Читать книгу Planet der Magie - Manfred Rehor - Страница 5
ОглавлениеBundara
Die fremde Sonne stand strahlend im Zenit. Weiße Wolken trieben über den Himmel, doch sie beeinträchtigten kaum die Sicht. Macay saß mit seinen Freunden Rall und Zzorg am Waldrand im Schatten einiger Bäume. Er starrte nach oben, wo sich ein silberner Fleck gegen das Blau abzeichnete.
Heller werdend beschrieb der Fleck einen Bogen. Ein gleißender Lichtstrahl schoss nach unten. Langsam sank das Forschungsraumschiff der Oberfläche Bundaras entgegen. Seine Form wurde erkennbar: Es war ein Zylinder aus Metall.
Das Raumschiff blieb senkrecht in der Luft stehen, immer noch sehr weit oben. Das Licht, das aus seinem unteren Ende kam, veränderte die Farbe, wurde erst schmerzhaft hell und verblasste dann zu einem unscheinbaren Wabern.
Macay sah hinunter in das Tal, das sich vom Waldrand aus nach Norden erstreckte. Dort stand das Beiboot, mit dem er auf diesen Planeten gekommen war. Eine linsenförmige Maschine mit zwei Männern und einer Frau als Besatzung. Gemeinsam mit Macay und seinen beiden Freunden hatten diese Raumfahrer einen Landeplatz für das Forschungsschiff ausfindig gemacht. Nun lotsten sie den gewaltigen Flugkörper vom Beiboot aus an die richtige Stelle. Es war ein sumpfiges Gelände, das sie ausgewählt hatten, drei Wegstunden von dem Wald entfernt. So viel Sicherheitsabstand war nötig, um nicht in Gefahr zu geraten, wenn das Schiff sich seinen Landeschacht schuf. Mit dieser Arbeit begann es nun.
Der veränderte Lichtstrahl aus den Triebwerken brannte ein riesiges Loch in den Boden. Es würde fünfundvierzig Meter durchmessen und vier Mal so tief sein - groß genug, um den Zylinder aufzunehmen. Dies gehörte zum normalen Verfahren, wenn Menschen ein solches Forschungsschiff für längere Zeit auf einer bewohnten Welt stationierten. In unbewohntem Gebiet grub es sich ein. Die Wände des Schachtes bestanden dann aus geschmolzenem Gestein und boten optimalen Schutz. An der Oberfläche war von dem Raumschiff nur ein kreisförmiger Bereich zu sehen, der sich leicht tarnen ließ.
Macay zuckte zusammen, als er hinter sich ein ungewohntes Geräusch hörte. Doch er drehte sich nicht sofort um. Alle Geräusche auf dieser Welt waren neu für ihn. Das Zwitschern der Vögel klang anders, als er es von seiner Heimatwelt kannte. Ebenso das Rauschen der Blätter in den Bäumen, das Rascheln im Gras, sogar das Summen der Insekten. Der schwache Wind brachte seltsame Gerüche mit sich, süßlich und betäubend.
Als das zischende Fiepen erneut erklang, wandte sich Macay um. Einen Moment lang suchte sein Blick zwischen den Bäumen nach einer möglichen Ursache. Dann entdeckte er sie und sprang auf. Gleichzeitig stieß er einen warnenden Ruf aus, der seine Freunde alarmierte.
Er sah einen hageren, alten Mann, der drei Dutzend Schritte entfernt von ihm stand und winkte. Anschließend steckte der Mann zwei Finger in den Mund und pfiff. Aber das schien nicht sein größtes Talent zu sein, denn mehr als das zischende Fiepen, das Macay gehört hatte, brachte er nicht zustande.
„Wo kommt der denn her? Commodore Eegenhard hat uns doch versichert, dass noch nie Menschen hier gelandet sind.“ Macay tastete nach der stabförmigen Waffe, die er aus dem Beiboot mitgebracht hatte. „Ich rede mit ihm. Haltet mir den Rücken frei.“
Langsam ging er auf den Mann zu, der immer hektischer winkte und sich dabei ängstlich umsah. Macay blieb stehen, um noch einmal die Umgebung und das Wäldchen genau zu mustern. Er konnte keine Gefahr erkennen.
„Geht in Deckung“, sagte der Mann leise, als Macay nahe genug war. „Gleich wird euer schönes Raumschiff explodieren. Warum versucht ihr Idioten schon wieder, mit so einem Riesenteil auf Bundara zu landen? Noch dazu hier im Norden!“
„Besteht Gefahr für das Schiff?“, fragte Macay. Er sprach ebenso leise, wie der Mann, von dem er nur noch eine Armlänge entfernt war. Nun sah er, dass dessen Körper nicht nur hager, sondern ausgemergelt war, wie bei jemandem, der lange hungern musste. Die Kleidung bestand aus einer Art Leinenzeug, schmutzig und an mehreren Stellen notdürftig geflickt.
„Gefahr?“, sagte der Mann und kicherte unvermittelt. „Und ob! Es sind schon vier von den Dingern verlorengegangen. Man mag hier Menschen nicht besonders. Vielleicht sind es die Buroggs, die dahinterstecken. Denen traue ich alles zu ...“
Der Mann brach ab und hielt den Finger an den Mund. Für einen Moment horchte er in den Wald hinein. „Nein, nichts“, sagte er dann. „Glück gehabt. Hol die beiden merkwürdigen Typen her, die dort auf dich warten. Und zwar schnell, wenn dir etwas an ihnen liegt.“
Mit den merkwürdigen Typen meinte der Alte die Begleiter von Macay. Rall war ein Mischwesen aus Katze und Mensch, Zzorg aus Echse und Mensch. Beide hatten die Statur von Menschen und gingen aufrecht, doch ihre Köpfe verrieten schon von Ferne, dass sie etwas Besonderes waren. In Ralls Katzengesicht glänzten große, scharfe Augen und seine spitzen Ohren waren ständig in Bewegung. Zzorg war deutlich größer und kräftiger als Rall und zeigte gerne die vielen Zähne in seiner Echsenschnauze.
„Nein! Leise!“, sagte der Mann hastig.
Macay hatte Luft geholt, um seinen Freunden zuzurufen, dass keine Gefahr drohe. Nun winkte er sie nur zu sich.
„Erklären Sie mir jetzt mal in Ruhe, was los ist“, forderte er dann.
„Was los ist? Bisher ist erst ein einziges menschliches Forschungsraumschiff sicher auf dieser Welt gelandet. Man hat versucht, die Besatzung umzubringen, aber die meisten konnten fliehen. Ich auch, sonst wäre ich nicht hier.“ Der Mann grinste selbstgefällig. „Zwanzig Jahre ist das her. Drei weitere Versuche, hier zu landen, sind gescheitert. Hat man euch das nicht erzählt, bevor man euch losgeschickt hat?“
„Von verlorenen oder vernichteten Raumschiffen wissen wir nichts.“
„Also hat euch der Commodore auf gut Glück hergeschickt. Sieht ihm ähnlich! Egal, wir müssen hier weg.“
Macay wandte sich an Rall, der inzwischen neben ihm stand: „Du bist der schnellste von uns. Renn zum Beiboot. Sie sollen per Funk das Schiff warnen. Die Landung muss abgebrochen werden, bis wir wissen, ob wirklich Gefahr droht.“
Der alte Mann packte Rall am Arm und hielt ihn zurück. „Zu spät. Seht ihr es nicht?“
Durch das Blätterdach der Bäume war der Blick auf das landende Forschungsraumschiff versperrt. Doch aus der Richtung, in der es sein musste, drang hellrotes Licht herüber.
„Weg hier! Wie oft muss ich es noch sagen? Dort hinten ist ein Bach in einer tiefen Senke. Da sind wir sicher, wenn die Druckwelle kommt.“ Der Alte wandte sich um und hastete hinkend in den Wald hinein.
Widerwillig folgten ihm die drei.
Macay glaubte nicht so recht an eine Gefahr. Das Sumpfgebiet, in dem das Raumschiff in diesem Moment seinen Schacht ausbrannte, war unbewohnt. Sie hatten es vom Beiboot aus erkundet. Auch in der Umgebung waren keine Spuren intelligenter Bewohner dieser Welt zu entdecken gewesen.
Nach einigen Dutzend Schritten erreichten sie den Bach. Das schnell fließende Wasser hatte sich eine Senke von drei Meter Tiefe in den Waldboden gegraben. Dort hinunter kletterte der alte Mann und legte sich am Ufer flach auf den Boden.
„Macht es mir nach!“, sagte er, bevor er seine Hände schützend über den Hinterkopf legte.
Das Leuchten drang nun so intensiv durch das Blätterdach, dass es schmerzte. Rall mit seinen Katzenaugen war davon besonders betroffen; Tränen rannen über sein fellbedecktes Gesicht.
Ein fernes Dröhnen brachte die Bäume und den Boden zum Vibrieren. Das nahm Macay als Zeichen, es sicherheitshalber dem alten Mann gleichzutun.
„Was geschieht mit dem Raumschiff?“, fragte er.
„Seine Triebwerke und Reaktoren gehen gleich hoch“, antwortete der Alte. Seine Stimme klang dumpf und undeutlich. „Vermutlich wird die ganze Gegend verseucht. Wir müssen hier verschwinden, sobald das Schlimmste überstanden ist, kapiert?“
Die Erde unter den Liegenden rumpelte und schien sich in Wellen aufzuwölben. Lautes Donnern dröhnte über den Wald hinweg.
Obwohl er die Augen geschlossen hatte und das Gesicht dem Boden zuwandte, sah Macay einen so hellen Blitz, dass er fürchtete, zu erblinden. Für einen Moment lastete ungeheurer Druck auf ihm. Unfähig, sich zu bewegen, spürte er, wie etwas auf ihn fiel. Vielleicht war einer der kleinen Bäume umgestürzt, die an dem Hang hinunter zum Bachbett wuchsen.
Macay wusste hinterher nicht zu sagen, wie lange es dauerte, bis er sich wieder regen konnte. Es kam ihm vor wie Stunden. Alles tat ihm weh. Aber die ersten vorsichtigen Bewegungen bewiesen, dass er sich nichts gebrochen hatte. Das Dröhnen in seinen Ohren ließ nach. Nur sehen konnte er nichts außer hellen Flecken zwischen dunklen Schatten.
Er versuchte, sich aufzurichten. Nun erst bemerkte er das Gewicht, das auf ihm lastete. Er griff mit den Händen danach und spürte Blätter und Holz. Es war tatsächlich ein Baum auf ihn gefallen. Er wälzte sich herum und tastete nach dem Stamm. Der war kaum drei Finger dick und ließ sich nach ein paar Versuchen beiseite drücken.
Als Macay es fast geschafft hatte, riss ihm ein heftiger Ruck den Stamm aus den Händen. Gleich darauf fühlte er sich gepackt und hochgezogen. Ein Zischen drang durch das Dröhnen in seine Ohren: „Alles in Ordnung?“ Es war Zzorg. Dessen widerstandsfähiger Körper hatte die Belastung besser verkraftet.
Macay nickte. Er schwankte und wäre hingefallen, wenn ihn Zzorg nicht gestützt hätte.
„Ich bringe dich zum Bach“, zischte Zzorg.
Nachdem sich Macay an das Ufer gekniet und mehrere Male mit den Händen das kalte Wasser über den Kopf geschöpft hatte, fühlte er sich besser. Auch seine Sehkraft kehrte langsam zurück.
Er stand auf und blickte sich um. Die Senke des Bachbettes war angefüllt von einem Chaos aus umgestürzten Bäumen und herabgerissenen Ästen. Macay hatte Glück gehabt, dass nur ein dünner Stamm auf ihn gefallen war. Er sah nach oben. Das Blätterdach des Waldes war stark gelichtet. Weit entfernt stand eine schwarze Wolke am Himmel - dort, wo vorhin das Raumschiff gewesen war.
Der alte Mann hatte Recht gehabt.
Macay sah sich nach ihm um. Der Alte lag unter einem kleinen Hügel aus abgebrochenen Ästen und Bäumen und rührte sich nicht. Sein Kopf war zu sehen und ein Fuß ragte heraus, alles andere war durch Blätter und Schmutz verdeckt.
Zzorg war bei Rall und versuchte, dem Katzenmenschen zu helfen. Der war immer noch bewusstlos.
„Wir müssen Rall und den Mann zu Bewusstsein bringen“, sagte Macay, „und dann nach dem Beiboot sehen. Hoffentlich haben die drei Menschen dort überlebt.“
„Rall kommt gerade zu sich. Kümmere du dich um den alten Mann.“
Macay machte sich daran, die größeren Äste wegzuziehen, die den Körper des Mannes bedeckten. Doch es gelang ihm nicht so recht. Schließlich kam ihm Zzorg zu Hilfe.
„Lebt er noch?“, fragte Zzorg.
„Er reagiert nicht, wenn ich ihn anspreche.“
Gemeinsam wuchteten sie einen Baum beiseite, der zwar nicht direkt auf dem Körper des Mannes lag, aber mit seinen Ästen auf ihn gestürzt war.
Plötzlich hob der Alte den Kopf und stieß einen gurgelnden Schrei aus. Dann sackte der Kopf wieder zu Boden. Erschrocken hielt Macay inne. Er glaubte, durch das Wegstemmen des Baumes hätte er dem Mann unabsichtlich weitere Verletzungen zugefügt.
Doch dann entdeckte er zwischen dem Laub einen buntgefiederten Schaft. Jemand hatte den Mann mit einem Pfeil in den Rücken getroffen!
Macay wollte sich umdrehen, um sich den Angreifern zu stellen. Da spürte er einen stechenden Schmerz in der Schulter. Ein Schlag traf ihn von hinten auf den Kopf. Ohnmächtig brach er zusammen.