Читать книгу Tatherrschaft im Rahmen der Steuerhinterziehung - Malte Wietfeld - Страница 59
Teil 5 Der Deliktscharakter des § 370 Abs. 1 AO
ОглавлениеInhaltsverzeichnis
A. § 370 Abs. 1 AO als reines Pflichtdelikt
B. § 370 Abs. 1 AO als reines Allgemeindelikt
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Zunächst ist somit der Deliktscharakter des § 370 Abs. 1 AO und damit die Frage von Bedeutung, inwieweit es sich bei § 370 Abs. 1 AO um ein Allgemeindelikt oder ein Pflichtdelikt handelt.
Ausgehend vom Wortlaut des § 370 Abs. 1 AO lässt sich dessen Deliktscharakter dem ersten Anschein nach umstandslos einordnen. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen der Nr. 1 einerseits und den Nrn. 2 und 3 andererseits. Wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO) macht sich strafbar, wer pflichtwidrig handelt. Die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung setzt damit in den Unterlassungsvarianten dem Wortlaut nach die Verletzung einer spezifischen Pflicht voraus. Es scheint daher alles dafür zu sprechen, dass § 370 Abs.1 Nr. 2 und Nr. 3 AO als Pflichtdelikte im von Roxin verstandenen Sinne zu kategorisieren sind.[1] Anders verhält sich dies dagegen bei einer Betrachtung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Hier verzichtet der Gesetzgeber dem Wortlaut des Tatbestandes nach auf die Verletzung einer spezifischen Verpflichtung und knüpft stattdessen ganz allgemein an das Tätigen unrichtiger oder unvollständiger Angaben als Tathandlung an. Damit scheint auch der Deliktscharakter des § 370 Abs.1 Nr. 1 AO auf der Hand zu liegen: Dadurch, dass der Gesetzgeber positiv an ein tatbestandsmäßiges Handeln und gerade nicht an ein pflichtwidriges Unterlassen anknüpft, wirkt die Steuerhinterziehung in der Begehungsvariante des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO geradezu als Prototyp eines Herrschaftsdeliktes, das keine spezifische Pflichtverletzung voraussetzt und in dessen Rahmen es zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme deshalb auf das Kriterium der Tatherrschaft ankommen müsste. Bei unbefangener Betrachtung des Steuerhinterziehungstatbestandes zeichnet sich demnach insgesamt ein verhältnismäßig eindeutiges Bild von dessen Deliktscharakter. Trotzdem werden gegen die Differenzierung des § 370 Abs. 1 AO in ein Allgemeindelikt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) und zwei Pflichtdelikte (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO) verschiedene Einwände vorgetragen.