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PHILOSOPHISCHE ANTHROPOLOGIE UND DIE WORTKUNST
ОглавлениеEine zusammenfassende Lektüre mit Resümee
Es un hombre …
Paul Alsberg zitiert Sophokles mit „Viele gibt es der Wunder – kein größeres als den Menschen“1. Das Erstaunen oder Sich-Wundern, das Thaumatzein, verwandelt diese Aussage in einen urphilosophischen Gedanken. Alsberg sucht dieses Rätsel aufzuklären. Doch ein „Wunder“ kann der Mensch nur sein, wenn er „ein Tier im Sinne eines Primus inter pares sei“2 wie Alsberg weiter ausführt. Denn als Geschöpf eines Gottes oder einer höheren Macht sei er schon erklärt und bedürfe keiner weiteren.
Welchen Namen aber trägt der Mensch als Primus inter pares, als Säugetier/ Primat? Wie also transzendiert der Mensch seine biologische Einordnung im linnéschen System? Wie stellt sich dieses Überschreiten der Immanenz dar? Ist mithin dies seine ihm ureigene Natur: der Mensch, das Lebewesen der transzendierenden Immanenz?
Unter den frühen Gedichten Antonio Gamonedas finden wir das folgende:
Es un hombre. Va solo por el campo.
Oye su corazón, cómo golpea,
y, de pronto, el hombre se detiene
y se pone a llorar sobre la tierra.
Juventud del dolor. Crece la savia
verde y amarga de la primavera.
Hacia el ocaso va. Un pájaro triste
canta entre las ramas negras.
Ya el hombre apenas llora. Se pregunta
por el sabor a muerto de su lengua.3
Einfache Sätze beschreiben eine einfache Szene. Ein Mensch wird benannt. Er geht allein übers Feld, ein alltägliches Geschehen. Im Gehen erfüllt der Mensch seine Bestimmung, denn als aufrechter Bipodes auf dem weiten Feld der Erde begann er seinen Stammbaum. Der aufrechte Gang ist für Hans Blumenberg das wesentliche Merkmal des Menschen und der Ausgang für seine Sonderstellung in der Welt4. Doch der nächste Satz führt uns in sein Inneres, zu seinem Herzen und sogleich stockt dieser menschliche Gang. Er bricht in Weinen aus, dort auf dem Acker. Das Weinen stellt nach Plessner gleichsam einen Zusammenbruch der menschlichen Konstitution dar: ein Ausgeliefertsein des Menschen an ein ihn überwältigendes Erlebnis – ein Privileg des Menschen vor allen anderen Lebewesen –, welches diesem die Herrschaft über seinen Körper verlieren lässt und ihn an das Würgende, Schluchzende des Weinens und somit an seine reinen Körperfunktionen ausliefert5. Der Leser weiß nichts über das Warum dieses Ausbruchs. Das Gedicht führt uns in den Umkreis des „homo absconditus“6. Die nächste Strophe führt den Leser zu einem Empfinden, welches der Grund des Weinens sein könnte, einem Schmerz, und weiter zu einer Erinnerung oder der Beobachtung einer Umgebung, welche eine Erinnerung entbirgt. Die Möglichkeit des Habens einer Umgebung ist ein Privileg des Menschen vor seinen Lebensgenossen, den Tieren, welche eine Umwelt besitzen, aber keine Umgebung, keinen Horizont. Und weiter zieht der Mensch gegen Westen, dem fernen Horizont des Sonnenuntergangs entgegen, dahin, wo der Tag endet. Schon dunkelt es, die Zweige zeichnen schwarze Linien, und ein Vogel lässt sich hören, ein Bewohner desselben Horizonts, derselben Erde wie der Mensch. Das Weinen erlischt und zurück bleibt die Frage des Menschen nach dem Wissen um seinen Tod, der sich als Geschmack nach dem Tod auf seiner Zunge niederschlägt. Das Wissen um seinen Tod zeichnet den Menschen vor allen anderen Lebewesen aus, wobei nach Landsberg sich hier schon ein modernes, existenzielles, Bewusstsein von Tod geltend macht und nicht eines, welches den weit überwiegenden Teil der Menschheitsgeschichte bestimmte, nämlich dem vom Tod als einer Verwandlung, entweder in ein anderes Lebewesen, in ein höheres Leben oder in die Rückkehr als anderer Mensch derselben Sippe oder Volkes7.
Diese Fingerübung zum Thema Mensch möchte vorläufig darauf aufmerksam machen, was aus der Perspektive der philosophischen Anthropologie auf einen Text Antonio Gamonedas unmittelbar erkennbar werden kann.