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Max Scheler: Die Stellung des Menschen im Kosmos Die Biologie, eine neue philosophische Modellwissenschaft

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Das Novum des Denkens, welches Max Scheler seit der Zeit seiner Köllner Vorlesungen von 1922 in der philosophischen Skizze Die Stellung des Menschen im Kosmos kundtun konnte und was ihn zu der Behauptung berechtigte, dass die „Probleme einer Philosophischen Anthropologie heute geradezu in den Mittelpunkt aller philosophischen Problematik in Deutschland“ 1 getreten seien, lag in der Heranziehung einer neuen Modellwissenschaft zum philosophischen Denken: der Biologie. In der Zeit einer Krisis des traditionellen Menschenbildes, innerhalb dessen er entweder als Abbild Gottes oder als selbstverständlicher Träger eines Logos bestimmt worden war, war es ob der neuzeitlichen Wissenschaften (wie der Evolutionstheorie, welche den Menschen als ein wohl komplexeres, gar als den Höhepunkt einer Entwicklung jedoch rein natürlicher Lebensformen auffasste) notwendig geworden, Traditionsstränge neu zu überprüfen. Hinzu kam die Tatsache, dass die verschiedenen Wissenschaften „gewaltige Schätze des Einzelwissens“2 vom Menschen erarbeitet hatten, so dass die Zeit reif schien, für den Menschen „eine neue Form seines Selbstbewusstseins und seiner Selbstanschauung zu entwickeln.“3

Demnach musste sich der Horizont der zentralen philosophischen Fragestellung verschieben – nach der ersten anthropologischen Wende durch Sokrates, jetzt eine zweite – und das Lebendige den paradigmatischen Rahmen dafür darstellen. Der Mensch musste nun als Forschungsgegenstand notwendig in den Fokus der philosophischen Untersuchungen einrücken, war er doch das einzige lebendige Wesen, dessen Innenleben, dessen „Fürsich- und Innesein“4, welches Scheler als „das psychische Urphänomen des Lebens“5 bestimmte, ihm selber einsichtig werden konnte. Konsequenterweise musste sich der Blick auf den Menschen grundsätzlich neu einstellen. Mit theologischen oder metaphysischen Kriterien allein konnte er nicht mehr zureichend beschrieben werden. Es bedurfte zusätzlicher, neuer Konzepte, die den im Aufschwung befindlichen Lebenswissenschaften wie der Biologie Jakob von Uexkülls entnommen werden konnten – wie z.B. der zentrale Begriff der Umwelt6. Damit rückte der Mensch in den Zusammenhang von Tier und Pflanze – seinen Mit-Lebewesen – ein, und es ergab sich zwingend die Frage der modernen Anthropologie nach der Sonderstellung des Menschen in dieser Welt: das Wort „Mensch in der Sprache des Alltags, und zwar bei allen Kulturvölkern […] soll auch einen Inbegriff von Dingen bezeichnen, den man dem Begriffe des ‚Tieres überhaupt‘ aufs Schärfste entgegensetzt […]“.7

Scheler kontrastiert diesen emphatischen Menschenbegriff, den er den „Wesensbegriff“8 des Menschen nennt, mit einem „natursystematischen Begriff“9 und fragt:

Ob dieser zweite Begriff, der dem Menschen als solchem eine Sonderstellung gibt, die mit jeder anderen Sonderstellung einer lebendigen Spezies unvergleichbar ist, überhaupt zu Recht bestehe – das ist unser Thema.10

Das Verdienst Schelers war es also, als erster grundlegend neue Konzepte für diese neue Situation in das philosophische Denken eingeführt und die Fundamente dieses modernen Zweiges der Philosophie gelegt zu haben.

Die Fragen, welche Konsequenzen sich aus dieser anthropologischen Wende des Denkens für Ästhetik und Poetik ergeben, sollen hier behandelt werden.

Transzendierende Immanenz

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