Читать книгу Damian - Vertrauen - Madlen Schaffhauser - Страница 7
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Ich gebe den Code ins Armaturenbrett und fahre vom Parkhaus bis nach oben auf seine Etage. Meine Beine sind schwach und mein Magen rebelliert. Wobei die Ursache dafür nicht nur beim Alkohol liegt, sondern viel mehr daran, dass ich in wenigen Sekunden in seinem Reich sein werde. Halt suchend stütze ich mich am Handlauf ab, damit ich nicht das Gleichgewicht verliere und beobachte das kleine, runde Licht wie es von einer Zahl zur nachfolgenden wandert.
Meine Nervosität wird immer grösser, als ich mich dem Appartement nähere. Wie soll ich mich verhalten? Was soll ich sagen?
Es macht Bling und der Aufzug hält. Schnell zupfe ich an meinem Kleid und richte meine Haare, bevor sich die Türen öffnen.
Ich möchte gerade einen Schritt in seine Wohnung machen, da sehe ich ihn. Er sitzt auf einem der Sessel im Empfangsbereich. Sein Kopf hat er in die Hände gestützt, aber als er mich hört, hebt er seinen Kopf.
Mir stockt der Atem. Er sieht mitgenommen und müde aus. Die dunklen Ringe unterstreichen zusätzlich seine erschöpfte Erscheinung. Damian steht auf und sieht mich an, sagt jedoch kein Wort. Sein Anzug, der normalerweise immer tadellos sitzt, ist völlig zerknittert. Die Krawatte liegt neben ihm am Boden. Als ich in den Raum trete, sehe ich, dass seine Augen gerötet sind. Hat er etwa geweint?
„Hallo Jess.“ unterbricht er als erster die angespannte Stille zwischen uns.
Mein Herzschlag beschleunigt sich und ich bringe kaum ein Wort heraus, weil der Knoten in meinem Hals unheimlich gross ist. „Hallo Damian.“ sage ich schliesslich atemlos.
„Danke, dass du gekommen bist.“
„Du weisst warum.“
„Ja.“ Wir sehen uns lange an, bevor er mir eine Hand entgegenstreckt und ich meine in seine lege. Kaum berühren sich unsere Hände, geht ein berauschendes Kribbeln durch meinen ganzen Körper, während sich ein leises, verzweifeltes Stöhnen einen Weg aus Damians Mund bahnt. „Möchtest du etwas zu trinken?“
„Wasser.“ Er lässt meine Hand nicht los, bis wir in der Küche stehen und er mir ein Glas mit Wasser füllt.
Ich leere das Glas in einem grossen Zug und stelle es vor mich hin.
„Nochmals?“ fragt er mich.
„Ja.“ Auch dieses Glas trinke ich fast aus, denn ich möchte schnell nüchtern werden. Ich kann die Nacht nicht hier verbringen ohne zu wissen, was gespielt wird.
Wieder sehen wir uns an. Er auf der einen Seite der Theke, ich auf der anderen. Mir liegen viele Fragen auf der Zunge, aber ich halte mich zurück. Es war seine Idee, dass ich hierher kommen soll. Er bestand darauf, dass wir reden. Jetzt muss er den ersten Schritt machen.
Er kommt um den Tresen und nimmt mich wieder an der Hand. Wir gehen weiter in den angrenzenden Salon, wo wir uns auf eines der drei hellgrauen Sofas setzten. Ich achte darauf genug Abstand zu ihm zu haben. Denn wenn ich ihn weiter berühre, werde ich mich nicht mehr beherrschen können und über ihn herfallen. Dabei brauche ich Antworten und wir brauchen ein klärendes Gespräch.
„Es tut mir leid.“ Er fährt sich mit einer Hand über das Gesicht.
„Was tut dir leid?“
„Ich war ziemlich unfair zu dir.“
„Ach ja?“
„Mir wäre lieber, ich könnte alles rückgängig machen. Ich wollte nicht, dass es soweit kommt.“
„Mit uns?“ Meine Stimme ist eine Oktave höher als normal.
„Nein!“ ruft er aus. „Nein.“ Nun etwas ruhiger.
„Warum bin ich hier? Was willst du von mir?“ frage ich ihn streng. Eigentlich wollte ich nicht so gnadenlos klingen, andererseits ist es vielleicht besser, wenn ich auf Abstand bleibe, um mich zu schützen.
Damian fixiert mich mit seinen braunen Augen, in denen ich jedoch nicht lesen kann, was in ihm vorgeht. Ein dunkler Schatten liegt über seinem Gesicht und alles wirkt angespannt und... unsicher? Damian und unsicher? Nein, da spielen meine Sinne garantiert einen Streich. Ein Typ wie er, der immer Autorität und Selbstsicherheit ausstrahlt, kann nicht verängstigt sein.
„Bitte verzeih mir.“ Er streckt die Hand nach mir aus, doch ich rücke weiter von ihm weg, was ihn mehr erschüttert, als alles bisherige.
„Was soll ich dir verzeihen?“ Ich funkle ihn kühl an. „Dass du mich angeschrien hast? Dass du mich aus deinem Leben gestrichen hast? Dass ich dir nicht gleich wichtig bin, wie du mir? Dass du mir wehgetan hast?“
Als er nur stumm neben mir sitzt, seinen Kopf in die Hände gestützt hat und auf den Boden starrt, stehe ich auf. Ich brauche Bewegung. Ich muss weg von ihm.
„Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe? Warum sollte ich hierherkommen, wenn du doch nichts sagst?“ Ich drehe mich abrupt weg, was nicht gerade eine sinnvolle Entscheidung von mir ist, denn der Alkohol meldet sich schlagartig zurück. Ich taumle unbeholfen rückwärts und kann mich mit Mühe an der Rückenlehne des Sofas halten, um zu verhindern, dass ich zu Boden poltere.
„Jess.“ höre ich Damian hauchen. Dabei erwacht er aus seiner Starre und springt auf die Füsse. Seine Hände greifen nach meinen, doch ich reisse mich los. „Wie viel hast du getrunken?“
„Das kann dir egal sein!“ schreie ich ihn an.
„Nein, kann und tut es nicht.“ gibt er genervt retour. „Du kannst kaum stehen.“ Etwas von seiner Autorität ist zurück.
Ich kann seine Vorwürfe nicht hören. Ausserdem habe ich ihm per SMS mitgeteilt, dass ich betrunken bin. Also was soll jetzt dieser Scheiss? „Es war ein Fehler, herzukommen.“ Dieses Mal wende ich mich langsamer ab, aber bevor ich einen Schritt machen kann, hält er meine Hände fest umklammert.
„Nein! Ich brauche dich.“
Ich kann ihm nicht in die Augen sehen, zu sehr setzt mir seine traurige Stimme zu. Wenn ich jetzt seinen Blick erwidere, bin ich verloren.
„Wofür?“ frage ich leise, meine Augen auf unsere Hände gerichtet.
„Damit ich mich nicht ganz so verloren fühle, wie in den letzten achtundvierzig Stunden.“
Ich schnappe kurz nach Luft, fühle mich von seinen Worten völlig überwältigt. „Was?“
„Bitte bleib.“ fleht er mich an und als ich meinen Kopf hebe, um ihn anzusehen, bleibt mir fast der Atem weg. Sein Gesicht ist verzerrt und blass. Tiefe Traurigkeit steht in seinen sonst so bildschönen Augen.
„Erzähl es mir.“ Jetzt bin ich es, die bettelt. Ich möchte endlich wissen, was in ihm vorgeht, was er durchgemacht hat, dass er von solcher Trauer gequält wird.
„Wenn ich das könnte.“ bringt er kaum hörbar hervor.
Ich befreie mich aus seinem Griff, aber nicht um von ihm abzurücken, sondern um ihn in meine Arme zu schliessen. Seit wir uns kennen, war es immer er, der mir Kraft gegeben hat, der mich wieder aufgebaut hat. Ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich ihm Halt geben sollte.
Sobald wir uns umarmen und sich unsere Körper aneinander schmiegen, steigen mir die Tränen in die Augen. Nicht wegen mir, nicht wegen uns, vielmehr seinetwegen. Ich höre ihn nicht weinen, aber ich spüre sein Augenwasser an meinem Hals, was das enge Band um meine Brust noch mehr zusammenzieht.
Wir rühren uns nicht vom Fleck. Wir halten uns einfach nur, um uns gegenseitig für die kommende Diskussion zu stärken. Vielleicht vergehen nur ein paar Sekunden, vielleicht sind es auch Minuten, während wir uns nicht bewegen. Mir ist es vollkommen egal, wie lange wir hier stehen, ohne dass wir reden. Wir haben Zeit. Zeit um uns auszusprechen. Denn dieses Mal weiss ich, dass mir Damian seinen Kummer anvertrauen wird.
Seine Hände bewegen sich langsam meinen Rücken auf und ab, seine Nase saugt meinen Duft ein, seine Lippen drücken mir sanfte Küsse auf den Nacken, küsst seine und meine Tränen weg.
„Danke.“ flüstert er in die Stille hinein. „Danke, dass du hier bist.“
Wir lösen uns vorsichtig voneinander, dann schaue ich in seine Augen. Keine Spur davon, dass er vor wenigen Augenblicken geweint hat, aber die Trauer ist noch deutlich da.
„Was ist passiert, Damian?“ Meine Stimme zittert.
Er verschränkt seine Finger in meine und führt mich zur Couch zurück. Ich nehme neben ihm Platz, halte weiterhin seine rechte Hand und warte geduldig ab, was als nächstes kommt.
„Ich war gerade mal zwanzig und Helen neunzehn, als wir heirateten.“
Ich ersticke fast, weil mich seine Worte so sehr schockieren, dass ich kaum atmen kann. Ist er also doch verheiratet? Das Schlimmste, was ich mir ausgemalt habe, ist letztendlich eingetreten. Er hat eine Andere. Dazu ist sie noch seine Frau. Wie konnte er mir das antun? Wieso hat mich niemand davor beschützt?
Mit einem Mal werde ich wütend auf Rose und auf Pietro, weil sie mir immer wieder zugeredet haben, dass ich Damian eine Chance geben solle. Dass ich ihm gut tue und ihm wichtig sei. Ich solle ihm Zeit geben. Aber für was?
Ich begreife das alles nicht. Ich kann dem allem einfach nicht folgen.
„Jess. Jess...“ Mein Name kommt geflüstert über seine Lippen. Seine Hand liegt auf meinem Rücken. Seine Berührung brennt sich unbarmherzig in meine Haut und in meine Seele. „Gehts wieder?“ Er betrachtet mich mit einem sorgenvollen Blick.
Mein Erstickungsanfall verfliegt, so wie meine Beherrschung. Ich kann nicht fassen, dass er mich derart unschuldig ansehen kann, nachdem er mir jene ungeheuerliche Wahrheit enthüllt hat. „Was willst du von mir? Was für ein Scheiss läuft hier eigentlich?“ Ich schreie die Fragen förmlich heraus. Es war nicht mein Plan auszuflippen, aber, dass er verheiratet ist, lässt mich einfach aus der Haut fahren.
„Sieh mich an und hör mir zu.“ bittet mich Damian und hält meine Hände eisern fest. „Wir kannten uns seit der Schulzeit und für uns war es keine Frage, dass wir irgendwann heiraten würden. Nur nicht so jung. Doch dann wurde Helen schwanger und wir gaben uns das Jawort.“
„Es reicht! Ich will nichts mehr hören.“ Ich versuche aufzustehen, jedoch ohne Erfolg, denn seine Finger umschliessen noch immer meine Handgelenke.
Er redet weiter, als würde er meinen Widerstand nicht bemerken. „Nicht mal ein halbes Jahr später kam Luna zur Welt. Es war bis dahin der schönste Moment meines Lebens. Es war ein unbeschreibliches Gefühl meine Tochter im Arm zu halten. Meine Tochter.“ seufzt er und schliesst für einen kurzen Moment die Augen. „Ich hatte Angst ich würde sie zerdrücken, als ich sie in meine Arme schloss, so klein war sie. Sie...“
„Warum erzählst du mir das alles?“ frage ich mit bebender Stimme. Das was er hier beschreibt, hätte ich vor wenigen Monaten selbst erleben sollen, aber es wurde mir nicht vergönnt. Ich kann mich nur schwer beherrschen, nicht in Tränen auszubrechen.
„Jess.“ Damian legt einen Finger unter mein Kinn und bringt mich dazu ihn anzusehen. Auch er ist dem Weinen nahe. „Ich möchte dir damit nicht wehtun. Ich möchte, dass du mich verstehst. Vielleicht kannst du es, wenn ich dir alles erzählt habe.“ Stumm nicke ich, denn plötzlich ist mir klar, dass noch etwas Entsetzliches kommen wird und Damian spricht weiter. „Helen und ich haben unser kleines Kind von Anfang an vergöttert. Sie war unser kleiner Schatz. Unser Ein und Alles. Ich habe versucht all die Träume meiner zwei Mädchen zu erfüllen, so gut es eben ging. Es war nicht immer einfach, die Arbeit und das Privatleben unter einen Hut zu bringen, trotzdem waren wir eine glückliche Familie.
Ich verbrachte viel Zeit in meiner Firma, die ich nur kurz vor Helens Schwangerschaft begann aufzubauen. Allerdings nahm ich mir öfter mehrere Wochen am Stück Ferien, damit ich mit meiner Frau und Kind verreisen konnte. Uns zog es in der ganzen Welt umher. Wir flogen nach Amerika, in die Dominikanische Republik, Dubai, wanderten in den Schweizer Bergen oder fuhren mit unserem Auto durch Europa.“ Sein Adamsapfel hüpft in die Höhe, als er schwer schluckt und nach Worten sucht. „Niemals hätte ich gedacht, dass ein solcher Trip mein Leben zur Hölle werden lässt. Ich sass...“ Damian versagt die Stimme. Er lässt seinen Kopf hängen und knetet unkontrolliert meine Finger.
Ich warte darauf, bis er sich wieder gefangen hat, aber er redet nicht weiter. „Erzähl es mir.“ fordere ich ihn schliesslich leise auf.
„Es ist auch nach all den Jahren noch wie ein Stich ins Herz, wenn ich nur daran denke.“
„An was?“
„Wie der Wagen in einen anderen donnert und wir zur Seite geschleudert werden.“
Ich halte vor Schreck den Atem an. Obwohl er mir noch nicht erzählt hat, was genau passiert ist, ahne ich schon, was kommen wird. Ich möchte es nicht wirklich erfahren und trotzdem muss ich es von ihm hören.
„Als wir auf der Heimreise von Frankreich waren, kam plötzlich ein Pick-Up auf unserer Fahrbahn entgegen. Ich habe versucht dem Falschfahrer auszuweichen, aber ich habe es nicht geschafft. Er fuhr uns mit hoher Geschwindigkeit in die Seite, wobei es uns wild herumwirbelte. Ich konnte das Steuer noch so fest gegenlenken, nur machte das Auto, was es wollte. Dann überschlug es uns und wir flogen über die Mittelleitplanke, bevor wir auf dem Dach liegen blieben. Nachdem der erste Schock nachliess, wollte ich mich von meiner Gurte lösen, um nach Helen und Luna zu sehen, aber ich konnte mich nicht bewegen. Als ich meinen Kopf drehte, sah ich, wie meine Frau zusammengesunken auf dem Beifahrersitz sass. Ihr Gesicht war blutüberströmt. Ihre Augen starrten geradeaus. Da wusste ich, dass ich sie verloren hatte. Von meiner Tochter war kein einziges Geräusch zu hören. Ich betete zu Gott und redete mir ein, dass sie einfach tief am schlafen war, allerdings sollte ich wenig später erfahren, dass auch sie es nicht überlebt hatte.
Wie und wann die Sanitäter und Feuerwehr zu uns kamen, kann ich nur durch einen Nebelschleier sehen. Aber die Worte, die ein Retter zu einem anderen sagte, höre ich noch ganz deutlich, als wäre es eben erst passiert. Was für eine Schande für dieses junge Leben. Genau dieser Satz versetzte mich damals in einen Schockzustand, der mich fast um den Verstand brachte. Die Sanitäter mussten mir eine Beruhigungsspritze geben, damit ich nicht zusammenbrach. Mir fielen gleich darauf die Augen zu und als ich sie wieder öffnete, lag ich im Krankenhaus.
Zuerst begriff ich nicht, wo ich war und wieso, aber als die Erinnerungen dann zurückkamen, schlugen sie auf mich ein, wie tausend Fäuste. Ich bekam kaum Luft und fing an zu hyperventilieren, was meine Apparate, an denen ich angeschlossen war, zum piepsen brachten. Keine zehn Sekunden später waren Krankenschwestern und der diensthabende Arzt um mich versammelt, um mich zu beruhigen. Sie setzten mich unter Narkose und ich fiel in einen langen traumlosen Schlaf. Das wiederholte sich so oft, bis ich mich wieder im Griff hatte.
Meine körperlichen Verletzungen waren lächerlich, hinsichtlich meiner psychischen. Ich hatte lediglich eine Gehirnerschütterung, einen gebrochenen Arm und ein paar Prellungen, während meine Frau und mein Kind, in dem Auto, das ich fuhr, den Tod fanden. Es hätte mich erwischen sollen, nicht meine kleine, süsse Luna. Nicht Helen. Sie waren zwei so wunderbare Menschen.
Jeden Tag frage ich mich, warum Gott mir die beiden wichtigsten Personen in meinem Leben nehmen musste und mich zurückliess. Warum konnte ich nicht gehen? Will er mich etwa bestrafen?“ Er schüttelt verständnislos den Kopf. „Ich werde wohl nie eine Antwort darauf bekommen.“
Ich muss ein paar Mal leer schlucken. Seine Geschichte setzt mir unheimlich zu. Niemals hätte ich mit so einer Enthüllung gerechnet, aber jetzt kann ich vieles an seinem Verhalten verstehen. Vieles was Rose, Pietro oder Linus gesagt haben, ergibt endlich einen Sinn. Damian hat eine dicke Mauer um sich herum aufgebaut, um sich zu schützen. So wie ich, bevor ich ihn traf.
Es schockiert mich, wenn ich an seine Frage denke: Warum konnte ich nicht gehen? Denn ich wüsste nicht, was aus mir geworden wäre, wenn ich ihn nicht kennengelernt hätte. Er ist die Person, die mich aus meinem Kokon befreit hat. Er ist die Person, die mich dazu brachte, wieder an eine glückliche Zukunft zu glauben. Er ist die Person, die mich wieder lieben gelernt hat.
Ich sehe ihn mit tränennassen Augen an. „Warum sollte er dich bestrafen wollen?“
„Weil ich Schuld bin, dass Helen und Luna sterben mussten.“ presst er angewidert zwischen den Zähnen hervor.
Ich nehme seine Hände in meine und fahre beruhigend mit den Daumen über seine Handrücken. „Wieso denkst du so etwas? Du hast mir soeben erzählt, dass ein Auto auf eurer Spur entgegenkam. Du hast alles versucht, was in deiner Macht stand.“
„Das ist nicht genug!“ Er kämpft mit seiner Beherrschung und möchte sich von mir lösen, doch ich lasse ihn nicht frei.
„Das Schicksal ist nicht immer auf unserer Seite. Das habe ich an meinem eigenen Leib erlebt. Mehr als genug. Aber du warst der, der mich lernte nicht aufzugeben.“
„Das ist nicht dasselbe.“
„Warum?“ frage ich ihn.
„Weil ich diesen Trip nach Frankreich unbedingt machen wollte, während Helen lieber nach Australien geflogen wäre. Wenn ich nicht so darauf bestanden hätte an die Cote d'Azur zu reisen, wäre dieser verdammte Unfall nicht passiert!“ Er reisst sich von mir los und steht auf. Unruhig geht er im Raum auf und ab. Die Hände in die Taschen gesteckt.
„Hör auf damit.“ Ich erhebe mich ebenfalls und gehe langsam auf ihn zu. Dabei strecke ich meine Hände nach ihm aus. Ich möchte ihn halten und ihm Kraft geben. Ich möchte ihm helfen diese selbstzerstörerischen Gedanken zu vertreiben, die ihn wie eine eiserne Kette zerdrücken. „Mach dich nicht für etwas verantwortlich, wofür du nichts kannst.“
„Es ist meine Schuld.“ wiederholt er in dem Augenblick, in dem ich meine Arme um ihn lege und ihn fest an mich ziehe.
„Nein.“ flüstere ich sanft an sein Ohr. „Du hast alles versucht, um deine Familie zu beschützen. Halt dich an diesem Gedanken fest.“
„Das ist unheimlich schwer.“
„Lass mich für dich da sein. Lass mich in dein Leben.“