Читать книгу Damian - Vertrauen - Madlen Schaffhauser - Страница 6
2.
ОглавлениеIch stehe vor dem Club und warte auf Bernice, die schon eine halbe Stunde zu spät ist. Wenn sie in den nächsten Minuten nicht erscheint, werde ich wieder nach Hause gehen. Hier zu sein kommt mir ohnehin immer absurder vor. Lieber würde ich jetzt zu Hause auf dem Sofa liegen und irgendeinen Film ansehen, statt an diesem Ort, wo ich auf meine Mitarbeiterin warten muss. Zwar fand ich die Aussicht auf Abwechslung äusserst verlockend, als ich mich Ausgang fertig gemacht habe, aber nun habe ich immer weniger Lust auf diesen Club, aus dem laute Musik dringt.
Gerade als ich mich entscheide von hier zu verschwinden, taucht Bernice neben mir auf.
„Tut mir leid, tut mir leid.“ meint sie laut schnaufend. „Ich habe etwas zu lange für mein Styling gebraucht.“ Sie lächelt mich entschuldigend an.
„Als ob du das nötig hättest.“ Sie ist von Natur aus eine schöne Frau. Mit ihren langen, gelockten, dunklen Haaren, die immer perfekt sitzen, ihren grünen Augen und Kurven, die genau an den richtigen Stellen sind. Und mit dem Kleid, das sie trägt, zieht sie alle Blicke auf sich. Daher ist es kein grosses Wunder, dass jedes Wochenende ein anderer mit ihr nach Hause gehen will.
Ich dachte, ich sähe ein wenig verführerisch aus in meinem schwarzen Minikleid, doch neben ihr verblasse ich total. Bernice jedoch ist da ganz anderer Meinung.
„Wow.“ Sie mustert mich von Kopf bis Fuss, was mir etwas unangenehm ist, aber als ich in ihrem Blick völlige Aufrichtigkeit lese, drehe ich mich sogar um die eigene Achse. „Ich hätte nicht gedacht, dass du solche Kleider in deinem Schrank hängen hast. Pass auf, dass dir nicht zu viele Kerle nachsabbern und jetzt lass uns endlich in den Club gehen.“
Es ist zu voll. Es ist zu laut. Überhaupt nicht mehr mein Ding. Aber wahrscheinlich bin ich genau aus diesem Grund hier. Ich versuche mich neu zu orientieren und dazu gehören Orte, wo Damian sich bestimmt nicht aufhält.
Bernice bestellt uns beiden ein Bier, das wir gleich auf Ex trinken. Nach dem zweiten erscheinen Bernices Freundinnen und die dritte Flasche wird ebenso schnell ausgetrunken, wie die ersten beiden. Irgendwann wechseln wir zu Cosmopolitans. Mit jedem weiteren Drink wird meine Stimmung besser und mit jedem Schluck vergesse ich, warum ich überhaupt hier bin.
Es macht Spass mit diesen Frauen hier zu sein und ich bin Bernice dankbar, dass sie mich dazu überredet hat.
Im Laufe des Abends entscheiden wir uns für die Tanzfläche, wo die Beats, die aus den Lautsprechern dröhnen, meinen Puls zum Rasen und meinen Körper in Bewegung bringen. Ich schliesse die Augen und konzentriere mich ganz auf die Musik. Ich fühle mich frei, unbeschwert und .... total betrunken. Aber es ist mir egal. Ich bin niemandem eine Rechenschaft schuldig, was die ganze Atmosphäre nur noch besser macht.
Plötzlich spüre ich Hände auf meiner Taille, was mich etwas aus dem Konzept bringt, doch als ich den Typen hinter mir begutachte und die Pfiffe der Mädels höre, schliesse ich wieder die Augen und geniesse den Augenblick.
Zuerst liegen nur seine Hände auf meiner Seite, doch irgendwann schmiegt er sich mit seinem ganzen Körper an meinen. Wir tanzen eng aneinander reibend und lassen uns von der Musik treiben. Er keucht an meinem Ohr, flüstert mir schmutzige Worte zu, was mein Blut zum brodeln bringt. Ich lehne mich noch mehr an ihn. Bewege mich an ihm, während er mit seinen Händen über meinen Bauch fährt.
Seine Erektion drückt durch den Stoff an meinen Po und er stöhnt: „Oh ja. Ja, mach weiter so, Babe.“
Schlagartig erwache ich aus meiner Trance, löse mich aus seinem Griff und weiche sofort zwei Schritte zurück.
„Sag niemals mehr Babe zu mir!“ Ich flippe fast aus, weil er dieses Kosewort benutzt hat.
Er hebt die Hände in die Höhe und kommt auf mich zu.
„Fass mich nicht an!“ brülle ich.
„Was ist los? Eben noch wolltest du, dass ich dir an die Wäsche gehe und jetzt drehst du durch oder was?“
Angewidert sehe ich ihn an. Wie konnte ich nur so blöd sein und mich auf diesen Typen einlassen? Ich kenne die Antwort auf meine Frage, aber ich möchte sie nicht in mein Bewusstsein lassen, denn das würde mich vollkommen fertigmachen.
„Alles in Ordnung bei dir?“
Ich atme erleichtert auf, als ich Bernice neben mir sehe und die schützend einen Arm um mich legt.
„Alles gut.“ versuche ich so normal wie möglich zu antworten. „Ich möchte nur weg hier.“
„Komm.“ Sie zieht mich mit sich mit, wobei ich den Kerl, mit dem ich eben noch getanzt habe, fluchen höre: „Ihr seid doch alles Schlampen!“
„Verpiss dich du Arsch!“ gibt Bernice zurück und schiebt mich weiter.
Der Alkohol ist nicht gerade hilfreich, um Ordnung in die Gedankenwelt zu bringen und zum ersten Mal heute Abend wäre es mir lieber, wenn ich nicht so viel getrunken hätte. Alles dreht sich, als wir auf einen Tisch zugehen, der in einer dunklen Ecke steht.
„Möchtest du vielleicht noch einen Cosmo?“ fragt mich Bernice.
Abwehrend hebe ich die Hand. „Lieber nicht.“
„Was anderes?“
„Ein Wasser.“
„Sicher?“
„Ich möchte nicht nochmal einem Typen wie dem da begegnen.“ und deute zur Tanzfläche, wo ich noch vor wenigen Minuten mit einem Fremden getanzt habe.
„Aber er war doch ganz schnuckelig?“
„Vielleicht. Nur bin ich nicht der Typ für One Night Stands.“
„Dann solltest du dich vielleicht nicht mehr so ins Zeug schmeissen, wie bei dem Kerl eben. Er war richtig geil auf dich.“
„Es war dumm von mir.“ Ich kann mein Tun nicht vor ihr erklären. Ich kann ihr nicht sagen, dass ich an unseren Chef gedacht habe, während der Blondschopf sich an mich heranmachte. Wie sehr ich mir wünsche, dass Damian hier wäre, wie sehr ich ihn vermisse. „Ich sollte vielleicht mal an die frische Luft.“
„Soll ich dich begleiten?“
„Nein, bleib du nur bei deinen Freundinnen. Ich komm schon klar.“ Klar vielleicht nicht wirklich, aber ich muss allein sein. Ich muss über das, was ich eben gemacht habe, nachdenken und wieder einen klaren Kopf bekommen.
Ich setze mich auf eine Bank, die nur ein paar Meter vom Club entfernt steht und lasse den Abend, ganz besonders die letzte Stunde, Revue passieren. So gut es in meinem benebelten Zustand eben geht.
Was würde Damian wohl sagen, wenn er mich so gesehen hätte? Würde er über mich herziehen, weil ich kurz nach unserer Trennung auf eine verführerische Art mit einem anderen tanzte? Oder wäre er eher zornig, weil ich ihn so schnell abgeschrieben habe? Oder könnte er vielleicht eifersüchtig sein?
Der letzte Gedanke gefällt mir mit Abstand am besten, doch davon kann ich nur träumen. Ich muss ihn vergessen, nach vorne sehen und so tun, als hätte er mir nicht unheimlich wehgetan.
„Miss Weber, darf ich Sie nach Hause bringen?“
Erschrocken drehe ich den Kopf und sehe Pietro neben mir stehen. Ich war wohl so sehr in meinen Erinnerungen versunken, dass ich ihn nicht habe kommen hören.
„Was tun Sie denn hier?“ ist das Erste, was ich hervorbringe.
„Auf Sie aufpassen.“ Er zuckt unschuldig mit den Schultern.
„Warum?“
„Weil es mein Job ist.“
Ich nicke nur, weil es nichts bringt, mit ihm über seine Aufgabe zu sprechen. Also stehe ich auf und folge ihm. „Waren Sie die ganze Zeit da?“
„So in etwa.“
„Dann haben Sie auch gesehen wie....“
„Ja, das habe ich.“ unterbricht er mich, bevor ich aussprechen muss, was ich im Club getan habe.
Verlegen sehe ich zu Boden. „Ich habe Sie nicht bemerkt.“
„Ich bin dazu ausgebildet, nicht gesehen zu werden.“
Wir schweigen, während er mich stützend zur Limousine bringt, die in der nächsten Strasse abgestellt ist. „Weiss Damian, wo ich bin?“
„Ja.“ Bevor ich ihm die nächste Frage stellen kann, spricht er weiter. „Er ist nicht begeistert.“
„Das kann ihm egal sein. Schliesslich sind wir nicht mehr zusammen.“
„Sie sind ihm nicht gleichgültig.“
„Wo ist er?“ höre ich mich auf einmal fragen.
„In der Schweiz.“
„Oh.“ Ich brauche eine Sekunde, um einen klaren Gedanken zu fassen und um den Schmerz zu verdauen, der eben mein Herz zugedrückt hat. „Geschäftlich oder Privat?“
„Privat.“
„Oh.“ sage ich wieder und ich muss schwer schlucken.
„Vielleicht sollten Sie ihr Telefon einschalten.“
„Wie?“
„Ihr Telefon ist schon den ganzen Tag aus.“ Pietro öffnet die Tür und ich klettere in den Fond des Rolls Royce.
Mein Smartphone liegt in meiner kleinen Handtasche. Ich habe es zwar eingesteckt, damit ich es bei einem Notfall dabei gehabt hätte, aber ich habe es seit heute Morgen nicht mehr eingeschaltet, weil ich mir nicht anhören konnte, was mir Damian sagen wollte und auf keinen Fall durfte ich seiner Stimme lauschen. Es wäre zu schmerzhaft gewesen.
Ich drücke auf den Knopf und das Handy erwacht zum Leben. Kaum habe ich die PIN eingegeben, zeigt es mehrere unbeantwortete Anrufe und unzählig Nachrichten an. Ehe ich nachsehe, von wem sie sind, tippe ich schnell eine SMS an Bernice. „Verdammter Mist.“ meckere ich, als sich herausstellt, dass ich ihre Nummer gar nicht habe.
„Irgendein Problem?“ fragt mich Pietro von vorne.
„Könnten wir nochmals zum Club fahren? Ich habe meiner Kollegin nicht gesagt, dass ich gehe. Ich möchte nicht, dass sie sich Sorgen um mich macht.“
„Schon erledigt.“
„Wie?“
„Als Sie nach draussen gegangen sind, habe ich Miss Turner mitteilen lassen, dass ich Sie nach Hause bringen werde.“
„Woher waren Sie sich so sicher, dass ich mit Ihnen gehen würde?“
„Obwohl Sie ziemlich betrunken waren, sind“ korrigiert er sich. „konnte ich an Ihrem Gesicht ablesen, dass Sie nicht mehr länger dort bleiben wollten.“
„Sind Sie nun auch noch Gedankenleser?“
Er schmunzelt nur und konzentriert sich wieder auf die Strasse. Also schaue ich auf mein Telefon. Bis auf ein Anruf sind alle von Damian. Der Erste war um sechs Uhr morgens. Der Letzte noch nicht einmal vor einer Stunde. Sowie ich den Nachrichtenordner geöffnet habe, seufze ich auf, als ich die vielen Mitteilung sehe, die allesamt von Damian stammen. Ich weiss nicht, ob ich es wagen darf, sie zu lesen, weshalb mehrere Minuten vergehen, bis ich den Mut gefasst habe nach unten zu scrollen, um die älteste zu öffnen.
Liebe Jess, vergib mir.
Geschrieben um kurz nach vier Uhr morgens.
Die nächste SMS:
Es tut mir leid, ich war ein Arsch.
Darauf folgend:
Ich muss in die Schweiz. Aber ich wünschte, ich hätte mich vorher mit dir unterhalten können. Ständig sehe ich dich vor mir, wie du mich mit deinen Augen traurig, verletzt und enttäuscht ansiehst. Bitte melde dich. Es tut mir leid.
So geht es zehn Nachrichten weiter, ausser dass sie immer ergreifender werden.
Wir starten bald. Ich werde erst wieder in London an mein Telefon gehen können. Das wollte ich dir kurz mitteilen. Eigentlich habe ich gehofft, dass ich noch etwas von dir höre, bevor wir abheben. Leider ist mein Wunsch nicht in Erfüllung gegangen. Jess, Babe, es war nicht meine Absicht. Sorry.
Ich versuche die Tränen zurückzuhalten, doch sie treten mir ungebeten in die Augen und lassen die Texte vor meinen Augen undeutlich werden.
Wir rollen nun über die Landebahn und noch immer kein Zeichen von dir. Ich wünschte, du wärst bei mir. Dein Damian
Erst vor wenigen Minuten:
Jess, meine Süsse. Das was ich zu erledigen hatte, habe ich getan. Ich dachte, ich würde mich danach besser fühlen, aber das tue ich nicht. Es geht mir sogar noch beschissener als davor. Es war ein sehr langer und anstrengender Tag. Wahrscheinlich sollte ich schlafen gehen, aber ich werde keine Ruhe finden, weil du nicht da bist und weil ich keine einzige Nachricht von dir erhalten habe. Jess, ich werde dir alles erklären. Ich werde dir erzählen, warum ich mich in den letzten beiden Tagen wie ein Arschloch benommen habe. Du kannst mich fragen, was immer du willst und ich werde dir alles beantworten. Bitte Jess, komm zu mir. Bitte komm in mein Appartement. Dein Damian
Ich weiss nicht, was ich von seinen SMS halten soll. Gerne würde ich ihm all das glauben, was er hier schreibt und ihm verzeihen, aber dafür brauche ich wirklich gute Erklärungen. Noch einmal eine solche Abfuhr wie letzte Nacht überstehe ich nicht.
Pietro meinte, dass Damian aus privaten Gründen in der Schweiz war, aber was sind das für Angelegenheiten? Hat er sich von Helen getrennt, weil er mit mir zusammen sein möchte? Wird er mir wirklich alles erzählen, was ich wissen möchte? Kann ich ihm vertrauen? Warum sollte er plötzlich bereit sein, sich mir gegenüber zu öffnen? Kann es sein, dass ich ihm vielleicht doch etwas bedeute?
Tausend Fragen huschen durch meinen Kopf und keine kann ich beantworten. Ich bin nervös, weiss nicht, was ich machen soll.
Ich glaube, es ist nicht sinnvoll zu dir zu kommen. Ich drücke auf senden, bevor ich die Nachricht wieder löschen kann.
Sofort piepst mein Handy.
Jess, tu mir das nicht an. Bitte.
Ich möchte nichts lieber, als ihn sehen. Doch ich glaube wirklich, dass es völlig schief laufen könnte, wenn ich jetzt zu ihm gehe.
Ich bin viel zu betrunken für ein ernsthaftes Gespräch. Und du weisst, was passiert, wenn jemand von uns zu alkoholisiert ist.
Begründe ich meine erste SMS.
Ich möchte dich trotzdem sehen. Wir können auch morgen reden, aber bitte komm zu mir. D
Nachdenklich sehe ich in die Dunkelheit. So flehend und verzweifelt habe ich ihn noch nie erlebt. Ihn, der kontrollsüchtige und herrische Damian. Was soll ich nur tun?