Читать книгу Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12) - Madeleine Puljic - Страница 12
5.
Оглавление»Was ist das?« Tess Qumisha betrachtete im Holo, was die optischen Außensensoren der SOL erfassten. Blitzer hatte die SOL in den himmelblau strahlenden Tunnel aus Licht gelenkt, der sie von Tare-Scharm in die Galaxis Yahouna transportieren sollte.
Eroin Blitzer befand es anscheinend für unter seiner Würde, ihr zu antworten. Still und andächtig blickte er weiter auf das Holo.
»Was ist das?«, fragte Qumisha noch einmal lauter.
»Ein euch unbekanntes Transportmedium«, äußerte der Androide endlich, wenngleich wenig hilfreich.
»Bitte etwas genauer«, verlangte Perry Rhodan scharf.
»Ein Sextadim-Intermitterfeld, dessen Temporalgradient durch elysische Nanoquantenfelder kohärent stabilisiert wird, da sonst eine irreguläre Superposition vierter Ordnung entstehen würde«, sagte Blitzer ungerührt.
Qumisha tauschte Blicke mit Rhodan und Danton. Rhodan machte eine beschwichtigende Geste. Sowieso zwecklos, wollte er wohl damit sagen. Gib dir keine unnötige Blöße.
Es fiel ihr schwer. Sie wollte stets wissen, wie Dinge funktionierten – insbesondere, wenn sie mit ihrem Fachgebiet, der Hyperphysik, in Beziehung standen. Sie hatte eine Ahnung, wie das Polyport-Netz funktioniert hatte und wie die Teletrans-Weiche, mit der die Superintelligenz ES einst eine Verbindung zwischen dem irdischen Sonnensystem und der fernen Galaxis Anthuresta geschaffen hatte. Auch wie die Brücke in die Unendlichkeit und wie die Zeitbrunnen operiert hatten, war ihr zumindest auf einer theoretisch-abstrakten Ebene bekannt.
All diese Mittel der intergalaktischen Fernreise gab es jedoch nicht mehr. Was die Kosmokraten gerade zur Versetzung der SOL benutzten, war etwas Neues und Unbekanntes. Sie wollte mehr darüber wissen!
»Ich muss mich zurückziehen.« Ruckartig stand Blitzer von seinem Platz auf und ging Richtung Zimmerecke. »Der Transfer verlangt meine Aufmerksamkeit.«
»Wieso?«, fragte Qumisha alarmiert. »Sind wir in Gefahr?«
»Im Gegenteil.« Der Androide blieb kurz stehen und blickte abschätzig zu ihr hinauf. »Wenn wir ankommen, wird das Raumschiff auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Ich führe die SOL zu alter Stärke zurück. Ihr dürft mir dankbar sein.«
Damit wurde er durchscheinend und ging weiter.
»Hey!«, rief Rhodan. »Was soll das heißen? Du kannst uns nicht einfach so ...«
Blitzer verließ den Besprechungsraum durch die Wand.
»... stehen lassen«, brachte Rhodan seinen Satz zu Ende.
»Offensichtlich doch«, merkte Roi Danton an. »Du hast schon mal Gäste mit besseren Manieren an Bord gebracht, wenn ich das anmerken darf.«
Rhodan schwieg mit finsterer Miene. Offensichtlich hatte er beschlossen, den eigenen Rat zu beherzigen und sich keine weitere Blöße zu erlauben.
»Was wollt ihr jetzt tun?«, fragte Qumisha.
»Was können wir tun?«, fragte Rhodan zurück.
Das war zu viel. »Die SOL wird gerade in eine fremde Galaxis entführt!«, schrie sie Rhodan an. »Den Entführer hast du uns auf den Hals gehetzt, und alles, was dir dazu einfällt ist: ›Was können wir tun?‹ «
»Ganz genau.« Rhodan blieb ruhig. »Eroin Blitzer oder die Kosmokratenhelfer, für die er spricht, haben mit der Vernichtung der SOL gedroht. Und es gibt wohl kaum Zweifel, dass sie die Mittel dazu haben. Also: Was hätte ich tun können?«
»Du hast nicht mal versucht, eine andere Vereinbarung mit ihm zu treffen!«
Danton schaltete sich ein. »Nicht richtig. Wir haben vorgeschlagen, eine SOL-Zelle allein auf den Weg zu schicken.«
»Ihr zwei haltet zusammen.« Qumisha schnaubte. »War ja klar!«
»Noch einmal: Was hätte ich anders machen können?«
»Ich weiß es nicht!«, schrie Qumisha. »Ich bin Hyperphysikerin, keine Kommandooffizierin! Ihr müsst solche Entscheidungen treffen, und ihr habt klein beigegeben! Wenn Fee noch hier wäre, hätte sie das niemals zugelassen!«
Rhodan presste die Lippen aufeinander. »Die Lücke, die Fee Kellind hinterlässt, ist nicht zu leugnen. Wer weiß – vielleicht hätte sie tatsächlich eine Idee gehabt. Aber Fee lebt nicht mehr.«
»Praktisch, oder?« Qumisha riss die Augen auf, als ihr klar wurde, was ihr da herausgerutscht war.
Rhodans Miene verhärtete sich.
»Entschuldige.« Qumisha sprach leise, mit einem Kloß im Hals. »Das hätte ich nicht sagen dürfen. Aber die SOL braucht trotzdem einen Kommandanten. Es gibt einen guten Grund, warum der Expeditionsleiter nicht gleichzeitig den Oberbefehl über das Schiff hat.«
»Ach wirklich?«, sagte Rhodan kühl. »Das ist eine Regel, die ich aufgestellt habe und die sich seit Jahrtausenden bewährt. Erklärst du mir gerade das Einmaleins von Fernexpeditionen?«
»Die SOL braucht einen Kommandanten«, beharrte Qumisha.
»Das streitet ja überhaupt niemand ab.« Danton nahm die Vermittlerrolle ein. »Es ist allerdings nicht ganz einfach, jemanden Qualifizierten zu finden. Fee und ich haben daran lange gearbeitet, ohne einen geeigneten Kandidaten auszumachen.«
»Weil du Leute installieren wolltest«, konterte Qumisha, »die im Zweifel dir gehorchen.«
»Ich glaube, es reicht jetzt, Tess«, ging Rhodan dazwischen. »Wir sollten dieses Gespräch beenden, bevor Dinge gesagt werden, die sich nicht mehr zurücknehmen lassen. In der Frage nach dem Kommandanten geben wir dir beide recht. Es steht dir jederzeit frei, uns einen Vorschlag zu unterbreiten. Wir zwei ...« Er suchte den Schulterschluss mit Roi Danton. »... versuchen das Schiff auf das vorzubereiten, was uns am Ziel bevorsteht.« Er deutete auf das Außenbeobachtungsholo, das nach wie vor den blauen Transportkanal zeigte. »Und du kannst herauszufinden versuchen, was um Himmels willen ein Sextadim-Intermitterfeld mit Temporalgradienten sein soll. Einverstanden?«
Tess Qumisha öffnete den Mund. Sie sah Rhodans Blick und schloss ihn wieder. Die Antwort auf seine letzte Frage konnte nur ja heißen. Die SOL war ein Raumschiff, und es funktionierte nur, wenn eine Kommandokette eingehalten wurde. An deren Spitze stand Perry Rhodan, ob es ihr gefiel oder nicht.
Sie nickte stumm und ging.
*
Im hyperphysikalischen Labor machte sie sich herzhaft Luft. Da gab es keine Rangordnung zu beachten, und ihr Mann würde sie schon nicht bei der Schiffsführung verpetzen. Einen geeigneten Vorschlag für den Kommandantenposten hatte allerdings auch er nicht beizusteuern.
Also wertete Benjameen da Jacinta stoisch die Beobachtungen der Ultrahochfrequenz-Messwerke in den beiden SOL-Zellen und des Kantor-Sextanten aus. Holografische Zahlen tanzten vor seinen Augen, während er seine Theorien und Ansätze ganz altmodisch mit einem auf Arkon gefertigten Füllfederhalter auf Papier notierte.
Die beiden Ultra-Giraffen hatte Tess Qumisha einst maßgeblich mitentwickelt. Sie konnten weit ins ultra- und superhochfrequente Band des Fünf-D-Spektrums blicken, in Bereiche, die den meisten Messgeräten verschlossen blieben. Aus den Ergebnissen ließ sich teils sogar errechnen, was parallel im Sechs-D-Band geschah.
Das funktionierte auch diesmal, nur waren die aktuell angezeigten Werte völlig erratisch. Meist waren sie vom normalen kosmischen Hintergrundrauschen nicht zu unterscheiden, dann wieder kam es ohne jede Regelmäßigkeit zu unerklärlichen Spitzen. Was nicht weiter verwunderlich war – Blitzers Erklärung hatte schließlich als eine einzig verwertbare Information geliefert, dass der Transporttunnel im sechsdimensionalen Bereich arbeitete. So einen langen Hals konnte Qumishas Giraffe gar nicht haben, dass sie sich auch auf dieser Ebene des Universums hätte umfassend umschauen können.
»Ich hab was«, sagte da Jacinta. In einem in der Luft schwebenden Datenwust tippte er einige Zahlen an, die ihre Farbe daraufhin von Weiß nach Rot veränderten.
Qumisha trat zu ihm. Die Messwerte stammten vom Kantor-Sextanten. Anders als die Ultra-Giraffe konnte dieses Gerät nicht nur auf das Sechs-D-Spektrum schließen, sondern dort auf direktem Weg Informationen sammeln – zumindest rudimentär. Die Ergebnisse blieben zwar dürftig und scheinbar widersprüchlich, aber zumindest hatten sie einen ersten, vorläufigen Interpretationsansatz ermöglicht. Auch wenn Qumisha ihn noch nicht durchschaute.
Grübelnd stellte sie ihre Kaffeetasse an das einzige freie Eckchen von da Jacintas Arbeitsstation. »Machst du mich schlau?«
»Ich habe die Ergebnisse der beiden Geräte verglichen.« Da Jacinta zeigte ein Holo mit den Messgraphen der Ultra-Giraffe. »Die Spitzen haben keine einfach erkennbare Regelmäßigkeit. Zwar sind Tausende Formeln denkbar, die trotzdem genau zu diesen Datenresultaten führen. Aber richtig wäre nur die Berechnungsmethode, mit der wir die nächste Spitze verlässlich voraussagen können.«
So weit, so einfach.
»Ich habe aus den Giraffen-Werten ein paar Tausend mögliche Algorithmen ableiten lassen und diese auf die Sextanten-Werte gelegt. Einer war ein Treffer. Schau.«
In einer Animation stellte das Hologramm vergleichend dar, wo nach da Jacintas Formel Ausschläge im Sechs-D-Spektrum erwartbar waren und wo die tatsächlichen Ausschläge lagen. Es gab Abweichungen, sogar eine ganze Menge davon. Aber knapp ein Drittel der Punkte stimmten, und damit erheblich mehr, als es bei einer reinen Zufallsverteilung der Fall gewesen wäre.
»Großartig!«, rief Qumisha. »Daran arbeiten wir weiter! Wir müssen die Prognosegenauigkeit ...«
Der Boden unter ihren Füßen bebte. Die Kaffeetasse machte einen kleinen Hüpfer und kippte über die Tischkante. Auch Qumishas Magen hob sich, viel stärker, als die Erschütterung es hätte erwarten lassen.
»Was war das denn?«, fragte sie erst da Jacinta, und dann – wesentlich erfolgversprechender – SENECA.
»Es gab einen Unfall«, erläuterte das Schiffsgehirn. »Der neu eingebaute Paratron-Suspensor hat eine Fehlfunktion. Es kam zu einer kleineren Explosion, das Gerät wurde bis zur Klärung des Vorfalls abgeschaltet. Keine Verletzten. Ein Folgeschaden am Hypertakt-Triebwerk ist mit Bordmitteln reparabel.«
Qumisha lächelte, zum ersten Mal seit ihrem Streit mit Rhodan. »Alles in Ordnung, also?«
»Das ist eine zulässige Folgerung«, bejahte SENECA.
Da Jacinta zuckte mit den Achseln. »Wie gewonnen, so zerronnen. Schade!«
Qumisha musste ihm zustimmen. Der Suspensor gehörte zu den neuen Gerätschaften, die erst wenige Tage zuvor auf der SOL eingebaut worden waren: Technik der Terminalen Kolonne TRAITOR, installiert in einem zwanzig Millionen Jahre alten Kolonnen-Dock in Tare-Scharm. Roi Danton hatte eine lange und komplizierte Historie mit der Kolonne, hatte – grob vereinfacht – erzwungenermaßen in TRAITORS Reihen gedient.
Aus dieser Zeit besaß er noch einige Kenntnisse und Berechtigungen, die er im Dock genutzt hatte, um die Kampfkraft der SOL erheblich zu stärken. Der Paratron-Suspensor beispielsweise war eine Errungenschaft, die es dem Hantelraumschiff ermöglichte, aus dem Stand in den Hyperraum zu wechseln, statt hierzu wie sonst üblich bis auf halbe Lichtgeschwindigkeit beschleunigen zu müssen.
Das setzte allerdings voraus, dass das Gerät funktionierte und der Mannschaft nicht unmotiviert um die Ohren flog. »Kennt man die Ursache?«, fragte Qumisha weiter.
»Bislang nicht«, antwortete SENECA. »Eine naheliegende Vermutung wäre, dass es infolge des Zeitdrucks beim Einbau des neuen Aggregats zu Fehlern kam. Womöglich lag eine nicht entdeckte Inkompatibilität vor.«
Qumisha zog den Mund schief. Also waren sie nicht nur in eine fremde Galaxis unterwegs, um einen Auftrag zu befolgen, dessen Implikationen noch gar nicht abzusehen waren – sie würden das Ganze auch noch mit einem unzuverlässigen Raumschiff erledigen. Denn neben dem Paratron-Suspensor waren im Kolonnen-Dock noch eine ganze Reihe weiterer eindrucksvoller Systeme eingebaut worden. Aber genauso hastig und ohne Gelegenheit für eine gründliche Integrationskontrolle und Funktionstests. Wenn der Suspensor explodierte, konnte das genauso gut den Potenzialwerfern, dem Virtuellbildner und den verbesserten Schiffsgeschützen drohen. All diese Geräte mussten bis zu einer gründlichen Überprüfung stillgelegt werden. Insofern war SENECAS Verständnis von alles in Ordnung vielleicht doch ein wenig zu weit gefasst.
Das aber war ein Problem für die zwei Rhodans. Sie hatte anderes zu tun. »Wo waren wir ... Ach ja, dein Algorithmus. Haben wir eine Visualisierung?«
»Nichts Schlüssiges.« Da Jacinta schaltete das Holo um. Es präsentierte nun die SOL in einem blau strahlenden Tunnel. Dunkelblaue Fäden waren darauf projiziert und zeigten hinter dem Schiff die tatsächlichen Messungen, vor ihm die prognostizierten. Es war ein filigranes und sinnverwirrendes Muster; teils reines Gekrickel, aber an einigen Stellen waren bekannte Elemente zu erkennen. Qumisha sah einige Dreiecke in der charakteristischen Anordnung eines Fibonacci-Fraktals, entdeckte auch Drachen- und Gosper-Kurven.
»Fraktale Formen«, murmelte sie. »Zu viele, als dass es Zufall sein könnte. Das müsste uns weiterhelfen, die Formel zu verfeinern.«
Perry Rhodan meldete sich über Bordfunk. »Wir brauchen eure Hilfe.«
»Wir haben etwas entd...«, äußerte Qumisha.
»Muss warten«, unterbrach Rhodan sofort. »Es gab einen Unfall.«
»Wissen wir«, sagte Qumisha, »der Paratron-Suspensor. Aber was können wir ...«
»Einen zweiten«, unterbrach Rhodan erneut. »Diesmal der Virtuellbildner. Das Ding ist hinüber, es gab Verletzte. Ich will wissen, warum die TRAITOR-Geräte in diesem Tunnel in die Luft fliegen.«
Qumisha sah da Jacinta an. Zwei Unfälle ließen eigentlich noch nicht den Schluss zu, dass ihre ungewöhnliche Umgebung die Schuld trug. Es konnte Zufall sein, oder der überstürzte Einbau vor gerade mal drei Tagen mochte sich rächen. Und sie waren gerade einem spannenden Phänomen auf der Spur.
Denk an das Schiff!, rügte sie sich. Sie warf Rhodan vor, die Mission über die Sicherheit der Besatzung zu stellen – und selbst wollte sie über Fraktale im sechsdimensionalen Raum philosophieren, statt eine konkrete Gefährdung für die SOL zu untersuchen? TRAITOR-Technik war für gewöhnlich so stabil, dass beispielsweise das Kolonnen-Dock zwanzig Jahrmillionen überdauert hatte. Wenn also zwei Aggregate so kurz nacheinander den Geist aufgaben, war die Wahrscheinlichkeit für eine externe Ursache hoch.
»Wir müssen die beschädigten Geräte untersuchen«, sah Tess Qumisha ein.
»Die Trümmer sind schon unterwegs in euer Labor«, antwortete Perry Rhodan. »Ich schnappe mir Blitzer und komme zu euch.«
*
Wie angekündigt, hatte Rhodan Eroin Blitzer dabei. Dritter im Bunde war Roi Danton. Die beiden Rhodans sahen besorgt aus, Blitzer zeigte keine Regung. Höchstens einen Anflug herablassender Langeweile.
»Wir haben etwas entdeckt«, begrüßte Tess Qumisha die Neuankömmlinge. »Es gibt Probleme mit dem Ricodin-Verbundstoff.«
»Was heißt das?«, fragte Perry Rhodan.
Qumisha deutete auf das linke von zwei vorbereiteten Hochleistungsmikroskopen. »Sieh es dir an, aber vorsichtig.«
Rhodan beugte sich über das Okular, sah hindurch. Nach drei Sekunden taumelte er zurück. »Was war das denn?«, fragte er verblüfft.
»Ricodin«, antwortete Qumisha nüchtern. »Der Baustoff der Terminalen Kolonne ist fraktal aufgebaut. Das Mikroskop ist darauf eingestellt, den Fokus deines Blicks zu erkennen und den entsprechenden Ausschnitt zu vergrößern. Aber weil die Struktur eben fraktal ist ...«
»Ich verstehe«, unterbrach Rhodan. »Sämtliche Formen wiederholen sich in kleinerem Maßstab. Mein Auge sucht den nächsten Haltepunkt, das Mikroskop zoomt wieder heran, und so weiter in unendlicher Folge. Deshalb wirkt das Ganze, als würde ich einen Tunnel stürzen.« Er schüttelte kurz den Kopf. »Unangenehm. Warum zeigst du ...«
Wortlos deutete Qumisha auf das zweite Mikroskop. Erneut beugte sich Rhodan darüber.
»Hier hat das Auge feste Haltepunkte«, stellte er fest. »An einigen Stellen ist die Struktur erstarrt und wiederholt sich nicht mehr.«
»Und das ist das Problem«, sagte Qumisha. »Die zweite Probe stammt von der Hülle des explodierten Suspensors. Einige subatomare Teilchen des Verbundstoffs sind defraktalisiert.«
»Irgendwas wirkt also auf den Baustoff unserer neuen Gimmicks«, übersetzte Danton. »Aber warum explodieren sie dabei?«
»Die Fraktale sind energiehaltig«, übernahm Benjameen da Jacinta die Erklärung. »So wie die Atome in Molekülen, die sich entsprechend ihrer Temperatur bewegen. Wenn sie erkalten, geben sie die Bewegungsenergie nach außen ab und erstarren.«
»Bei normalen Molekülen«, nahm Qumisha den Ball wieder auf, »ist der Energievorrat endlich. Durch die endlose Wiederholung der fraktalen Struktur kann Ricodin aber, zumindest in der Theorie, unendlich viel Energie speichern.«
»Und auf einen Schlag abgeben, wenn die fraktale Struktur aus irgendeinem Grund zerfällt«, schloss da Jacinta.
Danton sah von Qumisha zu ihrem Mann und zurück. »Das heißt, wenn sich dieser Prozess fortsetzt, ist jedes Stück Kolonnentechnik an Bord eine Bombe, die das Schiff komplett zerstören kann?«
Qumisha schüttelte den Kopf. »Du denkst nicht annähernd in den richtigen Dimensionen. Die in dem Ricodin auf der SOL gespeicherte Energie ist um ein Milliardenfaches höher, als die Explosionsenergie es wäre, wenn man das Schiff von der einen auf die andere Sekunde in Antimaterie verwandeln würde. Wenn sich alles Ricodin an Bord gleichzeitig defraktalisieren würde, löst allein die Hyperenergie der resultierenden Explosion eine Kaskade aus, die das Gravitationsgefüge einer ganzen Galaxis zerstört.«
Perry Rhodan wurde bleich. »Ein Raumschiff soll eine ganze Galaxis vernichten können?«, fragte er.
Qumisha nickte. »Wenn unsere Theorie und unsere Berechnungen stimmen«, schränkte sie ein.
»Sie stimmen«, sagte Blitzer ungerührt. »Der Beweis wurde einst bei der Zerstörung der Galaxis Kohagen-Pasmareix erbracht. Aber für die SOL besteht kein Grund zur Sorge. Selbst wenn unsere Umgebung einen schädlichen Einfluss auf das Ricodin hat, wird das Carit im Rumpf ihn abschirmen.«
Roi Danton gab ein Schnauben von sich, das zwischen Amüsement und Herablassung lag, mit einer Prise Furcht darin. »Die SOL besteht schon seit fast dreihundert Jahren nicht mehr aus Carit. Das Metall hat seine hyperenergetische Komponente verloren und sich in Solonium verwandelt.«
Was, wie Qumisha wusste, trotzdem noch ein Material von phantastischer Widerstandsfähigkeit war, dessen Belastbarkeit weit über alles hinausging, was Menschen fertigen konnten. Aber so gut wie das sechsdimensional aufgeladene Carit aus den Werkstätten der Kosmokraten war es eben nicht.
»Das weiß ich«, beharrte Eroin Blitzer völlig nüchtern. »Bei der Passage durch das Sextadim-Intermitterfeld wird der Rumpf des Hantelschiffs mit Psi-Quanten übersättigt, die ihr als Eiris kennt. Das Solonium wird damit angereichert und verwandelt sich in Carit zurück. Ich habe doch gesagt, ich führe die SOL zu alter Stärke zurück.«
Die SOL wieder mit Carithülle! Das mussten alle Anwesenden erst einmal verarbeiten. Carit war durch konventionelle Waffen nicht zu beschädigen. Wenn die SOL den Transfer überstand, würde sie unzerstörbar sein.
Dieses Wenn war allerdings alles andere als sicher. Eine finstere Ahnung beschlich Tess Qumisha und konkretisierte sich, je mehr hyperphysikalische Formeln sie aus ihrem Gedächtnis hervorkramte.
»Das Carit ist kein Schutz«, widersprach sie leise. »Es ist die Ursache des Problems. Seine sechsdimensionale Strahlung führt zur Zerstörung des Ricodins. Wir müssen das stoppen, oder die SOL explodiert!«