Читать книгу Tausche Pumps für ein Stück Himmel - Maja Christ - Страница 10
6
ОглавлениеAm Montag hatten Martin und Kerstin sich zeitig auf den Weg zur Arbeit gemacht. Einen Teil der Strecke konnten sie gemeinsam fahren, bis Martin Richtung Bahnhof abbog, um den Zug nach Nürnberg zu nehmen, und Kerstin weiter ins Stadtzentrum radelte.
Nun saß sie am Schreibtisch, hatte den ersten Stapel abgearbeitet, mit einigen Kunden telefoniert und zwischendurch versucht, jemanden bei der Flugschule zu erreichen. Da hatte sich aber nur eine Mailbox gemeldet: »Ich bin gerade in der Luft und kann den Anruf nicht persönlich entgegen nehmen, melde mich aber gerne zurück, wenn ich wieder am Boden bin.«
Kurz vor Mittag klingelte endlich Kerstins Handy. »Flugschule Fränkische Schweiz, Rudi Frantz am Apparat. Sie hatten versucht, mich zu erreichen?«
»Ja. Danke, dass Sie zurückrufen. Mein Name ist Kerstin Frei und ich habe einen Gutschein für einen Gastflug bekommen, den ich gerne einlösen möchte. Könnte ich da einen Termin machen?«
»Ja grüß Gott, aber sicher, da sind Sie bei mir genau richtig. Wann soll es denn in die Luft gehen? Sind Sie schon mal geflogen? Und wollen Sie einfach einen Rundflug oder einen Schnupperflug machen?«, fragte Rudi Frantz zurück.
»Oh, da gibt es einen Unterschied? Moment, ich schaue mal nach.« Kerstin zog ihren Gutschein aus der Tasche. Ihr Gesprächspartner klärte sie in der Zwischenzeit auf: »Bei einem Rundflug können Sie sich ein Ziel in der Gegend aussuchen – zum Beispiel Ihr Haus oder verschiedene Sehenswürdigkeiten der Region – und da fliegt Sie einer unserer Piloten hin.«
»Und ein Schnupperflug?«
»Ist etwas teurer. Da fliegen Sie auf jeden Fall mit einem unserer Fluglehrer, können auch selbst etwas steuern und lernen das Flugzeug besser kennen. Ideal, wenn Sie überlegen, einen Flugschein zu machen, aber noch nicht wissen, welchen. Da muss man aber etwas mehr Zeit mitbringen, wir rechnen etwa eine Stunde am Boden und eine Stunde in der Luft.«
Kerstin hatte inzwischen den Gutschein hervorgekramt. »Also, meine Familie hat mir einen ‚Schnupperflug‘ geschenkt. Geflogen bin ich schon mal. Segelflugzeuge. Ist aber lange her.«
Rudi lachte: »Na prima. Dann also ein Schnupperflug. Wann passt es dir denn? Äh, Ihnen.« Rudi entschuldigte sich, dass er plötzlich auf ‚du‘ umgesprungen war.
»Ist schon in Ordnung. Das ‚Du‘ ist doch üblich unter Piloten und irgendwann im letzten Jahrtausend war ich ja mal einer – fast jedenfalls«, lachte Kerstin und sie fügte hinzu: »Also einfach Kerstin und was den Termin betrifft, passt unter der Woche Nachmittags ab 17 Uhr oder am Wochenende. Könnte ich meine Kinder mitbringen? Die sind am Wochenende wieder da.«
»Hm, lass mal gucken. Du willst sicher nicht ewig warten. Am Wochenende sind wir ziemlich ausgebucht. Aber am Donnerstag hätte ich noch eine C42 frei. Ab 17 Uhr, zwei Stunden mit meiner Hanne. Und Kinder haben hier in der Regel eine Menge Spaß. Klar können sie mitkommen. Aber in den Flieger passen sie nicht mit rein, das ist ein Zweisitzer.«
Kerstin lachte, schaute in ihren Kalender und bestätigte den Termin. »Das passt prima. Danke. Dann also bis Donnerstag, Rudi.«
Sie freute sich wie ein Kind in der Vorweihnachtszeit. Einen Flugschein wollte sie natürlich nicht machen. Wann denn und von welchem Geld? Aber dass sie mit Fluglehrer fliegen und selbst würde steuern dürfen, das war wirklich spitze.
Nach dem Mittagessen war Team-Meeting. Danach hatte sie den Termin mit Hans. Sie hörte sich an, was er an Argumenten aufzählte und sagte dann vollkommen entspannt: »Also, meinetwegen kann Jule gerne bei meinem Projekt mitmachen. Ich kann sie einarbeiten. Und dann kann sie ohne Probleme während meines Urlaubs die Kunden übernehmen, wenn was anfällt.«
Hans war überrascht, weil er Kerstin nun schon einige Jahre kannte und nach ihrer ersten Reaktion mit Widerstand gerechnet hatte. Er freute sich und sagte: »Na prima, dann ist das ja geklärt.«
Kerstin fügte jedoch noch hinzu: »Dafür kriege ich diesen Herbst das Projekt mit Fix Pharma. Dann habe ich ja genügend Puffer. Und zur Not kann ich dann wieder Jule hinzuziehen, nicht wahr?«
Hans verzog kurz den Mund und überlegte. »Alles klar, das kriegst du hin«, gestand er ihr zu. Das war also auch geklärt.
Die nächsten Tage arbeitete Kerstin länger als sonst und häufte einige Überstunden für Notfälle an. Jule war schnell ins Projekt eingearbeitet und sie kamen gut voran. Trotzdem verging Kerstin die Zeit viel zu langsam. Sie war immer noch aufgeregt wie ein kleines Kind.
Dann war endlich Donnerstag. Martin war früher von der Arbeit gekommen, um mit zum Flugplatz zu fahren. Jonas hatte erst keine Lust gehabt, war dann aber doch mitgekommen. Am Flugplatz angekommen, machten sie sich auf die Suche nach der Flugschule. Zum Glück war der Weg gut ausgeschildert. Vor einer Absperrung blieben sie stehen und überlegten, ob sie einfach durch das Tor auf das Flugfeld gehen durften. Vor einigen Jahren waren sie ab und zu mal hier im Café des Flugplatzes gewesen und hatten mit den Kindern die Flugzeuge beobachtet. Inzwischen hatte sich jedoch alles ein wenig verändert. Aber das Café von damals war noch immer da, auch wenn es einen neuen Namen hatte. An die Flugschule konnte Kerstin sich nicht mehr erinnern, die war ihr nie aufgefallen. Vielleicht war sie auch neu.
Eine Frau winkte und kam ihnen entgegen. Kerstin schätzte sie auf Mitte dreißig. Als sie bei Kerstin und ihrer Familie ankam, warf sie ihre dunklen Locken nach hinten und streckte ihnen lachend die Hand entgegen: »Seid ihr die Familie Frei? Ich bin Hanne.«
»Ja, ich bin Kerstin. Das sind mein Mann Martin und unser Sohn Jonas. Freut mich.«
Hanne schüttelte allen die Hände. Dann führte sie die Familie an den Flugzeughallen entlang in den Vorbereitungsraum der Flugschule. Dort stand ein großer Tisch mit Stühlen, in der Ecke war eine kleine Küchenzeile und an der Wand hingen Poster mit Flugzeugen und beeindruckenden Luftaufnahmen. Außerdem gab es eine weiße Tafel. Darauf standen Buchstabenkombinationen wie MI, AW oder LE sowie Namen und Uhrzeiten. Unter »MI« stand »Kerstin Frei/Hanne Schnupperflug«.
»Mama, da steht dein Name«, bemerkte Jonas.
Hanne klärte ihn auf: »Ja. Hier am Whiteboard vermerken wir, wer wann mit welchem Flugzeug fliegt. Gerade fliegt unser Werner mit der Lima-Echo, unsere große Maschine. Mein Vater, der Rudi, ist mit der Alfa-Whiskey unterwegs und die Mike-India ist auch gerade noch in der Luft.«
Jonas sah sie fragend an. Hanne lachte und erklärte: »Das sind die Kennzeichen der Flugzeuge im internationalen Alphabet. A ist ‚Alfa‘, W ist ‚Whiskey‘. Damit wir nicht immer das ganze Kennzeichen nennen müssen, kürzen wir es bis auf die letzten beiden Buchstaben ab. ‚Mike-India‘, ‚Alfa-Whiskey‘ und so weiter.«
»Aha«, machte Jonas.
»Keine Sorge. Das lernt man mit der Zeit, wenn man mit der Fliegerei zu tun hat. Wollt ihr eigentlich etwas trinken? Kaffee, Wasser, Schorle?«
»Wasser wäre prima«, antwortete Kerstin.
»Habt ihr auch Cola?«, fragte Jonas. Hanne schüttelte den Kopf. Also nahm er wie seine Eltern ein Glas Wasser. Sie setzten sich gemeinsam an den Tisch.
»Kommen wir zu dir, Kerstin. Mein Vater meinte, du wärst Segelfliegerin?«, fragte Hanne.
Die wiegte den Kopf: »Jein.« Und dann erzählte sie kurz ihre Geschichte.
»Okay«, erwiderte Hanne. »Trotzdem muss ich dann nicht bei null anfangen. Wir haben heute nur die Mike-India frei. Das ist aber perfekt, sie ist ein doppelsitziges Ultraleichtflugzeug, das ziemlich gutmütig ist.«
Hanne trank etwas Kaffee und fuhr dann fort: »Um Start und Landung kümmere ich mich. Du kannst dann in der Luft gerne mal übernehmen. Wir müssen die Augen offen halten und aufpassen, dass wir nicht in die Kontrollzone vom Flughafen Nürnberg kommen.«
Und zu Jonas und Martin gewandt sagte sie, als sie fragenden Blicke sah: »Nürnberg hat doch den großen Verkehrsflughafen. Da landen auch große Passagiermaschinen. Die fliegen nicht nach Sicht, so wie wir, sondern nach Instrumenten, Radar und so. Damit es bei dem ganzen Verkehr kein Durcheinander um den Flughafen herum gibt, dürfen wir mit unserer kleinen Maschine da nicht einfach hin fliegen. Man kann zwar um Erlaubnis fragen, aber das machen wir heute nicht.«
Dann wandte sie sich wieder an Kerstin: »Vielleicht findest du ja auch den Weg zu eurem Haus. Wo kommt ihr denn her?«
»Gleich hier aus Erlangen«, erwiderte Kerstin.
»Das ist ja super.« Hanne hatte sich richtig warm geredet. Es machte ihr sichtbar Spaß, alles zu erklären und sie wurde nicht müde, Jonas’ und Martins Fragen zu beantworten. Kerstin nahm sich erst einmal zurück. Sie würde gleich während des Fluges noch genug Gelegenheit haben, Fragen zu stellen.
Dann sagte Hanne: »So Jungs, genug erst mal. Eigentlich will doch eure Kerstin mit mir fliegen. Wir gucken mal, ob die Mike-India zurück ist, dann checken wir sie. Und ihr könnt euch draußen entspannt zurück lehnen und uns beim Start zugucken. Bleibt bitte hier in der Nähe und lauft nicht nach vorne auf das Vorfeld, alles klar?«
Martin und Jonas nickten. Die Tür ging auf und ein junger Mann trat ein. »Servus allerseits.«
»Grüß dich, Jochen, da bist du ja! Wie war dein Flug? Alles klar?«, fragte Hanne.
»Ja, alles bestens, Hanne, danke. Die Mike-India steht draußen. Was hast du vor? Sie hat noch um die 40 Liter Sprit, vielleicht reicht dir das.«
»Ja, das langt locker. Prima, dann müssen wir jetzt gar nicht tanken.« Und zu Kerstin gewandt fragte sie: »Hast du alles? Dann können wir uns fertig machen. Bis später, Jungs!«
Kerstin umarmte ihre Männer und winkte: »Bis gleich!« Sie war jetzt wirklich aufgeregt, auch wenn man ihr das nicht ansah. Sie würde wieder fliegen! Nach weit mehr als 25 Jahren wieder ein Flugzeug steuern!
Kerstin folgte Hanne nach draußen. Martin und Jonas kamen hinterher, blieben dann aber zurück. Da stand das Flugzeug: cremefarben, die Vorderseiten und die Enden der Flügel waren rot bemalt. Es sah aus wie eine Cessna, nur kleiner. Schnuckelig auf jeden Fall. Hanne fing gleich an, das Flugzeug gründlich zu überprüfen. »Vorflugcheck« nannte sie das. Propeller, Ölstand, Fensterscheiben, Nieten, Tragflächen, Bespannung, Anschlüsse. Alles wurde überprüft. Einiges kannte Kerstin noch vom Segelfliegen. Anderes war ihr neu. Vor allem hatten sie die Flugzeuge nur einmal morgens überprüft und nicht vor jedem Flug. Und Öl oder Sprit hatte man sowieso nicht checken müssen. So etwas brauchten Segelflugzeuge nicht.
Dann endlich durfte sie sich in das Flugzeug hineinsetzen. Allerdings ließ Hanne sie nicht auf den Pilotensitz. »Das geht erst, wenn du bei uns die Ausbildung machst, aber rechts ist es auch schön, da sitze ich sonst immer«, zwinkerte sie ihr zu. Also setzte Kerstin sich auf den Kopiloten-Sitz und versuchte, sich anzuschnallen. Hanne überprüfte alles und schloss die Tür von außen. Dann kam sie um das Flugzeug herum und setzte sich neben Kerstin. Die hatte sich inzwischen umgesehen. Die Pedale für das Seitenruder. Lauter Instrumente. Es gab nur einen zentralen Steuerknüppel. Im Segelflugzeug hatte jeder einen eigenen Steuerknüppel gehabt. Aber da hatte man ja auch hintereinander gesessen. Wie hätte man sich da einen Steuerknüppel teilen können?
»So, wie du vielleicht schon gesehen hast, teilen wir uns den Steuerknüppel. Das spart Gewicht. Du machst das eh mit links, was?« Hanne lachte. Dann erklärte sie weiter: »Hier kannst du Geschwindigkeit, Höhe und Steigen und Sinken ablesen, das kennst du sicher noch vom Segelfliegen.«
Sie zeigte auf ein paar Instrumente. »Hier ist der Drehzahlmesser für die Motordrehzahl. Auf der anderen Seite sind noch Anzeigen für Öltemperatur und -druck, hier sind Funk und Transponder. Wofür das alles gut ist, lernst du mit der Zeit«, erklärte Hanne und fügte dann lächelnd hinzu: »wenn du bei uns weiter fliegst.«
Im Augenblick konnte Kerstin sich nicht alles merken. »Sie riecht nach Flugzeug«, stellte sie jedoch fest.
Hanne sah sie amüsiert an: »Die Mike-India? Na ja, sie ist ein Flugzeug. Aber sie riecht vor allem nach Sprit, würde ich sagen.«
Kerstin dachte nach. »Ja, aber ich bin noch nie mit einem Motorflugzeug geflogen. Nur Segelflugzeuge, und die rochen bestimmt nicht nach Sprit«, beharrte sie. »Sie riecht definitiv nach Flugzeug.«
Hanne lachte herzlich, nahm eine Checkliste in die Hand und ging sie mit Kerstin durch. Dann startete sie den Motor. Er war laut, aber nicht so laut, wie Kerstin gedacht hatte. Sie setzten sich die Headsets auf. Hanne half ihr dabei. Die Kopfhörer dämpften das Motorgeräusch und es war nun deutlich leiser. Unterhalten konnten sie sich über die Mikros.
Hanne erklärte noch ein paar Dinge und meldete sich dann über Funk bei der Flugleitung des Flugplatzes. Der Flugleiter antwortete irgendetwas, dann rollten sie auch schon los Richtung Startbahn. Kerstin war jetzt sehr aufgeregt. Es kribbelte im ganzen Körper. »Gleich geht es in die Luft«, freute sie sich in Gedanken. Am Ende der Rollbahn angekommen, dauerte es aber noch eine halbe Ewigkeit, bis sie endlich starten konnten. Zuerst musste Hanne einen Motorcheck durchführen. Vor ihnen stand noch ein weiteres Flugzeug, das zuerst starten durfte. Dann war ein Motorflugzeug im Landanflug, anschließend noch ein Ultraleichtflugzeug, ähnlich wie das, in dem sie gerade saßen.
»Ist das normal, dass hier so ein Verkehr ist?«, fragte Kerstin über das Headset.
»Yepp«, antwortete Hanne. »Wenn das Wetter so herrlich ist wie heute. Du hast dir einen guten Tag ausgesucht. Außerdem sind Sommerferien.«
Endlich fand sich eine Gelegenheit zum Starten. Kerstin hatte die Hände auf dem Schoß liegen und die Füße gemütlich auf dem Boden abgestellt. Hanne rollte das Flugzeug auf die Startbahn und gab Gas. Erneut schoss Kerstin ein Kribbeln durch den Körper. Und ehe sie sich versah, waren sie auch schon in der Luft. Das war überhaupt nicht vergleichbar mit den großen Passagiermaschinen. Bei denen dauerte das ewig und sie bangte immer, wann die endlich abhoben.
Kerstin schaute aus dem Fenster. Sie sah den Flugplatz, den Tower, in dem der Flugleiter saß, die anderen Flugzeuge am Boden, den Wald. Irgendwo winkten Martin und Jonas. Schnell wurde alles kleiner. »Wahnsinn!«, rief sie. »Ich hatte vergessen, wie toll das ist!« Hanne lächelte.
Der Himmel war blau und die weißen Wolken bildeten einen unglaublichen Kontrast. »Verdammt, ich habe in der ganzen Aufregung meine Kamera vergessen«, fluchte Kerstin.
Hanne entgegnete: »Dann genießt du jetzt in Ruhe den Flug. Wir machen einfach nachher noch ein Bild von dir mit der Mike-India. Willst du das Steuer übernehmen? Nimm auch die Füße in die Pedale.«
Kerstin setzte ihre Füße in die Pedale und umfasste mit der linken Hand den Steuerknüppel. Jetzt steuerte sie ganz allein das Flugzeug. Als erstes sollte sie einfach geradeaus fliegen, dann einen Vollkreis nach rechts und anschließend nach links. Es war unglaublich. Kerstin schwebte im siebten Himmel.
Hanne korrigierte sie immer wieder etwas, lobte aber auch viel. »Das machst du prima. Merkt man gleich, dass du das schon mal gemacht hast. Weißt du noch, wo Erlangen sein müsste? Dann flieg da mal hin. Aber wir dürfen maximal 3500 Fuß hoch, hier ist ja kontrollierter Luftraum. Lass uns mal lieber bei 3000 Fuß bleiben. Das sind so um die 900 Meter. «
Kerstin schaute nach draußen. Da war die Autobahn, da der Wald. Dahinter war schon Erlangen, also musste sie nach rechts steuern. »Super«, sagte Hanne. »Wann fängst du bei uns an?«
Kerstin antwortete: »Ähm, ich habe eigentlich nicht vor, jetzt einen Flugschein zu machen. Ich wüsste nicht, wann und von welchem Geld.«
Hanne nickte. »Je nach Lizenz kostet die Ausbildung zwischen 4000 für die Sportpilotenlizenz und 10000 Euro für den Motorflugschein. So wie ich dich einschätze, bräuchtest du nur die Minimalanforderung. Also, um diese Maschine hinterher fliegen zu dürfen, etwas mehr als 4000 Euro. Geschenkt ist das natürlich nicht. Aber es wäre wirklich schade, dieses Talent nicht auszubauen.« Dann fügte sie lachend hinzu: »So, und jetzt guckst du mal wieder auf den Höhenmesser. 3000 Fuß hatte ich gesagt. Und wie viel hast du?«
Kerstin schaute auf die Anzeige. Sie war in den letzten Minuten stetig gestiegen. »Ups«, sagte sie. »Zu viel.« Also drückte sie die Nase des Flugzeugs nach unten und versuchte, die Höhe zu reduzieren, bis Hanne zufrieden war.
»Da unten ist unser Vorort, ich sehe unser Haus!«, freute Kerstin sich. Hanne schaute auf die Uhr und sah auf ihre Luftfahrtkarte, die sie sich an einem Kniebrett am Bein festgeklemmt hatte. Dann fragte sie: »Noch ein Ziel? Oder einfach Fliegen?«
»Ach, einfach Fliegen ist genau richtig«, antwortete Kerstin. Also ließ Hanne sie entlang der Autobahn ein Stück Richtung Norden fliegen und ging einige Flugmanöver mit ihr durch.
Viel zu schnell sagte sie jedoch: »So, auch wenn es dir schwerfallen wird: Deine Männer warten. Wir machen uns mal auf den Rückweg. Weißt du noch, wo der Flugplatz ist?«
Kerstin seufzte: »Schade.« Sie suchte die Landschaft ab. »Da hinten ist der Platz. Und jetzt?«
»Jetzt übernehme ich und du genießt die restlichen fünf Minuten bis zur Landung«, schlug Hanne vor und nahm Kurs Richtung Flugplatz. Kerstin beobachtete Hanne, wie sie den Flieger an den Boden brachte. Hanne setzte sanft auf der Piste auf, rollte Richtung Hangar und stellte den Motor ab. Nun war es wieder ganz still im Flugzeug. Kerstin atmete einmal tief ein und nahm das Headset vom Kopf.
»Na, wie hat es dir gefallen?«, fragte die Fluglehrerin. Sie sah Kerstin an und lachte: »Alles klar, du brauchst mir keine Antwort zu geben. Ich sehe es an deinem Lächeln!«
Tatsächlich strahlte Kerstin von einem Ohr zum anderen. Hanne hakte nach: »Na, dann suche dir doch mal die Ausbildungsunterlagen zusammen, oder? Wir haben noch ein bisschen Zeit und können uns über alles unterhalten.«
Kerstin seufzte: »Nee, das mit der Ausbildung wird jetzt leider nichts. Aber ich mache gerne irgendwann mal wieder einen Gastflug mit dir.«
Hanne nickte, stieg aus und half dann Kerstin. Die merkte jetzt erst, wie geschafft sie war. Sie war vollkommen verschwitzt und ihre Knie waren ganz weich, als sie aus dem Flugzeug stieg.
Während Hanne das Flugzeug an die Seite schob, machte Kerstin sich auf den Weg, ihre Familie zu suchen. Ihre Männer hatten es sich im Flugplatz-Café gemütlich gemacht und winkten ihr zu. Jonas hatte anscheinend seine gesamten Überredungskünste genutzt, denn Martin hatte ihm die ersehnte Cola gekauft.
Als sie Richtung Vorbereitungsraum gingen, sprudelte es nur so aus Kerstin heraus: dass sie allein ihr Haus gefunden hatte, dass sie selbst hatte steuern dürfen und dass Hanne sie sogar gelobt hatte.