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4.3 Neue Bewegung in Mitteleuropa – Entstehung der heutigen Vielfalt

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Im Cenomanium wurde der Pyrenäische Ozean schon wieder geschlossen, womit die in Kapitel 3 bereits besprochene Einengung Mitteleuropas und die damit verbundene Beckeninversion eingeleitet wurden. Die Auswirkungen der Beckeninversion auf die Paläogeographie Mitteleuropas sind in Abbildung 4.5 zusammenfassend dargestellt. Walter (2014) rechnet auch das westlich des „Niedersächsischen Tektogens“ gelegene West- und Zentralniederländische Becken zu den von der Beckeninversion betroffenen Gebieten, was sich aber an der heutigen Oberfläche nicht erkennbar zeigt.

Im Tertiär setzten sich zunächst, im Paleozän, die für die Oberkreide beschriebenen tektonischen Vorgänge fort. Im Eozän riss der Nordatlantik zwischen Skandinavien und Grönland weiter auf und trennte endgültig die Europäische von der Nordamerikanisch-Grönländischen Platte. In Mitteleuropa begann infolge der Krustendehnung und dem Aufsteigen von Asthenosphäre vor ca. 45 Millionen Jahren im Mittleren Eozän die Einsenkung des Oberrheingrabens als Teil des Europäischen Grabenbruchsystems (Frisch & Meschede 2009). Damit wird die in Kapitel 3.4 angesprochene unterschiedliche Entwic°lun°de r Anlage der Großformen südwestlich der geomorphologischen Diagonale Mitteleuropas eingeleitet. Als mögliche Ursache wurde in Kapitel 3.3 bereits die mechanische Kopplung zwischen Afrika, Europa und der Adriatischen Platte infolge der Subduktion des südpenninischen Ozeanbodens angeführt. Die tektonische Einengung mit Heraushebung der Alpen hielt bis ins Jungtertiär (Miozän) an.


Abb. 4.5 Paläogeographie der Oberkreide und Beckeninversion der späten Oberkreide. BFB = Broad-Fourteens-Becken, PLW = Prignitz-Lausitzer Wall, SPB = Sole-Pit-Becken, VSM = Vorsudetische Monokline, WZNB = West- und Zentralniederländisches Becken (aus Walter 2014, bearbeitet).


Abb. 4.6 Blockbild des südlichen Oberrheingrabens. Die spröde Oberkruste reagiert auf die Dehnung mit bruchhafter Verformung, die Unterkrusteund derobere Mantel hingegenreagieren mit stärker duktiler Verformung (aus Frisch & Meschede 2009).

An der Wende Paleozän/Eozän vor etwa 56 Millionen Jahren erlebte die Erde einen kräftigen Temperaturanstieg und stark erhöhten CO2-Gehalt der Atmosphäre (Aze et al. 2014, Zachos et al. 2008). Auch das Untereozän war zwischen 51 und 53 Millionen Jahren wieder durch ein thermisches Optimum gekennzeichnet. Foreman et al. (2012) nehmen für diese Zeit eine stark erhöhte fluviale Aktivität an und vermuten einen globalen clearing event geomorphologischer Systeme, der sich in einem stark erhöhten Austrag fester und gelöster Stoffe niederschlug. Im Moselgebiet und in der Südeifel wurde eine bis zu 150 Meter tiefe Zertalung erkannt, die ab dem höheren Mitteleozän wieder durch Sedimente (Arenrather Schotter) verfüllt wurde (Löhnertz 1978, Frankenhäuser et al. 2009, Kap. 6). Diese Befunde widersprechen der pauschalen Annahme von Rumpfflächenbildung im Eozän. Inwieweit tektonische Heraushebung und/oder Meeresspiegelregression für die untereozäne Taleintiefung verantwortlich waren, sei noch dahingestellt.

Während des Eozäns existierte in Mitteleuropa eine ausgedehnte Landmasse vom Französischen Zentralmassiv bis zur Böhmischen Masse. Nach Süden wurde sie vom nur noch schmalen Tethys-Ozean begrenzt, im Norden vom Nordseebecken, welches über die Schlesische Pforte noch eine Verbindung zur Tethys hatte.

Während des Oligozäns bis ins unterste Miozän erfolgte die Schließung des Nordpenninischen Ozeans durch Subduktion und schließlich Sutur an der Periadriatischen Naht. Am Ende des Obereozäns und im untersten Oligozän konstatieren Kocsis et al. (2014) eine Aridisierung des außeralpinen Europas, die sie auf die Blockierung feucht-warmer südlicher Luftmassen durch die nun schon vorhandenen Zentralalpen zurückführen. Im Vorfeld der alpinen Deckenüberschiebungen bildete sich durch Absinken der europäischen Kruste seit dem Eozän, besonders aber das Oligozän hindurch das Vorlandmolassebecken. Auch wenn in den Westalpen Deckenvorschübe noch bis ins Pliozän aktiv blieben, waren mit der Periadritatischen Naht die Alpen in Grundzügen geschaffen.

Am Beginn des Unteroligozäns erfolgte eine drastische globale Klimaänderung. Ein plötzlicher Rückgang des CO2-Gehaltes der Atmosphäre ging einher mit einem rapiden Temperatursturz, dem Übergang von der Greenhouse World („Gewächshaus-Erde“) in die Icehouse World („Kühlhaus-Erde“) mit Aufbau des antarktischen Eisschildes und einem rapiden Abfall des Meeresspiegels um zirka 50 Meter. Über geomorphologische Spuren dieser Änderungen in Mitteleuropa ist noch wenig Gesichertes bekannt, möglicherweise ist das „Vor-Nahetal“ (Zöller 1985) in dieser Zeit entstanden. Salzbildungen im Unteroligozän des südlichen Oberrheingrabens belegen ein trockenes Klima.

Bereits im Mittleren bis Oberen Eozän hatte im südlichen Oberrheingraben Einsenkung begonnen, bei gleichzeitiger Heraushebung der Flanken. Diese führte zur Schrägstellung der mesozoischen Schichten, die jeweils vom Graben weg leicht nach Westen bzw. nach Osten bis Südosten (Süddeutsche Scholle) einfallen. Die tektonischen Prozesse verstärkten sich ab dem Oligozän und ließen die Grabenschultern nun auch morphologisch deutlicher heraustreten. Ursachen waren eine Dehnung der Kruste um etwa 5 Kilometer und Ausdünnung unter bruchhafter Verformung der Oberkruste bei gleichzeitigem Aufstieg eines Mantelkissens mit Zentrum unter dem späteren Kaiserstuhl-Vulkankomplex (Abb. 4.6). Der süddeutsche Manteldiapir hat die „Moho“ (Mohorovićić-Diskontinuität, Kruste-Mantel-Grenze) um etwa 6 Kilometer aufgebeult, wodurch der Oberrheingraben als Scheitelgraben eingebrochen ist (Abb. 4.7). Ein Längsschnitt durch den Oberrheingraben parallel zur Grabenachse lässt erkennen, dass der Einbruch im Südteil während des Alttertiärs erfolgte, im Nordteil jedoch vor allem im Jungtertiär (Abb. 4.8).

Ein Längsschnitt durch den Graben (Abb. 4.8) lässt die unterschiedliche zeitliche Entwicklung zwischen dem südlichen und dem nördlichen Teil erkennen. Während der Südteil sich größtenteils im Alttertiär absenkte, ist die sedimentäre Verfüllung im Nordteil im Jungtertiär und im Quartär am mächtigsten. Dieser Unterschied äußert sich auch in einer leichten Richtungsänderung der Grabenränder gegen den Uhrzeigersinn im Nordteil. Die größte Quartärmächtigkeit wird nach magnetostratigraphischen Ergebnissen zwischen Heidelberg und Mannheim („Heidelberger Loch“) mit bis etwa 310 Metern erreicht (Scheidt et al. 2015). Diese Ergebnisse bestätigen auch den asymmetrischen, nach Osten gekippten Bau des nördlichen Oberrheingrabens.

Im weiteren Verlauf des Rupels (Unteroligozän) erfolgte eine Meerestransgression („Rupel-Transgression“, früher als mitteloligozän bezeichnet) durch die Burgundische Pforte in den Oberrheingraben und ins Mainzer Becken. Sie griff im Verlauf des höheren Rupeliums auch zeitweilig auf den Osthunsrück (Zöller 1984) über. Ob entlang des heutigen Mittelrheins eine zeitweilige Meeresverbindung zur oligozänen Nordsee bestand, ist im Gegensatz zur Verbindung durch die Hessische Senke nicht sicher. Zwar wurden in der Südeifel (Idenheim) und in den Maifeld-Schichten der Osteifel ebenfalls brackisch-marine Mikrofossilien des Oligozäns gefunden (Löhnertz 1978), die in der Südeifel könnten aber auch mit der Transgression vom Aquitanischen Becken her in Verbindung stehen und die im Maifeld mit der Niederrheinischen Bucht, deren Absenkung – abgese hen vom älteren schmalen eozänen Antweiler Graben – im Oligozän begann. Auch die Leipziger Tieflen dsbucht und das Lausitzer Becken gelangten infolge des weltweiten oligozänen Meeresspiegelanstieges unter marinen Einfluss von der Norddeutsch-Polnischen Senke her.


Abb. 4.7 Kontur des süddeutschen Manteldiapirs mit Zentrum unter dem Kaiserstuhl. Die grünen Linien geben die Tiefe der „Moho“ in Kilometern unter dem Meeresspiegel an. Die farbigen Bereiche verdeutlichen die rekonstruierte Lage der Erosionsfläche (Rumpffläche) vor der Bildung des Manteldiapirs in Metern über bzw. unter dem Meeresspiegel. Rekonstruierte Höhen von über 2500 Metern in den Kammlagen von Schwarzwald und Vogesen lassen im Vergleich zur heutigen Höhe (maximal 1493 Meter ü. M. am Feldberg, Schwarzwald) auf den Betrag der Abtragung seit Beginn der Aufwölbung schließen (aus Frisch & Meschede 2009).


Abb. 4.8 Längsschnitt durch den Oberrheingraben. Anhand der regional variierenden Mächtigkeit der einzelnen Serien lässt sich die regional und zeitlich unterschiedliche Absenkung seit dem Obereozän ablesen (aus Frisch & Meschede 2009).


Abb. 4.9 Südwest Nordost-Schnitt durch die Niederrheinische Bucht (aus Rothe 2009).

Die Niederrheinische Bucht (NRB) ist Teil des Niederländisch-Deutschen Zentralgrabens, der sich in Süd- bis Südsüdost-Richtung von der Nordsee bis ins Rheinische Schiefergebirge bei Bonn erstreckt. Die Südbegrenzung zur Eifel verläuft aufgrund stärkerer Rotation der Eifel-Ardennen-Scholle gegen den Uhrzeigersinn nach Südosten etwa auf der Linie Aachen-Euskirchen-Bonn. Es wird angenommen, dass sich die Grabenstruktur nach Südosten entlang des Mittelrheins über das Neuwieder Becken bis ins Mainzer Becken und den nördlichen Oberrheingraben fortsetzt (Mittelrheingraben), wo sie einen Tripelpunkt (triplejunction) mit dem Oberrheingraben und der Hessischen Senke bildete (Schäfer et al. 2005, Sissingh 2003). Die Entwicklung dieser drei Teilgräben des mitteleuropäschen Grabensystems verlief aufgrund der Interferenz von tektonischen Phasen, eustatischen Meeresspiegelschwankungen und Vulkanismus unterschiedlich. In der südlichen NRB registriert Sissingh (2003) zwischen dem Ende des Eozäns und dem Mittelmiozän sechs bedeutendere marine Ingressionen. Der höchste eustatische Meeresspiegelstand wurde im Rupelium (Unteroligozän) erreicht und blieb auch im Chattium (Oberoligozän) hoch, am Südrand der NRB trangsgredierte das Meer von Norden her aber offenbar erst im Chatt am weitesten auf das Rheinische Schiefergebirge. Eine Anzahl von Abbildungen in Sissingh (2003, Fig. 5–8) versucht, in großer zeitlicher Auflösung (Stufen) und unter Verwendung einer enormen Anzahl an Publikationen die paläogeographische Entwicklung dieses Grabensystems und seiner umrandenden Hochgebiete zu rekonstruieren. Einiges davon mag etwas spekulativ sein, wodurch die Bedeutung dieser Arbeit als Diskussionsgrundlage für weitere Forschungen aber nicht geschmälert wird. Danach existierte nach ersten marinen Ingressionen in den Oberheingraben im obersten Eozän (Priabonium) bereits im Rupelium zumindest zeitweise ein Meeresarm zwischen dem Oberrheingraben durch die Hessische Senke zur Nordsee, der auch im Chattium (Oberoligozän) und im Untermiozän (Aquitanium und Burdigalium) bestand. Zusätzlich wird für das Oberoligozän (Zöller 1984) und das Untermiozän eine marin-brackische Verbindung zwischen NRB und Mainzer Becken/Oberrheingraben durch den Mittelrheingraben angenommen. Eine Reaktivierung dieser schmalen Meeresverbindung im Langhium (Mittelmiozän) erscheint noch wenig gesichert. Da sich danach das Meer endgültig aus dem Oberrheingraben zurückzog, könnte diese hypothetische Meeresverbindung allerdings den Anschluss des Oberrheins über den Mittelrheingraben an das Mosel-Lahn-Flusssystem erklären, der sedimentpetrographisch in der NRB ab dem Mittelmiozän belegt werden kann. Zöller (1984) hatte diesen Anschluss mit der oligozänen Transgression auf den Osthunsrück in Verbindung gebracht, was aber von Semmel (1996) bezweifelt wurde. Auf die Entwicklung des Flussnetzes im Rheinischen Schiefergebirge wird später (Kap. 6) noch näher eingegangen.

Ab dem Serravallium (oberes Mittelmiozän) erfolgte in der südlichen NRB keine bedeutende Transgression mehr. Terrestrisch-limnische Sedimentation begünstigte in der NRB aber die Bildung von Braunkohleflözen. Diese setzten schon im obersten Rupelium und Chattium ein und erreichten ihre größten Mächtigkeiten im Miozän bis zum Tortonium (Inden-Schichten). Da die NRB infolge von Dehnung in mehrere asymmetrische Horste und (Halb-)Gräben gegliedert ist, wie der Schnitt in Abbildung 4.9 verdeutlicht, liegen die abbauwürdigen Braunkohlenflöze im Ville-Horst am nächsten unter der Oberfläche, in der Erft-Scholle liegt das rheinische Hauptflöz etwa 400 Meter tief (die Förderung der Braunkohle im Tagebau erfordert eine tiefe Absenkung des Grundwassers bis unter die Abbauflur, dadurch bedingte Absenkungen betragen bis zu 30 mm/a, stellenweise noch mehr). Das Hauptflöz wird in der Ville bis zu 100 Meter mächtig (Schäfer et al. 2005); vor der Kompaktion der Torfe zu Braunkohle dürfte die Mächtigkeit etwa 300 Meter betragen haben. Aufspaltungen der Flöze und die Lagerungsverhältnisse belegen mehrphasige synsedimentäre Absenkungen (Rothe 2009). Die gesamte Mächtigkeit der känozoischen Sedimente in der NRB erreicht auf deutschem Gebiet etwa 1300 Meter, in der niederländischen Rur-(Roer-)Scholle bis zu 2000 Meter (Schäfer et al. 2005).

Die Absenkung der NRB erfolgte im Oligozän während der marinen Phase sehr rasch, verlangsamte sich im Miozän, um sich ab dem Obermiozän (Messinium) wieder bis heute zu beschleunigen. Ab dem Obermiozän wurden infolge der markanten Hebung des Rheinischen Massivs fluviale Kiese und Sande abgelagert.

Die zahlreichen Braunkohlenflöze Mitteldeutschlands entstanden im Unterschied zur NRB über einen viel längeren Zeitraum vom Untereozän über das Mitteleozän (Geiseltal-Schichten) bis ins Mittelmiozän. Die Kohleflöze im Lausitzer Becken wurden wie in der NRB vom Unteroligozän bis ins Mittelmiozän gebildet und sind untereinander durch küstennahe marine Sande und Tone getrennt.

Das Eger-Rift begann seine Syn-Rift-Phase im Obereozän und erlebte seine stärkste Aktivität mit heftigem Vulkanismus (Kap. 5.5) im Oligozän und Untermiozän. Im Unterschied zu den bisher besprochenen Gräben ist aber im Eger-Graben, der als morphotektonische Grabenstruktur erst ab dem Oberoligozän in Erscheinung trat, keine Meeresingression bekannt. Braunkohleflöze bildeten sich vom Obereozän an besonders im Oligozän und Untermiozän.

Das Molassebecken des nördlichen Alpenvorlandes entstand nach der Schließung des Nordpenninischen Ozeans und der Überschiebung der Decken der Nördlichen Kalkalpen auf den Südrand der europäischen Platte, der unter den Deckenvorschub gedrückt wurde. Reste des früheren Schelfmeeres am Nord- und Nordwestrand des Tethys-Ozeans bildeten nun zunächst das Molassemeer. Älteste marine Sedimente des Molassebeckens entstanden im Obereozän. Ab dem Unteroligozän wurden die marinen Sedimente der unteren Meeresmolasse abgelagert. Da die Alpen im Laufe des Oligozäns zu einem Hochgebirge herausgehoben wurden, verfrachteten Flüsse hauptsächlich aus den Alpen große Mengen an Abtragungsschutt in das Becken, das somit zunehmend verlandete. Die gängige Gliederung der Molassesedimente (von älter zu jünger) in untere Meeresmolasse, untere Süßwassermolasse, obere Meeresmolasse, obere Süßwassermolasse, weiter ergänzt durch untere und obere Brackwassermolasse jeweils am zeitlichen und räumlichen Übergang zwischen Meeresmolasse und Süßwassermolasse weist jedoch räumliche Differenzierungen auf und ihre Grenzen sind nicht synchron (Abb. 4.10). Am Alpenrand wurden Teile der Molasse noch vom Deckenvorschub erfasst und überschoben (Faltenmolasse). Im proximalen Teil wurden vielfach Konglomerate in den Schwemmfächern im Wechsel mit feinkörnigeren Sedimenten abgelagert. Nach ihrer Verfestigung wurden die Konglomerate zur „Nagelfluh“ (z.B. Rigi am Vierwaldstädter See, Hochgrat im Allgäu). Infolge der späteren Überschiebungen bilden die Konglomeratbänke heute auffällige und für das Allgäu charakteristische Schichtrippen (Abb. 4.11). In distalen Beckenbereichen bestehen die Molassesedimente hauptsächlich aus Sand- und Siltsteinen (auch Glaukonit-Sande) sowie Tonmergeln.


Abb. 4.10 Gliederung und fazielle Differenzierung der Molassesedimente im nördlichen Alpenvorland. Oben: Faziesbereiche und ihre Verzahnungen sowie asynchrone Schichtgrenzen in einem Schnitt parallel zum Alpenrand, die besonders im Oberoligozän und Untermiozän auffällig sind. Unten: Paläogeographisches Bild für die Zeit der unteren Meeresmolasse, unteren Brackwassermolasse und unteren Süßwassermolasse. Aus den Alpen heraustretende Flüsse schütteten große Schwemmfächer ins Becken. Die Überschiebungen der Faltenmolasse erfolgten erst später (aus GeoBavaria 2004).


Abb. 4.11 Schichtrippenlandschaft mit „Nagelfluh“ am Hochgrat/Allgäu (Foto: Ludwig Zöller, 2015.

Auch von der Schwäbisch-Fränkischen Plattform und der Böhmischen Masse lieferten Flüsse, wenn auch in geringerer Menge, Sedimente ins Molassebecken, verstärkt aber erst im Miozän.

Für die Zeit der unteren Meeresmolasse verlief am Ende des Oligozäns die Westgrenze gegen die untere Brackwassermolasse etwa auf der Länge von München. Etwa westlich des Ammersees bildete sich gleichzeitig die untere Süßwassermolasse, die nach Osten zum Restmeer entwässerte (Abb. 4.12).

Im Untermiozän (Burdigalium) wurde das Molassebecken erneut und letztmalig vom Meer geflutet. Neben den weiterhin existenten Schwemmfächern am Alpenrand waren nun auch Schwemmfächer am Südrand der Schwäbisch-Fränkischen Plattform bedeutend, besonders der Urnaab-Fächer bei Regensburg und der Moenodanuviusfächer (Kap. 6.1). Das Meer griff weiter auf die Schwäbische Alb über als zur Zeit der unteren Meeresmolasse und schuf durch Abrasion die „Klifflinie“, die ab westlich Ingolstadt nach Südwesten bis über Tuttlingen hinaus als Grenze zwischen Kuppenalb und Flächenalb noch heute in der Landschaft erkennbar ist, besonders eindrucksvoll bei Heldenfingen. Die heutige, nach Südwesten ansteigende Höhenlage der Klifflinie bietet ein Maß für die postuntermiozäne Hebung.


Abb. 4.12 Faziesbereiche an der Wende Oliozän/Miozän (23 Millionen Jahre) im Molassebecken mit Schwemmfächern und Entwässerungsrichtungen (aus GeoBavaria 2004).

Das Meer der oberen Meeresmolasse verlandete recht schnell wieder, womit im Zeitraum zwischen etwa 17 und 11 Millionen Jahren die obere Süßwassermolasse in Form von Kiesen, Sanden und Feinsedimenten zur Ablagerung kam. Die Verlandung ging einher mit einer Kippung der Beckenachse nach Westen bis Südwesten, infolge derer sich ein Flusssystem von Osten nach Westen bis Südwesten etablierte (Abb. 4.13), auf das in Kapitel. 6 näher eingegangen wird. In der Schichtenfolge fällt in der Umgebung von Augsburg ein Blockhorizont mit sogenannten Reuterschen Blöcken aus Malmgesteinen auf. Hierin schlägt sich der Impakt eines Asteroiden im Nördlinger Ries nieder, durch den diese Gesteinstrümmer bis zu 70 Kilometer weit aus dem Krater geschleudert wurden. Moldavite, durch den Impakt entstandene Gesteinsgläser, wurden in bis zu 400 Kilometer Entfernung in gleichaltrigen Tertiärsedimenten Böhmens gefunden und lieferten 40Ar/39Ar-Alter von 14,7± 0,1 Millionen Jahren (Di Vincenzo & Skala 2008).

Mit dem Aussüßen des Molassebeckens am Ende der oberen Meeresmolasse zog sich das Meer endgültig aus Süddeutschland ins Pannonische Becken zurück. In Mittel- und Norddeutschland dauerte der Meeresrückzug bis in Messinium (Obermiozän) an, lediglich am Niederrhein noch bis ins Unterpliozän bzw. Oberpliozän (Piacenzium). Auch die Polnische Senke wurde im Laufe des Miozäns landfest mit Bildung von Süßwasserseen und Braunkohleflözen. Damit übernahmen in ganz Mitteleuropa mit Ausnahme des Niederländisch-Norddeutschen Tieflandes die Flüsse die Oberhand.

Spätestens ab dem Pliozän erfolgten aber noch bedeutende Änderungen im Flussnetz Mitteleuropas, welche in einem eigenen Kapitel (Kap. 6) behandelt werden, ebenso wie der seit dem Obereozän und besonders im Oligomiozän sehr aktive Vulkanismus, der in der Eifel und in Westböhmen im Quartär wieder auflebte.

Das Gelasium (etwa 2,6 bis 1,8 Millionen Jahre) wurde lange als oberste Stufe dem Pliozän zugerechnet. Seit 2008 steht das Gelasium am Beginn des Frühquartärs (Ehlers 2011, Abb. 2.2), womit unter anderem der niederländischen Stratigraphie Rechnung getragen wird. Als Global Statotype Section and Point (GSSP) dient die paläomagnetische Gauss-Matuyama-Grenze (2,588 Millionen Jahre), die in der Marinen Isotopenstufe (MIS) 103 auftritt.

Das Quartär mit seinen Serien Pleistozän (2,588 bis 0,0117 Millionen Jahre) und Holozän (11.700 Jahre bis heute; die aktuelle Diskussion um das Anthropozän soll hier nicht geführt werden) ist durch einen häufigen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten geprägt. Das Pleistozän gliedert sich in das Frühpleistozän (2,588 bis 0,781 Millionen Jahre, das heißt bis zur paläomagnetischen Matuyama-Brunhes-Umkehr), das Mittelpleistozän (0,781 bis 0,128 Millionen Jahre) und das Spätpleistozän (128.000 bis 11.700 Jahre). Mitteleuropa war mehrfach von Vorstößen des skandinavischen Inlandeises im Norden („Nordische Vereisungen“, Liedtke 1981) und alpinen Vorlandvereisungen sowie eigenständigen kleineren Mittelgebirgsvereisungen betroffen, deren Korrelation nach wie vor Schwierigkeiten bereitet und vielfach umstritten ist. Darauf wird weiter unten (Kap. 5) näher eingegangen. Nur von den jüngeren Vereisungen sind mehr oder weniger deutliche sedimentäre und geomorphologische Spuren erhalten. Ausdehnung und Zeitstellung älterer Eisvorstöße sind noch weitgehend unbekannt. Der größte Teil Mitteleuropas blieb aber unvergletschert, wurde allerdings während der Kaltzeiten von periglazialen Bedingungen geprägt. Während der Kaltzeiten sank der Meeresspiegel glazial-eustatisch um bis zu 130 Meter, während Warmzeiten durch hohe Meeresspiegel vergleichbar dem heutigen geprägt sind. Die marine Sauerstoffisotopen-Kurve mit ihren Stadien gilt als Annäherungskurve („Proxy“) für globales Eisvolumen und somit für Tief- und Hochstände des Meeresspiegels.


Abb. 4.13 Das Süddeutsche Molassebecken und seine Entwässerung sowie die Lage des Nördlinger Rieses zur Zeit der oberen Süßwassermolasse (aus GeoBavaria 2004).


Abb. 4.14 Tektonische Phasen in Mitteleuropa seit dem Oberkarbon mit Beziehungen zum Atlantik und zur Tethys (bearbeitet nach Walter 1995).

Am Ende dieses Kapitels gibt Abbildung 4.14 nochmals einen Überblick über wichtige tektonische Phasen in Mitteleuropa, ihre Auswirkungen in der Mitteleuropäischen Senke und im Bruchschollengebiet sowie Beziehungen zum Atlantik und zur Tethys. In der Spalte Beziehungen zur Tethys wurde in der obersten Kreide die Kollision zwischen Afrika und Iberia eingefügt.

Der magmato-tektonische Zyklus, den der große deutsche Geologe Hans Stille (1876–1966) für Europa erarbeitet hatte, erfordert nach den jüngeren Erkenntnissen der Theorie der Plattentektonik eine Übersetzung. Die Zyklenabfolge nach Stille – Geosynklinal (der Begriff ist nach heutiger Kenntnis nicht mehr angebracht) mit initialem basischem Vulkanismus, Orogen mit synorogenem granitischem Plutonismus, Quasi-Kratonisch mit subsequenten basischen bis sauren Vulkaniten und Plutoniten, Kratonisch mit finalem basischem Magmatismus – führte zur Bildung von Ur-Europa (Fennosarmatia, Baltischer Schild, Russische Tafel), Paläo-Europa (kaledonisch, Nordeuropa), Mesoeuropa (variszisch, jungpaläozoisch) und Neo-Europa (alpidisch, Oberkreide bis Tertiär). In der heutigen Terminologie der Theorie der Plattentektonik können diese Begriffe wie folgt interpretiert werden:



Abb. 4.15 Wichtige Brüche und Salzstrukturen (aus Henningsen & Katzung 2002).

Die Ausrichtung von Salzstrukturen im Untergrund des Norddeutschen Tieflandes spiegelt im Vergleich zu den Hauptstörungsrichtungen Mitteleuropas in interessanter Weise die beiden oben herausgestellten Hauptrichtungen für die Großformenanlage wider, nämlich die herzynische (Westnordwest-Ostsüdost-) und die rheinische (Südsüdwest-Nordnordost-) Richtung (Abb. 4.15).


Abb. 4.16 Erdbebengefährdung in Deutschland (bearbeitet nach Henningsen & Katzung 2002).

Schließlich sei noch ein Blick auf die aktuelle Erdbebengefährdung geworfen (Abb. 4.16). Natürlich folgen Erdbeben nicht nationalen Grenzen, wie am Beispiel der Schwarmbeben des Vogtlandes und Nordwestböhmens deutlich wird. Die am stärksten gefährdeten Gebiete liegen demnach in der südlichen Niederrheinischen Bucht (Beben 1992 bei Roermund, Provinz Limburg in den Niederlanden), im Gebiet zwischen Albstadt (Schwäbische Alb) und Bodensee sowie im südlichen Oberrheingraben/Hotzenwald (vernichtendes Erdbeben von Basel 1356).

Die Physische Geographie Deutschlands

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