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I. Einführung

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Mit dem Tod einer natürlichen Person (Erbfall) endet deren Rechtsfähigkeit. Dem Vermögen, welches aus Rechten und Pflichten gegenüber anderen Personen besteht, fehlt damit der Rechtsträger. Da der Verstorbene als Rechtssubjekt nicht mehr vorhanden ist, stellt sich die Frage, wie das Vermögen und die Schulden (Nachlass) auf ein existierendes Rechtssubjekt übergehen sollen (Erbfolge), damit eine gewisse Kontinuität der Rechtspositionen und -beziehungen gewährleistet ist: Wer wird Erbe und welche rechtliche Stellung soll dieser Erbe haben?

Grundlegend für das deutsche Erbrecht ist zunächst die Testierfreiheit, eine Ausprägung der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG, → Rn. 6 ff.). Unter Testierfreiheit wird üblicherweise verstanden, dass der Erblasser bis zu seinem Tode frei ist, die Erbfolge zu regeln. Zur Testierfreiheit gehört aber auch, dass der Erblasser sich durch die Form eines Erbvertrages oder durch wechselbezügliche Verfügungen (gemeinschaftliches Testament) bindend verpflichten kann. Es handelt sich in allen Fällen um eine gewillkürte Erbfolge (→ Rn. 137 ff.) durch besondere Willenserklärung. Zu beachten ist, dass der Erblasser, ähnlich wie im Sachenrecht, einem Typenzwang unterliegt, d.h. er ist auf bestimmte Formen beschränkt. Eine gesetzliche Beschränkung der Testierfreiheit ergibt sich aus dem Pflichtteilsrecht (→ Rn. 615 ff.). Wenn der Erblasser von seiner Testierfreiheit keinen Gebrauch macht, greift die gesetzliche Erbfolge ein, welche eine Familienerbfolge bzw. Verwandtenerbfolge ist (→ Rn. 65 ff.). Nur subsidiär besteht eine gesetzliche Erbfolge des Staates (→ Rn. 120 ff.).

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Das deutsche Erbrecht beruht auf zwei grundlegenden Prinzipien: Universalsukzession und Vonselbsterwerb. Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge) bedeutet, dass das gesamte Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben übergeht. Vonselbsterwerb bedeutet, dass die Erbschaft dem Erben kraft Gesetzes anfällt (sog. Anfallprinzip); der Erbe kann die Erbschaft allerdings ggf. ausschlagen (→ Rn. 574 ff.). Zu einer Sondererbfolge (Singularsukzession) kommt es nur ausnahmsweise im Rahmen der Höfeordnungen[1] und in bestimmten Fällen im Gesellschaftsrecht (→ Rn. 1429, 1431).

Höfeordnungen existieren allerdings nicht in allen Bundesländern.[2] Es handelt sich um eine Sondererbfolge hinsichtlich einer land- oder forstwirtschaftlichen Besitzung mit einer zu ihrer Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle.[3] Der sog. Anerbe bzw. Hoferbe ist insoweit Alleinerbe des Hofes (vgl. § 4 S. 1 HöfeO). Die weichenden Miterben sind abfindungsberechtigt (vgl. § 12 Abs. 1 HöfeO). S. ferner auch §§ 13-16 GrdstVG und § 2049.

Möglich sind aber immer Vermächtnisse (→ Rn. 900 ff.) und Teilungsanordnungen (→ Rn. 1023 ff.). Da sie jedoch nur rein schuldrechtlich wirken, sind dann zur konkreten Übertragung der Gegenstände jeweils noch entsprechende dingliche Rechtsgeschäfte erforderlich.

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Nicht vererblich sind allerdings höchstpersönliche Rechte. Dazu gehören etwa der Nießbrauch (§ 1061 S. 1), das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie statusbezogene familienrechtliche Positionen (z.B. die Ehe oder die elterliche Sorge). Ebenso sind auch höchstpersönliche Pflichten (z.B. höchstpersönliche Dienstleistungspflichten, vgl. § 613) nicht vererblich. Vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) bestehen aber nach dem Tod des Trägers fort, solange die ideellen Interessen noch geschützt sind; die Befugnisse gehen auf die Erben über und können von diesen entsprechend dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen ausgeübt werden[4]. Vererblich ist allerdings der Nutzungsvertrag für ein soziales Netzwerk; seinem Übergang auf die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Datenschutzrecht entgegen.[5]

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Die Familien- bzw. Verwandtenerbfolge bestimmt sich im deutschen Erbrecht nach dem Parentelsystem (→ Rn. 70). Das Parentelsystem bedeutet, dass die Verwandten nach Ordnungen gegliedert werden und (nur) eine Person einer vorrangigen Ordnung alle anderen Personen nachrangiger Ordnungen von der Erbfolge ausschließt. Innerhalb der ermittelten Ordnung gilt dann das Repräsentationsprinzip mit Eintrittsrecht: Ein lebender Abkömmling schließt seine Abkömmlinge von der Erbfolge aus; sollte der Abkömmling jedoch ebenfalls verstorben (vorverstorben) sein, so treten (nur) seine Abkömmlinge an seine Stelle (wieder jeder Unterstamm mit einem Repräsentanten), und es findet unter diesen wieder eine Erbteilung statt. Im Ergebnis bedeutet dies eine Erbfolge nach Stämmen, nicht nach Köpfen. Neben die Verwandten tritt als gesetzlicher Erbe der Ehegatte bzw. Lebenspartner des Erblassers (→ Rn. 88 ff., 118). Wurden gesetzliche Erben enterbt, kann ihnen ein Pflichtteilsrecht zustehen (→ Rn. 615 ff.).

Das Gesetz kennt zwei Arten der Verfügung von Todes wegen: Das Testament (→ Rn. 137 ff.) und den Erbvertrag (→ Rn. 261 ff.). Eine besondere Form des Testaments ist das gemeinschaftliche Testament, das nur von Ehegatten errichtet werden kann (→ Rn. 211 ff.). Für Auslegung, Widerruf und Anfechtung letztwilliger Verfügungen gelten spezielle Regelungen (→ Rn. 185 ff., 247 ff., 295 ff., 323 ff., 384 ff.).

Der Erbe kann den Anfall der Erbschaft mit der Ausschlagung rückwirkend beseitigen (→ Rn. 574 ff.). Schlägt er nicht aus, haftet er unbeschränkt, aber beschränkbar (→ Rn. 1071 ff.). Instrumente zur Beschränkung der Erbenhaftung sind insb. die Nachlassverwaltung, die Nachlassinsolvenz sowie die Dürftigkeits- und die Überschwerungseinrede (→ Rn. 1138 ff.). Erben mehrere, so bilden die Miterben eine Erbengemeinschaft, die eine auf Auseinandersetzung gerichtete Gesamthandsgemeinschaft ist (→ Rn. 951 ff.).

Teil I Überblick über das Erbrecht§ 1 Grundlagen des Erbrechts › II. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Erbrechts

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