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Philosophie des Wandels, ohne beliebig zu sein
ОглавлениеIch würde dieses Buch nicht schreiben, wenn ich nicht davon ausginge, dass Philosophie dazu beitragen kann, die Welt zu verändern. Wenn ich an diesem vollmundigen Satz zu zweifeln beginne, dann hilft es mir immer, mich daran zu erinnern, was ich zum Thema „Philosophieverständnis“ bei Midgley, aber auch im Pragmatismus finde. Was diese Denker*innen nämlich teilen, ist die Vorstellung, dass die Welt die Probleme der Philosophie nicht nur vorgibt, sondern die Lösungsvorschläge, welche die Philosophie anbietet, auch validiert. Diese Validierung findet in der Erfahrung statt.17 Man kann sehen bzw. irgendwie überprüfen, dass es ein Unterschied ist, wie und was gedacht wird. Und im Falle gelungenen Denkens ist es nicht nur irgendein Unterschied, sondern ein entscheidender, und zwar, weil aus diesem Denken Handlungen folgen, die zu stimmigeren Weltzuständen führen. Im Pragmatismus findet sich dafür bei Dewey die Formel vom Problemlösen. Midgley hat für diese Herangehensweise eine bessere Analogie gefunden, mit der deutlich wird, dass Problemlösen mehr ist als ein beliebiges Durchwursteln bei der Behandlung von Oberflächenproblemen. Sie betrachtet Philosophie nämlich als eine Form des Klempnerns. So wie Klempner*innen sich darum kümmern, dass das für einen Haushalt zweifellos wichtige Wasser seinen Ort dorthin findet, wo es seinen Nutzen hat, so kümmern sich Philosoph*innen darum, dass Gedanken im Fluss bleiben und ihre Wirkung dort entfalten, wo sie – ganz wie Wasser – für das bloße Leben wichtig und dem guten Leben zuträglich sind. Philosophische Arbeit beginnt da, wo es zu Blockaden kommt, wo etwas verstopft ist, und spätestens dann, wenn an Begriffen und Argumenten etwas stinkt oder faul ist, ist fachlicher Dienst für die Hausgemeinschaft gefragt. Natürlich können wir alle oder die meisten von uns ab und an selber einen Luftsprudler im Wasserhahn entkalken oder austauschen, sprich, auf hilfreiche Ideen kommen. Aber wenn es um die systemischen Gründe geht, aus denen die Dinge nicht so laufen, dass sie dem Leben zuträglich wären, ist die Bedeutung des Handwerks doch zu betonen. Das heißt, wenn Midgley meint, Philosophie hätte lebensnah und -dienlich zu sein, dann meint sie damit gerade keine einfachen Antworten für jedermann. Da die Philosophie beispielsweise schon lange die Geschichte eines Begriffs studiert hat oder verschiedene Formen einer Argumentation kennt, kann sie helfen, Orientierung innerhalb der Systeme zu verschaffen. Aber nicht nur das: Sie kann auch identifizieren, wenn Systeme veraltet sind und man sich eine Sanierung leisten sollte, um insgesamt besser haushalten zu können.
Midgley spricht auch davon, dass in der Philosophie nicht nur das Handwerkszeug gefragt ist, um Begriffe durchzudeklinieren und Argumente durch findige Einwände und immer weiteres diskursives Ziselieren hinsichtlich ihrer Belastbarkeit rigide zu prüfen. Gefragt sind auch jeweils Visionen davon, wie sich die Dinge zum Besseren gestalten lassen. Im Pragmatismus ist hier analog die Rede von der Vorstellungskraft wichtig. Wie nun eine solche von Peirce, Dewey und Midgley inspirierte Philosophie des Wandels, des Wachstums, des Gedeihens, der sich verändernden Sichtweisen und Weltbilder im Kontext der zum Teil ziemlich zum Himmel stinkenden Probleme der Mensch-Tier-Beziehungen versuchen kann, die Dinge in den Fluss zu bringen und Angebote zu machen, die „wir“ teilen könnten, darum wird es von nun an gehen.