Читать книгу Damian - Madlen Schaffhauser - Страница 22

18.

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Wie immer ist er tadellos gekleidet, strahlt eine unantastbare Autorität aus und trotzdem frage ich ihn viel gefasster, als ich es tatsächlich bin: „Was willst du hier, Damian?“

Seine Augen funkeln gefährlich dunkel, während er mich von Kopf bis Fuss mustert. Sein Gesicht ist versteinert wie eine Maske. Keine einzige Gefühlsregung ist zu erkennen.

„Warum bist du nicht mit Pietro gegangen, so wie ich es angeordnet habe?“

Langsam empöre ich mich über seine arrogante Sichtweise. Obwohl es mich sehr viel Anstrengung kostet, halte ich meine Stimme im Zaun, denn meine Nachbarn brauchen unseren Streit nicht mitzubekommen. „Ich kann immer noch selbst entscheiden, was ich möchte und was nicht. Ich bin durchaus kein Spielzeug, das du benutzen kannst, wann immer dir gerade danach ist und wenn du keinen Nutzen dafür hast, in die Ecken werfen darfst.“

„Was für einen Unsinn redest du da?“ Seine Augen blitzen beängstigend. Sein Mund ist ein gerader Strich.

Bei jedem Atemzug hebt und senkt sich mein Brustkorb heftig und mein Herz klopft wild dagegen. Langsam macht er mir Angst, wie er mich wutentbrannt ansieht. Schon einmal habe ich einen solchen Ausdruck in den Augen eines Mannes gesehen, kurz bevor er sich auf mich stürzte. Instinktiv gehe ich einen Schritt zurück. „Ich möchte, dass du gehst.“

Plötzlich geht alles viel zu schnell. Ich spüre Damians Hände, die schmerzhaft fest meine Arme umklammern und höre, wie die Tür hinter uns mit einem lauten Knall ins Schloss fällt. Seine sonst so zarten Lippen fühlen sich hart und unnachgiebig an, als er seinen Mund auf meinen legt. Wie durch einen Nebel erlebe ich, wie er den Bademantel öffnet und grob eine Brust drückt. Seine Lippen fahren über meine Wange und beisst mich dann in den Hals. Verzweifelt versuche ich mich von ihm zu lösen, doch er ist viel zu stark. Panik steigt in mir auf und ich trete erschrocken um mich. Tränen fliessen aus meinen Augen.

„Hör auf, Michael! Bitte hör auf!“

Ich bekomme kaum mehr Luft und als ich schon glaube zusammenzubrechen, lässt er mich abrupt los.

Weinend kauere ich mich auf dem kahlen Boden zusammen und ziehe die Beine mit meinen zitternden Händen fest an den Brustkorb. Lange bleibe ich so liegen, bis die letzte Träne versiegt ist und sich mein Pulsschlag wieder normalisiert hat.

Irgendwann drehe ich meinen Kopf und sehe wie Damian am anderen Ende des Raumes an die Wand gelehnt am Boden sitzt und seinen Kopf auf die Knie gelegt hat. Ich dachte er wäre verschwunden, umso verwunderter bin ich, dass er noch hier ist.

„Vergib mir.“ sagt er kaum hörbar, sein Kopf immer noch in den Händen verborgen.

Ich glaubte schon, ich hätte mir die Worte nur eingebildet, doch als er sie wiederholt, aber mich dabei immer noch nicht ansieht, erkenne ich, dass er über sein Tun ebenso entsetzt ist, wie ich.

„Oh Jess, vergib mir. Bitte vergib mir.“

„Warum hast du das getan?“ Nur stockend und durch trockene Schluchzer unterbrochen, bringe ich die Frage heraus.

„Ich habe rot gesehen.“

Langsam löse ich mich aus meiner zusammengekauerten Haltung. „Wieso?“

„Du hast dich meiner Bitte widersetzt. Du wolltest mich nicht sehen.“

„Und das gibt dir einen Grund , sich auf mich zu stürzen? Mich mit Gewalt zu nehmen?“ frage ich ungläubig.

„Nein. Auf keinen Fall.“

Als sich unsere Blicke treffen, glaube ich grosse Verwirrung in seinen Augen zu lesen. Gerne würde ich zu ihm gehen, mich an seine Brust schmiegen und alles vergessen, was soeben geschehen ist. Doch so einfach ist es nicht und als er sich auf mich zubewegt, hebe ich die Hand, um ihn zu stoppen.

Weitere Minuten verstreichen, bis er die bedrückende Stille durchbricht. „Wer ist Michael?“

Erschrocken halte ich den Atem an und starre mit offenem Mund in sein Gesicht. „Woher weisst du von Michael?“

Ein mitfühlender Ausdruck erscheint auf seinem Gesicht. „Du hast ihn gebeten aufzuhören.“

„Nein!“ Ich schlage die Hände vor meinen Mund, um die Schreie zu dämpfen, die sich tief aus meiner Kehle lösen. Kniend schaukle ich meinen Körper vor und zurück und neue Tränen strömen über mein Gesicht. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Nur Bilder aus der Vergangenheit laufen wie ein Film vor meinem geistigen Auge ab. Ich sehe ihn deutlich, wie er die Pistole auf mich richtet und mich rückwärts drängt, bis ich plötzlich über eine Baumwurzel stolpere und zu Boden falle. Und dann stürzt er sich auf mich, schiebt mein Kleid nach oben und öffnet sich die Hose. Grausame Erinnerungen stechen wie ein Stacheldraht in meinen Körper, erschweren mir das atmen, lassen mich ein weiteres Mal durch die Hölle gehen.

„Jess.“

Sanfte Worte und langsame Berührungen beruhigen mich allmählich. Schliesslich erwache ich aus meiner schrecklichen Trance und finde mich in Damians Armen wieder. Ich möchte mich schon aus seiner Umarmung befreien, aber er hält mich mit einem lindernden Druck fest.

„Ich bin bei dir. Es ist alles gut. Ich bin da.“

„Es wird nie gut werden.“

„Erzähl es mir.“ bittet er mich, während er mir über die Haare streicht.

„Das kann ich nicht.“ flüstere ich an seiner Brust.

Irgendwann hebt mich Damian hoch und trägt mich in mein Schlafzimmer, legt mich ins Bett, kriecht hinter mich und deckt uns zu.

Als ich erwache, muss ich mich erst orientieren. Doch schon im nächsten Augenblick erinnere ich mich wieder an alles und das bedrückende Gefühl vom Abend zuvor, kehrt wieder zurück.

„Wie geht es dir?“ fragt er mich an meinem Ohr.

„Nicht so gut.“ Mit einem Mal verspüre ich den Wunsch, Damian alles zu erzählen. In diesem Moment habe ich keine Angst davor, was er von mir halten könnte, wenn er alles erfahren hat, sondern glaube, dass es in Zukunft vieles vereinfachen wird.

Ich drehe mich auf die andere Seite und sehe ihm geradewegs in seine warmen und sorgenvollen Augen. Zwar brauche ich mehrere Anläufe, um den Anfang zu meistern, schlussendlich gelingt es mir aber die richtigen Worte zu finden. „Michael ist mein Ex-Freund. Wir waren über fünf Jahre zusammen und ich dachte, wir würden unser ganzes restliches Leben miteinander verbringen.

Wir verstanden uns gut, respektierten uns und gingen liebevoll miteinander um. Ich glaubte er wäre der Richtige, aber dann wurde ich schwanger, was alles veränderte. Nein, er hat mich nicht verlassen, weil ich ein Kind von ihm erwartete.“ beantworte ich seine stumme Frage. „Er hat sich sogar riesig darüber gefreut und ich dachte, er würde mir bald einen Heiratsantrag machen, denn wir haben viel über die Zukunft geredet und es stand ausser Frage, dass wir irgendwann heiraten würden.“ Ich muss den dicken Kloss in meinem Hals herunterschlucken, bevor ich weiterreden kann. Meine Hände sind krampfhaft ineinander verschränkt. „Eines Morgens, ich war in der achten Schwangerschaftswoche, wachte ich auf, weil ich höllische Schmerzen im Unterleib verspürte und als ich an mir hinabsah, war alles voll von meinem Blut. Ich war so starr vor Schreck und Angst, dass ich mich nicht rühren konnte. Plötzlich stand meine Frauenärztin neben mir. Ich habe gar nicht mitgekriegt, wie Michael sie angerufen hat. Er hat richtig reagiert, während ich nur bewegungslos dasass und auf meine roten Schenkel starrte. Ich werde die mitleidige Miene meiner Ärztin und Michaels Fassungslosigkeit niemals vergessen, als sie mir verkündete, dass ich mein Baby verloren hätte.“ Während ich über meine Fehlgeburt rede, glaube ich für einen Bruchteil einer Sekunde einen traurigen und schmerzhaften Ausdruck in seinen Augen zu lesen, der sich nicht mit meinem Schicksalsschlag verbinden lässt. Aber er ist so schnell wieder verschwunden, wie er da war, dass ich mich schon frage, ob ich es mir nur eingebildet haben könnte.

Er dreht sich auf den Rücken und zieht mich an sich. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und höre seinen gleichmässigen Herzschlag. Längere Zeit schweigen wir, bis er schliesslich die Stille durchbricht, mit jener Frage, die ich erwartet habe.

„Was hat er dir angetan?“ Seine Stimme klingt gefährlich ruhig.

Obwohl ich dachte, ich hätte vor einigen Stunden alle Tränen vergossen, verschleiern sie mir abermals die Sicht. „Er gab mir die Schuld daran, dass das Baby gestorben ist. In den ersten beiden Wochen nach der Fehlgeburt benahm er sich ganz normal. Er pflegte und umsorgte mich. Doch als ich ihm sagte, dass ich wieder zur Arbeit wolle, schlug er mir unerwartet ins Gesicht und brüllte mich an, ich sei eine Babymörderin. Ich alleine habe den Tod unseres Kindes zu verantworten. Nur weil ich so karrieregeil sei, sei das Baby gestorben.“ Ein klagendes Seufzen dringt aus meiner Kehle. „Es stimmt, ich liebte meinen Job. Ich hatte erst kurze Zeit vor meiner Schwangerschaft eine anspruchsvolle Stelle angetreten und ich wollte meinem Chef beweisen, dass ich es kann. Dass ich geschaffen für den Job sei. Darum arbeitete ich viel und hart. Michael hatte auch nichts dagegen. Damals.

Zuerst dachte ich, er müsse, das was passiert ist, noch immer verarbeiten, er sei nach wie vor nicht darüber hinweg. Genauso wenig wie ich. Aber als er am nächsten Tag wieder auf mich losging, diesmal war es nicht nur ein Schlag ins Gesicht, da wurde mir klar, dass ich verschwinden musste. Als er am nächsten Morgen zur Arbeit ging, packte ich meine Sachen und wohnte seit da bei meinem Dad, bis ich nach England zog.“

Er legt seinen Daumen unter mein Kinn und hebt mein Gesicht an. „Warum bist du hierhergekommen?“ fragt er mich in ruhigem Ton.

Ich schliesse meine Augen und wünsche mir, er würde mich nicht so voller Mitleid betrachten. Aber noch mehr wünsche ich mir, er würde nicht weiterfragen. Nicht weiter in der Wunde bohren.

Als ich nicht antworte, stellt er seine Frage ein weiteres Mal. „Warum bist du hierhergekommen? Warum hast du deine Stelle aufgegeben, für die du so hart gearbeitet hast? Warum hast du deinen Vater noch nie besucht, seit du in London lebst?“

„Bitte zwinge mich nicht darüber zu reden.“ Mein Körper ist völlig angespannt. Ausser mit meinem Vater und Sandy habe ich mit niemandem darüber gesprochen. Ich habe all die schrecklichen Gedanken und Gefühle, die mich an jenen Tag fesseln, zusammengepackt und in die hinterste Ecke meiner Seele gesperrt. Doch seit ich Damian kenne, treten sie immer häufiger an die Oberfläche und versetzen mich in Angst und Schrecken.

„Sieh mich an.“ Er umschliesst mit seinen Händen mein Gesicht und fährt sanft über meine geschlossenen Lider. „Sieh mich an, Jess.“ bittet er mich liebevoll, aber bestimmt.

Ich öffne meine Augen und sehe ihn direkt an.

Er reibt die Tränen von meinen Wangen und hält mein Gesicht weiter fest. „Ich tue dir nichts. Ich könnte dir nie jemals wehtun. Ich bin nicht er.“ Er streicht mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Ich fühle, dass du mir das Schlimmste noch nicht erzählt hast.“

Wie recht er doch hat. Aber bin ich bereit dafür auch den Rest zu erzählen?

„Ich bin hier.“ Seine weiche Stimme bringt mich zum weiterreden.

„Nach meinem Auszug aus unserer gemeinsamen Wohnung schikanierte er mich täglich. Mit üblen SMS, Telefonanrufen oder hässlichen Fotos von blutenden oder toten Kindern, die er aus irgendwelchen Internetseiten haben musste. Das ging über mehrere Wochen so, doch dann hörte es von einem Tag auf den anderen auf. Er liess mich einfach in Ruhe. Eigentlich hätte ich schon da wissen sollen, dass etwas nicht stimmt, dass er irgendwas planen würde. Nur war ich so glücklich darüber, dass er mich endlich in Frieden liess, dass ich mir nichts dabei gedacht habe.

Zwar wusste Michael, wo ich wohnte, aber er tauchte nie vor Vaters Haus auf. Dafür hatte er wohl zu viel Respekt. Drei Wochen später, als ich dachte mein Leben würde schliesslich wieder seinen normalen Gang nehmen, stand er plötzlich an der Tür. Michael musste mich weiter beobachtet haben. Denn mir erschien es nicht als Zufall, dass er an der Haustür meines Vaters auftauchte, gerade dann, während mein Dad nicht da war. Mein Ex bat mich mit schuldbewusster Miene um Entschuldigung und schlug einen gemeinsamen Spaziergang vor.

Er tat mir in jenem Zeitpunkt leid, schliesslich hat auch er sein Kind verloren und gab ihm deshalb eine Gelegenheit mir zu erklären, warum er sich so gemein benahm. Ich setze mich zu ihm in den Wagen und wir fuhren an einen Waldrand, an dem wir uns schon oft aufgehalten haben.. Nachdem wir einige Minuten gegangen sind, packte er mich überraschend am Arm und zerrte mich zwischen die Bäume. Seine Pistole habe ich erst bemerkt, als er sie mir geradewegs vor das Gesicht hielt. Seine reumütige Miene ist einem gefühllosen und unberechenbarem Gesichtsausdruck gewichen. Er beschimpfte mich als eine Mörderin, falsche Schlange und selbstsüchtiges Weib. Immer weiter stiess er mich rückwärts in den Wald hinein. Weiter weg von dem eigentlichen Pfad. Ich bat ihn, mir nichts zu tun, doch er lachte nur über mein Betteln. Keine Ahnung wie weit wir gegangen sind und was hinter mir war oder wo ich hintrat und plötzlich verfing sich mein Fuss in einer Wurzel. Ich fiel auf den Boden und fast gleichzeitig stürzte er sich auf mich. Er zerrte an meinen Kleidern, während er mit seiner Waffe vor meinem Gesicht herumfuchtelte und als er seine Hose öffnete, wusste ich, dass das meine letzte Chance war, mich zu retten.

Ich werde Sandy niemals genug danken können, dass sie mich vor einer Ewigkeit zum Selbstverteidigungskurs schleppte. Ich trat Michael gezielt zwischen die Beine. Als er dann nach hinten taumelte, sprang ich auf die Füsse und noch bevor er mitbekam, was da vor sich ging, wendete ich geschickt ein paar Selbstverteidigungsgriffe an und rannte um mein Leben.

Keine Woche später war ich hier in London.“

„Mein Gott, Babe.“ Damian drückt mich fest an sich, so dass es beinahe wehtut. Beruhigend fährt er über meinen Rücken und lässt mich keinen einzigen Augenblick los.

Erst als bereits die Morgendämmerung beginnt und ich mich wieder gefangen habe, stellt er mir die erste Frage, seit ich ihm meine Vergangenheit anvertraut habe. „Warst du bei der Polizei?“

Ich löse mich aus seiner Umarmung, richte mich auf und umklammere meine Beine. „Nein.“

„Warum nicht.“ Er setzt sich ebenfalls hin.

„Weil mir sowieso niemand geglaubt hätte.“

„Das kannst du doch nicht wissen.“

„Oh doch. Die Polizei ist sein Kumpel.“

Damian

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