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C. Die funktionelle Tatherrschaft als Tatherrschaftsmerkmal des Mittäters
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Kritik sieht sich weiterhin auch das Kriterium der funktionellen Tatherrschaft des Mittäters ausgesetzt. An ihrem Beispiel soll sich zur Gewissheit verdichten, was sich im Rahmen der Handlungsherrschaft und der Willensherrschaft bisher nur angedeutet habe, nämlich, dass die grundlegende Methodik des offenen Täterbegriffes, die Roxin seiner Tatherrschaftslehre zu Grunde gelegt habe, nicht funktioniere.[1]
Wie oben gezeigt, soll nach Auffassung Roxins bei der Mittäterschaft die funktionsbedingte gegenseitige Abhängigkeit des jeweils wesentlichen Tatbeitrages das entscheidende – Tatherrschaft vermittelnde – Täterschaftskriterium sein.[2] Allerdings räumt Roxin selbst ein, dass speziell der Begriff des „wesentlichen Tatbeitrages“ nicht abstrakt zu definieren sei.[3] So stehe nicht stets vorab fest, ob ein Tatbeitrag wesentlich sei. Dies lasse sich etwa am Beispiel des Schmierestehens bei einer Tatverwirklichung verdeutlichen. Ob dieser Tatbeitrag so wesentlich sei, dass er Tatherrschaft vermittele, sei stets eine Frage des Einzelfalles. Der Terminus der funktionsbedingten gegenseitigen Abhängigkeit des jeweiligen wesentlichen Tatbeitrages sei insoweit ein offener Begriff, der es ermögliche, auf Einzelfallkonstellationen flexibel zu reagieren.[4] Ein derart offener Begriff wird indes für ungeeignet gehalten, um als bestimmender Begriff einer Täterlehre fungieren zu können. Denn je offener der Täterbegriff gestaltet werde, desto willkürlicher seien die Ergebnisse, die sich aus diesem Begriff herleiten ließen.[5] Insgesamt finde sich in der Lehre Roxins kein Kriterium, das den Begriff der funktionellen Tatherrschaft dogmatisch zutreffend definieren könne. Dies gelte zunächst für die Begriffe der „funktionsbedingten Abhängigkeit“ und der „Wesentlichkeit“. Darüber hinaus gelte dies aber zusätzlich auch für das Element der „Herrschaft“ als Kriterium der Mittäterschaft. Eine präzise Definition dieses Kriteriums als Voraussetzung funktioneller Tatherrschaft finde sich bei Roxin nicht, was ungeklärt lasse, auf welche Art und Weise der potentielle Mittäter im Sinne Roxins Herrschaft ausüben müsse, um insgesamt von Tatherrschaft sprechen zu können.[6]
Gegen Roxins Verständnis von funktioneller Tatherrschaft sei schließlich einzuwenden, dass dieser offensichtlich auf das Kriterium der Kausalität des jeweiligen Tatbeitrages für den tatbestandsmäßigen Erfolg verzichte und stattdessen lediglich noch auf die Kausalität der Beiträge der Mittäter in ihrer Gesamtheit abstelle.[7] Hierdurch verliere das Herrschaftselement der funktionellen Tatherrschaft jedoch jeden faktisch realen Charakter, denn dann seien ohne weiteres Fälle denkbar, in denen Tatherrschaft bei den einzelnen Mittätern nicht mehr tatsächlich vorliege, sondern sich für jeden Mittäter, mit Ausnahme des tatsächlich Handelnden, ausschließlich wertend aus der Zugrundelegung eines hypothetischen Kausalverlaufs ergebe.[8]
Für die Untersuchung von Tatherrschaft im Rahmen der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO werfen diese Einwände gegen das Tatherrschaftskriterium der funktionellen Tatherrschaft die Frage danach auf, ob sich Mittäterschaft im Rahmen der Steuerhinterziehung über die Funktion der Beteiligten bei der Tatausführung herleiten lässt. Dies wäre jedenfalls dann denkbar, wenn sich konkret festlegen ließe, worin genau ein wesentlicher Tatbeitrag im Rahmen der Steuerhinterziehung besteht, der eine beherrschende Funktion bei der Hinterziehung von Steuern vermittelt. Darüber hinaus ist die Frage von Interesse, inwieweit ein entsprechender Tatbeitrag kausal für den Verkürzungserfolg des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO sein muss.