Читать книгу Die Physische Geographie Deutschlands - Ludwig Zöller - Страница 23
4.1 Mitteleuropa entsteht als Flickenteppich
ОглавлениеLand-Meer-Verteilungen, Plattenbewegungen und Subduktionszonen für verschiedene Perioden der Erdgeschichte vom Präkambrium bis heute können im Internet (www.scotese.com) nachverfolgt werden, um den geologisch-tektonischen Werdegang Mitteleuropas in den globalen Rahmen einzuordnen. Detailliertere und zeitlich höher auflösende Darstellungen für Europa finden sich in Stampfli & Kozur (2006). Eine anschauliche Zusammenfassung des Werdegangs Mitteleuropas durch mehrfache Subduktionen und Suturen und das Zusammenwachsen mehrerer Kontinente und Mikrokontinente zeigt die Abbildung 4.1. Die Rekonstruktion dieser Prozesse ist ein kriminalistisches Puzzlespiel, für dessen Lösung verschiedene Autoren (Walter 2014, Park 2015) im Detail etwas unterschiedliche Vorschläge unterbreitet haben. Park (2015) fasst etwa „Gondwanas exotische Krustenbruchstücke“, das heißt Terrane wie zum Beispiel Armorica und Bohemia, die sich vom Norden Gondwanas im Silur vermutlich infolge der Öffnung des Paläotethys-Ozeans lösten, zur „Amorika-Gruppe“ zusammen. Im Zuge der Schließung des Rhëischen Ozeans und seines vermuteten Ablegers, dem Rhenoherzynischen Ozean als Backarc-Becken, im Oberdevon bis Unterkarbon rückte die Armorica-Gruppe an den südlichen Rand Eurussias (Avalonia).
Im Oberkarbon wurde die Kollision zwischen Gondwana und Laurussia an Suturzonen beendet, womit der Superkontinent Pangäa entstand, und in Mitteleuropa begann eine festländische Entwicklung. Aus dem Sedimentationsraum der subvariszischen Saumsenke mit Bildung von Kohleflözen nördlich der Rhenoherzynischen Zone ragte das London-Brabanter Massiv wie eine Insel heraus. Weitere kleinere intramontane Kohlebecken bildeten sich im Saarland (Saar-Nahe-Senke), an der mittleren Elbe südlich Wittenberg, in Böhmen (Becken von Pilsen-Kladno) und in den Sudeten sowie in Oberschlesien. Im Rotliegenden (Perm) zerfiel das variszische Gebirge in Mitteleuropa in zahlreiche Becken und Hochgebiete. London-Brabanter Massiv und Rheinische Masse (im Wesentlichen Rheinisches Schiefergebirge) bildeten jetzt ein zusammenhängendes Hochgebiet ebenso wie Mittel-Nordsee-Hoch und Ringköping-Fünen-Hoch im Bereich der ehemaligen Saumsenke und Böhmische Masse. Zwischen Ringköping-Fünen-Hoch und London-Brabanter Massiv/Rheinische Masse lag das ausgedehnte südliche Permbecken, in dem es aufgrund des trocken-heißen Klimas (Kontinentalklima im Inneren Pangäas) schon zu Salzablagerungen kam. Im Thüringer Wald sind im Eisenacher und im Oberhofer Becken mächtige Rotliegend-Sedimente erhalten, die eine ehemals weitere Verbreitung nahelegen. Der schmale Wittlicher Rotliegend-Graben in der Südeifel enthält nur Oberrotliegend-Sedimente und steht mit dem saarländischen Rotliegenden in Verbindung. Im Bereich der Süddeutschen Scholle ist der Untergrund der mesozoischen Schichten nur unvollständig durch Bohrungen und an Horsten bekannt. Daraus lassen sich südlich des bedeutenden Saar-Selke-Troges (vom Saar-Nahe-Trog bis zum Südharz) weitere größere und kleinere Tröge und Becken rekonstruieren, darunter Kraichgau-Saale-Trog bis an den Thüringer Wald mit Verbindung zum Naab-Trog (Oberpfalz), der Schramberger Trog vom Ostschwarzwald bis westlich Ingolstadt und der Bodensee-Trog (GeoBavaria 2004). Im Schwarzwald und in den Vogesen liegt aber der Buntsandstein meist direkt dem Grundgebirge auf, weshalb diese heutigen Mittelgebirge im Perm abgesehen von kleineren Trögen überwiegend Abtragungsgebiete gewesen sein dürften.
Am Ende des Rotliegenden drang von Norden her das Zechsteinmeer vom südlichen Permbecken über die Hessische Senke vor. Größtenteils sind die flachmarinen Ablagerungen salinar ausgebildet, Richtung Beckenrand auch als Kalksteine und teilweise riffbildende Dolomite (Orla-Senke, Ostthüringen) bzw. als Sand- und Siltsteine. Die südlichste bekannte Stelle am Oberrhein ist der Schlossgraben in Heidelberg, wo wenige Meter Zechstein dem Granit auflagern. In Bayern wird für die Küstenlinie insgesamt ein Westsüdwest-Ost-Nordost-Verlauf durch Franken bis nach Bayreuth angenommen (GeoBavaria 2004). Mit dem Zechstein beginnt die Ausbildung des mesozoischen Germanischen Beckens.
Abb. 4.1 Plattentektonisches Modell zum variszischen Werdegang Mitteleuropas. Das Modell interpretiert die Entwicklung der Amorica-Gruppe vom Ordovizium bis zum Oberkarbon über einen Zeitraum von etwa 200 Millionen Jahren (495 bis 296 Millionen Jahre). Ak = Akkretionskeil, MB = Magmatischer Bogen, MdKz = Mitteldeutsche Kristallinzone, MGs = Moldanubische Grenzstörung, Mol = Moldanubikum, MsZ = Moravosilesische Zone, NPz = Nördliche Phyllitzone, RhB = Rhenoherzynisches Becken, RhZ = Rhenoherzynische Zone, Sa = Südavalonia, Saxo = Saxothuringische Zone, Tepla = Tepla-Barrandium (aus Park 2015).
Das Perm ist in Mitteleuropa auch durch weitverbreiteten starken Vulkanismus ausgezeichnet. Ausgehend von spätvariszischen Intrusionen erreichten saure bis intermediäre Magmen vielfach die Erdoberfläche und bildeten Rhyolite (Quarzporphyre) bis Latit-Andesite (Letztere besonders im Saar-Nahe-Trog, wo sie etwa an der Wende Unter-/Oberrotliegendes bis zu 800 Meter mächtige Ergussgesteine zwischen Idar-Oberstein und Kirn/Nahe formten). Einige Porphyre blieben vermutlich aber auch in geringer Tiefe als Subvulkanite stecken und wurden erst später durch Abtragung freigelegt. Auch Porphyrtuffe sind weitverbreitet.
Vom Unteren bis zum Ende des Oberen Perms ist eine insgesamt zunehmende Aridisierung in Mitteleuropa festzustellen, die im nördlichen Saarland als Dünenschichtung aufgefasste großdimensionale Schrägschichtung feldspathaltiger Sandsteine der Thailener Schichten (Äquivalent der Kreuznacher Schichten in der Nahemulde) hervorbrachte (Müller et al. 1981).