Читать книгу Weiße Wölfe am Salmon River - Lutz Hatop - Страница 13
Ein riesiger Kochtopf
ОглавлениеFrühzeitig waren sie auf dem Wasser. Marc hielt sein Versprechen, er saß mit Shonessi und Ahmik im großen Aerius, wobei sie zum Nichtstun verurteilt war, was ihr überhaupt nicht behagte.
„Ahmik, wir erreichen bald 'Hells Gate', die schwerste Stelle im unteren Bereich des Nahanni. Der Wasserstand ist immer noch ziemlich hoch. Konzentrier dich auf Gerry, er wird den richtigen Weg finden.“
„Lakota, ich will auch paddeln.“ Sie schmollte.
„Shonessi, wir wechseln heute Nachmittag, dann kannst du paddeln. Einverstanden?“
„Ja…ah.“ Den Blick, den sie ihm dabei im Umdrehen zuwarf, brachte ihn fast aus dem Konzept. Von weiter Ferne konnten sie schon die Engstelle erkennen. Bedrohlich rückten die hohen senkrechten Felswände zueinander. Der Fluss hatte sich hier wie mit einer Säge durchgefressen. Direkt in der Durchfahrt schien eine riesige Felsnadel zu stehen. Das Wasser wurde unruhiger, begann zu brodeln. Glucksend und zischend schien es an den dünnen und empfindlichen Häuten der Faltboote zu saugen. Marc war auf das äußerste konzentriert. Erst vor einiger Zeit waren hier zwei Kanus gekentert und die Kanuten beider Boote ertrunken. Doch es war keine Stromschnelle, der Begriff 'Kochtopf' wäre passender gewesen. In dem runden, von bis zu 460m hohen senkrechten Felswänden umschlossenen Kessel brodelte, kreiste und strudelte das Wasser, schwappte laut klatschend gegen die Felswände, brandete zurück. Shonessi drehte sich mit ängstlichen Blicken zu Marc.
„Lakota, ich habe Angst.“ Hilflos schaute sie ihn an.
„Musst du nicht haben, alles ganz harmlos. Ich lass dich nicht allein. Wir schaffen das!“
Die Hauptströmung beschrieb eine riesige Acht. Baumstämme und Treibholz kreisten auch hier im wieder schlammigen Wasser, tauchten unter, schossen wieder an die Oberfläche, drehten sich, stießen gegen Felswände.
Marc war sofort klar, wer hier kentert, hat nicht nur ein Problem, er ist verloren. Zwei riesige Kehrwasser, Strudel und Wasserpilze vor Prallwänden verhinderten jedes Anlanden. Und wieder blickte Shonessi zu ihm, diesmal umspielte ein Lächeln seinen Mund. Gerhard hatte den richtigen Weg gefunden, gut fahrbar und ohne viel Risiko, direkt in der Strömung. Sicher gelangten sie durch die nur 30m breite Engstelle. Jetzt konnte auch Shonessi wieder lächeln. Hier begann nun der über 60km lange dritte Canyon.
Sie kamen zügig voran, am Ende des Tages schlugen sie ihr Camp am Ausgang des Canyons auf. Dieses Mal kümmerte sich Marc um das Holz und das Feuer, Ahmik ging fischen, Shonessi und Gerhard bereiteten das Essen vor.
„Sag, Gerry, hat Lakota wirklich keine Freundin?“
Gerhard schüttelte den Kopf. „Nein, hat er nicht. Er hat harte Zeiten hinter sich. Du tust ihm mehr als gut, er liebt dich. Ich kenne ihn schon seit Jahren. Er ist ein ganz treuer. Du kannst ihm vertrauen. Er wird dich niemals im Stich lassen.“
„Und du?“
„Ich, oh ich bin verheiratet, habe zwei süße Kinder. Junge und Mädchen. Und ich vermisse meine Frau. Ich wünschte, sie wäre bei mir. Gerade jetzt, wo das mit Hartmut passiert ist. … Ich verstehe ihn einfach nicht. Gut, ein bisschen vielleicht. Marc hat ihm damals seine Freundin ausgespannt. Er wusste aber nichts davon, sie ist, wie du weißt, tödlich verunglückt. Ich versteh nur nicht, was das mit dir zu tun hat. Schon am Anfang, als er dich zum ersten Mal in Watson Lake gesehen hat, war er so komisch. Ich habe dem nur keine Bedeutung beigemessen.“
„Danke, dass es dich gibt und bleib bitte ein guter Freund von Lakota.“
„Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“
Es knackte im Unterholz, Shonessi schreckte auf. Marc kam mit einem Arm voll Holz zum Lagerplatz. Er hatte sehr wohl bemerkt, wie sehr sich Shonessi erschrocken hatte. Nachdem Ahmik auch mit den Fischen kam, war der Abend gerettet.
Auf dem Lagerplatz am Bach. Hartmut hatte sich befreit, war aber nicht weitergefahren. Er wartete ab, schmiedete den ganzen Tag Rachepläne. Früher Abend, Motorengeräusch. Erst war nur ein leises Brummen wahrnehmbar, je näher es kam, desto lauter wurde der Lärm. Hartmut ging zum Fluss und blickte aufmerksam flussaufwärts. Erst sah er nur einen kleinen Punkt, der schnell größer wurde. Es war ein Hubschrauber, kein Flugzeug.
Viel besser. Meine Rache kann beginnen.
Das dachte er, als der Hubschrauber direkt vor ihm in fünf bis sechs Metern Höhe stand.
„Hey, das ist doch der Typ, den wir im Hotel überrascht haben. Ist der allein?“
Hartmut hatte am Waldrand Schutz gesucht, sich gleichzeitig aber lautstark bemerkbar gemacht.
„Ich sehe das Kanu, aber sonst nichts. Soll ich…“
„Nein“, es war Fowler, der die Anweisung gab, „wir landen. Ich denke, er will uns etwas mitteilen.“
Kurz darauf stand Fowler mit Hartmut und einem weiteren Mann zusammen. Er kam sofort auf den Punkt.
„Wie heißen Sie?“
„Hartmut von Halden, ich bin Deutscher. Darf ich Ihnen etwas Wichtiges mitteilen. Vielleicht können Sie mich ja von hier aus mitnehmen.“
„Was haben Sie uns zu sagen.“
„Ich war mit Shonessi und dem Mann zusammen, der sie vor euch in Sicherheit gebracht hat.“
„Wie heißt der Mann?“
„Marc Mezger.“
„Wissen Sie wo sie jetzt sind?“
„Ich denke ja…“
„Sie denken es oder wissen es.“ Fowlers Stimme nahm einen bedrohlichen Ton an.
„Ich weiß es. Zwischen sechzig und achtzig Kilometer weiter flussabwärts. Sie sind mit zwei Faltbooten unterwegs. Sobald ihr auf die schießt, saufen die ab wie Steine.“
„Okay, sichert den Hubschrauber, wir holen sie uns Morgen!“
Hartmut war überrascht, es ging ihm zu langsam.
„Warum nicht heute?“
„Weil es schon zu spät ist. Sie sind mit Sicherheit inzwischen an Land gegangen. Sie können in die Wälder fliehen. Bei den Rothäuten weiß man nie, ob sie es nicht doch irgendwie schaffen, aus der Wildnis heraus zu kommen. Und wenn es stimmt, was du sagst, dann haben sie auf dem Wasser keine Chance. Wenn es nicht stimmt, dann …“
Die Blicke von Frederic Fowler sagten alles.