudenten-Blockes über Oberkreidesedimente des Böhmischen Kreidebeckens geschoben wurde, bezeugt kompressive Tektonik am Ende der Kreide bis ins Alttertiär. In tektonischen Gräben nördlich und südlich der Sudeten, deren Entstehung im Zusammenhang mit dem Eger-Rift gesehen wird, begann Sedimentation im Untermiozän. Im Mittelpleistozän waren die Sudeten ähnlich hoch wie heute, sodass eine eigenständige lokale Gebirgsvergletscherung ermöglicht wurde. Diese geologischen Kenntnisse setzen den Rahmen für die Interpretation der Daten. Auf dem Prüfstand steht die verbreitete Ansicht, dass das Gipfelplateau des Riesengebirges das Relikt einer paläogenen (alttertiären) Rumpffläche sei, die entlang von Störungen im Neogen (Jungtertiär) differenziert gehoben und/oder verkippt und anschließend durch Flüsse zerschnitten wurde.


Abb. 3.12 Räumliche Verteilung der thermochronometrischen Alter im Riesengebirge. Das Gipfelplateau wird durch graue gerissene Linien begrenzt. Das von dicken schwarzen gerissenen Linien umgrenzte Gebiet besteht aus Granit (bearbeitet nach Danišík et al. 2010).

Die räumliche Darstellung der ermittelten Alter (Abb. 3.12) sowie die Zeit-Temperatur-Diagramme (T-t-Diagramme; Abb. 3.13) lassen andere Schlussfolgerungen zu. Alle Alter außer einem (s.u.) sprechen für oberkretazische Abkühlalter. Die zwei mittleren AHe-Alter scheinen geringfügig jünger als die entsprechenden AFT-Alter, die jeweiligen Alter sind aber nicht signifikant verschieden. Vergleichbares gilt für das ZHe-Alter der Probe K-7. Von besonderem Interesse ist aber die Probe K-11 mit einem jungpaläozoischen Alter.

Die T-t-Pfade aller fünf Proben ergeben eine sehr schnelle Abkühlung während der Oberkreide mit einer durchschnittlichen Exhumierungsrate von etwa 300 m/Ma zwischen 90 und 75 Millionen Jahren, gefolgt von etwa 7 m/Ma bis heute. Am deutlichsten wird dies für Probe K-7, die zwischen etwa 100 Millionen Jahren (Ende Unterkreide) und etwa 75 Millionen Jahren von etwa 200 °C auf nahezu Oberflächentemperatur abgekühlt ist. Bei den Proben K-3 und K-9 spricht die „Güte des Fits“ der Modellierung dafür, dass die Proben etwa an der Kreide-Tertiär-Grenze (66 Millionen Jahre) unter die Partielle Retentions-Zone (PRZ) des Apatit-Helium-Systems (40 °C) abgekühlt sind und auch noch während des Tertiärs langsam bis zur Oberflächentemperatur abkühlten. Damit könnte das Maximalalter der Einebnung des Gipfelplateaus mit etwa 75 Millionen Jahren (Oberkreide) angenommen werden. Eine plio-pleistozäne erneute Hebung hätte sich in den benutzten thermochronometrischen Systemen noch nicht niedergeschlagen. Bei der Probe K-11 (AFT-Alter 296 ± 11 Millionen Jahre) lässt der T-t-Pfad verschiedene Interpretationen zu: Zum einen kann die Abkühlungsund Denudationsgeschichte ähnlich wie bei den anderen Proben gedeutet werden. Die alternative Möglichkeit besagt, dass sich im Anschluss an die schnelle Abkühlung und Exhumierung im Oberkarbon eine seit Langem immer wieder diskutierte „Permische Rumpffläche“ entwickelte, die von einige Tausend Meter mächtigen oberpermischen, triassischen und vielleicht auch jurassischen Sedimenten am Südrand des Mitteleuropäischen Beckens bedeckt und in der Oberkreide infolge einer tektonischen Inversion wieder exhumiert wurde. Das Gipfelplateau des Riesengebirges kann demnach sowohl als Relikt der permischen Rumpffläche als auch der maximal oberkretazischen Rumpffläche interpretiert werden.


Abb. 3.13 Thermische und tektonische Entwicklung des Riesengebirges. Oben: Zeit-Temperatur-Diagramm mit Zusammenstellung von „gutem Fit“ aller Proben. Mitte: mittlere Exhumierungsraten (schwarz) mit Fehlerbalken (grau). Unten: wichtige morphotektonische Ereignisse, ZePRZ = Partielle Retentionszone des Zirkon-Helium-Systems, AHePRZ = Partielle Retentionszone des Apatit-Helium-Systems, APAZ = Partielle Ausheilzone in Apatit (bearbeitet nach Danišík et al. 2010).

Oberkretazische bis paleozäne starke Abkühlung und Exhumation wurde auch am Südostabschnitt (Rychlebské hory, Reichensteiner Gebirge, Góry Złote) der Sudetenrandstörung (Nordostrand der Sudeten) über mehrere thermochronologische Methoden festgestellt (Danišík et al. 2012). Die Autoren folgern, dass das paläozoische Grundgebirge bis zu maximal 7 Kilometer mächtig von Sedimentgesteinen bedeckt war und dass das Kreidemeer eine weitaus größere Verbreitung hatte als bisher angenommen, womit die für die Kreidezeit angenommene „Sudeteninsel“ fragwürdig wird. Aus den AFT- und AHe-Altern ist keine neogene Denudation von mehr als 1,5 Kilometern erkennbar, allerdings liegen vom Nordostrand des Eulengebirges (Sowie Góry) und des Reichensteiner Gebirges (Rychlebské hory) auch geomorphologische Hinweise auf pliozäne und quartäre Hebung vor (Badura et al. 2007). An einem Baggerschurf quer über die Sudetenrandstörung bei Bila Hóra, Rychlebské hory, wird sogar spätglaziale und holozäne tektonische Aktivität der Randstörung (Überschiebung) offenkundig (Abb. 3.1).


Abb. 3.14 Überdachter Baggerschurf an der Sudetenrandstörung bei Bilá Vodá, Rychlebské hory. Helleres zerrüttetes Grundgebirge aus Gneis und Migmatit (links hinten) ist steil über miozäne Sedimente (nicht sichtbar) überschoben. Links vorne und rechts hinten ist teilweise dunkle Störungsbrekzie zu sehen, die dunklen Partien sind zu feinkörnigen Fraktionen zerrieben (Foto: Ludwig Zöller, 2016).

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Im Heuscheuergebirge (Góry Stotowe) südöstlich des Riesengebirges in den Sudeten prägt die tektonische Inversion die Oberflächenformen besonders eindrucksvoll (Abb. 3.15). Dort lagern, ähnlich wie im Elbsandsteingebirge, oberkretazische Sedimentgesteine des Innersudetischen Beckens („Pläner“ und Quadersandsteine) diskordant über Grundgebirge und sind stark herausgehoben (heutige Höhe bis 919 Meter ü. M.). Die hangenden Quadersandsteine bilden deutlich sichtbare Tafelberge aus. Der schmale, von Nordwest nach Südost verlaufende Graben als nordöstlichster Rest des Böhmischen Kreidebeckens ist von höher aufragendem Grundgebirge umgeben.


Abb. 3.15 Blick von der Heuscheuer (Góry Stolowe) nach Nordwesten auf die östlichen Ausläufer des Riesengebirges (Hintergrund links) und die Góry Kamienne (Steinegebirge, Hintergrund rechts). Im Bildmittelgrund sind wandbildende Sandsteine der Oberkreide zu sehen (Foto: Ludwig Zöller, 2015).

Der von Nordwesten nach Südosten verlaufende Thüringer Wald in der Verlängerung des Frankenwaldes wird im Südwesten von der Fortsetzung des Fränkischen Lineaments begrenzt. Der Ruhlaer Kristallin-Komplex (RCC) im nordwestlichen Teil des Thüringer Waldes ist Teil der Mitteldeutschen Kristallinschwelle. Am Ende des Paläozoikums lag der RCC nach Thomson & Zeh (2000) bereits an der Oberfläche. Apatit-FT-Alter (gewichtetes Mittel 78 ± 1,5 Millionen Jahre) belegen aber eine erneute Versenkung und Aufheizung auf >110 °C bis vor etwa 85 Millionen Jahren. Während der Oberkreide erfolgte eine beschleunigte Abkühlung durch die Apatit-PAZ beginnend vor etwa 85 bis 80 Millionen Jahren bis vor 80 bis 70 Millionen Jahren, was auf tektonische Inversion während dieser Zeit zurückgeführt wird. Dies erfordert entweder einen ungewöhnlichen Temperaturgradienten von 60 °C/km während der Oberkreide oder die Abtragung von etwa 1400 Meter jurassischer und kretazischer Sedimentgesteine. Die Autoren favorisieren eine Kombination aus erhöhtem Gradienten und starker Denudation. Sie nehmen für die Oberkreide eine nordost-südwest-gerichtete kompressive Druckspannung an, in deren Folge ältere nordwest-streichende Störungen reaktiviert wurden. Dem folgte im Tertiär eine Nord-Süd-Druckspannung und Ost-West-Dehnung Mitteleuropas. Das aktuelle Hauptdruckfeld ist ostsüdost-westnordwest-gerichtet mit geringerer Dehnung an älteren nordwest-streichenden Störungen und Kompression oder Blattverschiebung entlang älterer nord-süd-verlaufender Störungen.

Der Harz und das anschließende subherzynische Kreidebecken stellen nach von Eynatten et al. (2008) das prominenteste Beispiel für oberkretazische Inversionsstrukturen an der Erdoberfläche in Mitteleuropa dar. Die Mechanismen und die Zeitstellung der Exhumierung des Harzes werden anhand detaillierter Untersuchungen der kreidezeitlichen Beckensedimente rekonstruiert. In nur 2 bis 4 Millionen Jahren wurde danach eine 2 bis 3 Kilometer mächtige mesozoische Sedimentbedeckung des Harzes abgetragen. Danach ergibt sich eine Exhumierungsrate von annähernd 1 mm/a (1000 m/Ma) im Unteren Campan in Übereinstimmung mit Apatit-FT-Altern (Thomson et al. 1997). Die Ergebnisse sind zusammenfassend in Abb. 3.16 dargestellt.


Abb. 3.16 Oberkretazische Entwicklung des Harzes. Zunächst (A) bildet sich eine Antiklinale im Mittleren Coniac (88 bis 87 Millionen Jahre), bevor im Mittleren Santon (ca. 85 Millionen Jahre) die Überschiebung über das subherzynische Kreidebecken (SCB) beginnt (B). Im Oberen Santon (ca. 84 Millionen Jahre) führt der starke eustatische Meeresspiegelanstieg zur Ausweitung des Beckens (C). Die Überschiebung verstärkt sich an der Santon/Campan-Grenze (83,5 Millionen Jahre), ab der sich ein stärkerer Abtrag der mesozoischen Deckschichten des Harzes in der Lieferung charakteristischer Schwer- und Leichtminerale (grt = Granat, ap = Apatit, F = Feldspäte, Lcm = mikritische Carbonate) niederschlägt. Die Aufschiebung des Harzes kulminiert im Unteren Campan (83 bis 82 Millionen Jahre). Jetzt erreicht die Erosion das Grundgebirge des Harzes, wodurch überwiegend die ultrastabile Zirkon-Turmalin-Rutil-(ZTR)-Schwermineralassoziation geliefert wird, gemeinsam mit paläozoischen Gesteinsbruchstücken (Lsg; D). Die Hauptphase der Exhumierung des Harzes wird demnach auf eine kurze Zeitspanne zwischen dem Mittleren Santon und dem untersten Campan, das heißt zwischen 86 und 85 Millionen Jahren und 83 und 82 Millionen Jahren, festgelegt. In diesem Zeitraum von 2 bis 4 Millionen Jahren muss der Hauptteil des bis zu 7 Kilometer betragenden Versatzes an der Harznordrandstörung passiert sein und als Folge wurden 2 bis 3 Kilometer Deckschichten denudiert. Damit wird eine Präzisierung der mitteleuropäischen Beckeninversion erreicht, die diejenige der Niedrigtemperatur-Thermochronometrie (Apatit-FT, [U, Th]/He) übersteigt, die aber durch die vorliegenden thermochronologischen Daten unterstützt wird (bearbeitet nach von Eynatten et al. 2008).

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