Читать книгу Mission Unendlichkeit - Das 1529 Science Fiction Abenteuer Paket - Mara Laue - Страница 14
Kapitel 3: Der Auftrag
ОглавлениеOrt: Megapolis-Planet Chutala, Chutala-City, untere Ebenen
Zeit: 4699,1 NSüdK
Genormte Galaktische Zeitrechnung
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ISAAK RUTSCHTE DEN dreckigen Lüftungsschacht entlang. Es ging schräg nach unten. Während er versuchte langsamer zu werden, bemerkte er, dass der Lüftungsschacht zwar dreckig war, aber noch lange nicht so wie Isaak es erwartet hätte. Außerdem fehlte das typische Ungeziefer. Normalerweise siedelten sich allerlei Insekten und andere Wesen in den weitverzweigten Tunneln an, was sie sehr gefährlich machen konnte.
Der Tunnel wurde also öfter mal als Abkürzung benutzt.
Bevor Isaak weiter darüber nachdenken konnte, war der Ritt auch schon vorbei und er krachte in einen Haufen alter Kabel. Sie dämpften den Fall nur leidlich.
Er kämpfte sich hoch und blickte dann in die Läufe seiner beiden Pistolen.
„Was hast du hier unten zu suchen?“, fragte ihn die Frau. Er hatte recht gehabt, es war eine Menschenfrau.
Sie war einen Kopf kleiner als Isaak. Ihre weichen Gesichtszüge wurden von braunem lockigem Haar eingerahmt. Sie trug einen dunklen Kampfanzug, auf dem Panzerplatten angebracht waren. Ein Kompromiss aus Beweglichkeit und Schutz. Auf dem Rücken trug sie einen kleinen Rucksack.
„Na, verschlage ich dir die Sprache? Zu lange hier unten? Keine Terranerinnen mehr gesehen?“, fragte sie. „Was tust du hier?“
Isaak musste schmunzeln.
„Mein Name ist Isaak. Gib mir meine Waffen und wir gehen beide unseres Weges“, sagte er ruhig. „Ich habe nichts mit irgendwem zu schaffen, ich habe meine eigenen Angelegenheiten. Du sicher auch.“
Er hoffte inständig, dass sie niemand war, der gesucht wurde. Hier unten gab es eine Menge Leute, die alles, was nach Kopfgeldjäger aussah, zuerst töteten, dann Fragen stellten. Vermutlich überlebte man letztendlich hier unten auch auf die Weise länger.
Sie musterte ihn. Dabei ließ sie seine Waffen minimal sinken, aber nicht weit genug, dass er sie hätte angreifen können ohne erschossen zu werden. Sie war nicht dumm, das musste er ihr lassen.
„Kopfgeldjäger“, stellte sie unnötigerweise fest. „Nicht oft hier unten. Dachtest, das wird eine einfache Sache.“
Er hob überrascht die Augenbrauen.
„Was soll einfach sein?“
„Der Job. Kommst runter zum Abschaum, schießt etwas herum und fliegst wieder rauf. Der Gleiter oben. Billig. Verbraucht. Ein Hin-und-Zurück-Ticket in die Hölle. Kopfgeldjäger und Abschaum, der hier zu Besuch kommt, fliegen immer so etwas. Da sparen sie immer.“
Isaak nickte anerkennend. Er fühlte sich seltsam ertappt.
„Und jetzt meine Waffen – und wir gehen unserer Wege!“, wiederholte er noch einmal.
Sie lachte.
„Du bist hier im Kenar-Territorium und da oben ist einer angegriffen worden. Du hast jetzt ganz schön Dreck am Stiefel“, stellte sie fest.
„Aber ich habe ihn nicht angegriffen“, erwiderte er ruhig.
„Stimmt, aber du wurdest von einem Roten Hachee gerettet. Damit bist du potenziell ein Feind. Es herrscht im Moment Krieg hier unten.“
Isaak atmete resigniert aus. „Wieso habt ihr mich dann nicht zufrieden gelassen?“
„Er hätte dich getötet. Jetzt hab ich dein Leben gerettet, dein Arsch gehört den Roten Hachee. Zumindest einen Gefallen schuldest du uns. Vorausgesetzt du besitzt einen Funken Ehre in dir, Kopfgeldjäger.“
„Und wenn nicht?“
„Dann bekomme ich ein paar neue Pistolen und du zwei neue Nasenlöcher gestanzt. Eins in die Brust, eins zwischen die Augen.“
Isaak verkniff sich eine bissige Erwiderung. Er hatte vorerst verloren. Man musste anerkennen, wenn man unterlegen war und daraus lernen, hatte seine Mutter immer gesagt.
„Okay, einen Gefallen. Dann bin ich weg“, knurrte Isaak schließlich.
Die Frau lächelte kokett und senkte seine Waffen.
„Brav. Jetzt geh den Gang entlang.“
„Wohin?“
„Einfach geradeaus, ich sage, wenn du abbiegen musst.“
Er seufzte und setzte sich in Bewegung.
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SIE LOTSTE IHN DURCH mehrere gewundene Gänge, bis sie schließlich vor einem großen schweren Schott standen.
„Setz die auf“, sagte sie und reichte ihm eine Sauerstoffmaske. Sie war klein, aus einem schwarzen Kunststoff, der beim Aufsetzen Mund und Nase bedeckte und sich mit einem schmatzenden Geräusch festsaugte. Schräg vom Mundstück ab ragte eine kleine Metallampulle, in der der Sauerstoff war. Zumindest hoffte Isaak, dass darin Sauerstoff war und kein Gift. Aber es hätte keinen Sinn gemacht, ihn jetzt auf diese Weise zu töten. Warum dann der ganze Weg?
Sie nahm ebenfalls eine Maske und richtete mit der freien Hand seine Pistole auf ihn.
„Öffnen“, befahl sie. Ihre Stimme klang dumpf durch den Kunststoff vor ihrem Mund.
Er besah sich den Mechanismus des schweren Schotts und erkannte, wie es zu bedienen war. Ein paar Handgriffe später glitt es zischend in zwei Hälften horizontal auseinander. Zwar war das Schott schon lange ohne Strom, die Notfallöffnung aber war hydraulisch und funktionierte somit noch.
Vor ihm war eine neblige Landschaft. Mattes Licht erhellte die Umgebung. Nach und nach gewöhnten sich seine Augen an das schwächere Licht und er begriff, was er sah.
Das hier war eine Plattform gewesen, einst auf der halben Höhe der gigantischen Hochhäuser. Orte für Geschäfte, Straßen und Parks hatte es gegeben, Flaniermeilen voller Menschen.
Heute war es vor allem eins.
Gefährlich.
Über sich sah er nur den dunstigen Nebel und Dunkelheit.
Er fluchte innerlich darüber, dass er unbewaffnet war.
Es hieß, dass es hier Tiere gab, Lebewesen tausender Welten, ausgesetzt und entlaufen. Es hatten Kreuzungen stattgefunden, neue Arten waren entstanden, die hier unten lebten. Jagten.
Er spürte den Lauf seiner eigenen Waffe im Rücken, als ihn die Frau vorwärts stieß.
Widerwillig ging er los.
Sie gingen durch ein Trümmerfeld. Ausgeschlachtete Gleiter und allerlei Schrott lagen auf der Plattform verteilt. Vieles sah alt aus, Rost gab vielem sicher einst Glänzendem eine dreckige Farbe.
Er kam beinahe ins Stolpern, als direkt neben ihm ein Abgrund gähnte. Im Boden der Plattform war ein zwei Meter durchmessendes Loch. Seine Kanten waren völlig glatt abgeschnitten. Fast wie mit einer Maschine.
Er machte einen großen Bogen darum. Immerhin konnte die ganze Statik der Plattform dadurch gestört sein.
Dann standen sie vor einem anderen Schott, das von selbst aufglitt. Isaak duckte sich, als ein Mensch seine Waffe auf sie richtete.
Er hatte ungesund helle Haut und dunkelblaue Haare. Seine schwarzen Augen bildeten einen harten Kontrast zu der kränklichen Hautfarbe.
Die Frau hinter Isaak trat ihn in die Seite, so dass er vorwärts auf den Hellhäutigen zutaumelte. Er blickte sich zu ihr um, sie hatte noch immer seine Pistolen auf ihn gerichtet. Sie nickte zu dem Hellhäutigen. Isaak trat zu ihm und die Frau verschloss das Schott wieder. Der Dunst der Außenwelt sammelte sich in Knöchelhöhe.
Nachdem sich das Schott geschlossen hatte, sammelte sie Isaaks Maske wieder ein.
„Ist er tot, Nigo? Der Kenar“, fragte die Frau den Hellhäutigen. Dieser schüttelte den Kopf.
„Er ist weg, wenn auch verletzt. Hat aber Hilfe gerufen. Ich hatte keine Zeit ihn noch zu erledigen“, erklärte der als Nigo angesprochene Hellhäutige.
Die Frau sah Isaak an und stellte sich vor: „Dann glauben die Kenar wirklich, dass du mit uns zusammenarbeitest. Mein Name ist übrigens Roxane, Roxane Ava.“
Sie nickte auf den Blauhaarigen. „Das ist Nigo.“
„Isaak“, stellte sich selbiger vor. „Meine Waffen?“
„So viel Höflichkeit dann jetzt doch nicht“, erwiderte Roxane. In ihren Augen blitzte es. „Die bekommst du noch. Wenn es soweit ist. Wenn du dich gut benimmst.“
Sie gingen einen Korridor entlang, vermutlich einst Teil eines Wohnhauses.
Der Korridor wand sich durch das Gebäude. Irgendwann erreichten sie einen Bereich, in dem Isaak sofort auffiel, dass er noch in Benutzung war.
Statt der schwach flackernden beschädigten Lampen der anderen Korridore herrschte hier kaltes und konstantes Licht, das von unregelmäßig an den Wänden befestigten Lampen kam. Die Lampen waren an Eisenpfählen befestigt, die man in die Wandverkleidungen gerammt hatte.
Vor einer mit metallenen Flicken versehenen Tür standen zwei breit gebaute Humanoide in schweren Rüstungen. Menschen, vielleicht von einer der unzähligen Welten der Allianz, vermutlich aber aus der Tiefe der Stadt. Sie richteten ihre Gewehre auf die Neuankömmlinge. Sie schienen verunsichert. Isaak vermutete, dass sie Roxane kannten.
„Ist in Ordnung, er soll zu Araken“, erklärte Roxane. Bei „er“ deutete sie auf Isaak.
Die beiden Wachen sahen sich kurz an, dann zuckte einer von ihnen mit den Schultern.
„Ist Ihre Verantwortung, Ava“, sagte er und betätigte die Türschaltung. Zischend öffnete sich die Tür.
Dahinter lag ein großer Raum, in dem fleißig allerlei Kreaturen herumliefen.
Manche Spezies erkannte Isaak, andere sah er zum ersten Mal.
„Da lang“, zischte Roxane und lotste ihn in einen kleinen Flur, der in einem Büro endete.
An einem schweren, dunklen Tisch in Holzoptik saß ein katzenhafter Humanoider mit rotbraunem Fell. Am Ende der abstehenden Dreiecksohren waren kleine Haarbüschel.
Ein Lonyke, ging es Isaak durch den Kopf. Er hatte bereits ein paar Angehörige dieser Spezies gesehen. Der Lonyke blickte von einem Datenmodul auf und zeigte ein raubtierhaftes Grinsen. Er entblößte dabei ebenmäßige, spitze Zähne. Es wirkte wie die Parodie auf ein menschliches Lächeln.
„Roxane, Nigo, was bringt ihr mir da?“, fragte er. Er hatte eine melodische Stimme. Isaak vermutete, dass er verdammt gut war im Schmeicheln und Manipulieren. Er wurde von Roxane und Nigo mit großem Respekt angesehen. Ehrfurchtsvoll.
„Einen Kopfgeldjäger, hat sich die Kenar zum Feind gemacht. Wir haben ihn rausgeholt, aber der Kenar lebt noch. Der Jäger flog ohne Tribut durch ihr Gebiet.“
„Ich hätte ihn entrichtet, wenn Sie nicht eingegriffen hätten“, entgegnete Isaak. „Ich habe nichts mit den Banden hier zu tun.“
„Sie sind doch hier“, flötete Araken mit seiner melodiösen Stimme. „Damit haben Sie im Krieg eine Rolle. Niemand, der Bandengebiet betritt, ist unbeteiligt. Es gibt hier nur zwei Kategorien. Soldaten und Opfer. Sie betreten das Spielfeld, sobald sie hier sind. Sie spielen von da an mit, nach den Regeln der Banden.“
„Was genau wollen Sie für sicheres Geleit?“, fragte nun Isaak. Er hatte genug. Er überlegte, ob er Roxane seine Waffen entreißen konnte, ohne dabei erschossen zu werden. Sie hatte sie gesenkt, der Raum war klein. Vielleicht konnte er schnell genug sein. Doch bisher war noch kein idealer Moment gekommen.
„Wir kennen Ihren Ruf“, stellte nun Araken fest. „Isaak Sanders, der Jäger von Kulkada. Man nennt Sie manchmal auch ‚die Vergiftung‘, weil Sie noch nie aufgegeben haben. Noch nie ist Ihnen jemand entkommen.“
Isaak stutzte. Hier wurde noch etwas anderes gespielt.
„Denken Sie, ein Humanoide wie Sie kann hier herumlaufen, ohne dass mir jemand erzählt, dass er Sie gesehen hat? Ihre Zunft ist gut zu erkennen. Gewalt-Menschen ohne Tätowierung.“ Araken schob seinen Ärmel etwas herauf, so dass ein rotes Symbol zu sehen war. Ein mehrarmiges spinnenartiges Tier. Nicht sehr detailreich.
„Die Roten Hachee. Es gibt hier in den Untiefen eine Spinnenart mit zwölf Beinen. Sie sind so gefährlich, dass sie sogar Kilto binnen Minuten töten können“, erklärte er. „Jede Bande hier hat ein Zeichen. Eine Tätowierung. Wir wollen, dass Sie zu den Kenar gehen und für Ärger sorgen. Wir wollen in ihre Festung.“
Isaak schnaubte verächtlich.
„Wieso sollte ich Ihnen dabei helfen? Damit Sie die Drogenversorgung des Kenar-Gebietes übernehmen können? Ich bin Jäger, ja. Ich habe einen Vertrag zu erfüllen. Ihnen schulde ich nichts. Ich bin nicht als Schläger anzuheuern. Ich bin kein Söldner.“
„Dann nehmen Sie einen kleinen Zwischenauftrag an“, sagte Araken. „Für sicheres Geleit stellen Sie mir ein Stück Technik sicher, aus der Festung der Kenar.“
„Was für Technik?“
„Eine Bombe.“
Isaak stutzte. Er merkte wie Roxane und Nigo sich versteiften. Was für eine Bombe machte ihnen Sorgen? Er hatte ein Gespür für die Stimmung eines Menschen. Es war lebensnotwendig für ihn zu wissen, was jemand tun würde, wie verzweifelt er war.
„Worum genau geht es?“
Araken lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
„Hier unten gibt es keine Regierung. Alles von dort oben besitzt keine Macht. Wir, die Banden, sorgen für Ordnung. Wir bringen Sicherheit. Wir erlassen Gesetze. Im Gebiet der Roten Hachee darf man nicht nach Lust und Laune töten. Wir verhindern das Chaos. Die Kenar aber sind zu Söldnern geworden. Wir hatten Spione in ihren Reihen. Das letzte, was wir erfahren haben“, Araken zögerte. Roxane sah ihn an und sagte: „Sagen Sie es ihm. Es dürfte seine Motivation uns zu helfen vergrößern.“
„Sie bauen eine Bombe“, gab Araken zu. „Eine mit Oravit versetzte R-Bombe. Sie haben von überall Bauteile geholt. Es ist eine Bombe mit gewaltiger Sprengkraft, das Oraviterz potenziert die Gewalt der Explosion noch einmal.“
„Tragisch, und was geht es mich an?“ Isaak musste zuerst an sein Zielobjekt denken. Wie nahe war die Bombe? Konnte sie Julian schaden?
„Wir glauben, dass man sie dafür bezahlt. Vielleicht sollen sie damit die oberen Stockwerke erpressen. Aber ich glaube etwas anderes.“
„Und zwar?“
„Die Kenar werden bezahlt das Chaos zu bringen. Stellen Sie sich eine Oravit-Bombe vor, die hier unten explodiert.“
Isaaks Augen weiteten sich etwas, als er sich die Folgen ausmalte. Das war tatsächlich hier unten ein ganz anderes Problem.
„Damit kann man mehrere Gebäudefundamente zerstören.“
„Nicht nur das. Die Gebäude sind verbunden, Tausende von Flanierplattformen, auf jeder Ebene. Direkt eingelassen und verbunden mit den Skeletten der Gebäude. Sie würden andere mitreißen.“
„Aber die Kenar würden ihr eigenes Territorium damit vernichten.“
„Wir glauben, dass sie die fertige Bombe zu uns bringen wollen. Unser Gebiet würde damit vernichtet. Vielleicht bezahlt man sie aber auch gut genug, um ihr eigenes Gebiet zu planieren.“
„Wer hätte Interesse an so etwas Großem?“, fragte Isaak zweifelnd. „Das ist definitiv eine Nummer zu groß für Bandenkrieg.“
Araken nickte und lächelte dabei wieder. Auf Isaak wirkte es süffisant.
„Genau. Das ist Politik.“
„Sie meinen, sie werden von oben dazu angestiftet? Von wem?“
„Allen. Jedem, der einen Vorteil hat, wenn die Allianz sich blamiert, weil sie nicht den Tod von Milliarden Lebewesen mitten in ihrer Hauptstadt verhindern kann. Die Allianz wird reagieren müssen. Es wird tausende Soldaten brauchen, um die Unterstadt zu befrieden. Es wird teuer für die Allianz. Stell dir außerdem die untergrabene Autorität vor, nichtmal die eigene Hauptstadt sicher halten zu können. Wir wollen nicht, dass irgendetwas davon passiert.“
Isaak kratzte sich nachdenklich am Kinn. Er zweifelte daran, dass ihm der Lonyke die Wahrheit sagte.
„Ein schönes Märchen, aber doch arg weit hergeholt.“
„Sie sind Jäger, Sie arbeiten für Geld, oder?“, fragte Araken nun. Isaak lachte.
„Das klingt, als wollten Sie mich wie jeden beliebigen Söldner anheuern. Ich sagte bereits, dass ich kein Söldner bin.“
„Nein, aber zum freien Geleit biete ich Ihnen, was Sie wollen. Wie wäre es mit Informationen. Oder Geld? Wertgegenstände? Ich will einen Mann mit Ihren Erfahrungen, den die Kenar nicht kennen“, sagte Araken und seine Stimme wurde dabei kalt wie Eis.
Einen Mann mit Ihren Erfahrungen, hallte es in Isaaks Verstand wider. Das hier war kein Zufall! Hatten sie ihn gezielt ausgesucht, weil sie wussten, wer er war?
„Was Sie wollen, ist ein brauchbarer Soldat, den man aber im Zweifelsfall opfern kann. Den niemand Ihrer Leute kennt, der keine Antipathie in Ihrer Truppe hinterlässt, wenn Sie ihn opfern. Der vollkommen entbehrlich ist. Gut, Sie haben mich hiermit angeheuert“, erklärte Isaak und hielt auffordernd seine Hände in Richtung Roxanes. Sie blickte zu Araken. Als dieser nickte, reichte sie Isaak seine Waffen zurück.
Ein hinterlistiges Lächeln umspielte Arakens Mundwinkel.
„Roxane, erklär ihm, was nötig ist“, beendete Araken das Gespräch. Er widmete sich seinem Handcomputer und machte damit klar, dass sie entlassen waren.
Roxane führte Isaak heraus, nur Nigo blieb.
„Ist der Kenar wirklich entkommen?“, fragte Araken, als sie alleine waren. Nigo schüttelte den Kopf.
„Hab ihn erwischt, war viel zu träge, der Gute. Jetzt raucht der aus der Stirn“, erwiderte Nigo. Über Arakens Gesicht huschte erneut ein kurzes Lächeln. „Sehr gut.“
*
ISAAK BLICKTE HINAB auf die Häuserschlucht. Eine dicke, dreckige Kunststoffscheibe schützte ihn und die anderen vor den giftigen Dämpfen und der sauerstoffarmen Luft.
„Also, ist Ihnen klar, was Sie tun sollen?“, fragte Roxane erneut. Isaak nickte und setzte die Sauerstoffmaske auf, die man ihm gegeben hatte.
Er zweifelte immer noch an den Motiven der Roten Hachee, aber es war ihm auch nicht wichtig. Er war bereits in dem Ganzen drin und würde sich sowieso Feinde machen. Also konnte er vorerst mitspielen, tun, was nötig war und sich vielleicht bei Zeiten einfach abseilen?
Dass es die Bombe wirklich gab, glaubte er nicht. Trotzdem war da dieser kleine Zweifel in ihm. Was, wenn doch?
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ISAAK GING DIE SCHMALE Promenade entlang, vorbei an einem ausgeschlachteten Gleiter, der gigantische Triebwerke gehabt haben musste.
Da schien sich in den letzten Jahrhunderten technologisch wirklich etwas getan zu haben, allem Fortschrittspessimismus zum Trotz. Früher schien doch nicht alles besser gewesen zu sein.
Er folgte dem Weg, so wie Roxane es ihm erklärt hatte, bis er schließlich abbog und zu einem Schott ging, das an einigen Stellen geflickt schien.
Er betätigte den Schalter und trat in einen Korridor. Mehrere bewaffnete Humanoide richteten ihre Gewehre auf ihn.
„Keine schnelle Bewegung, oder es wird deine letzte“, knurrte ein Mensch, der ein altes Repetiergewehr trug.
„Ist ja gut, ich will nur eurem Anführer ein Angebot machen“, erklärte Isaak. Die Männer warfen sich Blicke zu und sahen dann den an, der zuerst gesprochen hatte. Sie wirkten verunsichert.
„Der ist nicht da“, erklärte eine der Wachen dann. Isaak wusste das bereits von Roxane.
„Dann will ich auf ihn warten.“
Sie kamen näher und durchsuchten ihn. Er ließ es über sich ergehen. Sie nahmen ihm seine beiden Pistolen ab und führten ihn durch ein Gewirr von Gängen in eine kleine Kammer, die als Zelle diente. Von innen gab es keinen Mechanismus, um die Tür zu öffnen.
Isaak fühlte sich seltsam nackt ohne seine Pistolen. Vor allem, da der Tag noch nicht herum war und er sie dennoch zum zweiten Mal abgenommen bekommen hatte.
„Wir richten aus, dass du Interesse hast“, erklärte einer von ihnen. Er lachte dabei hämisch. Sie kontrollierten seine Oberarme und Handflächen.
„Keine Bandentätowierung“, murmelte einer dabei.
„Natürlich, ich komme von oben, ich biete ihm meine Dienste an. Ich könnte nützlich sein. Sagt ihm das“, erklärte Isaak. „Er soll mich überprüfen.“
Es wurde zugestimmt. Inzwischen schienen sie von seiner Geschichte überzeugt zu sein.
Dann war Isaak in der kleinen Kammer allein.
Hätten sie eine Tätowierung einer konkurrierenden Bande gefunden, wäre er vermutlich bereits tot gewesen.
Er betrachtete das Schott, das seine Zelle verschloss. Man hatte die Schalter zum Öffnen schlicht und ergreifend auf dieser Seite zerschossen. Er konnte sich ein kurzes Lächeln nicht verkneifen.
Das war schon mal ein guter Anfang.
Er beugte sich und zog aus einem kleinen Fach, das in seinem Stiefel eingenäht war, einen Handcomputer. Er war nur auf die einfachsten Funktionen reduziert, wie zum Beispiel einen Energieimpuls an ein anderes Gerät zu geben. Oder eine Schaltung. Vorsichtig versuchte Isaak eines der Kabel aus der Wand zu lösen, um es an seinen Handcomputer zu stecken. Dabei löste er das Kabel versehentlich, so dass es ein wenig tiefer hinter die Wandverkleidung rutschte. Isaak seufzte. Er mochte diese Geduldsspiele nicht. Aber wie hieß es? Alles Gute kam zu denen, die geduldig waren.
*
ROXANE LIEF NERVÖS auf und ab.
„Lebt er noch?“, fragte sie Nigo. Dieser nickte nach einem Blick auf seinen Handcomputer. „Der Sensor, den du an seinen Nacken geklebt hast, der seinen Herzschlag misst, zeigt, dass er noch lebt.“
„Mir gefällt Arakens Plan nicht.“
„Hör mal, Roxane. Er ist zwar einer von außerhalb, aber wenn er das nicht wäre, hätten sie ihn direkt erschossen. Er wird den Auftrag erfüllen.“
„Ob er uns glaubt? Das mit der Bombe?“
„Spielt keine Rolle, solange er den Auftrag erfüllt.“
„Wenn sie sie zünden, sind wir alle tot.“
„Darum ist es auch sinnlos sich aufzuregen. Wenn wir es schaffen, gut. Wenn wir scheitern, tja, dann haben wir nicht genug Zeit, um uns darüber Sorgen zu machen, bevor wir verschwinden.“
Roxane setzte sich auf eine leere Munitionskiste und sah mit zusammengekniffenen Augenbrauen zu Nigo.
„So einfach ist das?“
„So einfach ist das.“
Schweigend warteten sie und die anderen Roten Hachee darauf, dass die nächste Phase des Plans begann.
„Sein Herzschlag ist immer noch da und normal. Er ist bei Bewusstsein. Wenn Arakens Informationen über ihn stimmen, ist er wirklich gut“, beruhigte Nigo Roxane leise. „Hab Vertrauen.“
„In einen Oberweltler!“, schnaubte sie. Doch sie wusste, dass sie keine andere Wahl hatte.
Sie kannte die absonderlichsten Geschichten über die Oberwelt. Über den hellen Glutball, der dort oben Licht spendete. Die Sonne, die die Oberfläche erwärmte und Millionen als Energiequelle diente. Nicht alles, was man ihr erzählt hatte, glaubte sie auch. Manche Geschichten waren doch arg fantastisch. Dass angeblich dort die Luft sauber war, überall. Oder dass es viele Bereiche gab, in denen die Menschen unbewaffnet herumliefen. Ja, sogar ganze Planeten sollte es dort draußen geben, mit Menschen, die nie in ihrem Leben eine Waffe brauchten.
*
ISAAK SPRANG ZUR SEITE, als sich das Schott öffnete und spähte in den Korridor. Niemand da.
Er runzelte die Stirn. War er nicht mindestens so bedrohlich, dass man immerhin eine Wache abstellen sollte?
Er schlich den Korridor entlang. Zwischendurch blickte er auf seinen kleinen Handcomputer. Er hatte einen Signalgeber in eine seiner Pistolen gesetzt. Langsam kam er dem Signal näher. Eine kleine Reihe grüner Balken nahm zu und zeigte ihm an, dass er sich näherte.
Ein Mensch in zusammengewürfelter Schutzkleidung saß auf einem Stuhl und besah sich die vor ihm auf dem Tisch liegenden Pistolen Isaaks.
Isaak steckte den Handcomputer weg und schlich hinter ihn. Bevor der Wächter wusste, wie ihm geschah, packte Isaak diesen von hinten und schlug ihm mit der Handkante gegen bestimmte Stellen seines Halses. Die meisten hatten dort stets die dünnste Panzerung. Sein Gegner war ihm sicherlich in der Körperkraft ebenbürtig, doch da der völlig unvorbereitet war, hatte Isaak leichtes Spiel.
Der Wachmann sackte bewusstlos in sich zusammen.
Isaak steckte seine Waffen ein und sah sich um.
Sicher war das hier einmal Teil eines größeren Komplexes von Wohnungen gewesen. Er besah sich eine Tür genauer. Dahinter fand er den erhofften Wandschrank. Wo früher einmal Putzutensilien verstaut waren, hatte man nun Waffen aufgereiht. Die meisten Gewehre hatten elektronische Schlösser, so dass nur ihre Besitzer sie herausnehmen konnten, durch Eingabe eines mehrstelligen Codes.
Isaak sah zu dem Wächter hin und schleifte ihn dann in den Schrank. Es gab keinen Öffnungsmechanismus im Inneren. Somit wäre der erstmal ausgeschaltet, entschied Isaak. Er erschoss ihn nicht nur nicht, weil er es ungerecht gefunden hätte. Es wäre auch dumm. Immerhin konnte jemand den Schuss hören. Denn bei allem, was seine Pistolen waren und konnten, waren sie nicht sehr leise.
Isaak nahm erneut seinen Handcomputer und betrachtete die groben Pläne, die er von den Roten Hachee bekommen hatte.
Er fand schließlich seine Position und den Ort, an den er gelangen musste.
Missmutig machte er sich auf den Weg.