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1.2.2Das Vokabular der Bildbearbeiter
ОглавлениеFotografen und Bildbearbeiter nutzen Wörter, die einem fotografisch nicht affinen Menschen oft Rätsel aufgeben oder zumindest nicht unmittelbar verständlich sind. Die gängigsten Begriffe möchte ich im Folgenden erläutern, damit wir in den kommenden Kapiteln »die gleiche Sprache sprechen«.
Abb. 1.11: Ein flaues Bild erkennt man sofort im Histogramm. Die Tonwerte häufen sich in den Mitteltönen und es fehlt ein echtes Schwarz und Weiß.
Viele Begriffe haben schon in der analogen Fotografie und Bildentwicklung ihren Platz gehabt, manche beschreiben hingegen ein neues digitales Phänomen.
Ein Histogramm kennt wohl jeder schon aus dem Display der Kamera. Es zeigt mit seinen Höhen und Tiefen die Häufigkeitsverteilung von dunklen und hellen Bildpixeln an. Ein Histogramm baut sich aus dem absoluten Schwarz von links nach rechts zum reinen Weiß als hellstem Ton auf. Dazwischen liegen die unterschiedlichsten Helligkeitsabstufungen, die wir auch Tonwerte nennen. Der Begriff Tonwerte wird nicht nur im Zusammenhang mit dem Histogramm genutzt, sondern beschreibt in allen Phasen der Bildentwicklung Helligkeitsabstufungen des Bildes.
Nicht immer sind die Tonwerte so verteilt, wie man es sich vorgestellt hat. Wenn sich die Tonwerte im dunklen Bereich drängen und zu viel Schwarz im Bild ist, spricht man davon, dass die Tiefen zulaufen oder absaufen. Besitzt umgekehrt das Bild zu viele helle Bildstellen, dann können die Lichter ausfressen. Wenn dieser Effekt im Histogramm durch eine Häufung der Tonwerte am linken oder rechten Rand nachzuvollziehen ist, zeigt das Histogramm oft eine Warnung für den Lichterbeschnitt oder Tiefenbeschnitt.
Diese beschnittenen Lichter oder Tiefen versucht man zu vermeiden, denn wenn nur extrem helle oder dunkle Tonwerte vorhanden sind, fehlen die abgestuften Tonwerte, die für die notwendige Zeichnung sorgen. Diese Zeichnung lässt auch in den Tiefen und Lichtern noch Details erkennen, so wirken sie nicht einfach nur schwarz oder weiß.
Abb. 1.12: »Stößt« das Histogramm an die Ränder, ist der minimale oder maximale Helligkeitswert erreicht. Hier gibt es keine Abstufungen mehr, die uns Details zeigen können – das Licht »frisst aus« oder der Schatten »säuft ab«.
Auch ein anderer typischer Bearbeitungsfall zeigt sich schon im Histogramm: Wenn sich, anders als eben beschrieben, die Tonwerte in der Mitte des Histogramms häufen und kaum oder wenig Tonwerte in den Lichtern oder Tiefen vertreten sind, dann fehlen dem Bild die Kontraste zwischen Hell und Dunkel – es wirkt flau. In diesem Fall braucht das Bild dringend eine Kontrastkorrektur.
Eine Kontrastkorrektur wird oft über die sogenannte Gradationskurve vorgenommen. Diese beschreibt zunächst über eine Diagonale die gleichmäßige Zunahme von dunklen zu hellen Tonwerten. Verändert man die Kurve so, dass der Wechsel von Dunkel zu Hell schneller stattfindet, ist die Kurve an der Stelle steiler. Deshalb spricht man auch davon, den Kontrast aufzusteilen. Der Begriff Gradation wurde übrigens auch schon zu Zeiten der analogen Filmentwicklung für die Beschreibung des Kontrastverhaltens von Film- und Papiermaterial benutzt.
Sind die Tonwerte erst einmal ausgewogen und wechseln sie sich in Ihrer Verteilung über das gesamte Histogramm ab, wirkt das Bild durch die Modulation der Tonwerte gleich harmonischer.
Mittlerweile beschränkt sich der Kontrast nicht nur auf einen globalen Kontrast zwischen den Tonwerten, sondern kann digital auch innerhalb kleinerer definierter Bereiche angehoben werden – mit Funktionen wie Struktur, Klarheit oder Dunst entfernen verstärkt man einen ganz spezifischen Detailkontrast. Je nachdem, ob die vorgegebenen Bereiche kleiner oder größer sind, verstärkt man den Mikrokontrast oder den Makrokontrast.
Abb. 1.13: Mit einer Gradationskurve kann jedes Bild individuell im Kontrast gesteuert werden.
Ein Bild mit deutlichem Detailkontrast hat gleich viel mehr Biss und wirkt knackig. Während die Regler Struktur und Klarheit den Kontrast in kleinsten Bereichen anheben, konzentriert sich der Regler Dunst entfernen auf flaue Mitteltöne.
Verstärkt man den Kontrast in ganz kleinen Details, wie schon mit dem Struktur-Regler in der Raw-Entwicklung, wirkt das Bild sogar vermeintlich schärfer. Die digitale Scharfzeichnung ist tatsächlich in der Essenz eine Kontrastverstärkung, denn wirklich nachschärfen – also eine fehlende Schärfe im Bild wieder rekonstruieren – kann man bis heute nicht. Alle Scharfzeichnungsfilter in Photoshop sind nichts anderes als Methoden zur Kontrastverstärkung der Details.
Ähnlich schwer zu korrigieren ist das Bildrauschen. Auch hier gibt es eine Verbindung zur analogen Fotografie: Schon das Filmmaterial benötigte größere Kristalle zur Reaktion auf wenig Licht, was sich in einer gröberen Körnung des Filmmaterials niederschlug. Selbst wenn die technologischen Voraussetzungen mittlerweile andere sind, führt auch in der digitalen Fotografie ein schwaches Lichtsignal zu Fehlern in der Signalverstärkung – die Folge ist ein Bildrauschen, das der analogen Körnung optisch sehr ähnlich ist.
Abb. 1.14: Der Weißabgleich balanciert das Bild zwischen kalter und warmer Farbstimmung.
Auch Farbkorrekturen basieren noch auf den gleichen Prinzipien. Die Farbtreue oder auf der anderen Seite ein Farbstich in die gelbliche warme oder bläuliche kalte Richtung spiegelt die Farbtemperatur wider, die während der Aufnahme herrschte.
Genau wie die Kamera kann auch die Entwicklungssoftware auf die vorherrschende Lichtsituation eingestellt werden, aber es kann auch ein manueller Weißabgleich vorgenommen werden, indem man die neutrale Bildstelle zur Neutralisierung der Farben nutzt.
Sie sehen, das Vokabular der Bildbearbeiter ist im Laufe der Jahrzehnte recht stabil geblieben. Auch wenn wir inzwischen in einer digitalen Dunkelkammer arbeiten, sind das Grundverständnis und die Bildbeurteilung noch gleich. Wir sprechen also nun dieselbe Sprache und können uns in das Abenteuer der Bildentwicklung stürzen.