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1.1.3Journalistischer Anspruch vs. Photoshoppen

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Wie weit man bei der Bildbearbeitung gehen kann oder darf, daran scheiden sich die Geister. Ist schon eine Optimierung von Farbe, Kontrast, Licht und Schatten in der Bildentwicklung eine Manipulation des ursprünglichen Bildmaterials? Ist die Retusche eines bildunwichtigen Details notwendig oder ist sie ein inhaltsverändernder Eingriff? Sind die Ergebnisse aufwendiger Beauty-Retuschen noch der Verdienst der Fotografie oder doch der Bildbearbeitung? Letztendlich muss jeder Fotograf selbst entscheiden, wie weit sich das Bild nach der Fotografie noch entwickeln darf oder aber wie weit es sich von dem Moment der Aufnahme entfernt.

Besonderen Augenmerk legen naturgemäß Fotojournalisten auf das Ausmaß der Nachbearbeitung. Hier ist ein manipulativer Eingriff im Kodex jedes Fotojournalistenverbandes strengstens untersagt – unabhängig davon, ob er die Bildaussage verändert oder nicht. So heißt es im Kodex der Associated Press (AP): »Auf keinste Weise verändern oder manipulieren wir digital den Inhalt des Fotos (…) Kein Element sollte digital von einem beliebigen Foto entfernt oder hinzugefügt werden.«*


Abb. 1.4: Schon mit der Wahl des Filmmaterials hat sich auch der analoge Fotograf für seine eigene Interpretation der Realität entschieden.

Noch weiter geht die Nachrichtenagentur Reuters, mit einer meiner Meinung nach zumindest fragwürdigen Vorgabe, die 2015 ihre Fotografen anwies, nur noch mit JPEGs anstatt mit Raw-Daten zu arbeiten oder mindestens eine unbearbeitete JPEG-Datei als Referenz mitzuliefern. Der in dem Zusammenhang oft herangezogene Vergleich zu analogen Fotografie-Zeiten hinkt aber: Fernab von den Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung hat der analoge Fotograf schon mit der Wahl des Filmmaterials entschieden, auf welche Art und Weise er die Wirklichkeit »interpretieren« wollte. Verschiedenste Dia- und Negativ-Materialien avancierten nicht zuletzt deshalb zu klassischen »Looks«, weil sie die Wirklichheit durch eigenwillige Wiedergabe von Farbe und Kontrast entfremdeten. Noch dehnbarer wird der Begriff der Realität, wenn wir die analoge Negativtechnik bzw. die Schwarzweiß-Fotografie betrachten: Abwedeln und nachbelichten (»Dodge and Burn«) sind Techniken, die im analogen Fotoloabor entwickelt wurden. »Unscharf maskiert« wurde im Labor mit einer Negativkopie, die den Kontrast des Negativs verstärken sollte. Der legendäre Landschaftsfotograf Ansel Adams zeigte in seinen Büchern »Das Negativ« und »Das Positiv«, mit welchen Finessen er Bilder bis ins Detail in ihren Tonwerten und ihrem Kontrast beeinflusste. Fotopapier, Chemie, Entwicklungsdauer und -temperatur hatten ebenso starken Einfluss auf das Entwicklungsergebnis wie die Belichtung nach dem von ihm entwickelten Zonensystem. Seine Arbeiten verknüpften die Fotografie unmittelbar mit der Entwicklung. Das Wissen um die Möglichkeit der Bildentwicklung beeinflusste schon die Aufnahme. Aber niemand würde wohl diesem Altmeister der Fotografie Manipulation vorwerfen.


Abb. 1.5: Über das Maß der zulässigen Bildbearbeitung kann man streiten. Während für die Masse nur das Ergebnis zählt, gelten für Fotojournalisten engere Regeln.


Auch stärkere Kontrast- oder Farboptimierungen können zur Entwicklung eines Bildnegativs dazugehören.


Starke Farbänderungen oder Retuschen fallen dann aber in den Bereich der Bildmanipulation.

Meines Erachtens nach ist das durchaus mit dem heutigen digitalen Entwicklungsprozess zu vergleichen – nur dass die Möglichkeiten an Tonwert- und Farboptimierungen ungleich größer sind. Die schlichte Bearbeitung von Tonwerten, das Steuern von Farbtemperatur und Farbintensität, die Ausarbeitung des Bildkontrastes – das ist klassische Entwicklungsarbeit. Ein einfaches Aufhellen der Tiefen, nachträgliche Beeinflussung der Farbtemperatur, die unabhängige Bearbeitung von Farbsegmenten und im gewissen Rahmen auch die lokale Korrektur gehören für mich zur gängigen und auch legitimen Entwicklungsarbeit eines Bildes.

Schon in der Entwicklung kann natürlich auch manipulativ gearbeitet werden. Die Retuschemöglichkeiten in Lightroom oder Camera Raw gehen über eine reine Staubretusche weit hinaus und erlauben es mittlerweile, ganze Bildteile verschwinden zu lassen. Und spätestens hiermit wäre dann die Grenze der authentischen Bildentwicklung überschritten und die freie Bildmanipulation erreicht, die landläufig auch gern als »Photoshoppen« bezeichnet wird.

Maike Jarsetz' digitale Dunkelkammer

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