Читать книгу Weiße Wölfe am Salmon River - Lutz Hatop - Страница 7
Shonessi
ОглавлениеHier hatten sie einen zusätzlichen Tag Aufenthalt geplant, um sich zu akklimatisieren. Marc jedoch packte noch nicht einmal seine Sachen aus, sondern orderte über die Hotelrezeption einen Mietwagen und fuhr mit diesem ohne sich mit seinen Freunden abzusprechen die fast 100km bis Jade City. Der Ort bestand im Prinzip aus zwei Geschäften, deren einer Produkte aus Jade verkaufte.
Marc stürmte in den ersten, fragte die Verkäuferin zu der von ihm gesuchten Person aus. Die konnte ihm jedoch nicht weiterhelfen. Hoffnungslosigkeit übermannte ihn.
War wohl doch eine Schnapsidee, hierher zu fahren und nach einer Frau zu suchen, von der ich nichts weiß.
Er überlegte nochmals, wie er fragen sollte und machte sich wenig zuversichtlich auf in den zweiten Laden. Am Tresen stand eine ältere Frau, die ihn beim Betreten sogleich freundlich begrüßte.
„Hallo, wie kann ich Ihnen helfen?“
Marc räusperte sich, „ich suche eine junge Frau indigener Abstammung, die aber nicht von hier ist. Haben Sie eine solche Frau hier gesehen?“
Die Frau schaute den jungen Mann verständnislos an. Sie konnte wohl mit dem Ausdruck „indigen“ nichts anfangen, wahrscheinlich falsch übersetzt, dachte er bei sich. So versuchte er es erneut.
„Sorry, ich meine eine junge Frau der First Nations.“
Noch immer reagierte sie nicht, im Gegenteil, misstrauisch fragte sie ihn: „warum suchen Sie diese Frau?“
Marc sah ein, dass er wohl etwas mehr sagen musste, er überlegte und sprach dann leise weiter.
„Sie schwebt in großer Gefahr! Ich muss sie unbedingt warnen, ich will sie schützen. Bitte glauben Sie mir. Haben Sie diese Frau gesehen?“
Die Frau schwieg und blickte Marc lange genau an, seine Augen bettelten um Hilfe.
„Kennen Sie diese Frau?“, wollte sie wissen. Er schüttelte den Kopf.
„Nein, ich habe nur unabsichtlich ein Gespräch belauscht. Und da haben zwei Männer sie bedroht. Ich habe keine Ahnung, wer diese Frau ist, geschweige denn, wie sie aussieht.“
Für die Frau eine unglaubliche Geschichte. Aber warum sollte er lügen? Sie überlegte, lächelte ihn breit an.
„Dann gehen Sie mal da hinten in den rechten Gang zwischen den Regalen, das müsste sie sein.“
Er bedankte sich, wollte noch wissen, ob ihr hier Männer aufgefallen waren, die sich auffällig benahmen und ebenfalls Fragen stellten. Das verneinte sie. Sie meinte nur, bei den vielen Touristen passe sie nicht mehr auf. Er ging schnell in den hinteren Bereich des Ladens und sah vor sich eine zierliche höchstens 165 cm große junge Frau mit glatten langen schwarzen Haaren, die ihr weit über die Schultern, fast bis zur Hüfte fielen. Bekleidet war sie mit einer Jeans und einem eng anliegenden langärmligen dunkelgrünem Sweatshirt. Er verlangsamte seinen Schritt und trat an sie heran.
„Verzeihen Sie bitte, dass ich Sie anspreche …“
Sie drehte sich zu ihm um, Marc konnte seinen Satz nicht mehr zu Ende reden. Er stockte, schluckte. Rehbraune Augen schauten zu ihm auf, ein offenes freundliches Lächeln empfing ihn und er hörte eine glockenhelle Stimme. „Ja bitte, was gibt es denn?“
Noch immer bekam er kein Wort heraus. Wie alt mochte sie sein? Höchstens Anfang zwanzig. Ihn faszinierten diese makellosen ebenmäßigen Gesichtszüge, die schmalen sehr markanten Augenbrauen, eine zierliche wohlgeformte Nase und ein sanft geschwungener Mund. Er konnte kaum glauben, dass vor ihm eine 'Indianerin' stand, sie hätte eher als Model durchgehen können. Die indigene Abstammung war wohl erkennbar.
Was für eine schöne Frau!
„Halloo, was ist, was wollen Sie von mir?“
Das langgezogene 'Hallo' ließ ihn erwachen.
„Entschuldigung, es war nicht meine Absicht, sie so anzustarren. Kennen Sie einen Littlefoot?“
Jetzt bekam sie große Augen. Ihr Lächeln verschwand. Was wollte dieser Mann von ihr, der nach seiner Aussprache kein Kanadier war.
„Ja, das ist mein Vater. Aber woher wissen Sie?“
Sie war es tatsächlich. Er hatte sie gefunden.
„Entschuldigung. Ich habe ein Gespräch belauscht, es ging um eine junge Frau der First Nations, die…“
Er brach ab, wollte nichts Falsches sagen, nichts dramatisieren. Aufmerksam, gespannt wartete sie.
„…die sie, …die sie…“
Marc stockte, sie wurde ungeduldig.
„Was? Nun reden Sie schon!“
„Die wollten Ihnen was antun, hier in Jade City, was weiß ich nicht. Ich habe das Schlimmste befürchtet, wollte das einfach verhindern. Dabei ist auch der Name von Littlefoot gefallen. Deswegen bin ich nach unserer Ankunft in Watson Lake auch sofort losgefahren, um Sie zu suchen.“
Sie schaute ihn an.
Wer ist dieser Mann? Wieso macht er das?
Ihre Blicke begegneten sich, hafteten fest aneinander. Sie fand zuerst zurück zur Sprache.
„Sie kennen mich nicht, warum? Warum bist du hier her gekommen? Was versprichst du dir davon? Was erwartest du von mir?“
Wieder Schweigen, wieder Blickkontakte. Marc zuckte die Schultern.
„Ich habe Sie gefunden, und das freut mich. Muss es denn immer eine Gegenleistung sein?“
Sie senkte den Kopf, „nein, muss es nicht. Danke dafür. Komm mit.“
Sie fasste ihn bei der Hand und rannte mit ihm aus dem Laden zu einem Pickup, der auf der anderen Straßenseite parkte. In ihrer Muttersprache rief sie nach ihrem Bruder, der schnell angelaufen kam.
„Das ist mein Bruder Adam Sand, ich bin Ilene Sand und du bist?“
„Marc Mezger, aus Deutschland, ich mache mit Freunden hier Urlaub.“
Ihr Bruder, deutlich älter, wartete auf Ilene, seine Haltung zeigte ein wesentliches Maß an Skepsis.
„Er will uns warnen. Er hat im Flugzeug nach Vancouver ein Gespräch mitgehört. Es ging dabei um mich…“
Adam Sand klang besorgt, unterbrach sie. „Was hat er mitgehört?“
„Ein Gespräch über meinen Vater und mich“, sie stockte, „man will mich wohl ausschalten.“
„Ausschalten? Wie ausschalten!“
Marc antwortete für Ilene, nicht ohne sie dabei im Auge zu behalten.
„Die Männer im Flugzeug sprachen von einer endgültigen Entscheidung hier in diesem kleinen Ort. Hier und nur hier hätten sie alle Möglichkeiten für eine endgültige Entscheidung. Das hat sich für mich nicht gut angehört.“
Adam Sand beobachtete Marc genau, sah seine Augen, die an seiner Schwester hafteten. Sein Ausdruck wurde finster.
„Und du glaubst ihm einfach so? Du wirst dich nie ändern…“
„Sei still, ja ich glaube ihm! Er hat meinen Vater mit Namen genannt. Woher sollte er das wissen. … Und, mein lieber Bruder, er will mir nur helfen.“
„Helfen? Er will dir helfen. Blödsinn. Er will nur…“
„Es reicht. Schluss! Aus! Nochmal, ich glaube ihm.“
Adam Sand wurde wütend, wandte sich an Marc.
„Warum machen Sie das für uns? Sie kennen uns doch gar nicht. Aus Deutschland? Habt ihr nicht ein paar Millionen Juden auf dem Gewissen?“
Marcs Gesicht rötete sich.
„Ich habe keinen Menschen auf dem Gewissen. Und würde ich so handeln, wie Sie mir gerade unterstellen, wäre ich wohl nicht hier, oder?“
Wütend fauchte Ilene ihren Bruder an.
„Hör sofort auf damit, er will uns nur helfen.“
„So wie er dich anstarrt, kann er auch andere Gründe haben.“
Ilene wurde ruhig, lächelte beide Männer an, fragte leicht provozierend Marc, den sie herausfordernd ansah.
„Vielleicht gefalle ich dir ja, wie heißt du nochmal?“
Marc konnte nur noch stottern, „Ma…arc, äh Marc.“
Gereizt mischte sich ihr Bruder ein.
„Du bist vergeben, vergiss das nicht!“
Sie giftete zurück.
„Nein, bin ich nicht. Was mein Vater ausgehandelt hat, interessiert mich nicht. Ich werde keine Ehe eingehen, die mein Vater will. Ich suche mir einen Mann selbst aus. Und auch du hast mir hier nichts vorzuschreiben, kapiert?“
Marc wies beide Streithähne nochmals auf die drohende Gefahr hin. Adam Sand sprach mit seiner Schwester in einer Sprache, die Marc nicht verstand. Aus der Gestik der beiden konnte er erkennen, dass sie ihm heftig Kontra gab. Adam Sand sagte noch ein Schlusswort, wandte sich von seiner Schwester ab, stieg ohne ein weiteres Wort zu verlieren in seinen Pickup und fuhr los. Seine Schwester ließ er mit offenem Mund stehen. Marc verdrängte für einen Augenblick die bevorstehende Gefahr und freute sich insgeheim.
„Wenn du willst, kannst du mit mir fahren?“
Ihr Zorn verflog, sie lachte Marc an. Dieses Lachen verzauberte ihn vollkommen, er wies mit seiner Hand zu seinem Mietwagen, einem klassischen Jeep Wrangler in der Kombiversion.
„Dann soll das wohl so sein, dass ich mit dir fahre. Was meinst du?“
Marc bestätigte ihre Meinung mit freudigem Gesichtsausdruck. Als sie neben ihm saß, musterte er sie von der Seite.
„Gefalle ich dir?“ Sie ging vollkommen offen mit ihm um, was ihn beträchtlich irritierte. „Bekomme ich noch eine Antwort? Oder machst du einen Rückzieher, redest nicht mehr mit mir?“
Marc gefiel ihre offene Art, so fasste er Mut.
„Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber vorhin in dem Laden. Du hast dich umgedreht und ich war vollkommen geplättet.“
Unverständlich schaute sie ihn an.
„Ah so, ja. Wie sagt man in Englisch? I was struck by lightning? Du gefällst mir, sehr sogar. Ehrlich, so was ist mir bis jetzt noch nicht passiert. Ich bereue keine Sekunde, bin froh, dass ich dich getroffen habe.“
Ihre Antwort kam prompt.
„Ich finde das auch ganz super, was du hier für mich alles machst! Das ist nicht selbstverständlich, überhaupt nicht.“ Sie schaute ihn an. „Du gefällst mir auch, ich mag dich.“
Sie lachte nicht mehr, ernst blieb ihr Gesichtsausdruck. Beide stiegen in das Auto, Marc wollte schnell weg aus dem Ort. Sie fuhren bereits eine halbe Stunde auf dem Highway Richtung Watson Lake, Marc schaute, wie immer, flüchtig in den Rückspiegel, von Deutschland war er es so gewohnt. Nach kurzer Zeit war er sich sicher, sie wurden verfolgt. Ein dunkler geschlossener Transporter fuhr mit gleichem Abstand hinter ihnen her. Über fünfzehn Minuten ging das so, Marc beobachtete den Wagen laufend, nichts änderte sich. Und Adam, der war verschwunden, zumindest außer Sichtweite. Plötzlich beschleunigte der Wagen hinter Ihnen und näherte sich rasend schnell. Als beide Fahrzeuge auf gleicher Höhe waren, zog der Transporter mit einem Mal zu ihrem Jeep herüber. Marc legte eine Vollbremsung hin, so schoss der Wagen an ihnen vorbei und setzte sich direkt vor sie. Marc legte den Rückwärtsgang ein, wendete und fuhr zurück. Er hatte einen Waldweg einige Kilometer zurück abbiegen sehen. Den wollte er nehmen.
Schließlich hatte der Jeep Allradantrieb. Der Transporter hatte ebenfalls gewendet und versuchte, den Anschluss wieder herzustellen. Endlich kam der Waldweg in Sicht. Die Verfolger ahnten wohl sein Vorhaben und versuchten ihn einzuholen. Mit Anlauf preschte Marc in den Waldweg, der sich nach 300m gabelte. Er nahm die rechte Variante, die kurz darauf mit geradlinigem Anstieg steil auf einen Berg führte. Mit dem Allrad kein Problem, jedoch für den Transporter unmöglich zu folgen.
Sie erreichten den Bergkamm, der Weg wurde immer verwachsener und schlechter. Marc fuhr langsam weiter, er wollte ausreichend Abstand zwischen sich und die Verfolger bringen. Auf einem Plateau, welches nur von Gestrüpp bewachsen war, hielten sie schließlich an. Ein befahrbarer Weg war nirgends mehr erkennbar. Marc verließ den Jeep, bahnte sich noch 100m durch das Gelände zu Fuß seinen Weg und kletterte schließlich auf einen großen alles überragenden flachen Felsklotz.
Der Ausblick von hier war umwerfend. Er winkte Ilene zu sich. Direkt um sie herum war das Gelände flach und mit Büschen bewachsen, daraus ragten die verkohlten Stümpfe des ehemaligen Waldes heraus und wiesen auf einen vor drei oder vier Jahren erfolgten Waldbrand hin. Unten im Tal konnte man das silberne Band eines Flusses erahnen. Es war warm, ein kräftiger Wind wehte über die Höhe, so blieben wenigstens die lästigen Moskitos weg.
Ilene rückte bis auf Tuchfühlung zu Marc und schmiegte sich an ihn.
„Marc? Darf ich dich mit du ansprechen?“
„Ja, gerne.“
Er wandte sich ihr zu, sie drehte sich wie ein Wirbelwind lachend von ihm ab. Tänzerisch bewegte sie sich auf dem Felsklotz, bewegte ihre Arme hoch gereckt perfekt zu den Bewegungen ihres Körpers. Fasziniert sah Marc ihr zu. Er musste sich zusammenreißen, entdeckte dann den Weg.
„Sieh mal, da hinten geht der Weg weiter!“
Nur 50m weiter setzte sich der Waldweg fort. Mühsam kämpfte er sich mit dem Jeep durch das Gestrüpp, bis sie den freien Teil wieder erreichten, der sehr felsig und deswegen nicht zugewachsen war. Im kleinsten Gang setzten sie den Weg abwärts über Geröll und kleine Felsstufen fort. Inzwischen war es bereits früh am Abend, als sie die Weggabelung erreichten. Die Sonne war hinter den Bergen versunken, die Dämmerung begann. Als sie wieder auf dem Highway waren wurde Ilene still. Während der ganzen Abfahrt hatte sie noch in einer Tour geplappert. Marc versuchte wieder ins Gespräch zu kommen.
„Weißt du, wo dein Bruder ist? Soll ich dich zu ihm hinfahren?“
Der Gedanke, sie nicht mehr zu sehen und sich verabschieden zu müssen, beschäftigte ihn. Im Stillen hoffte er, dass sie den Aufenthalt ihres Bruders nicht wusste. Und tatsächlich: „Ich habe keine Ahnung, wo mein Bruder steckt. Wir wollten von hier über Nacht durchfahren bis Yellowknife. Mist, ich hab auch nicht viel Geld dabei. Kannst du mir helfen. Ich zahl' s auch bestimmt zurück.“
Erschrocken schaute Marc sie an. Ihre Hoffnung schwand, ging sie doch davon aus, dass ihr Marc kein Geld gibt.
Ich muss ihr helfen. Egal, was es kostet!
„Wie willst du denn nach Yellowknife kommen?“
„Entweder mit dem Greyhound oder mit dem Mietwagen. Mit dem Bus ist es am günstigsten. Aber ich habe nur ganz wenig Geld.“
„Da mach dir mal keine Gedanken.“
Ihr Gesicht hellte sich auf. Sie kamen vor dem Hotel an, zwischenzeitlich war es dunkel geworden.
„Komm mit ins Hotel, ich zahl dir das Zimmer für die Nacht und auch den Bus.“
Sie lächelte ihn an, „Marc, du musst vom Himmel gefallen sein, ich danke dir. Viel kann ich dir nicht geben. Was hältst du von diesem Dankeschön?“ Und flugs hatte er einen Kuss auf seiner Wange.
„Wenn du dich auf diese Art bedankst, mache ich gerne noch mehr für dich.“
„Das glaube ich dir sofort. Du bist auch nicht traurig, wenn ich heute Nacht hier bleiben muss, oder?“
Beiden standen sich vor dem Jeep gegenüber. Marc fasste sie an den Hüften und zog sie an sich. Sie legte ihre Arme um seinen Hals.
„Ilene, ich muss dir was sagen!“
Ein sanftes „Ja…a?“, und erwartungsvolle Blicke trafen ihn bis ins Innerste. „Hört sich jetzt vielleicht ein bisschen dumm an … Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.“
„Ich finde das nicht dumm. Du glaubst es, oder du weißt es?“
Marc atmete tief durch: „Ich weiß es!“
Bestimmt und klar kam die Aussage. Statt einer Antwort bekam er einen Kuss. Erst nur ganz kurz und auf die Lippen. Beide blickten sich lang und intensiv in die Augen. Marc beugte sich zu ihr, ihr Mund öffnete sich. Er spürte ihre Lippen, fühlte ihre Zunge. Sie war voller Hingabe, leidenschaftlich und gefühlvoll. Das war kein normaler Kuss, sie schienen miteinander zu verschmelzen.
Marc fasste sie an der Hand, ging zur Rezeption, reservierte ein Zimmer und ging mit ihr in den Gastraum. Im Gastraum sah er auch sofort seine beiden Freunde Gerhard und Hartmut. Letzterer sprang auf, als er Marc erblickte und stürzte ihm entgegen.
„Sag mal, wo warst du? Wir wollten schon eine Vermisstenmeldung aufgeben.“
„Leute, ich habe heute so viel erlebt und ich habe mich verliebt! Und das ist sie! Ilene Sand.“
Er zeigte dabei auf Ilene. Gerhard wurde neugierig.
„Verstehe, du hast die Frau aus dem Flugzeug gesucht und wohl auch gefunden.“
„Stimmt genau, sie ist es.“
Marc erzählte beiden seine Erlebnisse auf Englisch, so konnte Ilene dem Gespräch folgen. Hartmut sagte gar nichts, blickte Ilene die ganze Zeit fasziniert an.
Sie setzte sich mit an den Tisch, hatte nur Augen für Marc, nahm Hartmut und Gerhard nur am Rande wahr. Gerhard freute sich sehr für Marc. Hartmut jedoch spürte Neid und Eifersucht in sich aufsteigen.
Kaum ist er wieder fit, hat er schon wieder einen solchen Goldfisch an der Angel, damals Ella und jetzt sie. Die hätte ich gern, sieht noch besser aus als Ella. Wieso immer Marc, was finden die nur an ihm. Der merkt überhaupt nicht, wie er auf Frauen wirkt.
„Marc, danke dass du dich so für mich eingesetzt hast. Wahrscheinlich hast du sogar mein Leben gerettet. Ich bedanke mich auf diese Weise bei dir, ich werde dich ab jetzt 'Lakota' nennen.“
„Aha, und was bedeutet Lakota?“
Sie nahm seine beiden Hände und umschloss sie mit den ihren, dabei blickte sie ihn dermaßen verliebt an, dass ihm die Stimme versagte.
„Lakota heißt 'Freund, der zu mir steht' und mich nennst du bitte ab jetzt auch mit meinem Stammesvornamen …“, sie legte eine bewusste Pause ein. Marc hatte seine Sprache wiedergefunden, war auch sehr neugierig, hatte er doch über die Bedeutung von indianischen Vornamen einiges gelesen.
„Und wie lautet dein Name? Du machst es jetzt aber richtig spannend.“
„Shonessi!“
Marc zog die Augenbrauen hoch.
„Shonessi, was für ein schöner Name. Gibt es dafür auch eine Bedeutung?“
„Ja Lakota, die gibt es, jeder native Name hat seine Bedeutung. Und meiner bedeutet 'Tanz mit dem Wind'. Gefällt er dir?“
„Gefallen? Das ist der schönste Name, den ich je gehört habe. Er passt ganz wunderbar zu dir. Vorhin, auf dem Felsen. Du erinnerst dich? Da hast du getanzt, mit dem Wind. Das möchte ich gerne noch öfter sehen.“ Marc wurde sehr leise, auch er vergaß seine beiden Freunde. „Die Frau, die mit dem Wind tanzt: das war so grazil, so leicht und beschwingt, als wärst du eine Feder. So geschmeidig und anmutig habe ich noch nie eine Frau gesehen. Du bist die schönste Frau, der ich je in meinem Leben begegnet bin.“
„Meinst du das ehrlich? So was hat noch nie jemand zu mir gesagt.“
Ihre braunen Augen leuchteten.
„Ja, und ich habe gerade richtig Schmetterlinge im Bauch.“
Die Umgebung um sie herum versank. Hartmut saß mit offenem Mund am Tisch, bis es aus ihm herausbrach. „Was für ein Gequatsche. Sie macht sich doch nur an dich ran, merkst du das nicht? So ein Gewäsch, bist du besoffen? So redet doch kein Kerl…“
Marc fuhr herum, wie konnte er so dazwischen gehen.
„Bist du neidisch? … Dann pass mal auf: ja, ich bin betrunken – vor Glück, weil ich mich verliebt habe. Wenn es dir nicht gefällt, kannst du ja gehen!“
Marc hatte vor Zorn einen roten Kopf bekommen und war aufgesprungen wie auch Hartmut.
Shonessi blickte mit stechenden Augen zu Hartmut, fasste Marc am Arm, zog ihn mit der einen Hand zu sich, drehte mit der anderen Hand seinen Kopf zu ihr, hauchte ihn an, „lass ihn, er ist dumm und eifersüchtig. Beachte ihn erst gar nicht. Schön waren deine Worte, sie kamen von Herzen, das habe ich gefühlt. Hier“, sie nahm die Hand von Marc, drückte sie auf ihr Herz. Ihr Ton änderte sich, wurde schneidend. „Er nennt sich dein Freund? So verhält sich kein Freund. Er hat es nicht verdient, dein Freund zu sein. … Komm her!“
Dieses 'Komm her' war so verführerisch, dass Marc spontan Hartmut vergaß. Hartmut fielen fast die Augen aus dem Kopf, kreidebleich wurde er im Gesicht, verlor die Fassung nach Shonessis Antwort, musste nach Luft ringen. Vor ihm verschwammen die Bilder, als Shonessi Marc leidenschaftlich küsste.
Gerhard stand auf und zog den widerstrebenden Hartmut mit sich. Marc und Shonessi waren so mit sich selbst beschäftigt, dass sie das nicht wahrnahmen.
Eine weitere Stunde später betrat eine gebieterische Erscheinung den Gastraum. Der Mann war augenscheinlich indigener Abstammung, Anfang dreißig. Seine dunklen, fast schwarzen Haare waren schulterlang mit einem Mittelscheitel. Er trug ein rotkariertes Holzfällerhemd. Aufmerksam blickte er sich im Raum um, ging dann zielstrebig auf die Sitzecke mit Marc und Shonessi zu. Er wollte seinen Augen nicht trauen, so vertraut und sich liebkosend hingen beide aneinander, bemerkten seine Anwesenheit in keiner Weise.
„Stör ich?“ Mit grimmigem Gesicht stellte er diese Frage, eine Antwort nicht erwartend. „Was soll das hier, Shonessi? Komm sofort mit!“
Shonessi legte ihre Stirn in Falten.
„Ich bleibe, Ahmik. Ich liebe Lakota und ich will bei ihm bleiben.“
Marc musste tief Luft holen, erst jetzt erkannte er in dem Fremden den Bruder von Shonessi. Ahmik blickte verdutzt von einem zum anderen.
„Lakota, wieso Lakota?“
„Weil ich ihn Lakota nenne, oder kennst du die Bedeutung des Namens nicht mehr?“
Ahmik verdrehte die Augen.
„Bist du völlig irre. Man droht dir mit Mord und du denkst an so einen Blödsinn!“
„Blödsinn? Das ist kein Blödsinn.“
Sie war aufgesprungen. Seine Bevormundung nervte. Bevor der Streit jedoch eskalierte, griff Marc ein.
„Shonessi, bitte! Dein Bruder hat Recht, du bist in sehr großer Gefahr. Geh mit ihm. Ich halt das nicht aus, wenn dir etwas zustoßen sollte.“
Shonessi wandte sich Marc zu.
„Liebst du mich? Willst du mich wiedersehen, dann sag es! Jetzt!“
Marc nahm ihren Kopf zwischen beide Hände, schaute sie ernst an.
„Ich liebe dich, und ich will dich wiedersehen.“
„Das will ich auch, komm einfach nach Yellowknife, hier ist meine mobile Rufnummer. Wenn du mich dort nicht findest, ich wohne auf Queen Mary Island, in Sunrise City. Hier ist meine Adresse.“
Sie gab ihm eine Karte mit ihrer Adresse und Telefonnummer. Zur Antwort nahm er sie fest in seine Arme und streichelte ihr über die Haare. Ahmik stand die ganze Zeit ohne ein Wort zu sagen daneben. Dann griff er ihre Hand, widerwillig folgte sie ihm aus dem Gastraum.
Zurück blieb Marc. Nachdenklich setzte er sich nochmals an den Tisch, sah aus dem Fenster noch beide mit dem Pickup davonfahren. Er bestellte sich einen Whiskey und versuchte, sein Gedankenchaos zu ordnen. Es gelang ihm nicht, so machte er sich auf den Weg in sein Zimmer. Als er schon die Hälfte der Treppe hinter sich hatte, betraten zwei Männer den Gastraum. Er hielt inne, in seinem tiefsten Innern spürte er Gefahr. Er stand auf dem unteren Absatz der Treppe, als er die beiden hörte. Da erkannte er einen der beiden, es war der jüngere der beiden Männer aus dem Flugzeug. Schnell lief er die Treppe nach oben, um selbst unerkannt zu bleiben.
Die beiden Männer erkundigten sich an der Rezeption nach den Gästen, allerdings mussten sie den Nachtportier massiv bedrohen, um an die entsprechenden Informationen zu gelangen. Dann stürmten sie die Treppe hinauf, traten die Tür von Hartmuts Zimmer ein und rissen den Ahnungslosen aus seinem Tiefschlaf. Mussten dann aber feststellen, dass dieser keine Ähnlichkeit mit dem gesuchten hatte. Wortlos verschwanden sie fluchtartig aus dem Hotel.
Im Transporter rief der Mann aus dem Flugzeug, er nannte sich Fowler, seinen Vorgesetzten an.
„Mr. Baxter, wir waren ganz dicht dran. Aber hier sind sie nicht mehr. Der Typ aus dem Flugzeug hat sich wohl mir ihr aus dem Staub gemacht.“
Eine erzürnte Stimme antwortete am anderen Ende: „wie konnte das passieren. Ich dachte, Sie hatten alles im Griff. Von wem reden Sie? Klartext bitte!“
„Mr. Baxter. Erinnern Sie sich an diesen Mann an dem Zeitungsständer auf dem Flug nach Vancouver? Er muss uns belauscht haben. Ich habe ihn gesehen, als er sich mit Jeep und dieser Indianerin davonmachte, uns nach allen Regeln der Kunst austrickste. Hier in Watson Lake konnte ich ihn auch nicht finden. Wahrscheinlich ist er längst über alle Berge.“
„Mir ist egal, wie Sie das anstellen. Ich will Ergebnisse! Sie haben vier Wochen. Ihre letzte Chance. Nutzen Sie diese.“ Damit war das Gespräch beendet.
„Fahr los. Unser Ziel ist Yellowknife. Vielleicht können wir sie vorher noch abfangen. Der Weg bis dorthin ist lang. Wir müssen auch den roten Pickup von ihrem Bruder beachten.“