Читать книгу Krimi Auswahlband Mordfälle für den Strand 2019 - Manfred Weinland - Страница 56
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BRENDA PERKINS WAR nicht erreichbar. Erst am Abend gelang es uns, eine Verabredung mit ihr zu treffen. Wie wir erfuhren, war sie bereits ein halbes Jahr zuvor in Jay Bonners Wohnung am Times Square eingezogen.
Als sie uns einließ, handelte es sich um eine Premiere für uns. Unsere Bekanntschaft mit Jay hatte sich im Wesentlichen auf das Dienstliche beschränkt, auch wenn Salomon Frosts Verhalten anzumerken gewesen war, dass er es gerne anders gewünscht hätte. Vielleicht bekam er »Abschussprämien«, so wie er sich ins Zeug legte ...
Seine Rechnung war simpel: Wenn Bonner korrupt war, mochten es engere Freunde auch sein!
Brenda Perkins führte uns ins Wohnzimmer. Sie war keine Schönheit, aber wer Jay gekannt hatte, ahnte, was er an ihr gefunden hatte. Sie wirkte wie eine emanzipierte, ungeheuer starke Frau auf uns.
»Sie waren Kollegen meines Mannes?«, fragte sie. Ohne Trauschein bestand sie auf ihrem Recht, ihn »mein Mann« zu betiteln. Nur die Gerichte würden es vielleicht anders sehen. Wenn es an die Verteilung von Jays Hinterlassenschaft ging.
Brenda Perkins konnte einem jetzt schon leid tun. Auch der interne Fonds, den wir für im Dienst umgekommene Kollegen gegründet hatten, würde ihre Schwierigkeiten kaum mindern.
Wir nickten. »Wir waren es, die ihn im Theater fanden«, sagte ich.
Ich sah, wie sich ihre Gesichtsmuskulatur verspannte. »Dann habe ich die ganzen Schwierigkeiten vermutlich Ihnen zu verdanken.«
Die Bitterkeit, mit der sie sprach, war von ihrer Warte aus irgendwie verständlich.
»Was meinen Sie?«, fragte Milo.
»Tun Sie doch nicht, als ob Sie es nicht wüssten«, fauchte sie.
»Wenn Sie das Ermittlungsverfahren meinen, das gegen Ihren Mann läuft ...« begann ich vorsichtig.
»Ich meine das Geld, das man unter fadenscheinigen Erklärungen konfisziert hat!«, schrie Brenda Perkins. »Ein Vermögen, von dem ich nicht einmal wusste! Was sind das für Methoden, rechtschaffene Leute auszuräubern, indem man Gerüchte über ihre vorgebliche Bestechlichkeit in die Welt setzt? Ich nenne das schlicht Rufmord! Gibt es einen einzigen Beweis, der die Kampagne rechtfertigt, die gegen euren Kollegen gestartet wurde, der noch dazu im Schrothagel eines dreckigen Kindermörders sterben musste?!«
Sie nannte Pournelle einen Kindermörder - und mochte damit aus ihrer Warte nicht einmal falschliegen, auch wenn die Gerichte es differenzierter beurteilt hätten. Aber hieß es nicht: »Volkes Mund tut Wahrheit kund« ...
»Sie wussten wirklich nichts von dem Geld?«, lenkte Milo ihren heiligen Zorn auf das Näherliegende.
»Nein, zur Hölle! Glauben Sie ernsthaft, wir hätten länger in einer solchen Bude gehaust, wenn ich es gewusst hätte?«
Das war schwer zu beurteilen. Milo zog sich aus der Affäre, indem er sagte: »Dann hat er es also heimlich zur Seite gelegt. - Sie wissen selbst, dass die Wahrscheinlichkeit, eine solche Summe allein vom Gehalt eines G-Man anzusparen, unter null liegt. Ich gebe kein Geheimnis preis, wenn ich Ihnen verrate, dass mein Bankkonto deutlich bescheidener aussieht. Oder hatte Jay eine Erbschaft gemacht, von der wir nichts wissen?«
»Was weiß ich?« Die Antwort kam postwendend und kaum weniger heftig. »Ich bin offenbar ohnehin die Letzte, die hier überhaupt etwas erfährt. Nicht einmal beerdigen darf ich ihn!«
»Warum nicht?«, mischte ich mich ein.
»Das wissen Sie doch!«
»Nein.«
»Ihre Behörde gibt ihn nicht frei - spielen Sie doch nicht den Ahnungslosen!«
Ich nahm mir vor, das zu prüfen.
»Haben Sie noch einmal von der Firma gehört, mit der Ihr Mann einen Vertrag im Todesfalle abgeschlossen hatte?«, erkundigte ich mich.
»Trans Time? Dieses Krematorium für Verrückte?«
Ich nickte. Die Mühe, sie über den Unterschied zwischen einem Krematorium und einer »Kältekonservierung« aufzuklären, sparte ich mir. Sinngemäß sprachen wir von der gleichen Sache.
»Nein«, grollte sie. »Ich wusste auch nicht, dass ich all die Jahre mit einem leutseligen Narren verbracht habe!«
»War er das?«, fragte ich.
Sie starrte mich an wie eine Rednerin, die man aus einem vorgefertigten Konzept gebracht hatte. Ihre Stärke zerfiel wie ein Kartenhaus. »Nein!«, flüsterte sie. »Er war der feinste Kerl, den man sich vorstellen kann ...!«
Milo warf mir einen Blick zu. Ich gab ihm zu verstehen, dass sie ein Recht auf ihren Schmerz hatte. Wir warteten, bis sie sich gefangen hatte. Danach war sie viel zugänglicher. Dennoch fiel es mir schwer, Kapital daraus zu schlagen.
»Wie war Jay privat?«, fragte ich. »Was kann ihn dazu veranlasst haben, bei einer so obskuren Sache zu unterschreiben?«
»Sie meinen, was man ihm anlastet, könnte mit seiner testamentarischen Verfügung zusammenhängen?«
»Indirekt ja«, nickte ich. »Wie viel Geld verlangt Trans Time, wissen Sie das?«
»250.000 Dollar«, murmelte sie.
»180.000 Dollar, von denen niemand wusste, hatte er auf der hohen Kante. Fehlten noch etwa 70.000 ... Ich will ihn bestimmt nicht vorverurteilen, aber der Verdacht, dass Jay auf nicht legale Weise versuchte, sich seine Überlebenssumme zusammenzusparen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.«
Brenda Perkins dachte darüber nach.
»Haben Sie Unterlagen von oder über das Trans-Time-Unternehmen gefunden?«, bohrte ich weiter. »Informationsmaterial ... Eine Vertragskopie vielleicht ...«
Sie machte eine wegwerfende Geste, signalisierte aber zugleich Kooperationsbereitschaft. »Ich werde nachsehen. Solche Dinge hielt er gewöhnlich unter seinen Herren-Magazinen versteckt ... Sobald ich sie gefunden habe, rufe ich bei Ihnen an. Dann können Sie sie abholen.«
»Die Herren-Magazine?«, erkundigte sich Milo.