Читать книгу Damian - Vertrauen - Madlen Schaffhauser - Страница 10
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Wir sitzen noch immer auf der Bank, so dass wir uns an der Seite berühren. Halten aber beide die Hände im Schoss gefaltet. Ganz genau darauf bedacht, dem anderen nicht zu nahe zu treten. Beide brauchen einen Moment für sich.
Aus meinem Augenwinkel erkenne ich, wie sich sein Brustkorb in groben Bewegungen hebt und senkt. Wahrscheinlich nicht weniger schnell als meiner. Irgendwie bin ich aufgewühlt und wiederum auch nicht. Es ist schwierig all das zu verdauen, was er mir eben offenbart hat, sowie seine derbe Aussprache bezüglich der Frauen die er hatte und doch bin ich unglaublich erleichtert, dass er endlich all das ausgesprochen hat, was ihn beschäftigt.
Obwohl ich über seine Enthüllungen empört sein müsste, bin ich es nicht. Dass er viele Frauen hatte, konnte ich mir denken. Wie viele es waren, möchte ich lieber nicht erfahren. Seit Beginn unserer Beziehung habe ich mir gewünscht, dass er ehrlich zu mir ist und dass er mir seine Vergangenheit erzählt. Und genau das macht er seit gestern Abend.
Nachdem was er mir anvertraut hat, kann ich mir kaum vorstellen, dass er mir noch irgendwas Schreckliches verheimlicht. Aber ich habe noch ein paar Fragen, auf die ich gerne Antworten hätte und wenn ich ihn nicht jetzt danach frage, wann dann?
„Raus mit der Frage.“
Es überrascht mich immer wieder, wie gut er mich kennt und wie es mir gleichzeitig das Herz erwärmt. Ich lege mir die Worte zurecht und hole tief Atem, bevor ich mit meiner Fragerei beginne. „Wen hast du an Weihnachten besucht?“ So jetzt ist es endlich raus.
Wenn ich ihn nicht genau betrachten würde, würde mir sein Blinzeln gar nicht auffallen, so schwach zucken seine Lider.
„Meine Eltern.“ antwortet er knapp, aber er antwortet.
Ich spüre ganz deutlich, dass da noch mehr dahintersteckt. „Und darum konntest du nicht mit mir telefonieren? Darum musstest du so geheimnisvoll tun?“
„Jede Weihnachten reise ich in die Schweiz, um Helens Familie, meine Schwiegereltern, zu besuchen.“
Sollte ich wütend, enttäuscht oder gar verletzt sein, dass er die Familie seiner verstorbenen Frau besucht? Nein, auf keinen Fall. „Du hättest es mir schon viel früher erzählen sollen. Es hätte vieles einfacher gemacht.“ Wenn ich an die Tage zurückdenke, als wir zusammen in der Schweiz waren, er irgendwo Nahe Zürich und ich in der Ostschweiz, wird mir schwer ums Herz. Nicht gerade selten fühlte ich mich damals verarscht, wütend, verletzt und war eifersüchtig.
„Mir ist klar, dass ich in jenen zwei Tagen nicht nett zu dir war. Aber ich konnte dir einfach nicht sagen, wo ich mich aufhielt. Es war zu früh. Du solltest jedoch wissen, dass du mir jede einzelne Minute gefehlt hast. Ich fand es schrecklich nicht mit dir darüber reden zu können. Trotzdem,“ Er hält kurz inne und stützt den Kopf auf seine Hände. „ich konnte es nicht. Du musstest mir erst den Kopf waschen, bis ich begriffen habe, dass ich dich nicht weiter auf Distanz halten konnte. Es tut mir leid. Vor allem aber bereue ich, dass er dich in die Hände bekam. Das werde ich mir nie verzeihen können.“
Sofort jagt es mir eine Gänsehaut über den Körper, wenn ich an die Attacke von meinem Ex denke. „Es ist nicht deine Schuld.“ Ich ziehe ihm seine Rechte vom Gesicht, damit ich ihn ansehen kann. „Ich wusste, dass ich nicht ohne Warren raus sollte und habe es dennoch getan.“
„Nur, weil ich mich wie ein mieses Arschloch verhalten habe.“
„Vielleicht.“ Ich versuche es mit einem schwachen Lächeln. Ich möchte ihm damit zu verstehen geben, dass ich mit dieser Sache abgeschlossen haben. Jedenfalls so gut ich kann.
„Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn du ernsthaft verletzt werden würdest.“
„Du bist bei mir, da kann mir nichts geschehen.“
Damian dreht seinen Kopf in meine Richtung und sieht mich mehrere Sekunden lang an. Dann legt er seine Hände auf meine vor Kälte glühenden Wangen, bevor sich sein warmer Mund meinem nähert.
Die Sonne verschwindet bereits hinter den Bäumen, als wir uns auf den Rückweg machen. Pietro geht in einiger Entfernung hinter uns her, während Damian meine Hand hält. Es ist nur Händchen halten, aber es bedeutet mir unheimlich viel, da Damian nicht zu jenen Personen gehört, die sich in der Öffentlichkeit mit jemandem intim zeigen wollen.
Ich verstärke meinen Griff, weil mir etwas schon lange auf der Zunge liegt und ich nicht möchte, dass sich Damian von mir löst.
„Kann ich dir eine Frage stellen?“
„Nur zu.“
„Wer ist Susanne?“ Ich habe da so eine Ahnung, möchte es nur noch von ihm bestätigt haben.
„Sie ist meine Schwägerin.“
Ich habe es vermutet und nun habe ich endlich die Gewissheit, die ich brauche, um wieder frei durchatmen zu können. Ich hege eine Gewisse Abneigung gegen sie, obwohl es nicht wirklich fair gegenüber ihr ist. Sie hat mehrfach versucht zwischen Damian und mir Zwietracht zu säen, was ihr glücklicherweise nicht gelungen ist. Und seit Damian mir von seiner Vergangenheit erzählt hat, kann ich sie auf irgendeine verschrobene Weise verstehen, so komisch sich das jetzt auch anhören mag. Ihre Schwester ist urplötzlich aus dem Leben gerissen worden und dann komme ich und dränge mich zwischen sie und ihren Schwager. Wer würde da nicht ähnlich reagieren?
„Sie ist nur meine Schwägerin.“ beantwortet er noch einmal meine Frage. Dabei sieht er mir fest in die Augen. „Ich kenne sie beinahe mein ganzes Leben. Sie ist sowas wie eine grosse Schwester. So wie sie es für Helen war.“ Als er den Namen seiner Frau ausspricht, gerät er leicht ins Stocken. „Du brauchst nicht eifersüchtig auf Susanne zu sein. Niemals.“
Das hat er mir schon einmal gesagt. Doch da bin ich noch nicht dahintergekommen, wie sie zueinander stehen, aber nun ist alles ziemlich eindeutig.
„Jetzt wo ich alles weiss, ist es kein Problem mehr für mich, dass du dich so gut mit ihr verstehst. Ich finde es sogar sehr schön, dass du noch so einen engen Kontakt zu deiner Schwiegerfamilie hast. Das können wahrscheinlich nicht viele. Ich bewundere dich dafür.“
Ich kann seinen Blick nicht ganz deuten, mit dem er mich betrachtet. Er verschleiert sich immer mehr. Aus Trauer oder Zuneigung?
„Danke.“ sagt er schlicht und sieht mich mit einem ehrlichen Lächeln auf dem Gesicht an und ich gebe es ihm zurück.
„Was hat dich dazu gebracht nach England auszuwandern?
„Linus.“
„Linus?“ wiederhole ich verwundert den Namen seines besten Freundes.
„Er kam zur Beerdigung und blieb für ein paar Tage bei mir. Während er versucht hat, mich wieder aufzubauen, habe ich nur weiter dicht gemacht und mich jeden Tag besoffen und ihn dann irgendwann vertrieben, obwohl er nur mein Bestes wollte.
Als mir die Sauferei nicht mehr genug Befriedigung gab, fing ich an zu prügeln. Ich fand einen Club, der illegale Kämpfe ausführte. Die ersten paar Mal bekam ich ordentlich was auf den Kopf. Aber mit der Zeit wurde ich richtig gut und es hat mir gefallen, wie die anderen unter meinen Schlägen zusammenbrachen.“ Er lacht verbittert auf. „Ich glaubte wirklich, dass ich auf dem richtigen Weg sei. Ich dachte, ich könnte mich so an dem Tod meiner Frau und Tochter rächen und habe so lange weitergemacht, bis Linus plötzlich wieder vor meiner Tür stand. Er hat mich praktisch aus meinem Dämmerzustand gerissen und mich nach London gezerrt. Es hätte mir nichts Besseres passieren können, als Rose und ihrem Mann zu begegnen. Während ich in den ersten Monaten bei Linus wohnte, kamen sie fast täglich vorbei. Ich kann dir nicht sagen, was sie gemacht oder gesagt haben, das mich wieder auf die richtige Bahn brachte, aber sie schafften es und dafür werde ich ihnen immer dankbar sein. Sie waren die beste Hilfe, die ich mir überhaupt wünschen konnte, um mit dem Tod von Luna und Helen umgehen zu können.“
Meine Stimme zittert leicht, als ich ihm eine weitere Frage stelle. „Warum ist der andere auf eure Strassenseite geraten?“
Er holt mindestens ein Dutzend Mal tief Luft, bevor er mir antwortet. Ich kann ihm ansehen, dass ihn meine Frage aufwühlt, trotzdem beantwortet er sie ziemlich ruhig. Seine Hand noch immer in meiner. „Er war ein verwirrter, alter Mann.“
„Hat er den Unfall überlebt?“
„Ja.“
„Und wie geht es dir damit?“
„Anfangs wollte ich ihn umbringen. Ich wollte, dass er in der Hölle schmort. Dass er niemals mehr gehen kann und dass er seit dem Unfall an den Rollstuhl gefesselt ist, konnte mich damals nicht beruhigen. Schliesslich hat er mir das genommen, was ich am meisten liebte. Einfach so.“ Er hält kurz inne und ein schwaches Schmunzeln umspielt seine Mundwinkel. „Doch heute haben wir so was wie eine Art freundschaftlicher Verbindung.
Verblüfft reisse ich die Augen auf und sehe ihn von der Seite an. „Freundschaftliche Verbindung?“
Er zuckt mit den Schultern. „Erstaunlich, nicht wahr?“
„Allerdings. Verrätst du mir, wie es dazu kam?“
„Er hat mich oft angerufen und mich um Verzeihung gebeten. Aber ich war nicht bereit zu verzeihen. Nie. Es kamen Briefe, Karten, doch ich habe auf kein einziges Schreiben geantwortet. Am Telefon habe ich ihn angeschrien und ihn Mörder genannt.“
Oh Gott. Mir gefriert das Blut in den Adern, als ich den wütenden, verletzten Damian vor meinem inneren Auge sehe, der den anderen Mann aufs übelste beschuldigte und beleidigte. Auch wenn ich Damian verstehen kann, habe ich doch plötzlich Mitleid mit dem Unfallverursacher.
„Warum...“
„Warum es anders kam?“ spricht er die Frage für mich aus. „Eines Abends stand er vor meiner Tür. Ich hatte das Gefühl von Gott verarscht zu werden und bin auf ihn losgegangen. Auf einen alten, wehrlosen Mann in einem Rollstuhl. Gerade als ich meine Faust hob, um ihm in sein Gesicht zu schlagen, zerbrach irgendwas in mir und zwang mich auf die Knie. Minutenlang blieben wir schweigend voreinander. Er sitzend, ich kniend.
Ich habe gar nicht bemerkt, dass mir die Tränen über die Wangen liefen. Erst als er die Hand hob und mir zitternd über den Kopf strich. Ich wollte ihn abwimmeln, hatte aber keine Kraft mich zu wehren. Als ich meinen Blick auf sein Gesicht richtete und in seine tränenden Augen sah, erkannte ich, dass er alles tun würde, um den Unfall ungeschehen zu machen. Dass er sich selbst nicht verzeihen konnte, was damals geschah.
Zu meiner eigenen Verblüffung stand ich auf, trat hinter seinen fahrenden Stuhl und schob ihn in mein Haus. Wir haben stundenlang geredet, geweint und wieder geredet. An jenem Tag konnte ich ihm irgendwie vergeben und haben es uns zur Gewohnheit gemacht, uns einmal im Jahr an ihren Gräbern zu treffen.“
Mir bleiben die Worte weg. Ein weiteres Mal beweist er mir, was für ein herzensguter und selbstloser Mensch er ist und meine Liebe zu ihm wächst immer mehr.
Noch vor einem Tag glaubte ich, dass es aus wäre zwischen uns, dass wir keine Chance mehr hätten, doch in nur wenigen Stunden hat sich alles in die andere Richtung gedreht. Er hat sich mir geöffnet und beantwortet mir alles, was ich von ihm wissen möchte.
Im Moment könnte ich nicht glücklicher sein.
Es ist bereits dunkel, als wir in Knightsbridge ankommen. Es war ein Tag voller Enthüllungen, die ich wahrscheinlich noch während den nächsten Tagen zu verdauen habe. Aber ich möchte ihn um nichts in der Welt ungeschehen machen. Auch wenn das bedeuten würde, dass ich die vergangenen Tage nochmals durchleiden müsste. Es brauchte unseren Streit, unsere Trennung, damit Damian endlich über seinen Schatten springen und mir alles erzählen konnte, was in seinem Leben passiert ist.
Gerade als ich mit einem Handtuch über meine nassen Haare fahre und so in das Schlafzimmer komme, klingelt mein Handy. Ich tippe auf Dad oder Sandy, obwohl es auch Mira oder Rose sein könnten.
„Hallo.“
„Jessica, meine Kleine.“ ertönt die Stimme meines Vaters.
„Was ist los?“ frage ich ihn sofort, weil er ziemlich besorgt klingt.
„Geht es dir gut?“
„Ja, warum sollte es mir nicht gut gehen?“
„Sandy hat mich heute angerufen und sich Sorgen um dich gemacht. Schliesslich hast du dich in den letzten beiden Tagen nicht gemeldet. Weder bei ihr, noch bei mir. Wir haben versucht dich zu erreichen, aber wir kamen immer auf den Anrufbeantworter. Sie meinte, dass du bei eurem letzten Telefonat etwas durcheinander gewesen wärst. Also, was ist los?“
„Alles ist gut.“ Und nachdem Damian und ich uns ausgesprochen haben, ist wirklich alles gut.
„Sicher?“ hakt mein Dad nach.
„Ja.“ Ich erzähle ihm von dem Streit zwischen Damian und mir und von dem bevorstehenden Umzug, lasse aber die Details aus. Er braucht diese nicht zu wissen, ausser Damian ist irgendwann bereit sie meinem Vater selbst zu erzählen. Allerdings müssten sie sich dafür erst einmal kennenlernen.
„Du ziehst also bei ihm ein?“
„Ja.“ antworte ich etwas verlegen. „Du bist nicht gerade begeistert davon. Ich kann es in deiner Stimme hören.“
„Ich bin vielleicht ein wenig überrascht, mehr nicht.“
„Mache ich möglicherweise einen Fehler?“ möchte ich von meinem Vater wissen. Obwohl ich vor ein paar Stunden überhaupt keine Zweifel hatte, überkommt mich jetzt doch eine gewisse Skepsis.
„Du liebst ihn und anscheinend bedeutest du ihm ebenfalls sehr viel. Also warum so viele Gedanken? Lass dem ganzen einfach seinen Lauf und geniesse es. Obwohl...“
„Obwohl was?“ hacke ich nach, als er nicht weiterspricht.
„Ich würde ihn gerne einmal kennenlernen. Schliesslich möchte ich wissen, mit wem meine Tochter ihr Leben verbringt.“
Genau das ging mir vor wenigen Minuten ebenfalls durch den Kopf. Aber das Damian so seine Probleme damit hat, brauche ich meinem Dad nicht unter die Nase zu binden. „Es wird sich sicher bald mal geben, dass wir in die Schweiz kommen oder du nach London.“
„Ach Kleine.“ seufzt er in den Hörer.
Klar weiss ich, dass mein Vater niemals in ein Flugzeug steigen wird. Trotzdem wünsche ich mir, dass er eines Tages sein Auto nimmt und nach England fährt, um zu sehen, wie und wo ich lebe.
„Ich wollte dich nur aufziehen.“ versuche ich die Atmosphäre, die plötzlich nach unten zu sinken droht, zu lockern.
„Deine Gemeinheiten kannst du für dich behalten.“ witzelt er und wir brechen beide in ein herzhaftes Lachen aus.
Seit Weihnachten habe ich ihn nicht mehr so lachen hören, was mir unheimlich gut tut.
„Bald ist Ostern. Meinst du, wenn ich dir einen Schokoladenhase schicke, kommt er heil an?“
„Auf keinen Fall.“
„Warum nicht?“ fragt mein Vater verdutzt über meine schnelle Antwort.
„Weil du sowieso die Ohren abgebissen hast, bevor der Hase in der Verpackung landet.“
„Das stimmt doch gar nicht.“ bemüht sich mein Vater sich zu verteidigen, woran er jedoch kläglich scheitert.
Ich bekomme einen Lachanfall und muss mir den Bauch halten, weil er anfängt zu schmerzen.
„Wenigstens kannst du dich über deinen alten Herrn lustig machen. Mach nur weiter so.“
Bei diesen Worten hält er bestimmt seinen Zeigefinger in die Höhe und wedelt damit drohend in der Luft herum. So wie er es in der Vergangenheit immer gemacht hat.
„Ich brauche dich nicht zu sehen, um zu wissen, dass du deinen Finger nach oben streckst.“
„Und ich weiss ganz genau, dass du dabei die Augen verdrehst.“
„Wie recht du doch hast.“ Und wie gut es tut zu wissen, dass ich irgendwo immer noch die alte Jessica bin, wie vor dem ganze Irrsinn mit meinem Baby und Michael.
„Hmm,“ räuspert sich mein Vater.
Dieses Geräusch kenne ich nur allzu gut. Es deutet darauf hin, dass ihm etwas auf der Zunge liegt und werde glatt unruhig. So locker und gelöst wie ich eben noch war, so angespannt ist nun mein ganzer Körper. Ich bleibe still und warte mit steigender Panik ab, bis er seine Gedanken ausgesprochen hat.
„Michael....“
Wenn ich nur schon diesen Namen höre, wird mir eiskalt, aber ich versuche ruhig zu bleiben, während mein Vater weiterspricht.
„er hat sich in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen.“
Wie? Was? Wo? Viele Fragen stürmen auf mich herein. „Warum?“
„Anscheinend hatte er ein erhebliches Problem mit Alkohol und Drogen.“
„Drogen?“ Meine Stimme ist ein einziges krächzendes Würgen.
„Er hat den Tod eures Babys einfach nicht verkraften können und das was er dir angetan hat, war für ihn fast weniger erträglich.“
„Wo, was,..“ Ich brauche einen kurzen Moment, um mich zu fassen. „Woher weisst du das alles?“
„Seine Mutter hat mich angerufen.“
„Aus welchem Grund?“ Ich möchte nichts mehr mit Michael oder seiner Familie zu tun haben. Also warum bloss meldet sich Elise bei meinem Vater?
Nur widerstrebend gibt er mir Antwort. „Michael möchte dich sehen.“
Noch immer schnüren die Gefühle, die ein einziges Chaos in mir anrichten, die Kehle zu.„Wozu?“ Brauche ich das wirklich zu wissen?
„Er möchte sich bei dir entschuldigen und dich um Verzeihung bitten.“
„Nein!“ schreie ich in den Hörer, obwohl das gar nicht meine Absicht war.
„Jess...“
„Hast du etwa vergessen, was er mir alles angetan hat? Hast du vergessen, warum ich hier in England bin und nicht mehr in meiner Heimat lebe?“ Auch wenn mein Vater für meinen inneren Aufruhr nichts dafür kann, ist es dennoch er, der seinen Kopf hinhalten muss. Er ist der Puffer für mein Unbehagen.
„Ich würde dir niemals vorschreiben, was du zu tun hast oder dich gar aufmuntern zu ihm zu gehen. Ich wollte dich nur darüber informieren, wo er ist. Was du tust oder lässt, ist ganz allein deine Sache. Das sieht sogar Elise so.“
„Ich will ihn nicht sehen!“
„Ist alles in Ordnung?“
Erschrocken drehe ich mich zur Tür, in der Damian steht und mich mit zusammengezogenen Augen ansieht. Ich nicke kurz und wende meinen Blick wieder der draussen herrschenden Dunkelheit zu.
Ich zucke mit den Schultern, um etwas von der Härte in meiner Stimme zu nehmen, obwohl mein Vater mich gar nicht sehen kann. „Entschuldige. Ich wollte nicht so grob sein.“
„Keine Sorge, meine Kleine. Du hast alles Recht aufgewühlt zu sein.“