Читать книгу Krimi Auswahlband Mordfälle für den Strand 2019 - Manfred Weinland - Страница 50

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ALS MAX HAYDEN DIE Empfangshalle von Trans Time Co. betrat, beschlich ihn ein Gefühl wie in einer Kirche. Er konnte nichts dagegen tun. Sein Körper überzog sich mit einer Gänsehaut.

»Wir haben miteinander telefoniert«, bestürmte Hayden die brünette Empfangsdame.

»Dann müssen Sie Mr. Hayden sein«, lächelte die Frau, nach kurzem Abtauchen in ihren Terminkalender, geschäftsmäßig.

Hayden nickte. Der prüfende Blick der Frau war ihm unangenehm, obwohl er sie nicht weniger ausführlich taxierte. Sie erkennt mich, dachte er. Das Alter könnte hinkommen ...

Natürlich war seine Befürchtung unbegründet. Kein Mensch erinnerte sich mehr an Max Hayden, den Star Dutzender Billig-Western nach dem beliebten Schwarzweißmuster: »böse« Indianer gegen »gute« Siedler. Es wäre eine Illusion gewesen zu glauben, dass ihn heutzutage noch irgendjemand auf der Straße oder sonst wo erkannte. Sein letztes Autogramm hatte Hayden vor zehn Jahren gegeben. Damals hatte ihn jemand, wie sich später herausstellte, mit Ronald Reagan verwechselt ...

»Pünktlich auf die Minute!«, lobte die Frau. Sie erhob sich, kam auf ihn zu und riss ihm fast den Arm ab, als sie seine Hand schüttelte.

Sie behandelt dich wie einen senilen Trottel, erkannte Hayden.

»Sie sind Schauspieler, nicht wahr?«

Hayden war nicht sonderlich überrascht. Dass sie seinen Beruf kannte, hieß nicht, dass sie ihn kannte. Vermutlich wusste sie es aus dem Aufnahmeantrag, den er auf dem Postweg erhalten und zurückgesandt hatte.

»Ja«, sagte er rau, verschwieg aber, dass sein letztes Engagement auch schon Jahre her war. Damals hatte er im Werbefernsehen die Vorzüge eines Mittels gegen Krampfadern anpreisen dürfen. Sogar erfolgreich. Auf seine Beine konnte er sich auch nach sechzig Jahren noch verlassen. Der Spot war gut angekommen. Leider hatte die Vertreiberfirma bald darauf einen Schadensersatzprozess an den Hals bekommen, weil etliche Patienten nach Gebrauch der Salbe an akuten Thrombosen litten. Die Firma hatte Konkurs angemeldet, und weitere lukrative Werbeangebote waren ausgeblieben. Offenbar klebte seitdem ein unsichtbarer Makel an Max Hayden, dem alten Haudegen.

»Wie interessant«, sagte die Frau im kirschroten Kostüm. »Ich gratuliere Ihnen. Es freut mich besonders, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Ihr Antrag auf Annahme in unserer Kartei vom Gremium positiv beschieden wurde.«

»Das heißt im Klartext?«, schnauzte Hayden. Er kam sich verulkt vor. Aber dann erkannte er, dass die Frau für ihr exaltiertes Verhalten nicht verantwortlich zu machen war. Ein Fehler in ihrer Genstruktur, vermutlich erblich bedingt ...

»Sie sind aufgenommen«, erklärte sie verschreckt. Ihr Adamsapfel hüpfte beim Sprechen auf und ab wie ein Jojo.

»Danke«, sagte Hayden versöhnlich. »Wie geht es jetzt weiter?«

»Sie müssen sich einer kleinen Untersuchung unterziehen«, sagte die Frau, deren Namen er zwar gehört, aber wieder vergessen hatte, zaghaft.

»Ich weiß selbst, wie krank ich bin«, giftete Hayden. »Denken Sie, ich hätte aus Spaß unterschrieben?«

»Es hat weniger mit Ihrer Krankheit zu tun«, rechtfertigte sich sein Gegenüber, »als mit der Feststellung grundsätzlicher Werte, die wir später zur optimalen Feinabstimmung der Hydriergeräte benötigen.«

Später, dachte Hayden. Wenn der Schnitter mit der Sense gekommen ist. »Hmm.« Er hatte nicht das ganze Kleingedruckte gelesen. Das hatte er früher in seinen Verträgen auch nie getan - und häufig bereut. »Wo?«

Die Frau zauberte eine Visitenkarte hervor. »Hier steht der Name des Arztes und die Adresse der Privatklinik. Erledigen Sie den Check bitte umgehend - zu Ihrer eigenen Sicherheit.«

»Und das Geld?«, fragte Hayden barsch.

Die Reaktion der Frau schien ausdrücken zu wollen, dass es ohne eine hübsche Summe Geldes zwar nicht ging - dass man aber ungern über den schnöden Mammon redete. Es gehörte zur Philosophie von Trans Time, einen regelrechten Kult um die tatsächlichen Kosten zu machen, die auf den Kunden zukamen. Hayden hatte lange bohren müssen, bis ihm das Fixum von 250.000 Dollar genannt worden war. 50.000 Dollar fällig am Tage der Unterschrift. 200.000 Dollar mussten ebenfalls sofort notariell abgesichert bei einer Bank hinterlegt werden - zugriffsbereit beim Tod des Klienten. Dafür durfte man dann mit der Sofortversorgung rechnen, sobald einem auf amerikanischem Boden etwas zustieß. Die Kosten waren einmalig; kein böser Verwandter konnte später den Geldhahn nach Gutdünken einfach abdrehen. Nur Krieg oder Naturgewalten konnten die künftige Wiedergeburt in einem Zeitalter verhindern, in dem man in der Lage sein würde, jede noch so tückische Krankheit und vielleicht das Altern selbst zu besiegen.

Die Sache war wasserdicht. Selbst gegen drohenden Konkurs war das Unternehmen versichert - wie man Hayden anhand von Policen belegt hatte.

»Sie erhalten die Zahlungsaufforderung in Kürze«, erfuhr er.

»Gut.« Hayden gab nicht zu erkennen, dass das Geschäft gegen den Tod, das er gerade abgeschlossen hatte, seine gesamten Ersparnisse verschlingen würde.

Als er hinauskomplimentiert werden sollte, bremste er ab.

»Ist noch etwas? Haben Sie hoch Fragen?« Die Höflichkeit der Frau wirkte plötzlich gekünstelt. Sie wollte ihn loswerden. Hayden spürte es genau.

»Ich hätte eine Bitte«, sagte er - ebenso aufgesetzt freundlich.

»Nur zu ...«

»Ich würde gern einen Blick auf die ›Särge‹ werfen«, eröffnete er der verdutzten Frau. »Ich meine, könnte ich mir meinen künftigen ›Wohnort‹ vielleicht noch zu Lebzeiten kurz ansehen? Aus reiner Neugierde ...«

Die Frau rang sichtlich um Fassung.

»Sie - haben doch unseren Prospekt ...«

»Bilder!«, fauchte Hayden verächtlich. »Würden Sie sich in irgendwas hineinlegen, das Sie nur von Bildern kennen?«

Mit dieser Frage schien sie noch weniger anfangen zu können.

»Ich werde Ihre Bitte dem Direktorium vortragen. Sie erhalten Nachricht von mir.«

Es war eine halbherzige Versprechung. Aber Hayden war entschlossen, seinen Willen durchzusetzen.

»Denken Sie nicht, dass ich mich abwimmeln lasse! Ich höre von Ihnen, meine Werteste. Oder Sie hören von mir!«

Max Hayden setzte seinen Cowboy-Hut auf den kantigen Schädel und winkte zum Abschied. In der Tür blieb er noch einmal stehen und räusperte sich: »Äh, übrigens: Sie gefallen mir. Haben Sie heute Abend schon etwas vor? Wollen wir zusammen essen?«

Er wusste, dass sein Charme etwas eingerostet war, und sie empfand dies wohl ähnlich. Es hätte schon mehr als eines Wunders bedurft, keinen Korb zu bekommen ...

Krimi Auswahlband Mordfälle für den Strand 2019

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