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Das lebendige Sein und die Kunst als Ausdruck transzendierender Immanenz
ОглавлениеLebendige Natur ereignet sich dort, wo ein Organismus ausdrücklich wird. Ausdrücklich werden ist ein Prinzip des Lebendigen. Eine der Manifestationen der Natur ist das Organische, und im Organischen wird sie sich selbst ausdrücklich. Indem der Organismus ausdrücklich wird, manifestiert er sich als Pflanze, Tier oder sich selbst ausdrücklich auch als Mensch.
Die Kunst exponiert und potenziert dieses dem Lebendigen innewohnende Prinzip der Ausdrücklichkeit. Die Künste sind Ausdruck im emphatischen Sinne. Sie Überhöhen das Prinzip des Ausdrucks in ihren spezifischen äußeren, d.h. objektiven Manifestationen, insbesondere in den Schönen Künsten, doch nicht nur in diesen. Kunst und Leben sind daher keine Gegensätze, sondern eins. Kunst findet statt im Ausdrücklichwerden des Ausdrucks. In ihr wird sich der Mensch in hervorragender Weise seiner selbst gegenwärtig und vermittels ihrer schafft er sich – ein Wesen der Natur – sein Sein.
Kunst ist die absichtsvoll nach außen gewendete Natur des lebendigen Wesens Mensch, die Ausdrücklichkeit des Ausdrucks im emphatischen Sinne.
Die Form der Ausdrücklichkeit des Lebewesens Mensch heißt transzendierende Immanenz. Transzendierende Immanenz antwortet auf die Alsbergische Frage nach dem Ort des Menschen im Linnéschen System der zoologischen Taxonomie, in dem der Mensch seinen biologischen Platz überschreitet, ohne diesen je verlassen zu können. Sie ist die Antwort auf die Frage nach der Heraufkunft des Menschen als Meister der Negation und Asket, wie Scheler ihn denkt, oder nach der Plessnerschen Dynamik des in der gegensinnigen Grenzvermittlung hervortreibenden Ausdrucks dessen, was schließlich in das sich selbst gegenwärtige Lebewesen Mensch mündet, oder aber wie in einem systemischem Denken als Zusammenhang von sich gegenseitig fordernden Bedingungen à la Arnold Gehlen. Bei ihm bindet sich Erinnerung an Motorik, und Motorik lässt den in Selbststellung stehenden Menschen sich selbst und anderen in Haltung, Handlung und Ausdruck gegenwärtig sein.
Transzendierende Immanenz entspricht der Organisation des lebendigen Individuums Mensch, da es sich in seinem Körper verwirklicht, indem er der Forderung entspricht zu bleiben, „was er ist, und überzugehen in das, was er nicht ist und was er ist.“1
Transzendierende Immanenz ist der Ursprung für die Plastizität des Sinnlichen und Bedingung der Möglichkeit für die Gegenwart des Geistes.
Transzendierende Immanenz ist der Ursprungsort selbsterlebter lebendiger Bewegung und Rhythmus ihr Impuls im Werden.
Transzendierende Immanenz entspricht der Schwellnatur des Akustischen2, das dem Hören, Atmen und der Artikulation zugrunde liegt.
Transzendierende Immanenz ist jene Form von Ausdruck, Haltung und Handlung die, der Gruppe anheim gegeben, von jedem Einzelnen dieser gespiegelt und wiederholt in Tanz, Schrift und Zeichen verwandelt, zur Bedeutung sich verfestigt und es dem Menschen – sich selbst ausdrücklich geworden – erlaubt, aus dem autistischen Schoß der Natur sich zu sich selbst hin aufzuschwingen.