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Bodensee-Radmarathon 1981

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Schon mit dem Herkules-Vorgänger hatte ich im zarten Alter von 11 oder 12 Jahren meist gemeinsam mit meinem Bruder Volker ausgedehnte Radtouren von Ulm nach Illertissen, Blaubeuren, Niederstotzingen und Lonsee unternommen.

Als ich dann das Herkules-Rad besaß, unternahm ich Touren von Riedlingen ins nahegelegene Donauried, an den Illmensee, nach Mengen, auf den Österberg und an Zwiefalten und der Wimsener Höhle vorbei nach Hayingen.

Während der Bundeswehrzeit und in den Jahren als junger Familienvater verstaubte und verharzte das gute Herkulesrad im Keller, wurde aber nach dem Umzug der noch jungen Familie nach Friedrichshafen wieder interessant.

Bodensee-Rundfahrt (3) über 200 km? Davon hatte ich so oft gehört - zuerst vor vielen Jahren von meinem Vater, der ganz stolz darauf war, die 200 km außerhalb der Veranstaltung in einem Kurzurlaub in drei Tagen bewältigt zu haben. Ich wollte mehr und gemeinsam mit den nach damaliger Vorstellung lächerlich bunt gekleideten Radsportlern mit Sturzring (Sturzhelme gab es noch nicht) die Strecke an einem Tag bewältigen. Also meldete ich mich beim OK an. Am Starttag Anfang September regnete es fürchterlich, was die Stimmung schon drückte, dann machte sich auch noch der Mann an der Startnummernausgabe über mein geliebtes, seiner Meinung nach viel zu kleines 26'er Rad (mittlerweile war ich 1,87 m groß) lustig. Ein wenig aus Trotz, aber auch, um dem Dauerregen möglichst schnell zu entkommen, überholte ich viele Radsportler mit High-End-Ausrüstung und war am Ende nach etwas mehr als 9 Stunden (das entspricht einem 22'er-Schnitt) am Ziel. Das ungläubige Staunen des Mannes an der Startnummernausgabe war der Impuls für eine fast lebenswichtige Entscheidung: Zwei Wochen später besaß ich mein erstes Kotter-Renn-Sport-Rad (4).

Aber nur ein Jahr lang. Ich war nämlich der Meinung, an diesem „Rennrad" - es hatte noch Gepäckträger, Licht und Schutzblech, aber bereits Pedalhaken - meine Kräfte voll ausleben zu können, und fuhr erst flache und kleine Berge wie den Heiligenberg und den Höchsten, kurz darauf aber immer längere Berge wie den Pfänder und steilere Berge wie den Gehrenberg (39). Wie glücklich war ich, als ich das erste Mal ohne Absteigen die steile Rampe bei Allerheiligen bezwang!

Doch das „Rennrad" dankte es mir nicht. Ständig brachen Speichen, alle paar Wochen war ich bei meinem Radhändler „Manne" zum Speichenersetzen oder zum Nachzentrieren. Der meinte irgendwann, als er das Nachzentrieren leid war, nur lapidar: „Das Rad ist für Normalos und nicht für Kraftbolzer gebaut ..." Oder: „Den Gehrenberg fährt man auch nicht mit dem Rad - das ist was für Autos ...!" Als nach knapp einem Jahr auch noch die Speichen aus den nicht geösten Felgen rissen, hatte ich genug: Eine Rennmaschine musste her.

So erstand ich 1986 meine erste Kotter-Rennmaschine: Rahmen anthrazit metallic, komplette Dura Ace-Ausstattung, 2745.- DM. Ich war „stolz wie Oskar".

Hauptsach' g'fahra" und „s' isch älles eba"

Die meisten Mountainbiker und Rennradfahrer sind meiner Erfahrung nach wahre Kulturmuffel. Hat man eine auch kulturell interessante Tages-oder Halbtagesfahrt ausgearbeitet, so ist die Reaktion schwäbischer Radsportkollegen darauf eher ein abweichendes „Muss net sein" und ein überzeugtes „Hauptsach' g'fahra!" als eine uneingeschränkte Zustimmung. So war es zum Beispiel, als ich Ende der neunziger Jahre eine Elsass-Rundfahrt ausgearbeitet und ins Jahresprogramm übernommen hatte. Die Strecke, die Unterkünfte, das Wetter, die Kameradschaft, ... alles war toll. Aber wir hatten kein einziges Schloss, kein historisches Haus, keine Stadtmauer und kein typisch elsässisches Restaurant aus der Nähe gesehen. Geschweige denn besichtigt. Vogesen und Lothringen 2006, Pyrenäen 2008 - dasselbe. Wobei meinen Vereinsangehörigen Berge sowieso am liebsten sind, denn „s' isch älles eba" (es ist alles eben, denn da Start-und Zielort meistens identisch sind, sind auch deren Meereshöhen identisch, und daher kommt als Differenz der beiden Höhen null heraus - die Zwischenhöhen lässt man großzügig weg).

Ein halbtägiger von mir ausgearbeiteter Paris-Rundgang anlässlich unserer Fernfahrt zur „Arrivée du Tour": Ebenfalls dasselbe. Die meisten wären lieber in den Vororten herumgeradelt anstatt sich die Notre Dame, die Sacré Cæur oder die Tuilerien anzusehen. Und so verlief der Nachmittag - um niemanden zu kränken - weder mit Rundgang zur Sacré Cæur noch mit Herumradeln. Man ging in die nächstbeste Brasserie.

Für mich persönlich erfüllt das Rad neben seinem sportlichen Zweck eine Vielzahl anderer Zwecke: Einigermaßen trainiert, ist man schneller von Innenstadt-Einkäufen wieder zurück als mit dem Auto. Man kann man die meisten Dienstgänge, Dienst-und Familienfahrten ökologisch mit dem Rad absolvieren und gleichzeitig noch eine Trainingseinheit integrieren. (So hatte ich auf diversen Fahrten zu Lehrgängen und Realschulabschlussprüfungen einfach „Zivilklamotten", Unterrichts-und Prüfungsmaterial im Rucksack). Man kann auf ökologische Art und Weise Land, Leute und Kultur kennenlernen. Ähnlich wie es als Kombination von Klettern und Biken neuerdings eine „Bike&Hike"-Welle gibt, so betrachte ich mich daher „denglisch" als „Culfunbiker" (von mir zusammengesetzt aus culture, fun und biking).

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