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Vorwort
ОглавлениеDieses Buch, für das eine Vorlesung Grundlage war, richtet sich in erster Linie an Studierende der Geographie und der Geoökologie, darüber hinaus aber an alle, die in irgendeiner Weise die Begeisterung des Verfassers für Geowissenschaften teilen. Das fundierte Verständnis des Werdens und der Dynamik des Naturraumes ist unabdingbare Voraussetzung für einen verantwortungsvollen Umgang mit ihm.
Entsprechend meiner fachlichen Qualifikation und meiner eigenen Kompetenz ist dieses Buch nicht ausschließlich, aber vorrangig geomorphologisch ausgerichtet. Hinter dem Raumbezug dieses Buches steckt ein Bekenntnis, das sich gegen die dunkelste und verhängnisvollste Zeit der deutschen Geographie stellt: die Zeit der „Wehrgeopolitik“, welche sich unter Berufung auf den geographischen Determinismus durch die Unterwerfung der Geographie unter die ideologischen Paradigmen des Kolonialismus, des Imperialismus und schließlich der „Blut-und-Boden“-Ideologie der Nazis entwickeln konnte. „Natürliche Grenzen“ von Staaten sind aber im Wesentlichen nur ideologisches Konstrukt. Selbst große Flüsse oder Gebirge wirken eher verbindend als trennend, und lediglich bei Küsten könnte man, wenn auch nicht generell, über die Existenz natürlicher Grenzen diskutieren. Darüber sind sich heute die Politische Geographie und Geowissenschaften wie Geomorphologie und Geologie einig. Die Jungmoränenlandschaft Nordostdeutschlands beispielsweise setzt sich völlig ungehindert jenseits der deutsch-polnischen Grenze fort. Ihre Behandlung unter Begrenzung auf deutsches Staatsgebiet wäre also fachlich ungerechtfertigt.
Physisch-geographische Grenzen sind eigentlich eher Grenzsäume, die mehr oder weniger eng oder weit sein können. Damit stellt sich das Problem der Abgrenzung des Raumes, der in diesem Buch behandelt werden soll. Das wiedervereinigte Deutschland, also das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, soll im Mittelpunkt stehen, aber die Grenzsäume, die über das Staatsgebiet hinaus in Mitteleuropa liegen, sollen nicht abgeschnitten werden. Dieses Vorhaben trägt auch durchaus der nach dem Fall des „Eisernen Vorhanges“ voranschreitenden Einigung Europas Rechnung. Durch diesen Prozess hat die Frage nach der „Mitte Europas“ eine neue räumliche, politische und kulturelle Dimension erhalten. Demnach kann die Abgrenzung Mitteleuropas im Sinne dieses Buches nur einen mehr oder weniger heterogenen natürlichen Raum mit mehr oder weniger breiten Grenzsäumen umfassen. Dabei sind Kompromisse und auch – zumindest für Geographen – einige Überraschungen in Kauf zu nehmen. Vorweg sei gesagt, dass der geologische Bau bei der Abgrenzung eine wichtige Rolle spielen wird und daher geologische Aspekte relativ starke Beachtung finden werden.
Für die Überblickskapitel zur Bodengeographie (D. Faust, TU Dresden), Klimatologie (C. Samimi, Universität Bayreuth) und Biogeographie (C. Beierkuhnlein, Universität Bayreuth) konnten die genannten Kollegen gewonnen werden, die diese Teilgebiete wesentlich kompetenter und aktueller darstellen können als ich selbst.
Es bleibt die Frage „Warum dieses Buch?“. Immerhin liegen mit den hervorragenden Werken von H. Liedtke & J. Marcinek (1994) sowie von A. Semmel (1996) Monographien vor, die nach wie vor Standardwerke der Geographie der Bundesrepublik Deutschland darstellen. Hier sollen vor allem auch neuartige Methoden berücksichtigt und ihre Ergebnisse exemplarisch dargestellt werden. Aktualität steht im Vordergrund. Eine annähernd flächendeckende Darstellung würde allerdings den Rahmen des Buches sprengen.
Ein weiterer Grund für die Erstellung dieses Buches ist persönlicher Art: 1996 wurde ich gebeten, eine Vorlesung zur Regionalen Physischen Geographie anzubieten. Ich erinnerte mich an die Vorlesung „Physische Geographie Mitteleuropas“ meines verehrten Doktorvaters Prof. Dr. Gerold Richter (Trier). Gerold Richter stellte mir Kopien seiner Vorlesungsunterlagen bereit. Damit hatte ich für die erste Ausarbeitung ein hilfreiches Konzept zur Verfügung. Ende 1997 sprach ich mit Gerold Richter über mein Vorhaben, den Vorlesungsstoff unter seiner Mitwirkung in Buchform zu präsentieren, er konnte aber wegen seiner Krankheit und seines viel zu frühen Todes an der weiteren Realisierung nicht mehr mitwirken. Danach fasste ich den Vorsatz, das Buch in Dankbarkeit und in Erinnerung an ihn irgendwann zu schreiben. Jetzt endlich kann ich es vorlegen!
In memoriam Prof. Dr. Gerold Richter
Ludwig Zöller
Bayreuth, im August 2016