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2 - Zylin - Besuch
ОглавлениеEs war noch früh am Morgen als ein Armeetransporter auf dem Landefeld des Hochsicherheitsgefängnisses ‚Sarg’ landete. ‚Sarg’ auf ‚Schwarzer Mond’, ein kleiner, unscheinbarer Trabant eines unbewohnten Planeten irgendwo im Terra Sonnensystem.
Ausser dem Gefängnis gab es nur noch zwei weitere kleinere Gebäude: das Haus für die Mitarbeiter und eines für die Koordination und Überwachung der Ankünfte und Abflüge. Ansonsten bestand ‚Schwarzer Mond’ nur aus schwarzem Stein und Geröll. Gäbe es kein Grundwasser, das aus mehreren 100m Tiefe heraufgepumpt werden konnte, wäre hier überhaupt kein Überleben möglich. Die Lebensmittel wurden in gefängniseigenen Treibhäusern von den Insassen selbst angebaut, denn Sonnenlicht war dank der Zwillingssonnen rund um die Uhr vorhanden.
Wenn hier also ein Armeetransporter landete, der weder Gefangene bringt, noch abholt, war das schon aussergewöhnlich. Die Wärter waren dementsprechend genervt, denn normalerweise hatten sie hier ihre Ruhe, sie waren unter sich und keiner kontrollierte sie. Was also wollten Soldaten vom Terra Sonnensystem hier? In der Regel hiess das Ärger.
Vorschriftskonform bewaffnet warteten die drei verantwortlichen Wärter die Landung des Transporters ab. Kaum war dieser gelandet, gingen sie darauf zu um dessen Passagiere in Empfang zu nehmen.
Zwei Soldaten des Terra Sonnensystems stiegen aus. Einer davon ein offensichtlich noch junger und aufgeregter, denn er schwitzte stark und es war auf ‚Schwarzem Mond’ zwar immer hell, aber nie warm. Der andere war das pure Gegenteil: älter und erfahren. Sein Gesicht blickte grimmig, und so selbstsicher, dass ihm wahrscheinlich Steine aus dem Weg gegangen wären.
Zielstrebig ging er auf den Eingang des Gefängnisses zu, sein junger Begleiter folgte ihm, dabei besorgt, den ihm anvertrauten Aktenkoffer nicht zu verlieren. Es waren Captain John Dek und Bob Miller, ein junger Soldat, seit einer Woche Captain Deks neuer Assistent. Bob kam frisch von der Akademie, es war sein erster richtiger Einsatz. Und Dek war immer noch wütend über dessen Zuteilung, er hasste nichts mehr, als solche ‚Grünschnäbel’ mit zu schleppen, denen er alles erst noch zeigen und erklären musste. Deks Vorgesetzte allerdings, hielten diese Zuteilung für eine wunderbare Idee, denn Bob war der Beste seiner Klasse und Dek einer der besten und erfahrensten Captains, die es gab. Dek würde aus Bob ebenfalls einer der Besten machen, es gäbe keinen besseren Lehrer. Deswegen schon schlecht gelaunt, hätte Dek gerne jemanden verhauen, und der heutige Besuch eines hiesigen Gefangenen, zählte definitiv auch nicht zu seinen Lieblingsaufgaben.
So genervt ging Dek kurz nickend an den dortigen Wärtern des Gefängnisses vorbei in den Eingangsbereich. Sein Tempo war so schnell, dass Bob bereits rennen musste, um mit Dek Schritt zu halten. Erst im Eingangsbereich stoppte Dek. Er wartete bis die Wärter die Türen wieder verschlossen hatten und zwei andere Wärter ihnen entgegenkamen. Hinter ihnen lief ein Mann im Anzug.
Dek fixierte sofort diesen Mann mit seinem grimmigen Blick und nickte auch ihm zu. Der Mann, er war etwa in Deks Alter, kam zwischen den Wärtern hervor und streckte Dek seine Hand zur Begrüssung entgegen. „Schön, dich wiederzusehen John.“ begrüsste ihn der Mann freundlich lächelnd. Dek schaute immer noch grimmig drein und begutachtete den Mann von unten nach oben bevor auch er ihm die Hand gab und schüttelte.
Nach einem kurzen Moment Händeschütteln verschwand plötzlich der grimmige, angespannte Ausdruck auf Deks Gesicht und er sagte jetzt schon beinahe zufrieden „Paul Hashimi-Ska! Ist das lange her. Was machst du denn hier? Hat dich Richard strafversetzt?“ „Nein, Torns verdanke ich diesen Posten nicht. Wenn es nach ihm ginge, würde ich wie du“ dabei zwinkerte er mit dem rechten Auge „immer noch seine Drecksarbeit machen.“ er schüttelte seinen Kopf „Nein, mein Lieber, ich bin auf meinen eigenen Wunsch hier und leite diese Anstalt nun schon seit ein paar Jahren. Ist zwar kein Ferienressort aber ruhig, kannst du mir glauben.“ antwortete ihm sein Gegenüber.
„Jedenfalls, beinahe hätte ich dich nicht wiedererkannt.“ stellte Dek fest „wie lange ist es her? Müssen über 8 Jahre sein. Da hattest du noch keine Brille! Und schon gar keine grauen Haare.“ Dek lächelte. „Die Zeit läuft mein Freund, sie läuft. Damals warst du auch noch jünger.“ entgegnete Paul „Aber sag, was willst du hier? Ich erhielt zwar immerhin eine Ankündigung eines Besuches eines Captains, aber...“ man sah Paul an, dass er, noch während er die Frage stellte, sich die Antwort selbst hatte geben können.
Er brach nachdenklich mitten im Satz ab und fuhr in ernsterem Tonfall fort „Oh, ich verstehe. Dann lass ich ihn holen und bringe Euch zu ihm. Ich weiss ja, dass du es immer eilig hast und gerne gleich zur Sache kommst.“ Er winkte einem der beiden Wärter, die ihn begleiteten. Gab ihm mit gedämpfter Stimme eine Anweisung, der Wärter, Martin Herren, sein Sicherheitsleiter und Chef der Abteilung 3, nickte und verschwand mit zügigen Schritten. Anschliessend forderte Paul seine beiden Gäste mit einer einladenden Handbewegung auf ihm zu folgen.
Während sie nun durch endlos scheinende Gänge liefen, ärgerte sich Bob, ehemaliger immer im Mittelpunkt stehender Klassenbester. Einerseits hatte ihn Dek nicht vorgestellt und andererseits wollte dieser Paul überhaupt nicht wissen, wer er eigentlich war. Überflüssig und unwichtig kam er sich vor. Schweigend gingen sie vorbei an unzählbar vielen Wärtern und Türen. Passierten eine Anzahl von nicht mehr enden wollenden Gitterschleusen, bevor Dek und Bob in einen kleinen weissen Raum geführt wurden.
Der Raum besass keine Fenster nach aussen, sie mussten sich im Zentrum des Gebäudes und unter der Erde befinden. In diesem Verhörraum befand sich nur auf der einen Seite eine grosse, transparente Scheibe aus dickem, bruchsicherem Kunstglas. Durch sie sah man in einen weiteren Raum mit ebenfalls weissen Wänden, der knapp doppelt so gross war wie der, in dem sie selbst standen und komplett mit grellem, weissen Neonlicht ausgeleuchtet war. Alles wirkte kalt, steril und sehr ungemütlich.
Drei Personen waren darin auszumachen, zwei mit Gewehren bewaffnete Wärter in trister, steriler grauer Wärteruniform und zwischen ihnen ein Mann auf einem unbequem wirkenden Hocker. Er trug die einfache weisse Insassenkleidung, lange Hose und ein Kurzarmhemd. Seine Arme waren gestreckt angebunden, ein Arm nach links und einer nach rechts oben. Seine Füsse am Boden festgekettet. Sein Gesicht war nicht erkennbar, denn er hielt seinen Kopf gesenkt und langes, offenes Haar fiel darüber.
Es war ein muskulöser, gut durchtrainierter Mann von stattlicher Grösse, was man trotz der sitzenden Position gut erkennen konnte. Er wirkte Furcht einflössend stark. „Dann lass ich euch mal.“ verabschiedete sich Paul von Dek und Bob. Er nickte Dek und wollte gerade gehen „Paul“ hielt ihn Dek an „Warum ist er so ungepflegt? Er sieht ja wie ein verwahrloster Obdachloser aus?“ Paul blickte ernst erst zu Bob dann zu Dek „Naja, das haben wir aufgegeben. Ich hatte es satt die Krankenstation zu füllen, nur um ihm Haare und Bart zu schneiden.“ Dek nickte verständnisvoll „Ich verstehe. Danke Dir.“ „Schon gut. Aber versprich Dir nicht zu viel. Ich denke, er ist nicht mehr der, den Du einst kanntest.“ Dann verliess Paul den Raum, schloss die Tür hinter sich und es stellte sich eine bedrückend unangenehme Stille ein. Dek und Bob standen alleine vor dieser grossen Scheibe in diesem weissen, abstossend ungemütlichen Besucherraum.
„Guten Morgen Commander Sa“ begann Dek schliesslich das Gespräch in Richtung des Gefangenen, der keine Anstalten machte, sich zu bewegen. Als keine Reaktion folgte überprüften Dek und Bob automatisch das Kontrolllicht der Gegensprechanlage und stellten fest, ‚ja’, das Licht war grün, man musste sie auf der Gegenseite hören. Dek blickte fragend zum linken Wärter, der ihm zur Bestätigung zunickte und den Gefangenen daraufhin antippte.
Bob ärgerte sich, 'Der da soll Commander gewesen sein?! Der ist eine Schande fürs gesamte Chor der Armee, der hat ja nicht einmal den Anstand hierher zu blicken.' dachte er genervt, während er zusammen mit Dek weiter durch die Scheibe zum Gefangenen hin starrte.
Dek bemerkte die Nervosität seines Begleiters, die er fürs erste ebenso ignorierte wie die ‚Nichtreaktion’ des Gefangenen. Er sprach einfach ruhig weiter „Ich habe nicht viel Zeit, also mach ich’s kurz: Wir haben einen Auftrag, der uns nach Rupes auf Steinwelten führt. Da uns die Stadt Rupes und Umgebung weitgehend unbekannt sind, brauchen wir jemanden, der die örtlichen Gegebenheiten kennt und uns sicher nach Rupes bringen kann. Sie sind die einzige uns bekannte Person, die bereits auf Steinwelten gewesen ist und dort Leute und Umgebung kennt. In der Terra Sonnensystem Datenbank existieren noch keine genauen Karten und Angaben von Steinwelten. Also bitte ich Sie Commander Sa, uns bei diesem Auftrag zu unterstützen und zu begleiten. Die Bewohner von Rupes sind zudem bekannt dafür, Fremden gegenüber sehr abweisend zu sein. Und soviel ich weiss, haben Sie Bekannte in Rupes, das wäre wirklich sehr hilfreich.“ Dek machte eine kurze Pause bevor er fragte „Was meinen Sie dazu?“
Bedrückende, angespannte Stille folgte. Einer der Wärter blickte zu seinem Kollegen und schmunzelte. Offensichtlich wussten sie, dass ihr Gefangener nicht für seine Gesprächigkeit bekannt war.
Der Gefangene bewegte sich weiterhin keinen Millimeter. Und nach einem weiteren ewig scheinenden Moment schoss es dafür wütend aus dem gereizten Heisssporn Bob heraus „Verflucht noch eins! He! Der Captain hat Sie was gefragt! Da gibt man gefälligst Antwort!“ er klopfte dabei wild auf der Scheibe herum bis er den beinahe tödlichen Blick von Dek bemerkte. Sofort verstummte Bob. Mit beschämter Mine stellte sich der junge Assistent wieder neben seinen Vorgesetzten und hielt fürs Erste seinen Mund. Aber er hatte Recht, davon war er überzeugt.
Da hatte er wohl für einen Moment die lediglich Kontrolle etwas verloren, es ärgerte ihn selbst. Aber dieser unverschämte Kerl, war es einfach nicht wert, dass sich ein Captain des Terra Sonnensystems so viel Zeit für ihn nimmt, das verstand er nicht und seine Gedanken rasten. Die Armee war seine Familie, er mochte jung und unerfahren sein, aber auf die Einhaltung von Strukturen, Rangordnungen und Regeln legte er schon immer unbedingten Wert. Ohne Ordnung würde alles zerfallen und Chaos ausbrechen. Schwarz oder Weiss, Grau gab es nicht für Bob. Und jetzt benahm sich dieser Kerl so respektlos, wo ihm diese Ehre und zweite Chance zu Teil wurde ihnen helfen zu dürfen. Es ärgerte ihn einfach grenzenlos. So eine Frechheit.
Nachdem Dek seinen Blick wieder dem Gefangenen zuwandte „Also? Ich warte.“ hob dieser langsam den Kopf, wobei seine Haare nach hinten zurück fielen und sein Gesicht frei gaben. Er neigte seinen Kopf leicht zur Seite schaute mit einem fragenden Blick und angehobener linken Augenbraue zu seinen beiden unerwünschten Besuchern. Dabei fielen seine Augen auf, sie blickten ruhig, sehr aufmerksam und durchdringend. Etwas unheimlich und genauso, wie die eines unberechenbaren, gefährlichen Tieres, fand Bob. Das ganze Gesicht wirkte hart, er trug einen wilden Vollbart.
Was ebenfalls erst jetzt sichtbar wurde, war, dass Sa noch immer seine Mundfessel trug, deshalb wohl der fragende Blick. Selbst wenn er gewollt hätte, er hätte nicht antworten können.
Eine Mundfessel ist eine mundgrosse Stange aus medizinischem hautverträglichem Carbon, die ein Gefangener im Mund trägt. Am Kopf gehalten von einem Band aus sich selbst anpassendem Aluminium. Am Hinterkopf per Magnetschloss verschlossen. Sinn und Zweck einer Mundfessel: Der Gefangene kann so weder reden und Wärter beeinflussen, noch kann er mit den Zähnen zubeissen und jemanden verletzen.
Jedenfalls wurde jetzt auch Captain Dek wütend. Welcher Idiot hatte vergessen die Mundfessel abzunehmen?! Sofort schrie er den beiden Wärtern im Gefangenenraum zu „He, ihr Schwachköpfe! Was soll das? Nehmt ihm sofort dieses verdammte Ding aus dem Mund. Für solchen Mist habe ich weder Nerven noch Zeit.“ Darauf zuckte einer der beiden Wärter zusammen, sein Schmunzeln von vorhin verschwand augenblicklich. Er fluchte leise vor sich hin, während er seine Waffe abstellte und dem Gefangenen die Mundfessel vorsichtig abnahm. Die hatte er komplett vergessen, so was Blödes! Mit einem Tuch wischte er die Mundfessel sauber, steckte sie in seine Hosentasche, nahm seine Waffe wieder und stellte sich an seinen Platz zurück, vergeblich versuchend, so auszusehen, als ob alles in bester Ordnung wäre.
Der soeben von der Mundfessel befreite Gefangene bewegte seinen Unterkiefer zur Lockerung etwas hin und her bevor er Dek eine etwas unerwartete Antwort gab „Nein, warum sollte ich?“ Seine Stimme war tief, sehr bestimmt und er hatte seine Worte durchaus ernst gemeint, wie Bob verblüfft zur Kenntnis nahm. Bob blieb ab dieser Unverfrorenheit der Mund offen, während Dek kurz nachdachte. Dek atmete tief ein und ergänzte. „Es wäre eine Abwechslung zum Gefängnisalltag. Sie würden uns begleiten. Und ich werde mich dafür einsetzen, dass Sie anschliessend in eine etwas angenehmere Einrichtung verlegt würden, nach erfolgreichem Abschluss unseres Auftrags selbstverständlich.“
Wieder Stille, alle schwiegen und warteten auf eine Antwort des Gefangenen. Bob Adern pulsierten, er verstand die Welt nicht mehr.
Die Stille hielt jedenfalls solange, bis sich Bob erneut nicht zurückhalten konnte, jetzt lässt der den Captain quasi auch noch um seine Hilfe betteln!! Er schrie „Commander!!?...“ denn weiter kam er nicht, da der Gefangene gleichzeitig von seinem Hocker aufsprang und in die Ketten schnellte. Bob fiel vor Schreck rückwärts auf seinen Allerwertesten. Einen knappen Meter vor der transparenten Trennscheibe hatten die Ketten den Commander gestoppt und er blickte wütend „Was soll das?“ sagte der Gefangene laut aber kontrolliert. Einer der Wärter legte ganz vorsichtig seine Hand auf die Schulter des Gefangenen und versuchte zu beruhigen „Ruhig.“ Aber dieser zog angewidert seine Schulter unter der Hand weg „Ihr wisst genau, dass ich schon lange kein Commander mehr bin und es auch nie mehr sein werde. Also hört mit diesem verfluchten schleimigen Getue auf! Ich habe einen Namen. Und jetzt verschwindet! Lasst mich in Ruhe!“ wieder legte der Wärter seine Hand auf die Schulter des Gefangenen. Diesmal sagte er allerdings in befehlendem, lauten Ton „Hinsetzen!“ der Gefangene, Ex-Commander Zylin Sa, sah drohend auf die Hand auf seiner Schulter, der Wärter nahm die Hand zurück „Sofort“ befahl der Mann nochmals, aber leise.
Nur zögerlich und langsam setzte sich Zylin zurück auf diesen unbequemen Hocker. Es fühlte sich an, als ob Zylin jeden Moment explodieren würde, wenn man ihn nur noch ein klein wenig mehr reizte. Zylin fixierte Dek mit seinen durchdringenden Augen. Er versuchte herauszufinden, was sein alter Freund John wirklich im Schilde führte. Doch das Einzige was er mit Sicherheit registrierte, war, dass das Meiste einfach schlicht gelogen war. Und dieser hitzköpfige Jungspund strahlte eine Arroganz aus, wie es nur eingebildete, von sich überzeugte Menschen tun konnten, denen jegliche Lebenserfahrung fehlte. Was sollte das? Er war wütend. Emotionen der Vergangenheit kochten hoch, als wäre es gestern gewesen.
Die Wachen standen starr und angespannt, bereit, jeden Moment zu reagieren. Man sah ihnen an, dass sie ob Zylins heftiger Reaktion etwas überrascht worden waren.
Gleichzeitig wendete sich Dek an Bob „Bob, noch ein Wort und Du wartest draussen! Du hast keine Ahnung, worum es hier geht, du verfluchter, kleiner Anfänger! Lerne erst einmal zu atmen, bevor du Luft holst!“ Bob nickte nur noch. Er stand auf und stellte sich diesmal nicht neben, sondern hinter seinen Captain und war mucks-mäuschen still und kreidebleich im Gesicht vor lauter Schreck und Scham. Sein Hintern schmerzte noch vom Aufprall.
Dek schüttelte verärgert den Kopf ob seines unerfahrenen, hitzköpfigen jungen Assistenten. Seine geplante Diskussionstaktik konnte er vergessen. Er kannte Zylin, hatte er eigentlich irgendwie erwartet, nur gehofft, es käme doch anders. Er musste Zylin einen besseren Grund liefern ihnen zu helfen. Zylin hatte sich ohnehin noch nie auf etwas eingelassen, wenn überhaupt, ohne die genauen Hintergründe zu kennen. Dek wartete einen Moment bis sich die Situation einigermassen beruhigte und begann von Neuem.
„Also gut“ fing Dek an „Wir wissen, dass die Stadtherren von Rotsand, im Sinn haben Rupes, die inoffiziellen Hauptstadt von Steinwelten, anzugreifen und zu übernehmen um nicht nur den Steintränenhandel sondern auch das Sammeln der Tränen zu kontrollieren. Das Terra Sonnensystem will als Vermittler die Angelegenheit ohne gewaltsame Zwischenfälle klären helfen. An einem blutigen Krieg hat schlussendlich niemand Interesse. Der Steintränenhandel ist einfach zu wichtig. Unser Auftrag ist die neutrale Vermittlung zwischen Rupes und Rotsand, doch wie ihnen bekannt sein dürfte, ist zwar Rotsand jedermann zugänglich, aber Rupes Tore sind für Fremde verschlossen und Soldaten des Terra Sonnensystems werden schon gar nicht gern gesehen. Deshalb brauchen wir Ihre Hilfe, man kennt Sie in Rupes und wird Ihnen Zugang gewähren.“ während er sprach versuchte Dek irgendeine Reaktion von Zylin zu erkennen, aber eigentlich wie erwartet: Nichts „Ich weiss von Ihren Freunden und Bekannten in Rupes. Sie wollen bestimmt nicht, dass Ihnen Schaden wiederfährt und so könnten Sie helfen einen Krieg zu verhindern.“ Dek beobachtete Zylin und wartete.
Da Zylin weiterhin nicht reagierte und ihm nur in die Augen sah. Sein Atem war ruhig und tief, aber deutlich zu hören, wie das Schnauben eines gleich angreifenden Stiers. Warten.
Nach einer weiteren Weile hob Dek enttäuscht seine Schultern und bestimmte einfach „Dann holen wir Sie in 3 Tagen ab.“ Dek hatte genug und würde offensichtlich, wie befürchtet, im Moment nichts mehr bei Zylin erreichen. Bob hatte die ohnehin heikle Stimmung definitiv zu stark ausgereizt, Dek kannte Zylin lange genug. Nachdem er die Hintergründe offengelegt hatte, hatte Dek zwar insgeheim doch noch auf eine offizielle Zusage gehofft, aber er war sich auch so sicher, dass sein ehemaliger untergebener Commander, ohne Schwierigkeiten zu bereiten, in 3 Tagen mitkommen würde. Denn eines wusste er mit Sicherheit, Zylin beschützte seine Freunde wenn nötig mit seinem Leben, das war schon immer so gewesen. Viel zu verantwortungsbewusst.
Also gab Dek den Wärtern im Gefangenenraum ein Handzeichen zum Beenden des Besuchs, wendete sich zur Ausgangstüre hin und wollte eben den Türgriff betätigen, als einer der Wärter die Mundfessel wieder anbringen wollte. „Schön Mund aufmachen.“ sagte er schadenfroh grinsend, und benahm sich, als ob er einem entlaufenen Hund eine Fangschlinge umlegte. Kassierte allerdings dafür eine heftige Kopfnuss von Zylin und seine Nase blutete. Während er sich die Nase hielt und sein Blut auf der Hand ungläubig anstarrte, ‚Mensch, tat das weh!’, stand Zylin jetzt und schmunzelte „Seh ich aus wie ein verdammter Hund?“ Der zweite Wärter stellte sofort verärgert sein Gewehr zur Seite und zog sein Messer aus der Scheide am Oberschenkel und hielt es Zylin grob und wenig zimperlich an die Kehle. Hielt ihn im Schwitzkasten und drohte Zylin direkt ins Ohr „Genug! Setz dich hin oder mir rutscht das Messer aus.“ Zylin blieb ganz ruhig und schmunzelte weiter „Vorsicht, du könntest dich verletzen.“
„Hinsetzen!“ knirschte der Wärter zwischen seinen Zähnen hindurch und wartete erstaunlich ruhig, bis sich Zylin langsam wieder gesetzt und sein Kollege die Mundfessel angelegt hatte. Erst dann nahm er das Messer von Zylins Hals, wo es eine rote, blutende Linie hinterliess und Zylins weisses Oberteil hässlich rot verfärbte, denn das Material nahm das Blut wie Fliesspapier sofort auf. Der Wärter zog das Messer zur Säuberung durch ein Wischtuch aus seinem Hosensack, steckte es zurück in die Scheide an seinem Bein und wischte sich zu guter Letzt den Schweiss von der Stirn. Die beiden Wärter legten Zylin gemeinsam die Transport-Fesseln an, lösten ihn von Boden und der Decke um ihn aus dem Raum zu führen.
Beim Hinausgehen blickte Zylin noch einmal zornig in Dek und Bobs Richtung, es war ihm sehr wohl bewusst, dass die beiden das Schauspiel immer noch beobachteten. Bobs erschütternd, schockierten bleichen Gesichtsausdruck amüsierte ihn. Der Typ hatte keine Ahnung.
Irgendwie hatte er seiner Wut für den Moment ein wenig Luft machen müssen. Da kamen Zylin die trotz all der Ketten so leicht reizbaren Wärter gerade recht. Und dass er es nicht ausstehen konnte angefasst zu werden, wussten die Wärter selbst. Es gab welche, die liessen es immer wieder darauf ankommen. Das Ganze glich manchmal für beide Seiten einer Art krankem Zeitvertreib. Was hatte er hier auch anderes zu tun? Sogar Sprechen und normales Essen wurden ihm verunmöglicht. Und dann so eine dumme, herablassende Bemerkung! Da war der Wärter mit einer Kopfnuss günstig weggekommen.
Draussen auf dem Gang wurden Dek und Bob von einem für sie abgestellten Wärter zum Gebäudeausgang begleitet. Dek quittierte seinen Besuch, verabschiedete sich von Paul und verliess das Gebäude in Richtung Transportgleiter, wo die Besatzung bereits wartete, immer gefolgt von seinem schockierten, verwirrten jungen Assistenten Bob Miller.
Während Dek und Bob in Richtung Gleiter liefen, traute sich Bob dann doch noch scheu zu fragen „Captain, entschuldigen Sie, aber was wollen Sie mit dem Kerl? Der ist doch einfach nur unberechenbar, unhöflich und vor allem: gefährlich. Ein Wrack.“ „War’s das?“ gab ihm Dek ruppig und frustriert zur Antwort ‚Hatte der Idiot den noch nicht genug?’ Bob begriff und behielt den Rest für sich. Schweigend stiegen sie in den startbereiten Gleiter.
"Janus! Warte, bleib zurück. Nicht schiessen." befahl Martin seinem Mitarbeiter, der rasch zur Stelle war, schnell atmend im Türrahmen der Zelle stand und die Betäubungspistole schussbereit auf Zylin gerichtet hatte. Er hatte rennen müssen um seinen Chef zu Hilfe zu eilen, da alles einfach nur schnell gegangen war.
Vier der Wachen lagen verteilt in der Zelle verteilt auf dem Boden. Zwei davon bewusstlos, wobei einer bereits wieder am Aufwachen war, sich den Kopf hielt und stöhnte. Transportketten und Mundfessel lagen zerrissen herum. Janus unter dem Türrahmen, mit gezogener Pistole, Martin von Zylin fest an die Wand neben der Tür gedrückt. Mit dem rechten Unterarm drückte Zylin Martins Brust so fest, dass Martin das Atmen hörbar schwer viel. Mit der linken Hand hielt Zylin Martins rechten Arm gegen die Wand gedrückt. Mit seinem linken Arm winkte Martin Janus zu warten.
Alle hielten wie eingefroren ihre Position. Janus und Martins Blicke fixiert auf Zylin und Zylins auf Martin, Martin Herren, dem Sicherheitsleiter der Anstalt.
Immerhin bis in die Zelle hinein waren sie gekommen, als der Wärter mit der blutenden Nase gemeint hatte: "Dann legen wir dich mal wieder an die Leine, was?"
Quittiert wurde seine Bemerkung mit einem zornigen Blick ihres Gefangenen. Der Wärter hatte ihn darauf überheblich angegrinst, mit seiner geschwollenen Nase. Denn was der Wärter nicht wusste, folgte erst jetzt: Zylin hatte genügend Kraft um seine Fesseln zu zerreissen, immer schon. Und nun tat er es. Es fiel ihm sonst schon schwer genug sich zu beherrschen und jetzt wo seine Stimmung alleine genügt hätte um auszurasten, fehlte dieses überheblich arrogante Arschloch gerade noch.
Also zerriss er mit einem heftigen Ruck erst seine Handfesseln um dem Idioten eine ins Gesicht zu schlagen, die Nase brach vollends und der Kollege konnte Zylins linken Arm nicht weiter festhalten. Versuchte stattdessen an sein Messer kommen, wollte wie vorhin im Besucherraum… da stiess ihn Zylin so heftig gegen die Brust, dass er rückwärts an die Wand gegenüber donnerte und erschrocken nach Luft rang. Währendem nahm sich Zylin das elende Ding aus dem Mund, warf es zu Boden und machte einen Schritt Richtung Idioten, wobei sich die Fussfesseln ebenfalls verabschiedeten.
Wieder etwas Luft in der Lunge, rang sich der Kollege zur Tür um Hilfe zu holen. Der Idiot hielt sich die geschlagene Wange, versuchte sich noch zu wehren als ihn Zylin mit der linken Hand am Kragen von der Wand wegzog, ansah und überlegte, ob und was er sagen wollte. Entschied, dass es keinen Wert hatte etwas zu sagen, solche Idioten mussten es spüren, was ihre Überheblichkeit anrichten kann. Mit der offenen rechten Handfläche stiess er den Kopf des Mannes so heftig gegen die Wand, während er synchron den Kragen losliess, dass dieser darauf bewusstlos der Wand entlang zu Boden schleifte.
Unterdessen stürmte der Kollege mit zwei weiteren Wärtern in die Zelle. Einer schoss einen Betäubungspfeil aus seiner Pistole daneben. Die anderen packten Zylin je einer links und rechts am Arm, was ideal war um sich für den Fusstritt zum Dritten, dem zittrigen Schützen, abzustützen, der damit gleich wieder rückwärts zur Tür hinaus purzelte.
Der Wärter am rechten Arm meinte „Ruhig! Jetzt ist Schluss damit!“ und versuchte Zylin den Arm auf den Rücken zu drehen um ihn in den Griff zu bekommen, dabei stiessen sie ihn in Richtung Rückwand der Zelle um ihn dort zu fixieren. Zylin tat ihnen den Gefallen und machte prompt zwei Schritte in die gewünschte Richtung. Aber nur um damit etwas Schwung zu holen und die beiden selbst gegen die Wand zu schlagen. Sie liessen ihn los, sackten zusammen. Er drehte ich um.
‚WUM!’, schlug ihm der Rückwärtstaumler von vorhin mit einem Knebel voll ins Gesicht. Vom Schwung des Schlages zur linken Wand gedreht, bremste Zylin dort die Drehung mit beiden Händen ab. Konnte sich gerade noch zurückdrehen um den zweiten Schlag zu verhindern indem er mit der linken Hand selbst den Knebel packte. Erstaunt über die unerwartete Kraft seines Gegners sah der Wärter in Zylins Gesicht. Zylins rechte Schläfe blutete vom ersten gelungenen Schlag. Mit seinem Bart und den langen offenen Haaren sah er ziemlich wild aus. Zusammen mit dem Blut glich er nun mehr einem furchteinflössenden Tier, denn einem Menschen. Zumal seine Kleidung unterdessen ebenfalls von viele roten Flecken übersät war.
Grob riss Zylin den Knebel aus der Hand des jungen Mannes, warf das Ding zum Erstaunen seines Angreifers einfach nur zu Boden, griff dessen nun leere Hand, oder besser dessen Ring- und Kleinfinger, die er ihm nach hinten bog und einfach brach. Das Knacken der Knochen gab Zylin plötzlich eine kleine Befriedigung, kompensierte ein klein wenig seiner Wut, die durch die Aggressionen der Männer zusätzlich angeheizt worden war. Wie ein kleiner Schalter wirkte das Knacken.
Es ging weiter.
Im Flur vor der Zelle konnte man weitere Schritte und Stimmen hören. Einer kam in die Zelle herein. Vorbei am vor Schmerzen vor ihm knienden jungen Mann mit den gebrochenen Fingern ging Zylin umgehend auf den neuen Gast zu. Fasste ihn, stiess ihn kraftvoll an die Wand neben der Tür, hielt in fest.
„He! Beruhig dich. Ich bin’s!“ sagte Martin, Zylin drückte noch etwas mehr, Martin wurde leiser, Zylin drückte ihm allmählich die Luft ab, Martin keuchte „Der nette Martin. Weißt du noch?“ Natürlich erkannte ihn Zylin. Er verharrte. Das Fingerknacken und nun Martins ruhige, nicht aggressive Ausstrahlung dämpften Zylins Wut allmählich. Langsam, aber die Ruhe kehrte zurück, soviel spürte er. Er hatte sich genug ‚austoben’ können, für den Augenblick.
In dem Moment erschien Janus mit der gezogenen Betäubungspistole.
Und nun standen sie da. Bis sich eine Frauenhand auf Janus Schulter legte und Petra ihren Kopf in die Zelle hereinstreckte, sich umsah „Oje.“ kommentierte sie „Da hab ich mal einen Tag frei und lass euch Jungs alleine und ihr macht sowas.“ bemerkte sie keck und absolut unbeeindruckt von der Szene, die sich ihr bot.
„Ah...“ seufzte Zylin und liess ab von Martin. Senkte seinen Blick, drehte sich um, machte ein paar Schritte und setzte sich gegen die Rückwand der Zelle auf den Boden, wo er mit angewinkelten Knien und weiter gesenktem Blick sitzen blieb. Janus sah Martin fragend an, der ihm ruhig befahl „Nicht schiessen, behalt ihn einfach im Auge solange wir hier aufräumen.“ Janus nickte, machte endlich einen Schritt in die Zelle hinein um den Durchgang durch die Tür frei zu geben für Petra und die anderen Wärter, die nun hereinkamen um aufzuräumen, oder besser ihren Kollegen zur Krankenstation zu helfen.
Martin sah sich um, stellte die Frage in den Raum „Was ist denn geschehen?“, bekam aber keine Antwort. So wendete er sich dem jungen Mann mit den gebrochenen Fingern zu, dem er half aufzustehen, während sich Petra um Fred, den Idioten, kümmerte. Er war immer noch bewusstlos und sein Kopf sah hässlich aus: Blut, geschwollen. „Ich denke wir bewegen ihn nicht bis André da ist, falls an der Wirbelsäule was gebrochen ist.“ meinte sie.
„Nein.“ mischte sich Zylin ein, Petra und Martin sahen ihn erstaunt an. „Was?“ fragte Petra, die näher bei ihm stand „Es ist nichts gebrochen.“ antwortete er „Ausser der Nase.“ fügte er an „Vermutlich eine heftige Gehirnerschütterung und ein paar Beulen.“ „Bitte? Woher willst gerade du das wissen?“ Petra war neugierig und ignorierte Martins Kopfschütteln. Zylin sah sie an und Martin fürchtete, dass Janus doch noch schiessen muss. Aber Zylin antwortet bloss ganz ernsthaft „Weil ich es gehört hätte und zudem war ich vorsichtig.“ überrascht zog Petra die Augenbrauen hoch „Vorsichtig?! .... Gehört?!“ sie schüttelte den Kopf, zeigte mit dem Finger auf ihre Schläfe „Ich glaube, Beni hat dir zu heftig eine an die Birne gehauen, mein Schatz.“ und damit beendete Petra das Gespräch. André der Gefängnisarzt erschien im Türrahmen.
Petra nannte Zylin oft ‚mein Schatz’. Sie hatte ihre ganz eigene Art und konnte es am besten mit ihrem besonderen Gefangenen. Darum liess ihr Martin in der Regel freie Hand im Umgang mit Zylin. Leider hatte sie heute eigentlich ihren freien Tag, weshalb nicht sie die Begleitung zum Besucherraum ausgeführt hatte, sondern Fred und Domic. Wie bei Martin war wohl auch bei ihr der Respekt, das Vertrauen und die stets ruhige gekonnte Art gegenüber Zylin der Grund dafür, dass es meist zu keinen so ernsthaften Konflikten wie eben kam. Als Martin vom Alarm gehört hatte, liess er Petra deshalb kommen, für den Fall der Fälle. Sie hatte keine Zeit mehr gehabt um die Uniform anzuziehen und stand nun in ihren zivilen legeren Hosen und einer lockeren Bluse da. Sie war eine grosse kräftige sehr gepflegte Frau mittleren Alters. Kurzes braunes Haar und eigentlich immer freundlich, aber konsequent und mutig.
Nachdem die Zelle geräumt und vom Blut gesäubert worden war, wartete sie im Türrahmen auf Martins Anweisung zum Fixieren des Gefangenen. „Mischa?“ fragte er sie und Petra nickte „Kommt gleich, sobald er im 1 mit dem Einschluss fertig ist.“ „Gut, danke.“ Petra hielt Martin am Arm und flüsterte „War übrigens wirklich nichts gebrochen.“ Martin nickte zur Bestätigung, dann liess sie los.
Martin wollte vorher mit Zylin sprechen, der immer noch ganz ruhig mit gesenktem Kopf auf dem Boden sass. Janus stand zwei Meter vor ihm, unterdessen entspannt, aber mit geladener Betäubungspistole in der Hand. Martin legte Janus die Hand auf die Schulter „Du kannst uns jetzt alleine lassen. Danke.“ „Sicher?“ Martin nickte und Janus verliess zögerlich die Zelle.
Eine Zelle der Abteilung 3 bestand aus 6 Wänden: Wand mit Tür und Kamera, ziemlich hohe Decke mit LED-Lichtern, links und rechts Wände mit Vorrichtungen für die Befestigung von Ketten und Infusionen, ein Boden, der in der Mitte einen ebenen selbstreinigenden Abfluss hatte, links und rechts davon nochmals Vorrichtungen fürs Befestigen von Fussfesseln und eine Rückwand an der nichts war ausser der weissen Pulverbeschichtung, wie an allen Wänden, zur einfachen gründlichen Reinigung. Abteilung 3 war nämlich nur gedacht um ganz hartnäckige Insassen für maximal ein paar Tage stehend zu fixieren, per Magensonde zu ernähren, über die Flüssigkeitsinfusion mit genügend Flüssigkeit zu versorgen und mit Aktivphasen alle drei Stunden wach zu halten. Die Aktivphasen waren nichts anderes als über die Fesseln durch den gesamten Körper geleiteter Strom, der wachhielt und die Muskulatur stimulierte, damit sie sich nicht abbaute und der Gast nicht einschlief. Er soll geschwächt werden und Zeit zum Nachdenken erhalten. Ein geschwächter Gefangener ist einfacher zu handhaben als ein topfitter, so einfach. Mundfesseln gab es obendrein als Strafe von Beleidigungen, zur Sicherheit bei Beissern und bei zu viel Herumgeschreie. Aus Langeweile gab es manchen, der anfänglich stundenlang lauthals mit irgendwelche Unschönen Dinge den Wärtern auf die Nerven ging mit Dingen wie „Ihr blöden Fixer kriegt mich nicht klein!“ „Wartet bis ich wieder draussen bin!“ „He, lasst mich raus!“ „Das dürft ihr nicht, ihr Arschlöcher!“ und so weiter. Am schlimmsten waren Pseudogesänge, die mehr einem Geschrei glichen denn einem Lied. Das wurde dann eben mit einer Mundfessel abgestellt.
Irgendwann resignierten die meisten und vermieden es, je wieder Zeit in Abteilung 3 zu verbringen, was natürlich nicht allen gelang, weshalb es an Besuchern in Abteilung 3 stets nicht mangelte. Schliesslich war Sarg Endstation und Auffangbecken aller abgeschobenen schwer umgänglichen Sträflingen des Terra Sonnensystems.
Zylin Sa hatte bisher als Einziger einen Stammplatz in Abteilung 3 erhalten. Vor ein paar Jahren hatten der Direktor Paul Hashimi-Ska und sein Sicherheitsleiter Martin Herren beschlossen, Sa weder in die Abteilung 1 noch in die 2 zurückzuverlegen, sondern in Abteilung 3 zu belassen. Denn kaum war er jeweils draussen, vergingen maximal drei bis vier Tage und Martin musste ihn wieder einkassieren. In der Regel nicht ohne ein oder mehrere Patienten bei André, dem Gefängnisarzt, abzuliefern. Wärter oder Mitgefangene, je nachdem, was gerade das Problem gewesen war. „Ich bin kein dressierbarer Hund.“ meinte Zylin und „Ich werde keinen Regeln folgen, denen ich nicht folgen will. Also vergiss es.“ war einst seine Antwort auf Martins Frage, warum er sich nicht wie die anderen einfach dem Tagesablauf der Anstalt fügen könne, sei ja nicht so schwer. Zylin hingegen wollte essen oder zurück in die Zelle wann er mochte, wenn das Martin nicht passe, sei das sein Problem, er habe den Tagesablauf nicht gemacht. Oder einer der Mitinsassen hatte es eine gute Idee gefunden, den grossen Typen mit den langen Haaren, aus irgendeinem Grund blöd anzumachen.
Mit Zylin in Abteilung 3 hielten sich nun zumindest die Turbulenzen im Rahmen und Kollateralschaden wurde zum Grössten Teil vermieden. Auch für Zylin war diese Lösung zwar die mit Abstand unbequemste, aber die ruhigste. Mehr oder weniger hatte er seine Ruhe, war für sich. Mit Ausnahmen von heute. Und darum wollte Martin noch selbst mit Zylin sprechen. Er wollte wissen, was seinen Schützling so aufgewühlt hatte.
„Was soll ich nur mit dir machen?“ begann Martin das Gespräch. „Dich zur Strafe für ein paar Tage hier einsperren?“ fragte er sarkastisch.
Ohne den Blick vom Boden zu nehmen antwortete Zylin „Spar dir deinen Sarkasmus, Martin. Mit ist nicht nach Spassen zumute.“ Martin lächelte „Das weiss ich doch. Ist es dir nie, Zylin.“ Martin sah sich um. War wirklich alles wieder sauber. Ausser Zylin selbst. Seine Kleidung verblutet, die Wunde am Hals und eine von Blut verklebte Kopfwunde.
„Weißt du“ nahm Martin das Gespräch wieder auf „ich habe das Gespräch mit deinem Besuch mitverfolgt und frage mich: Warum nur hast du das Angebot abgelehnt? Du kannst nicht ernsthaft hierbleiben wollen? Also wenn ich dich“ „Martin, lass es. Hör auf drum herum zu reden und stell deine Fragen.“ „Naja, eigentlich dachte ich, das eben war eine Frage.“ Martin hielt inne, überlegte „Ah schon klar. Du findest, ich wüsste die Antwort darauf schon selbst.“ Martin kratzte sich am Kopf „Vermutlich hast Du Recht: Du ordnest dich hier nicht unter, dann tust du es bei denen auch nicht.“ Martin nickte mit dem Kopf „Konsequent, muss ich dir lassen.“
Nun hob Zylin den Kopf und sah seinen Besucher mit wartendem Blick an. „Also gut“ antwortete Martin darauf „Warum ich dich sprechen wollte: Die vier verletzten Männer hätte ich gerne vermieden. Was ist schiefgelaufen? Was hat dich so aufgebracht? Hätten wir nur den Alten, diesen...äh...Dek, ja so hiess er. Hätten wir nur ihn mit dir sprechen lassen sollen ohne diesen heissblütigen Jungspund, der dich offenb..“ „Nein“ unterbrach Zylin abrupt „O.K.“ nahm Martin die Auskunft zur Kenntnis. Zylin sah nun zu Petra bei der Tür, sagte nichts weiter.
„Domic erzählte mir, was passiert ist. Fred der Trottel!“ Martin seufzte „Ganz ehrlich. Wärst du ruhig geblieben, hätte Fred nicht diese saublöde unnötige herablassende Bemerkung gemacht?“ Zylin dachte nach. War wirklich nur diese Bemerkung der Auslöser gewesen? Oder hätte er ohnehin dreingeschlagen?
Schliesslich kam er zum Schluss „Ja, vermutlich schon.“ „Vermutlich?“ wollte es Martin genau wissen. Zylin stand auf, Martin machte einen Schritt zurück, hielt Zylin das frische Hemd entgegen. Bevor es Zylin aber entgegennahm, zog er sein Blutiges aus, warf es zu Boden, sah Martin an „Ja“ wiederholte er „Ich hätte nichts getan“. Während er sich das frische Hemd über den Kopf zog „Unterlass es in Zukunft Leute zu schicken, die sich ihr Selbstwertgefühl mittels dummen Bemerkungen aufpolieren wollen, weil ihnen die Freundin den Laufpass gegeben hat.“ Überrascht von dieser Auskunft beobachtete Martin wortlos, wie sich Zylin die Hose auszog, kaum hatte er das frische lange Hemd an.
In Abteilung 3 gab es nur ein weisses knielanges Hemd, keine Hose. Der Gefangene stand ja fixiert über dem Abfluss. Dafür war das Hemd so gearbeitet, dass es dem Gefangenen an- und abgezogen werden konnte, ohne ihn loszubinden.
Immer wieder überraschte Martin sein besonderer Gast mit derlei Auskünften. Martin konnte sich darauf verlassen, dass sie korrekt waren. Er konnte sich nur nicht erklären, woher Zylin diese Dinge wusste. Allein gute Beobachtung konnte es nicht sein. ‚Egal.’
„Sonst noch was?“ Zylin sah Martin an. „Nein, eigentlich nicht. Danke für deine Auskunft.“ Damit ging Zylin die paar Schritte zur Mitte der Zelle, wo Petra bereits wartete. Mischa kam gerade mit seinem Utensilien-Wägelchen durch die Tür. Kommentarlos fing Petra an, Fuss- und Handfesseln wieder anzulegen. Martin stand untätig daneben, war ja nicht seine Aufgabe.
„Und danke dafür, dass du bei mir aufgehört und mir nicht den Brustkorb zerdrückt hast.“ Zylin beobachtete Petra, die die Fussfesseln anbrachte „Red keinen Blödsinn! Du wusstest ganz genau, dass ich dir nicht ernsthaft etwas antun würde. Sonst hättest du Janus nicht abgehalten zu schiessen.“ Martin lächelte „Ja, erwischt. Aber du musst zugeben: Ist trotzdem anständig von mir.“
Mischa stand nun vor Zylin. Mischa war gut 40 Jahre alt. Schlaksig, kurzes schwarzes Haar, freundliches Gesicht und schwul. Als Soldat eigentlich völlig unbrauchbar und die meisten belächelten ihn auch bloss. Darum war er auch nicht Mitglied von Martins Sicherheitsteam der Abteilung 3, so wie Petra. Nein, Mischa hatte den eigens für ihn kreierten Posten als medizinischen Betreuungswärter inne. Gab es etwas zu erledigen, was nicht eines Arztes bedurfte, tat es Mischa. Brauchte jemand ein Pflaster oder eine Kopfwehpille stand Mischa zur Stelle. Brachte Eis für geschwollene Knöchel, kümmerte sich um die Wehwehchen der Gäste. Und er war grandios darin. Irgendwie konnte er mit allen. Flüssigkeitszugang und Magensonde in der Abteilung 3 setzten zwar üblicherweise die vom Team der Abteilung 3 selbst, aber Mischa konnte das auch und er machte es einfach mit mehr Feingefühl, schlicht am angenehmsten. Also hatte ihn Martin extra dafür kommen lassen. Nebenbei gab es mit Mischa bei Zylin am wenigsten Theater. Mischa konnte eben gut mit allen.
Martin hatte immer noch diesen Versuch im Kopf, als Pitos zusammen mit Domic Zylin fixieren sollten. Über zwei Stunden hatten sich gebraucht, liessen dann erst eine Aktivsequenz laufen, was Zylin für einen Moment ausser Atem geraten liess und weitere drei Personen um ihn festzuhalten, damit Pitos die Magensonde...’Ach!’ er wollte nicht dran denken. Und alles nur, weil Pitos Hände angeblich stanken. ‚Nein, danke.’ sagte sich Martin. Wenn möglich nur noch mit Mischa und Schluss. Obwohl es Paul eigentlich untersagt hatte.
Wie immer begrüsste Mischa mit „Süsser“ und Zylin entgegnete trocken „Mischa“. Darauf streckte Zylin ihm den Arm hin, denn als erstes würde er ihm die Handfesseln anlegen und danach den Zugang für die Flüssigkeit legen. Zylin mochte Mischa. Nicht weil er schwul war. Nein, Zylin respektierte und schätzte es, wenn jemand ehrlich offen und freundlich war. Und das war Mischa. Es gab nicht viele Menschen, die das waren. Mischas Getue war stets wirklich ehrlich, nie gespielt. „Ach“ seufzte Mischa mitleidend als er Zylins Arm nahm und anfing. Alle seine Handgriffe waren professionell und sehr sorgfältig, er beherrschte sein Handwerk. Alle wussten, dass es am angenehmsten war, wenn es Mischa tat. Hinzukam, dass er nicht auf die Gäste des Hauses herabsah und keine Angst vor Zylin hatte. Das fühlte sich immer angenehm an, wenigstens das, fand Zylin.
Derweil konnte sich Petra das Grinsen über Mischa nicht verkneifen und Martin sprach weiter „Wenn ich fragen darf: Obwohl er so tat als würde er dich nicht kennen. Deiner Reaktion zu folge, kennt ihr euch aber sehr wohl, du und dieser Dek. Stimmt das? Woher? Du musst wissen, deine Akte ist zwar hier, der Inhalt stammt allerdings mehr aus einer Vorlage, denn aus dem wirklichen Leben. Alles unter Verschluss wegen deiner Tätigkeiten und so. Wie soll ich da arbeiten.“ „Du redest doch nicht über die Geschichten der Sträflinge mit den Sträflingen selbst. Interessiert dich nicht. Also was fragst du.“ „Das ist richtig. Nur bist du eine Ausnahme und seit du hier bist, werde ich das Gefühl nicht los, dass da was zum Himmel stinkt. Ich bin neugierig. Und warum hat dich sein Angebot so wütend gemacht? Und he...“ Martin hob die Schultern „...ich hab keinen Aufmerksamkeit erregenden Tumult veranstaltet.“
Unterdessen stach Misch mit der Nadel vorsichtig in Zylins Blutgefäss. Ein unangenehmes Gefühl. Brrr... Ein leichtes Schaudern huschte durch Zylins Nervensystem, jedes Mal aufs Neue. Er hasste es.
Petra stand auf, ging zur Tür und wartete neben der Bedienkonsole auf Mischas Zeichen.
„Nicht sein Angebot hat mich wütend gemacht. Sondern“ Zylin wendete den Blick ab von Mischa zu Martin „Sagen wir einfach, dass sich alte Wunden wieder geöffnet haben. Ich hatte gehofft, dieses Kapitel für immer geschlossen und hinter mir zu haben.“
„Fertig?“ fragte Petra und Mischa nickte „Ja“ Petra liess die Ketten der Handfesseln hochziehen, Zylins Arme spannten sich seitlich, leicht nach oben. Ein Zug war zu spüren. Zylin ballte die Fäuste, hielt dagegen. Die Maschinen stoppten. Die Flüssigkeit fing an durch den Zugang in seine Blutbahnen zu laufen. Fühlte sich kalt an, denn die Flüssigkeit hatte nicht seine Körpertemperatur. Die Arme in alt gewohnter Position.
Mischa platzierte als nächstes die Bio-Überwachungspads auf Zylins Brust und an der Halsschlagader „Och“ meinte er dazu „Wärst du nicht Gefangener und nicht so hetero“ er blinzelte „Ich würde mich um dich reissen. So was von sexy.“ „Mischa!“ bremste ihn Martin. Petra kam zurück „Funktioniert. Alles i.O.“ bestätigte sie und meinte damit den Empfang und die Anzeige der über die Pads gesendeten Bio-Daten, die auf einem Bildschirm an der Wand neben der Tür angezeigt wurden. Das Gerät hatte brav seine Tätigkeit wiederaufgenommen.
Wieder zurück, stellte sie sich auf eine kleine ausfahrbare Erhöhung hinter Zylin. Mischa reinigte den Schnitt am Hals und seine Kopfwunde „Ist halb so schlimm Süsser.“ er sah Zylin an „Kopfschmerzen?“ Zylin schüttelte leicht den Kopf „Siehst du.“ Petra lächelte, was Mischa sah und prompt konterte „Brauchst gar nicht so zu lachen. Wärst du an seiner Stelle, fändest du es auch angenehmer, man würde nett mit dir sprechen.“ freundlich lächelte er Zylin an, bevor er sich die sterilen hautengen weissen Latex-Handschuhe anzog um die noch steril verpackte Magensonde herauszunehmen.
Sachte zog er den Anfang heraus, träufelte etwas Gleitmittel darauf und seufzte „Also dann, schöner Mann.“ Nun nahm Petra Zylins Haare zusammen, legte sie geschickt zur Seite und packte so fest sie konnte Zylins Oberkörper um dumme Bewegungen während des Einführens der Sonde zu verhindern, was zu unangenehmen Komplikationen führen könnte. Gleichzeitig schaffte sie es, Zylins Kopf leicht nach vorne zu drücken.
Sein Körper verspannte sich unweigerlich ein wenig und der Herzschlag erhöhte sich. War normal, denn es war immer etwas vom Unangenehmsten, sich dieses Scheiss-Ding hineinstecken zu lassen. Stress für Kopf und Körper. Aber er hielt so still er konnte und Mischa tat es so sorgfältig er konnte. Erst durch die Nase, den Rachen hinunter und dann ein Strohhalm zum Trinken gereicht, damit Zylin nicht leer Schlucken musste, sondern während dem Einführen Wasser trinken konnte, war angenehmer. Bis der Schlauch am Ziel war. Zum Test etwas Magensaft angezogen. Und weil schon Zeit war, servierte Mischa auch gleich das Abendessen.
„So, das war’s schon.“ beendete Mischa die elende Prozedur, nachdem er mit Wasser gespült und den Anfang des Schlauches an Zylins Wange sachte mit hautschonendem sensitivem Klebeband befestigt hatte. Mit den Nasenpfropfen hatte es beim Essen-Verabreichen immer Probleme gegeben, darum gab’s hier diese Lösung, sehr unschön, wie Mischa fand.
Endlich liess ihn Petra wieder los. Zylin musste husten, ihm war übel und der Schlauch im Hals störte, gab einem ständig das Gefühl schlucken zu müssen, weil da was steckt. „Weißt du“ sagte er, hustete „Auf diese Scheisse könnte ich wirklich verzichten.“ Mischa nickte zustimmend und Martin meinte „Beklagen brauchst du dich nicht darüber. Du könntest es anders haben. Deine Entscheidung. Wir wissen, dass es unangenehm ist. Soll es auch sein. Ist ja die Idee dahinter.“
Als letztes fehlte die Mundfessel. Mischa packte eine neue Fessel aus ihrer sterilen Verpackung aus. „Wenigstens gibt es eine gute Nachricht für dich“ Zylin räusperte sich und stellte sich gerade auf, hielt die Position bis er wieder husten musste. Ach war ihm übel. Martin stellte den Kopf schräg und Petra runzelte die Stirn „Gute Nachricht?“ fragte Martin nach. „Na ja“ sagte Zylin völlig ernst „In 3 Tagen seid ihr mich los.“ „Ha!“ platzte es aus Martin heraus „Ich glaub du spinnst. Du hast doch abgelehnt? Oder was hab ich da verpasst?“ nochmals musste Zylin husten bevor er ergänzte „Du kennst John Dek nicht. Er hat die Unart zu denken, dass sich alle früher oder später ihrem von ihm bestimmten Schicksal beugen. Glaub mir. Er nimmt sich, was er will.“
Ohne Gegenwehr liess sich Zylin auf Martins Zeichen hin von Mischa die Mundfessel anlegen. Und der konnte es sich nicht verkneifen, Zylin zärtlich über die Wange zu streicheln, der allerdings energisch auswich, soweit er es konnte. Zylin hasste das! Mischa zog die Schultern hoch und die Hand schnell weg „Tschuldige, konnte nicht widerstehen.“ zwinkerte, er war ganz offen ein wenig verschossen in diesen grossen kräftigen Mann. Zügig packte er seine Sachen und folgte Petra zum Ausgang.
Sein Chef, Martin, begutachtete das ganze nochmals genau, wurde von Petra unterbrochen, die an der Tür rief „Martin! Ich geh dann. Auf mich warten ein gutes Buch und ein Glas Wein. Freier Tag und so. Tschüss ihr drei!“ Martin nickte „Danke dir Petra.“ „Gern geschehn.“ ein Augenzwinkern zu Zylin und Petra war weg.
Mit zur Seite geneigtem Kopf beobachtete Zylin den Sicherheitsleiter von Sarg. Er ahnte was kam, hatte sich schon gewundert, wo die Reaktion geblieben war. Und Martin zog sein Arbeitsmesser, bückte sich ein wenig und zog es Zylin kräftig über beide Unterschenkel. Zylin stöhnte kurz, konnte ja nichts sagen, aber es tat schon weh. Er ging in die Knie so gut es ging. Martin war nicht zimperlich gewesen. Es blutete heftig und ein „Och nein! Martin! Jetzt ist alles wieder versaut.“ kam von Mischa an der Tür.
„So dürfte es dir in nächster Zeit etwas schwerer fallen Unruhe zu stiften.“ begann Martin, während er gelassen und ruhig die Klinge säuberte „Weißt du“ sprach er weiter und zeigte mit der glänzenden Klingenspitze drohend auf Zylin „Fred alleine hätte ich dir durchgehen lassen. Aber die anderen drei konnten nichts dafür.“ Es tat weh und trotzdem musste Zylin lächeln. Auf Martin war Verlass, der Vorfall hatte unmöglich ohne Gegenreaktion bleiben können, selbst wenn beide wussten, dass Zylin auch beim nächsten Mal die Konsequenzen wieder egal sein würden.
Martin liess das Messer in der Scheide verschwinden, ging zur Tür. Auf halbem Weg drehte er sich nochmals um und ergänzte „Und deine Aktivphasen werden für die nächsten Tage um eine Stunde verlängert. Dann dürfte sich deine aufgestaute Energie ein wenig abbauen.“ „Hmmm...“ kommentierte Zylin. Das war nun allerdings heftig: 3 Stunden Strom waren anstrengend, selbst für ihn. Unerwartet.
Dann schloss sich die Tür, das Licht ging aus und Zylin stand wie gewohnt im Dunkeln. Die einzigen verbleibenden Hinweise der Uhrzeit waren die schweisstreibenden Stromphasen und die zwei Besuche am Tag, die aus einem kurzen Checkup, ob alles in Ordnung war, und dieser beschissenen Einflössung eines Nahrungsbreis bestanden. Er schloss die Augen und hängte sich so bequem es ging in die Ketten. Schon alleine um die schmerzenden Beine etwas zu entlasten. Ach, war ihm übel. Immerhin, irgendwie lenkte es ihn ein wenig ab von den Gedanken an die Vergangenheit und den unerwünschten Besuch. 'Danke Martin. Ob Absicht oder nicht.'
Auf der anderen Seite der Tür wartete bereits Direktor Paul ungeduldig und gereizt auf seinen Sicherheitsleiter. Die übliche Standpauke von wegen ‚Er habe schon hundertmal gesagt, dass Martin das Personal nicht nach Belieben verwenden könne. Mischa sei aus der Abteilung 1 und Petra hätte ihren freien Tag. So funktioniere das nicht.’ und Martin mit derselben Antwort wie immer, dass es schliesslich Paul gewesen war, der ihm freie Hand zusicherte und er keine weiteren Risiken eingehen hatte wollen. Gleichzeitig entschuldigte er sich, denn es war sein Fehler gewesen, er hätte die Begleitwärter besser aussuchen sollen.
Und auf Mischas Reklamation über Martins Aktion Zylins Beine als Strafe zu verletzen stellte Paul die rhetorische Frage in den Raum, wer hier der grössere Sturkopf sei: Martin oder Zylin. Vermutlich wäre Martin als Gast des Hauses noch schwieriger als Zylin zu handhaben. Dies entlockte wiederum Martin ein Lächeln.
Darauf winkte Paul ab mit dem Hinweis, dass er froh sei, denn er habe gleich nach Abreise der Besucher den Auslieferungsbefehl für Zylin Sa erhalten. Sie würden ihn also bald los sein. Worauf Martin die Welt nicht verstand, denn Zylin hatte doch abgelehnt. ‚Die sind doch alle nicht ganz dicht.’ kommentierte er.
Danach lachte Martin kopfschüttelnd und lud Paul zum Abendessen ein. Paul nahm an und erklärte „Jetzt weißt du, warum ich für diesen Posten hier meinen aktiven Dienst gerne an den Nagel hängte. Immer diese merkwürdigen Geschichten. Zum Kotzen.“ er winkte „Dann bis gleich.“