Читать книгу Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12) - Madeleine Puljic - Страница 20
13.
ОглавлениеTess Qumisha kam wieder zu sich. Sie brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, dass sie sich auf der Medostation befand statt in ihrem Labor. Sie wollte etwas sagen, doch ihrem Hals entfuhr nur ein heiseres Krähen.
Mahlia Meyun kam zu ihr und reichte ihr einen Becher Wasser. »Trink! Wirkt Wunder.«
Qumisha tat wie geheißen und genoss die kühle Flüssigkeit in ihrer brennenden Kehle. »Wie lange ...« Einmal musste sie noch husten, dann ging es. »Wie lange habe ich geschlafen? Was ist passiert?«
»Wach bist du schon eine ganze Weile wieder«, sagte Meyun zu Qumishas Überraschung. »Aber weggetreten. Hast die ganze Zeit wirres Zeug geredet. Perry nennt es einen Strangeness-Schock, weil irgendwas bei unserem Durchgang durch den blauen Tunnel nicht nach Plan verlief. Die gesamte Besatzung war betroffen. Inklusive SENECA.«
Wow, dachte Qumisha. Meyun hatte sehr viel in wenige Sätze gepackt, das es erst mal zu verarbeiten galt. Das Einfachste davon: Zumindest war nun klar, warum sie heiser war.
Danach wurde es schwieriger. Strangeness? Wie kam Rhodan nur darauf?
Während immer mehr Hirnzellen sich betriebsbereit meldeten, ging ihr auf, dass der Gedanke gar nicht so abwegig war. Sie selbst hatte den Transport durch den Tunnel mit der Teletrans-Weiche verglichen, die genau einen solchen Schock verursachte. Und die kleinen Ricodin-Explosionen im Vorfeld der Katastrophe hatten nicht nur Erschütterungen hervorgerufen, sondern auch starke Übelkeit. Ein geläufiges Symptom bei Strangeness-Verschiebungen. Als Arbeitshypothese also definitiv nachvollziehbar.
»Die Frage wäre dann«, sagte sie, »ob der Transfer durch den Sextadimtunnel den Strangeness-Schock ausgelöst und nur die zwischenzeitliche Recaritisierung der Hülle uns vor der Wirkung bewahrt hat oder ob der Einsatz der Potenzialwerfer dafür verantwortlich war. Und warum das Ricodin vorher etwas Ähnliches ausgelöst hat. Vielleicht war es auch eine Kombination der drei Faktoren ...«
»Nicht schlecht«, sagte Meyun. »Die anderen haben länger gebraucht, um wieder auf diesem Niveau grübeln zu können. Glaubst du, du bist schon wieder fit?«
Qumisha hörte in ihren Körper hinein. Blendend ging es ihr nicht, aber schlimmer als bei einem schweren Schnupfen waren die Symptome auch nicht.
»Es geht«, sagte sie wahrheitsgemäß. »Könnte deutlich übler sein.«
»Na dann ...«, sagte Mahlia Meyun fast entschuldigend. »Du sollst dich bitte bei Perry melden. Er möchte dringend mit einem Hyperphysiker sprechen, und Benjameen ...« Sie deutete wortlos zum Nebenbett.
Qumisha drehte den Kopf und sah ihren Mann. Er starrte sie an, aber kein Erkennen war in seinen Augen zu sehen. Sie waren angsterfüllt aufgerissen.
Seine Lippen bewegten sich fortwährend. Tess Qumisha stand mühsam auf, ging die paar Schritte und beugte sich zu ihm hinab. »Die Flammen«, hörte sie, leise und gehetzt. »Zu schnell. Sie sind zu schnell. Die Flammen. Sie kommen. Sie sind überall! Zu schnell!«
In welchem Traum ihr Mann auch gefangen war – es schien eine ganz persönliche Hölle zu sein. Es überraschte sie nicht im Mindesten, dass die von Blitzer aufgezwungene und von Rhodan akzeptierte Mission sie in genau solche Situationen führte.
*
Als Tess Qumisha einige Minuten später die Zentrale des SOL-Mittelteils betrat, lief der Betrieb dort notdürftig, aber stabil. Sie erkannte Major Viena Zakata an der Ortung und Oberst Akim Xerayne an der Schiffsverteidigung, beide Solaner seit vielen Jahrzehnten. Andere Stationen wurden von Offizieren besetzt, die eigentlich in den SOL-Zellen oder auf der Beibootflottille ihren Stammplatz hatten. Fähige Leute allemal, aber eben ohne Erfahrung auf ihrem derzeitigen Posten.
Perry Rhodan saß auf dem Platz des Expeditionsleiters und wandte ihr den Rücken zu.
»Du wolltest mich sehen«, sprach sie ihn von hinten an.
Er drehte sich in seinem Sessel herum. »Ja«, sagte er. »Schau dir das bitte mal ...«
»Wie steht es um das Schiff?«, unterbrach sie ihn.
Er zog den Mund schief. »Wir lagen schon auf den Brettern, kommen aber langsam wieder hoch.«
Er musste ihr verständnisloses Gesicht richtig gedeutet haben.
»Vergiss es«, sagte er. »Eine Sportmetapher aus lang vergangener Zeit. Muss ich mir abgewöhnen. Beim Kampf gegen die Thoogondu wollte ich eine Militärtaktik mal mit einem Baseballvergleich verständlich machen ...«
Sie starrte ihn nur an.
Er winkte ab. »Egal. Keine akute Bedrohung, soweit wir das sehen«, berichtete er die Fakten nun gänzlich bildnisfrei. »Unsere Technik war fast vollständig ausgefallen. SENECA prüft alle Systeme und gibt sie nacheinander wieder frei. SENECA selbst läuft im reinen Positronikmodus. Die Waffensysteme sind bei fünfundfünfzig Prozent, der Unterlichtantrieb läuft halbwegs, vielleicht können wir auch transitieren – aber ohne Not sollten wir es nicht probieren. Ortung und Funk sind völlig hinüber, die Fehlersuche läuft. Da nützt es uns auch nichts, dass wir von Blitzer die linguistischen Daten zu den bekannten Sprachen Yahounas bekommen haben. Die Translatoren können nichts übersetzen, was sie mangels Funk nicht zu hören bekommen.«
Er holte Luft und machte weiter mit den positiven Nachrichten. »Dafür sind die ersten Beiboote wieder einsatzbereit. Wir schleusen gleich eins aus, das uns als Augen, Ohren und bei Bedarf auch als Sprachrohr dienen kann.«
»Alles wie üblich also?«, fasste Qumisha zusammen. »Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos?«
»Nicht für uns zumindest«, schränkte Rhodan ein. »Bist du bereit, dir etwas anzuschauen?«
Qumisha nickte.
Rhodan aktivierte ein Hologramm. Es zeigte eine zerstörte Stadt aus weißen, irisierenden Gebäuden. Helle, humanoide Roboter mit einer Greifhand und einem Waffenarm stampften durch die Straßen und trieben offensichtlich intelligente Lebewesen vor sich her: bekleidete Vierbeiner mit Fell in unterschiedlichsten Farben, die auf den ersten Blick an Hunde erinnerten. Auf den zweiten sah man die Unterschiede: Sie hatten Hauer, und ihre Augen waren tiefdunkelrot. Vor allem aber waren sie für Hunde viel zu groß, wenn man annahm, dass die Roboter von menschenähnlicher Größe waren.
Immer wieder wandten sich einige der Gejagten um und fielen ihre Wärter an. Mit bloßen Zähnen versuchten sie, die Roboter zu besiegen. Ohnehin ein sinnloses Unterfangen, aber sie kamen nicht einmal bis an ihr Ziel, sondern wurden meist noch in der Luft von einem Thermostrahl getroffen und fielen tot zu Boden.
Ihre Peiniger interessierten sich nicht für die Toten. Sie jagten die Überlebenden auf einen großen, hell strahlenden Energiebogen zu. Wer durch die leuchtende Fläche trat, kam auf der anderen Seite nicht wieder hinaus.
»Was ist das für ein Ding?«, fragte Rhodan. »Was machen die mit ihren Opfern?«
Qumisha schauderte angesichts der Brutalität und Kompromisslosigkeit des Geschehens. »Keine Ahnung«, sagte sie leise. »Ein Transmitter?«
Rhodan schüttelte den Kopf. »Wenn, dann können wir zumindest keins der Signalmuster empfangen, die normalerweise mit Transmitteraktivität einhergehen.«
»Wo kommen die Bilder her?«, fragte Qumisha. »Ich dachte, die Ortung läuft nicht.«
»Roi hat von Hand ein paar Sonden gestartet«, antwortete Rhodan. »Eine schwebt über dem dritten Planeten und überträgt in Echtzeit. Wir haben eine Relaiskette zusammengeschustert und eine funktionsfähige Anzugfunkeinheit mit einem Bildkanal der SOL verdrahtet. So können wir zumindest empfangen, was da vor sich geht, bis unsere bordeigenen Sensoren wieder funktionieren.«
Die kalte Geschäftsmäßigkeit, mit der die Roboter agierten, erschütterte Qumisha. Die gehetzten Planetarier wehrten sich mit dem Mut der Verzweiflung, hatten jedoch keine Chance.
Sie ahnte, was Rhodan vorhatte. Nicht unser Kampf, sagte sie sich leise. Die SOL ist nicht einsatzfähig! Wir dürfen nicht mal daran denken!
»Gib mir die Daten«, bat sie. »Ich sehe, was ich herausfinde.«
Vielleicht war alles ganz anders. Vielleicht wurden die Wesen tatsächlich irgendwohin transportiert, aber auf eine den Menschen bislang unbekannte Weise. Vielleicht sah es nur so aus, als würden ihre Körper gnadenlos entmaterialisiert ...
»Darum wollte ich dich bitten«, sagte Rhodan. »Wir ...«
Ein Alarmzeichen unterbrach ihn. Das Holo schaltete auf eine Übertragung des Luftraums über dem Planeten um, wie eine weitere Sonde der Relaiskette ihn sah.
Von der Oberfläche erhoben sich einige Geschwader kleiner, sichelförmiger Raumschiffe. Es mochten über tausend Einheiten sein. Als sie aufstiegen, eröffneten sie das Feuer auf einen anderen Schiffstyp, vier- und fünfflächige Pyramiden in verschiedenen Größen. Aus dieser Perspektive erkannte Qumisha, dass der leuchtende Bogen von einem dieser Raumschiffe projiziert wurde. Und dass es an mehreren anderen Stellen weitere ähnliche Bogen gab. Die Tragödie, die sie gesehen hatte, war nicht einmalig. Sie spielte sich an etlichen Orten gleichzeitig ab.
»Und das da ist das Mutterschiff.« Rhodan lenkte ihre Aufmerksamkeit auf einen gewaltigen Tetraederstumpf am äußersten Rand des Erfassungsbereichs, erheblich größer als die kämpfenden Einheiten. »Dort setzen wir an, wenn wir das hier unterbinden wollen.«
»Das ist nicht unser Kampf«, sagte Qumisha zögerlich, aber hörbar.
Rhodan sah sie nachdenklich an.
Für einige Sekunden verfolgten sie den Verlauf der Schlacht. Die Sichelraumer kämpften tapfer, doch sie hatten keine Chance. Es wirkte sogar, als spielten die Pyramidenschiffe mit ihnen. Ihr Kommandeur kostete seine völlige Überlegenheit aus, ohne dass auch nur eins seiner Boote ernsthaft gefährdet wurde.
Unter den Sichelraumern hingegen häuften sich die Verluste. Und wenn das Schicksal der Hundeartigen im Energiebogen unklar sein mochte: Bei den Raumfahrzeugen lag auf der Hand, was geschah. Jede explodierende Sichel beendete wohl mindestens ein intelligentes Leben.
Tess Qumisha presste die Lippen aufeinander. Sie schloss die Augen, atmete durch und öffnete sie wieder.
»Das ist keine Schlacht«, stellte sie fest. »Das ist ein Massenmord.«
Sie wusste ohnehin, was Perry Rhodan tun würde. Aber er hatte recht damit.
»Es muss sein«, sagte sie leise. »Sorg dafür, dass das aufhört.«