Читать книгу Tomoji - Lukas Kellner - Страница 17

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‚Was für ein Arschloch!‘, dachte Potaska und rammte den Hörer auf das kiwigrüne Telefon vor sich. Er mochte diese altmodische Variante, die er sich einmal auf einem Flohmarkt für fünf Euro gekauft hatte. Sein Büro war voll mit solchen Vintage-Spielsachen, doch konnte man davon im Moment nicht viel erkennen. Das Licht seiner Schreibtischlampe reichte gerade einmal dafür aus, die Papierblätter vor ihm zu erleuchten. Der Rest um ihn herum ertrank in dunkler Schwärze. Er war der Letzte, der jetzt noch im Gebäude war, doch gerade deswegen mochte er es, um diese Zeit im Büro zu sein. Dann konnte er wenigstens ungestört arbeiten und der ständig unterschwelligen Geräuschkulisse der anderen entgehen. Einige seiner besten Texte hatte er um diese Uhrzeit allein in seinen Computer getippt.

„War er es?“ Die Stimme klirrte aus der Dunkelheit heraus. Potaska schreckte hoch und stierte ins Nichts. Es dauerte einen Moment, bis er seine Fassung wiedererlangt hatte.

„Sagen Sie mal, von anklopfen haben Sie auch noch nichts gehört, oder?“, schnaubte er.

Sein Gegenüber war immer noch nicht zu sehen und er ging auch nicht weiter auf Potaskas Vorwurf ein.

„Vergessen Sie mal nicht, wer Sie zuletzt aus der Scheiße gezogen hat! Gäbe es mich nicht, gäbe es Sie nicht. Sie sind definitiv mein kleinstes Problem.“

Der Mann war an den Tisch herangetreten, stützte sich auf der Kante des Schreibtischs ab und lehnte sich nach vorn. Jetzt erst konnte man sein Gesicht erkennen. Seine Züge waren hart und kantig. Das gegeelte Haar war so schwarz, dass es mit seiner Umgebung verschmolz, genauso wie die dunkelgraue Digitaluhr mit Lederarmband. Einzig die flachsfarbene Krawatte stach dezent aus der Dunkelheit heraus. Die Schatten unter seinen Augen gaben ihm etwas Unmenschliches, fast schon Dämonisches.

„Vergessen Sie das niemals, Potaska!“ Florian Potaska sagte nichts. Stattdessen starrte er in die toten Augen des Mannes vor ihm. Der schien niemandem jemals direkt in die Augen zu sehen, nur immer ganz leicht darüber hinweg. Genauso tat er es in diesem Moment, während er abermals das Wort ergriff. Er redete leise, doch seine Worte donnerten durch den Raum und hatten nur ein Ziel: Sein Gegenüber.

„Also... war er es?“

„Ja“, antwortete Potaska schlicht.

„Gut. Verhalten Sie sich unauffällig. Sie werden morgen wieder Bilder bekommen, wieder mit einer korrespondierenden Zeichnung und so bearbeitet, dass Sie die Fotos rechtlich veröffentlichen dürfen. Gehen Sie vor wie besprochen.“ Der Mann lehnte sich zurück und verschwand wieder im Dunkeln.

Warmes Blut pulsierte durch Potaskas Körper. Es schien in seinem Bauch zusammenzufließen und strömte von dort aus nach oben, wie die Lava eines ausbrechenden Vulkans. Er musste sich nicht so behandeln lassen. Zwar war er diesem Mann in der Tat einen Gefallen schuldig, das ging aber nicht so weit, dass er für ihn eine Straftat begehen musste. Zugegeben, dem aufgeblasenen Hinterwäldler von Polizisten eins auszuwischen, spielte ihm durchaus in die Karten, aber so redete man nicht mit ihm. Niemand! Der Impuls durchzuckte seinen Körper. Er sprang auf, wirbelte herum und schlug mit der Faust auf den zweiten Lichtschalter, der hinter seinem Schreibtisch in der Wand verbaut war. Noch im Drehen begann er zu wettern: „Hör mal du aufgeblasener…“

Das Licht erreichte jetzt jeden Winkel seines Büros. Die vorgezogenen, dunkelbraunen Vorhänge, die kleine Sitzecke mit Glastisch, das Regal mit der Schreibmaschine und den vielen eingerahmten Bildern. Doch keinen Mann. Das Büro war leer, so, wie es die ganze Zeit über hätte sein sollen. Da war nur noch Potaska und die in ihm aufgestaute Wut. Der andere Mann war schon weg.

Er starrte eine Weile ins Leere, dann schlug er mit voller Wucht auf seinen Tisch. Er verfluchte den Tag ihres Kennenlernens und auch den, an dem er das Interview mit ihm geführt hatte, das ihn später so in die Scheiße reiten sollte. Er hatte einen neuen Hit gebraucht und ein paar zurechtgebogene Tatsachen hier und da hätten ihm diesen garantiert. Er konnte nicht ahnen, dass sein Gegenüber alles mit dem Mikrophon seiner Smartwatch aufzeichnete. Die Tonaufnahme bewies eindeutig, dass Potaska an einigen Stellen nachgebessert hatte. Das könnte seine Karriere, seinen Ruf, alles, für das er je gearbeitet hatte, mit einem Schlag vernichten. Eine linke Ratte war er, genauso gefährlich wie mächtig. Dieser verdammte Thomas Hulbrecht.

Tomoji

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