Читать книгу Mission Unendlichkeit - Das 1529 Science Fiction Abenteuer Paket - Mara Laue - Страница 27

Mission Akision

Оглавление

Kaum ist die Gesandtschaft der Nagdanischen Planetenunion an Bord gekommen, die zu einem Treffen mit dem Interstellaren Rat auf Akision zu Beitrittsverhandlungen zur ISA erwartet wird, als unbekannte Raumschiffe die SALAK 221 angreifen. Wenig später schlägt ein Versuch fehl, den Botschafter zu töten. Offenbar hat jemand etwas gegen den Beitritt der Nagdaneh zur Interstellaren Allianz. Sitzen die Gegner innerhalb der ISA? Oder spielen die Nagdaneh falsch? Und was verbirgt die der SALAK neu zugeteilte Jägerpilotin Captain Melori, die als Einzige das Vertrauen der Gesandten genießt?

>>>+<<<

––––––––


EIN DURCH DAS GESAMTE Schiff hallender Gong verkündete den Eintritt der SALAK 221 in den Normalraum. Augenblicklich wurden die Werte der Ortung und die Positionsbestimmung am Rand des Hauptbildschirms in der Zentrale aktualisiert, obwohl die Normalraumortung neben der Ultraraumortung immer parallel lief. Die größte Fläche des Bildschirms nahm gegenwärtig das vergrößerte Realbild des Weltraums ein, der sich im Frontbereich der SALAK befand. Deutlich sichtbar schwebte dort der achteckige Rahmen der Transmitterstation C873-3 vor dem Hintergrund der roten Sonne, aus der er seine Energie bezog. Weiße Positionslichter, die sowohl am äußeren wie am inneren Rand fortlaufend in schneller Folge aufblinkten, zeigten an, dass der Transmitter betriebsbereit war.

Die SALAK stoppte eine Lichtminute vor dem Transmitter-Oktagon.

„Rendezvouspunkt erreicht“, meldete Cord Fiori vom Navigationspult. „Rendezvouszeit: minus hundert Komma null drei.“

Admiral Kendro Trevayaa warf einen Blick auf die Leiste über dem Hauptbildschirm. Dort zeigten dreiundzwanzig Displays das aktuelle Datum und die Uhrzeit der Hauptwelt jedes Volkes, das Mitglied der ISA war. Obwohl Trevayaa seit vierzig Jahren ISA-Zeit bei der IsteP arbeitete und an Bord jedes IsteP-Schiffes ausschließlich die für alle Mitgliedsvölker einheitliche ISA-Zeit galt, machte er sich gewohnheitsmäßig immer wieder bewusst, welche Stunde es gleichzeitig auf seiner Heimatwelt Troyla war. Die dritte Morgenstunde des 407. Tages – der Tag vor dem Beginn des troylanischen Jahres 13.522 – entsprach dem achten Tag des sechsten Monats im Jahr 344 ISA-Zeit, acht Uhr fünfunddreißig. Trevayaa bemerkte, dass auch Cord Fiori auf die Leiste der Zeitdisplays blickte. Auf seiner Heimatwelt Terra schrieb man den 3. Mai des Jahres 2540 kurz vor Mitternacht.

In hundert Minuten hatte die SALAK ein Rendezvous mit drei nagdanischen Schiffen, die eine Delegation ihrer Regierung nach Akision bringen sollten, dem Sitz des Interstellaren Rates, der die ISA regierte. Die Nagdanische Planetenunion wünschte der ISA beizutreten. Die Gesandtschaft war vom Rat eingeladen worden, ihre Gründe für diesen Wunsch darzulegen. Gleichzeitig erwartete die SALAK eine neue Jägerstaffel, die der Einfachheit halber den Geleitschutz der nagdanischen Delegation ab der Grenze des ISA-Gebietes übernommen hatte, bis sie sicher auf der SALAK eingetroffen war.

Da es bereits Unruhen in der ISA gegeben hatte, weil der mögliche Beitritt der Nagdaneh zur Allianz umstritten war, wäre es nicht ratsam gewesen, die Delegation allein oder von nur einer Jägerstaffel begleitet nach Akision zu eskortieren. Ein Trägerschiff wie die SALAK – dreieinhalbtausend Meter lang, zweitausend Meter breit und hoch, mit modernsten Waffen und zehn Staffeln mit je fünfzig Jägern der Protektor-Klasse bestückt – stellte einen sehr viel effektiveren Schutz dar.

Trevayaa hoffte, dass diese Mission nicht in Kampfhandlungen ausartete, besonders da das letzte Gefecht mit einer überraschend starken Flotte der Piratengilde die SALAK fast zwei komplette Jägerstaffeln gekostet hatte. Die überlebenden Piloten waren auf andere Staffeln verteilt worden, einen Teil der Verluste hatte die Reservestaffel ersetzt, für die anderen kam die neue Staffel an Bord. Doch die konnte nur die materiellen Verluste ersetzen. Unter den Besatzungsmitgliedern herrschte immer noch Trauer über die gefallenen Kameradinnen und Kameraden.

Und ausgerechnet die neue Mission war beinahe schon prädestiniert für die nächste kriegerische Auseinandersetzung.

Die Nagdanische Planetenunion war bis vor wenigen Jahren ein Teil der Gronthagu Liga gewesen und hatte sich ihre Freiheit bitter erkämpft. Rein wirtschaftlich betrachtet war es nur folgerichtig, dass die Grontheh die nagdanischen Planeten in ihrem Reich halten wollten, denn diese Welten gehörten zu den rohstoffreichsten in ihrem gesamten Gebiet. Deshalb hatten die Grontheh sie rücksichtslos ausgebeutet, was die Nagdaneh schließlich zur am Ende siegreichen Revolte veranlasst hatte. Seitdem versuchte die Liga mit allen Mitteln, die nagdanischen Planeten zurückzugewinnen – mit und ohne Gewalt.

Da die Nagdaneh unter keinen Umständen zurück unter gronthische Herrschaft wollten, hatten sie begonnen, mit der ISA Handel zu treiben und benutzten ihren Rohstoffreichtum und ihre fortschrittliche Technologie dazu, sich in die ISA einzukaufen. Der offensichtliche Hintergedanke war, dass die ISA im Fall einer Aufnahme der Nagdanischen Planetenunion als Mitglied verpflichtet sein würde, sie gegen die Grontheh zu verteidigen. Ohne Wenn und Aber.

Genau das war der Punkt, den die Gegner des Beitritts als Ablehnungsgrund ins Feld führten. Die Interstellare Allianz hatte bereits drei verlustreiche Kriege mit den Grontheh überstanden. Der letzte hatte mit einem Waffenstillstand geendet, der zwar seit 228 Jahren nicht gebrochen worden war, der unter diesen Umständen aber nur allzu leicht aufgehoben werden konnte. Kämpfen und Erobern lag in der gronthischen Natur; Frieden war in ihren Augen eine verachtenswerte Schwäche. Deshalb war abzusehen, dass sie eine Aufnahme der Nagdaneh in die ISA höchstwahrscheinlich zum Anlass für einen neuen Krieg nehmen würden.

Besonders da es im Vorfeld bereits ein offizielles und reichlich unsubtiles Statement der Gronthagu-Herrscherin gegeben hatte, dass sie nicht länger an einem Waffenstillstand mit einem Haufen von Völkern interessiert wäre, die es offenbar darauf anlegten, der Liga eine wichtige Ressourcenquelle zu „stehlen“. Ein ebenso unsubtiles Statement der Nagdaneh ließ keinen Zweifel daran, dass sie nicht nur – gezwungenermaßen – jeden Handel mit der ISA einstellen würden und mussten, sollte ihre Union durch die Weigerung der ISA, sie aufzunehmen, zurück in gronthische Klauen fallen. Dann würde das nagdanische Volk es als seine Pflicht ansehen dafür zu sorgen, dass die in dem Fall indirekt an seiner erneuten Versklavung schuldige ISA mit von Nagdaneh entwickelter Technologie durch die Grontheh vernichtet würde.

Genau von dieser Technologie und dem schier unerschöpflichen Vorkommen an Junghans-Kristallen, die in der ISA unerlässlich für die Energiegewinnung waren, hatten die Nagdaneh die ISA mit wohlgeplantem Kalkül abhängig zu machen versucht. Das war ihnen zwar nicht gelungen, aber ihr Plan war insofern aufgegangen, dass sich der Aufwand für die Energiegewinnung erheblich erhöhen würde, sollte die nagdanische Lieferung von Junghans-Kristallen eingestellt wurde.

Eine schwierige Situation. Der Interstellare Rat diskutierte sich seit Monaten die Gehirne heiß, um eine Lösung zu finden, die weder der ISA noch den Nagdaneh schadete und die Grontheh nicht provozierte. Eine undankbare, weil unlösbare Aufgabe. Trevayaa war froh, dass er nicht daran beteiligt war. Er musste nur die Gesandtschaft sicher nach Akision bringen.

Ein Alarmton in Verbindung mit einem Lichtsignal verkündete ebenso wie eine sprachliche Ansage, dass Transmitter C873-3 von der anderen Seite aus aktiviert worden war.

„IsteP-Authorisierungscode P8719-ZC.M-F-BTW-1008.3377.5559-A1.1“, meldete Taktische Offizierin Sya Rashishi.

„Bereitschaftsalarm“, befahl Trevayaa. P8719 war die allgemeine Kennung des IsteP-Jägergeschwaders. Der Rest nannte die persönliche Identifikationsnummer einschließlich Rang und Herkunftswelt der Person, die den Transmitter aktiviert hatte. Sie gehörte zum Zweiten Captain Melori, der Kommandantin der neuen Jägerstaffel. Und die kam viel zu früh. Das veranlasste Trevayaa jedoch nicht, Alarm zu geben, sondern der Zusatz A1.1. Er stand für höchste Dringlichkeit und durfte nur in einem Notfall benutzt werden.

Der Transmitterrahmen strahlte auf, als der typische Signalton für den Bereitschaftsalarm durch das Schiff hallte. Automatische und persönliche Durchsagen und Anzeigen bestätigten die Gefechtsbereitschaft der einzelnen Abteilungen. Gleichzeitig wurde die Ortung aktiviert, die den Weltraum nicht nur auf dieser Seite des Transmitters scannte, sondern auch den auf der anderen Seite. Die Daten von der anderen Seite wurden von den in den Transmitter eingebauten Sensoren drüben erfasst und an die SALAK weitergeleitet.

„Identifizierung: Fünfzig IsteP-Jäger der Protektor-Klasse, drei Schiffe mit Non-ISA-Bauart, die mit den uns von den Nagdaneh gelieferten Daten übereinstimmen“, meldete Ahmad Beruni, der Ortungsoffizier. „Keine weiteren Schiffe im Umkreis von zwei Lichtjahren im Normalraum, keine Signaturen im Ultraraum.“

„Man sollte Captain Melori fragen, mit welcher Berechtigung sie einen Notfall ausruft.“ Die Stimme von TolaiMur, Trevayaas Stellvertreter, der neben ihm an seiner Station saß, klang sanft.

Doch Trevayaa hörte das Zischen darin, das den Unmut des Lantheaners verriet. Dass TolaiMur seine Krallen ausfuhr und damit eine zupackende Bewegung machte, als zerquetsche er etwas, unterstrich den Tadel. Da im Vorfeld der geplanten Stationierung der Staffel an Bord auch die Personalakten der neuen Piloten übermittelt worden waren, kannten Trevayaa und TolaiMur natürlich den Namen der Kommandantin.

„Das werde ich tun“, versprach er, denn auch er würde keinen Missbrauch der Notfallkennung dulden.

Die ersten dreißig Jäger kamen durch den Transmitter und bildeten einen Korridor, der einen Teil des Raums, der zwischen dem Oktagon und der SALAK lag, zylinderförmig umschloss. Trevayaa konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Melori und ihre Leute eine Show veranstalteten, um sich von Anfang an bei ihren neuen Vorgesetzten als kompetente Piloten in Szene zu setzen, denn so ein Schutzkokon war absolut unnötig in Anbetracht der Tatsache, dass kein Schiff sich der SALAK nähern konnte, ohne im Vorfeld bereits auf Lichtjahre Entfernung bemerkt zu werden. Falls Melori keinen vernünftigen Grund dafür nennen konnte, würde seine erste Begegnung mit ihr für sie eine unerfreuliche Überraschung beinhalten.

Die drei nagdanischen Schiffe kamen durch den Transmitter und flogen auf die SALAK zu. Die Phalanx der Jäger passte sich ihrem Tempo an. Die letzten zwanzig Jäger kamen durch. Sofort wurde der Transmitter deaktiviert. Ein Funkspruch traf ein.

„Auf den Schirm“, befahl Trevayaa.

FenorKano, der lantheanische Kommunikationsoffizier, schaltete das Gespräch auf den Hauptbildschirm. Das Bild des Transmitters wurde von dem Gesicht einer Frau abgelöst, deren silberweißes Haar kaum fingerlang war. Ihre honiggoldene Haut bildete dazu ebenso einen Kontrast wie zu den blassblauen, fast silberfarbene Augen. Ihr Aussehen belegte eindeutig ihre Herkunft vom Planeten Frelsi, einer ehemaligen terranischen Kolonie.

„Hekah!“, grüßte sie. „Zweiter Captain Melori mit Jägerstaffel P8719-SALAK-221-7, gegenwärtiger Geleitschutz der nagdanischen Delegation.“

„Hekah, Captain“, antwortete Trevayaa und warf einen Blick auf die Datumsanzeige. „Sie sind 88 Minuten zu früh.“

„Wir mussten umdisponieren, Admiral. Ich hielt es aus Gründen, die ich Ihnen in einem persönlichen Gespräch darlegen werde, sobald ich mich an Bord befinde, für ratsam, Sie nicht im Vorfeld von der Änderung in Kenntnis zu setzen.“

„Und aus welchem Grund hielten Sie es für ratsam, eine Notfallkennung zu senden, obwohl weit und breit kein Notfall zu sehen ist?“, fauchte TolaiMur. Das Fauchen lag nicht nur daran, dass er dadurch seine Missbilligung zum Ausdruck bringen wollte. Die Gesichtsphysiognomie der katzenhaften Lanteaneh ließ jedes ihrer ab einer gewissen Lautstärke gesprochene Worte fauchend klingen.

„Weil ich mit einem eintretenden Notfall gerechnet habe. Auch das würde ich gern persönlich erklären, nicht über den Kom-Kanal. Ich erbitte Anweisung zur Landung des Schiffes von Botschafter Skelosk apat Taskesk auf der SALAK.“

„Lieutenant Fiori wird Sie einweisen. Hekah!“ Trevayaa gab FenorKano ein Zeichen, die Verbindung abzubrechen und stand auf. „Ich bin im Hangar, um die Delegation zu begrüßen. TolaiMur, Sie haben das Kommando.“

*


TREVAYAA WAR SICH SICHER, dass er und Melori nur bedingt miteinander auskommen würden, als er sah, dass sie mit ihrem Jäger ebenfalls im Gasthangar gelandet war, statt wie es üblich gewesen wäre, mit ihrer Staffel in den für sie vorgesehenen Staffelhangars zu landen. Diese Vorahnung wurde noch bestärkt, als TolaiMur ihm meldete, dass die neue Staffel keine Anstalten machte zu landen, sondern auf Meloris Befehl in Warteposition über der SALAK blieb.

Melori kam im Laufschritt auf ihn zu, als sich die Schleuse des nagdanischen Schiffes öffnete und die Delegation die SALAK betrat. Die Pilotin trug wie alle Mitglieder der IsteP die schwarze, an den Säumen mit breiten weißen Streifen abgesetzte Uniform. Da Schwarz und Weiß die einzigen Farben waren, die die Augen aller in der ISA zusammengeschlossenen Völker einheitlich wahrnehmen konnten, hatte man sich für sie als Uniformfarbe für die IsteP entschieden. Fünf weiße Sterne auf ihrer linken Brustseite zeigten ihren Rang an. Sie waren unterhalb des trapezförmigen Logos der IsteP angebracht, dessen Schriftzug „wachen, schützen, verteidigen“ deren Aufgabe klar benannte. Über der Schrift saß ein stilisiertes Auge, in dessen Pupille ein leistungsfähiges Kom-Gerät integriert war. Über dem Logo befand sich das Namensschild, das in ihrem Fall nur den Namen Melori trug, der Ruf- und Familienname zugleich war.

„Hekah!“, grüßte Melori Trevayaa nochmals. „Jägerstaffel 7, gegenwärtig als Geleitschutz der nagdanischen Gesandtschaft eingesetzt, meldet sich zur permanenten Stationierung an Bord.“

„Wir müssen uns unbedingt über Ihre Definition von ‚an Bord’ unterhalten, Captain. Wie ich erfahren habe, befindet sich Ihre Staffel noch immer im Raum statt im Hangar.“

„Selbstverständlich tut sie das, Admiral. Nach Operationsvorschrift 134 Absatz 5 muss, wenn Code A1.1 gegeben wurde, immer eine Jägerstaffel einsatzbereit bleiben, solange ein Trägerschiff sich in einem Abstand zu einem Großtransmitter befindet, der innerhalb der maximalen Reichweite aller ISA-bekannten Schiffsgeschütz liegt. Nach Absatz 2 hat für denselben Zeitraum eine weitere Jägerstaffel startbereit zu sein. Und da meine Staffel ohnehin bereits im Raum war...“

Trevayaa blickte sie kalt an. „Ich bin mit den Operationsvorschriften durchaus vertraut, Captain Mallory.“

„Melori, Admiral, mit der Betonung auf dem O. Und genau diesen Eindruck hatte ich eben nicht.“

„Dafür kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie ein Paradebeispiel frelsischer Unverschämtheit sind, Captain. Darüber werden wir uns noch ausführlich unterhalten.“

Melori blieb unbeeindruckt. „Wenn Sie die Beachtung der Sicherheitsvorschriften als Unverschämtheit interpretieren, haben Sie mit Ihrem Vorwurf recht, Admiral.“

Trevayaa musste sich beherrschen, um nicht unangemessen zu reagieren. Jetzt erinnerte er sich wieder deutlich daran, warum er ungern mit Frelsineh zusammenarbeitete und die Krankenstation mied, in der Dr. Ailaron das Kommando hatte, seines Zeichens ebenfalls ein Frelsiner. Das ganze Volk bestand aus eigensinnigen Individualisten, die kein Blatt vor den Mund nahmen und nicht den geringsten Respekt kannten, wenn sie sich im Recht glaubten.

„Sie melden sich in einer Stunde Bordzeit bei mir zum Rapport.“

„Jawohl, Admiral.“

Trevayaa wandte seine Aufmerksamkeit den Nagdaneh zu. Acht von ihnen hatten ihr Schiff verlassen und standen in einer dicht gedrängten Gruppe ohne erkennbare Formation vor dem Ausstieg ihres Schiffes. Er hatte sich selbstverständlich im Vorfeld mit diesem Volk vertraut gemacht; deshalb überraschte ihn ihr Anblick nicht. Sie wirkten wie abstrakte Blumen. Ein schlanker, biegsamer Körper wuchs über acht Lauftentakeln, die an Wurzeln erinnerten, bei jedem Nagdaneh unterschiedlich hoch und verbreiterte sich zu einem meterbreiten flachen Kopf, an dessen Rand unterschiedlich lange Tentakel wuchsen. An den Enden einiger Tentakel saßen runde Facettenaugen, an anderen befanden sich die Sprechorgane und Öffnungen für die Nahrungsaufnahme und –ausscheidungen, wieder andere dienten als Greifwerkzeuge. Die lederartig wirkenden Haut war grau und nur an den Tentakeln in unregelmäßigen Abständen von farbigen Ringen unterbrochen. Keiner von ihnen trug Kleidung.

„Wer von denen ist der Botschafter?“, fragte Trevayaa Melori.

Das Schrillen der Alarmsirene kam ihrer Antwort zuvor. Neben den automatischen Ansagen, die den Bereitschaftsstatus aller relevanter Stationen meldeten, erklang TolaiMurs Stimme aus den Lautsprechern.

„Siebenundfünfzig Schiffe fremder Bauart haben uns eingekreist. Sie eröffnen das Feuer auf uns.“

Melori reagierte sofort. „Ich hab’s geahnt!“ Sie tippte auf das Kom-Gerät im Auge ihres IsteP-Logos. „Staffel Sieben! Abfangpositionen! Drii-Manöver!“ Sie sprintete zu ihrem Jäger und sprang hinein. „Der mit den schwarzen Ringen!“, rief sie Trevayaa als Antwort auf seine Frage zu, wer der Botschafter sei, ehe sich das Schott hinter ihr schloss.

Die schützende Energiewand baute sich zwischen dem Teil des Hangars auf, in dem ihr Jäger stand und dem, in dem das nagdanische Schiff stand, um die Atmosphäre darin zu halten. Sekunden später startete Melori ihren Jäger und schoss mit ihm durch die sich öffnende Außenschleuse nach draußen.

Trevayaa verzichtete in Anbetracht der Situation darauf, ihre Kommandos zu widerrufen. Da sie das Kommando über ihre Staffel noch nicht offiziell an ihn und die SALAK übergeben hatte, blieb sie bis zu dem Zeitpunkt den Vorschriften nach dessen alleinige Kommandantin. Doch sobald sie zurück war, würde er mit ihr ein paar ernste Worte reden. Jetzt gab es Wichtigeres zu tun. Der beginnende Kampf war unter TolaiMurs Kommando in den besten Händen. Trevayaa musste die Delegation beruhigen, die sich wie ein Knäuel um den Botschafter zusammengedrängt hatte und schrille Laute ausstieß, die der Translator, den Trevayaa als Headset trug, nicht übersetzte.

Er ging gelassen auf die Delegierten zu und hoffte, dass seine zur Schau gestellte Ruhe den Nagdaneh signalisierte, dass sie in Sicherheit waren und nichts zu befürchten hatten. Ein zunehmendes Vibrieren des Bodens unter seinen Füßen zeigte ihm, dass zwei Jägerstaffeln starteten. Zusammen mit Meloris Staffel 7 sahen sich die Angreifer 150 Jägern gegenüber. Für einen Angreifer aus der ISA, der die Kampfkraft der IsteP-Jäger kannte, reichte die dreifache Übermacht bei weitem aus, um ihn in die Flucht zu schlagen. Er konnte nur hoffen, dass das auch auf die unbekannten Angreifer zutraf.

„Hekah!“, begrüßte er die Delegation. „Ich bin Admiral Kendro Trevayaa, Kommandant der SALAK 221 und heiße Sie und Ihren Stab an Bord herzlich willkommen, Botschafter Skelosk apat Taskesk. Es ist mir eine Freude und eine Ehre, Sie nach Akision bringen zu dürfen.“ Der Translator übersetzte das in die nagdanische Sprache, mit der er im Vorfeld programmiert worden war.

Skelosk apat Taskesk befreite sich von seinen Begleitern, indem er sie mit seinen Tentakeln zurückschob. „Ihr braucht mich nicht zu beschützen, wir sind hier in Sicherheit. Zur Seite!“

Er stellte sich vor Trevayaa hin und streckte alle Tentakel erst gerade nach vorn aus, ehe er sie nach hinten klappte und wellenartig schwingen ließ, um sie schließlich locker an der Seite, oder über seinen Rücken und Vorderbereich hängen zu lassen. Lediglich die Spitzen drei der sieben Tentakel, an denen Augen saßen, richtete er auf Trevayaa.

„Danke, Kendro Trevayaa. Ich möchte Sie nicht aufhalten. Ein Kommandant wird in einem Gefecht in der Zentrale gebraucht. Pflicht geht vor Höflichkeit. Ich werde Sie nicht von Ihren Pflichten abhalten.“

Trevayaa war sich nicht sicher, ob das als Vorwurf gemeint war. Doch das war ihm egal. „Danke für Ihr Verständnis, Botschafter. Ich darf Sie an Main Captain Skrrrkt delegieren, der Ihnen Ihre Unterkünfte zeigen wird, und an Main Captain Leonid Romanow, der Sie mit seinen Leuten als Ehrenwache begleiten wird. Das ist bei uns die übliche Prozedur, mit der wir Gästen an Bord zeigen, dass wir sie ehren.“ Er deutete auf die Genannten, die abwartend hinter ihm standen.

In erster Linie war es Romanows Aufgabe, für die Sicherheit der Delegation zu sorgen, denn man konnte nie wissen, was passieren würde; gerade nicht bei einer so heiklen Mission. Skrrrkt, der über zwei Meter große Sauroid von Castor-8, trat ebenso vor wie der Terraner Romanow und begrüßte die Delegierten.

„Sie entschuldigen mich“, sagte Trevayaa und eilte zur Zentrale.

*


ER KAM GERADE RECHTZEITIG, um auf dem Hauptbildschirm zu sehen, wie je drei Jäger, die laut der taktischen Einblendung zu Meloris Staffel gehörten, eins der angreifenden Schiffe kampfunfähig schossen und seine Antriebssektion lahmlegten. Die übrigen Angreifer hatten sich bereits zur Flucht gewandt und feuerten nur noch, um ihren Rückzug zu decken. Doch die Jäger waren serienmäßig mit einem 5-Phasen-Energieschirm ausgestattet, der nur durch konzentrierten Beschuss mehrerer Geschütze, die auf die fünf Phasen eingestellt waren, durchbrochen werden konnte. Die Piraten hatten das unglücklicherweise herausgefunden, die Unbekannten noch nicht, weshalb ihre Salven an den Schirmen abprallten.

Allerdings hatten sie offenbar von Anfang an nicht vorgehabt, die beiden noch im All verbliebenen nagdanischen Schiffe oder die SALAK zu zerstören, wie Trevayaa zuerst geglaubt hatte. Auf dem Bildschirmsegment, das den vergrößerten Realraum zeigte, war zu sehen, dass der Transmitter beschädigt worden war. Trevayaa ließ sich die Aufzeichnung über den Verlauf des Kampfes auf dem Display an seiner Station anzeigen. Sie bestätigte seine Vermutung. Die Unbekannten hatten gezielt den Transmitter angegriffen, während der größte Teil von ihnen die SALAK und ihre Jäger in Schach gehalten hatte.

Melori musste gewusst oder geahnt haben, dass die Fremden es auf den Transmitter abgesehen hatten, denn sie hatte ihre Staffel eine Phalanx um Transmitter bilden lassen und dadurch und verhindert, dass er vollständig zerstört wurde. Doch die Teilzerstörung reichte aus, dass er für mindestens einige Tage unpassierbar war, ehe die Reparaturen abgeschlossen sein würden.

„Melori an SALAK-Kommando“, klang die Stimme der Frelsini über die ständig eingeschaltete Verbindung mit den Jägern. „Brauchen wir noch mehr Gefangene als die aus dem Schiff, das wir gerade zusammengeschossen haben?“

TolaiMur blickte Trevayaa an; eine stumme Frage, ob er ihm weiterhin das Kommando überließ.

„Die dürften genügen, Captain“, antwortete Trevayaa.

Bevor er noch etwas sagen konnte, explodierte eins der beschädigten Fremdschiffe, das nicht schnell genug mit seinen flüchtenden Kameraden mithalten konnte. Gleich darauf explodierte ein weiteres, Sekunden später ein drittes.

„Rückzug, Jägerstaffeln!“, befahl Trevayaa. Diese Explosionen bedeuteten zweifellos, dass die beschädigten Schiffe die Selbstzerstörung aktiviert hatten. „Ruder! Rückzug!“

Im selben Moment explodierte das Schiff, das Meloris Jäger manövrierunfähig geschossen hatten. Trümmerteile flogen nach allen Seiten und schlugen gegen die Schutzschilde der Jäger, die nicht schnell genug ausweichen konnten. Trevayaa sah auf dem Bildschirm, wie der Jäger, der auf der taktischen Darstellung als Meloris gekennzeichnet war, einem größeren Trümmerstück auswich, indem er sich um seine Längsachse zur Seite drehte und sich um das Stück herum wand, während er gleichzeitig mit einem seiner Geschütze ein anderes zerstörte, mit dem er sonst kollidiert wäre. Trevayaa musste zugeben, dass Melori eine ausgezeichnete Pilotin war.

Die ersten Trümmerstücke prasselten gegen die Schutzschilde der SALAK und prallten von denen ab. Yashkun Ziyai, die neben Cord Fiori am Ruderpult saß, steuerte die SALAK aus der Flugbahn der Trümmer heraus, während Sya Rashishi am Waffenpult versuchte, alle Trümmerstücke zu zerstören, die auf den beschädigten Transmitter zu rasten. Vergeblich. Ein paar Stücke trafen gleichzeitig den Rahmen, und der Transmitter explodierte Sekunden später.

„In den Ultraraum“, befahl Trevayaa. „Jägerstaffel! Gehen Sie in den Ultraraum und kehren Sie erst dort an Bord zurück.“

Der Befehl wurde bestätigt. Die Angreifer waren inzwischen verschwunden.

„Ortung! Warum wurden die Angreifer nicht rechtzeitig gemeldet? Sie müssen entweder von der Fernortung oder der Ultraraumortung erfasst worden sein, bevor sie auf Schussweite heran waren.“

Ahmad Beruni wandte sich von seinem Ortungspult zu Trevayaa um. „Eben das war nicht der Fall, Admiral. In dem Moment, als die Ortung sie erfasste, waren sie bereits auf Schussweite heran und haben sofort angegriffen. Ich habe dafür noch keine Erklärung. Der Diagnose-Check der Ortungsgeräte läuft bereits und meldet bis jetzt keine Fehler. Möglicherweise sind die fremden Schiffe mit Tarntechnologie ausgestattet.“

Der Gedanke war auch Trevayaa gekommen. Viele Völker experimentierten mit Tarntechnologie. Optische Tarnung war längst etabliert. Aber ein Raumschiff von der Größe der fremden Schiffe so zu tarnen, dass es selbst von der Feinortung nicht erfasst wurde, war bis jetzt noch keinem ISA-Volk gelungen. Allerdings wusste niemand genau, welche technischen Fortschritte der Gronthagu Liga in den letzten zweihundert Jahren gelungen waren. Ihm war jedoch klar, was es bedeutete, falls sich die Möglichkeit eines Tarnschirms bewahrheiten sollte.

„Prüfen Sie weiter, Captain Beruni. Und teilen Sie mir sofort mit, wenn Sie ein Ergebnis haben.“

„Jawohl, Admiral.“

„Lieutenant FenorKano, melden Sie dem Hauptquartier, dass Transmitter C873-3 zerstört wurde und wir Transmitter C873-4 anfliegen, um die Delegation nach Akision zu bringen.“

Der Kom-Offizier bestätigte.

Trevayaa blickte TolaiMur an. Der neigte den Kopf. „Jemand versucht ganz offensichtlich zu verhindern, dass die Delegation pünktlich oder überhaupt nach Akision kommt.“

Trevayaa nickte. „Mir stellt sich die Frage, wie die Angreifer erfahren haben, dass wir hier sind und wann wir hier sein würden.“

Der Lantheaner stieß ein leises Zischen aus. „Ich glaube, deren Plan sah ursprünglich vor, dass die Delegation die SALAK gar nicht erst erreicht.“ Er blickte Trevayaa bedeutsam an. „Wenn Captain Melori tatsächlich erst zur vereinbarten Zeit hätte kommen wollen, wäre der Transmitter längst zerstört gewesen, und die Delegation hätte nicht herkommen können. Weshalb ich sehr interessiert bin zu erfahren, warum Melori den Zeitplan geändert hat.“

Dem musste Trevayaa zustimmen. Er stand auf. „Captain Fiori, nehmen Sie Kurs auf Transmitter C873-4, sobald die Jäger wieder an Bord sind. Ich gehe zur offiziellen Übergabe der neuen Staffel an die SALAK.“

*


TREVAYAA TRAF ZUSAMMEN mit Skrrrkt an der Schleuse zu dem Hangardeck ein, auf dem Jägerstaffel 7 stationiert war. Die Oberkommandantin der Jäger, Kimai Kenaról, wartete bereits.

„Ist die Delegation gut untergebracht, Captain?“, fragte er Skrrrkt.

„Ja, Admiral. Der Botschafter drückte seine Begeisterung über das Quartier aus und lobte die Mühe, die wir uns gegeben haben, um es in seiner Ausstattung den nagdanischen Bedürfnissen anzupassen. War ja auch gar nicht so leicht.“

Trevayaa lächelte. „Sie und Ihre Leute haben wirklich gute Arbeit geleistet, Captain. Aber ich glaube, das habe ich Ihnen schon mehrfach versichert.“

Skrrrkt war Leiter des Versorgungsressorts und in dieser Eigenschaft unter anderem für die Unterbringung von Mannschaft, Zivilisten und Gästen zuständig. Wobei ein Trägerschiff der IsteP wie die SALAK normalerweise keine Gäste hatte, wenn nicht gerade Erster Admiral Rhan Kharmin, der Oberkommandant der IsteP, mit seinem Stab zur Inspektion kam. Und die einzigen Zivilisten an Bord waren die Angehörigen der Crewmitglieder. Zwar waren private Beziehungen der Crewmitglieder untereinander durchaus erlaubt, aber in gewissen Grenzen, die es manch einem unmöglich machten, eine Familie zu gründen oder eine Partnerschaft zu pflegen. Deshalb war schon bei der Gründung der IsteP festgelegt worden, dass die auf den Trägerschiffen stationierten Crewmitglieder ihre Familien mitnehmen durften.

Was aber auch nicht immer gutging. Trevayaas dritte Partnerschaft mit einer Terrani war daran gescheitert. Vera hatte die geschlossene Welt der SALAK nach zwei Jahren nicht mehr ausgehalten und das Schiff und ihn verlassen. In Freundschaft, weshalb sie beide immer noch Kontakt pflegten und sich regelmäßig trafen.

Das Schott glitt auf, und Meloris Staffelbesatzung kam geordnet in einer Zweierreihe herein, Melori und ein Sretalleser an der Spitze. Hinter ihnen kamen Trägerroboter mit ihrem Gepäck. Über ihren Köpfen flogen mehrere Ghrimbals, die sich sofort daranmachten, den Schleusenvorraum zu erkunden. Melori und der Sretalleser traten vor.

„Hekah!“, grüßte die Frelsini. „Zweiter Captain Melori meldet sich mit Jägerstaffel P8719-SALAK-221-7 an Bord.“ Sie reichte Trevayaa ein Datenpad. „Ich übergebe die Staffel an die SALAK 221.“

Trevayaa nahm das Pad, auf dem sich das vollständige Logbuch von Meloris Staffel befand, und zwar von seiner ersten Aufstellung über alle Einsätze, Zu- und Abgänge von Piloten und Jägern bis zu diesem Moment, einschließlich aller aktuellen und archivierten Personalakten.

„Danke, Captain. Willkommen an Bord.“ Er deutete auf Kimai Kenaról. „Main Captain Kenaról, Ihre direkte Vorgesetzte.“

Kenaról grinste. „Wir haben uns schon per Funk ganz gut kennengelernt. Willkommen bei uns. Über Ihr Angriffsmanöver müssen wir uns unterhalten. Ich will wissen, wie Sie das gemacht haben.“

„Gern, Captain.“ Sie deutete auf den Sretalleser an ihrer Seite. „Mein Stellvertreter, Dritter Captain Shan Shar.“

„Hekah!“, grüßte Shar und zuckte mit seinen Barthaaren.

Eine Geste, die Trevayaa immer noch an troylanische Felsspringer kurz vor dem Angriff erinnerte, die sie durch ein ebensolches Zucken ihrer Schnurrbarthaare ankündigten. Er hatte Jahre des Kontakts mit Sretalleseh gebraucht, ehe er beim Anblick zuckender Barthaare nicht mehr jedes Mal reflexartig zusammenzuckte. Leider sahen die Sretalleseh den Felsspringern auch in anderen Dingen ähnlich. Während die ebenfalls feliden Lantheaneh ein schmales Gesicht mit einer langgestreckten schnurrbartlosen Nasen- und Mundpartie besaßen, das mit einem feinen, kaum sichtbaren Pelz bedeckt war, waren sretallesische Gesichter kurz und gedrungen mit sichtbaren Reißzähnen und einem graubraunen Fell. Ihre gelben Augen machten die Ähnlichkeit mit aufrecht gehenden Felsspringern fast perfekt.

„Hekah!“, grüßte Trevayaa zurück. „Ich überlasse Sie erst mal Main Captain Skrrrkt, der Sie unterbringen wird.“ Schlängelnde Tentakel ließen ihn ans Ende des Zuges blicken. „Darf ich fragen, Captain Melori, was Nagdaneh in Ihrer Jägerstaffel zu suchen haben?“

„Sie wurden mir auf ausdrücklichen Befehl von Erster Admiral Rhan zugeteilt, unmittelbar vor unserem Start zum Rendezvous mit der nagdanischen Delegation. Er müsste Ihnen ihre Personalakten zusammen mit allen anderen übermittelt haben.“

Das hatte Rhan nicht getan, was Trevayaa wunderte, denn Rhan galt als überaus korrekt. Dass er etwas so Wichtiges vergaß, war nahezu ausgeschlossen. Aber Trevayaa ging nicht darauf ein.

„Sie melden sich bei mir in meinem Bereitschaftsraum, sobald Sie untergebracht wurden.“

„Jawohl, Admiral.“ Melori warf einen Blick auf die Anzeige der Bordzeit, die in einem Display über der Tür angebracht war. „Wie befohlen in dreiundfünfzig Minuten.“

Richtig, er hatte ihr bereits befohlen, sich in einer Stunde bei ihm zu melden, als sie den Botschafter an Bord begleitet hatte. Von den hundert Minuten einer Stunde ISA-Zeit waren seitdem tatsächlich erst 47 vergangen.

„Ich erwarte Sie.“ Er ging zum Innenschott.

Kimai Kenaról schloss sich ihm an.

„Sie alle sind auf Deck 15 untergebracht“, hörte er Skrrrkt sagen. „Allerdings wusste ich ebenfalls nichts von nagdanischen Crewmitgliedern, sodass noch keine Kabinen entsprechend ihrer Physiognomie modifiziert werden konnten. Das wird umgehend nachgeholt. Wie viele Ghrimbals begleiten Sie?“

„Einundzwanzig. Zwölf davon gebunden.“

Wie aufs Stichwort kam eine Gruppe von fünf dieser Wesen geflogen und kreiste über Melori, Shan Shar und Skrrrkt.

Kimai Kenaról blieb stehen. „Was glauben Sie, Admiral, wer gleich auserwählt wird?“

Auch Trevayaa blieb stehen und beobachtete die Ghrimbals. „Ich lasse mich überraschen.“

Ein Sprichwort besagte, dass das einzig Gute, das jemals von der Gronthagu Liga gekommen war, die Ghrimbals wären. Ursprünglich stammten sie von der Hauptwelt der Grontheh und lebten wohl in einer symbiotischen Beziehung mit ihnen, wobei bislang nicht hatte geklärt werden können, welchen Vorteil die Grontheh aus der Verbindung zogen. Alle während des letzten Gronthagu-Krieges gefangengenommenen Grontheh hatten sich standhaft geweigert, darüber Auskunft zu geben.

Die ersten Ghrimbals hatten den Weg in die ISA gefunden, indem sie aus drei auf Surabb aufgeschlagenen gronthischen Wracks entkommen waren, deren Besatzung nicht überlebt hatte. Offenbar brauchten Ghrimbals eine Bezugsperson, denn kaum war die ISA-Rettungsmannschaft vor Ort gewesen, hatten sich die überlebenden Ghrimbals ihnen angeschlossen, und nichts im Universum schien sie von ihrer einmal erwählten Bezugsperson fernhalten zu können. Das hatte natürlich zu Problemen geführt, denn Haustiere konnten nicht auf Raumschiffen gehalten werden. Erst recht nicht solche, die fliegen konnten, verspielt herumtobten und neugieriger waren als eine Orionkatze.

Dann hatte sich herausgestellt, dass die Ghrimbals über ein gewisses Maß an Intelligenz verfügten. Allerdings hatte die Wissenschaft bis heute nicht herausfinden können, wie hoch sie war. Die Ghrimbals zeigten Anzeichen dafür, dass sie ebenso intelligent sein könnten wie jedes Mitglied eines ISA-Volkes; aber falls dem so war, machten sie davon keinen Gebrauch, was ihre Lebensweise betraf. Sie hatten keine Sprache, die man als solche hätte bezeichnen oder entschlüsseln können, obwohl sie zu einer unglaublichen Bandbreite von Lauten fähig waren. Sie stellten kein Werkzeug her, bauten keine Häuser, schufen keine Kunst, von Technik ganz zu schweigen. Dennoch verstanden sie offensichtlich die Bedeutung von technischen Geräten und lernten überraschend schnell, sie zu benutzen, auch wenn sich deren Nutzung bei ihnen auf den Gebrauch von Türöffnern und Nahrungsspendern beschränkte.

Da nicht klar war, in welche Intelligenzklasse sie einzuordnen waren – selbst telepathische Kontaktversuche durch troylanische Priesterinnen hatten kein eindeutiges Ergebnis gebracht – waren die Ghrimbals als eigenständiges Volk klassifiziert worden und wurden entsprechend behandelt. Sie konnten sich überall frei bewegen. Und hatte einer sich eine Bezugsperson erwählt, durfte er die selbstverständlich begleiten, auch an Bord von Raumschiffen. Schließlich führten die Grontheh sie sogar auf ihren Kriegsschiffen mit, was sie wohl kaum täten, wenn von ihnen eine Gefahr ausginge oder sie die Schiffsroutine beeinträchtigten.

Ihre herausragendste Eigenschaft war eine beispiellose Wachsamkeit. Sie erkannten Gefahren lange vor jedem anderen Lebewesen und sogar lange vor allen Überwachungsgeräten. Und sie verteidigten ihre Bezugspersonen bis zur Selbstaufgabe, notfalls mit ihrem Leben. Wegen dieses Wesenszuges hatten die Ghrimbals Paten gestanden für die nach ihnen benannten Ghrimbal-Stationen, die riesigen kubusförmigen Raumstationen, die wie ein gigantisches Netz rund um das gesamte ISA-Gebiet verteilt waren und die Grenzen schützten.

Einer der Ghrimbals umkreiste Skrrrkt interessiert. Der Castorer machte eine scheuchende Bewegungen mit einem seiner vier Arme, blickte den Ghrimbal scharf an und zischte: „Nein!“

Der Ghrimbal ließ sich davon nicht im Mindesten beeindrucken. Er schwebte herab und versuchte, auf Skrrrkts breiter Schulter zu landen. Skrrrkt fuchtelte mit drei Armen in seine Richtung, um ihn zu verscheuchen, während er mit dem vierten sein Datenpad festhielt. Der Ghrimbal wich geschickt allen Abwehrversuchen aus und ließ sich mit einem Laut, der wie ein zufriedener Seufzer klang, auf Skrrrkts Schulter nieder. Der Castorer versuchte ihn abzuschütteln, doch der Ghrimbal schlang seinen über zwei Meter langen Schwanz so fest um Skrrrkts Körper und Arm, dass es aussah, als würde er an dem Castorer kleben. Skrrrkt schüttelte sich, stampfte mit den Füßen, drehte sich im Kreis und fuchtelte mit den Armen, während er grollte und zischte und Worte in seiner eigenen Sprache ausstieß, die garantiert Flüche waren. Dadurch bot er ein so groteskes Bild, dass die Jägerpiloten schallend lachten. Selbst Trevayaa gelang es nicht ernst zu bleiben.

„Geben Sie es auf, Captain“, riet Melori Skrrrkt. „Sie wissen doch, dass Sie keine Wahl haben. Wenn ein Ghrimbal Sie einmal auserwählt hat, bleibt er bei Ihnen bis ans Ende Ihres oder seines Lebens.“

Der Castorer grollte frustriert, gab aber seine Gegenwehr auf. „Darüber sprechen wir noch, du Ghrimbal. Lass mich los! Ich scheuche dich nicht weg. Auf mein Wort.“

Der Ghrimbal ließ ihn los, blieb aber auf seiner Schulter hocken und gab eine Reihe von flötenden Lauten von sich, die sehr zufrieden klangen. Er schmiegte seinen Kopf an Skrrrkts und trillerte glücklich. Der Castorer ignorierte ihn. Er nahm sein Datenpad und kontrollierte durch die Nennung ihrer Namen, ob er alle neuen Crewmitglieder korrekt erfasst hatte und nannten ihnen die Nummer ihrer Kabine.

Trevayaa ging zu seinem Bereitschaftsraum neben der Zentrale. Er war gespannt, was Melori ihm zu sagen hatte, wenn sie nachher zum Rapport kam. Die ganze Situation hatte sich völlig unerwartet entwickelt. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass Gefahren auftauchen könnten und die SALAK vielleicht sogar angegriffen würde, eben wegen der im Vorfeld der Beitrittsverhandlungen aufgetretenen Unruhen. Aber er hatte nicht mit dem Angriff von Fremden gerechnet. Gehörten sie tatsächlich zur Gronthagu Liga? Wenn ja, wie hatten sie unbemerkt die Grenze passieren können? Oder hatten die Insassen ihre Schiffe lediglich mit einem in der ISA unbekannten Aussehen getarnt, um nicht sofort ins Visier der IsteP zu geraten?

Etwas anderes bereitete ihm ebenfalls Sorgen. Er hatte deutlich gefühlt, dass Captain Melori nicht aufrichtig war, was ihre nagdanischen Piloten betraf. Als Sohn einer troylanischen Priesterin besaß er die Veranlagung zur Telepathie, obwohl sie bei ihm inaktiv war. Immerhin reichte sie aus, um zu erkennen, wenn jemand ihn belog oder etwas geheimhalten wollte. Konnte Melori mit den Gegnern des Beitritts unter einer Decke stecken?

Im Bereitschaftsraum angekommen, beorderte er TolaiMur und Leonid Romanow zu der Besprechung, die er mit Melori führen wollte und studierte in der Zwischenzeit noch einmal ihre Personalakte. Ihre erste Begegnung sprach nicht dafür, dass sie allzu gut miteinander auskommen würden. Melori war kompetent, und ihre Befähigung zum Kommando stand außer Zweifel. Die Frage war jedoch, wie es mit ihrer Fähigkeit stand, Befehle zu befolgen. Gerade in dem Punkt galten Frelsineh als schwierig, was in ihrer Geschichte begründet lag.

Frelsi war ursprünglich eine terranische Kolonie gewesen. Genau genommen hatte im Jahr 39 VISAZ – Vor-ISA-Zeit; das musste nach der terranischen Zeitrechnung das Jahr 2157 gewesen sein – eine Horde von Rebellen, die mit der Politik der damaligen terranischen Regierung nicht einverstanden gewesen war, Terra verlassen und in einem 102 Lichtjahre entfernen Sonnensystem einen Planeten besiedelt hatte, den sie Frelsi nannten, in ihrer Sprache das Wort für „Freiheit“, das sie als ihr höchstes Gut in ihrer Verfassung festgeschrieben hatten. Sie hatten sich vollständig von Terra losgesagt und von Anfang an ihr eigenes Süppchen gekocht, das damit begonnen hatte, dass sie Familien- und Clannamen abgeschafft hatten und sich nur noch einen einzigen Namen gaben, der beide Funktionen erfüllte. Entgegen den Befürchtungen der terranischen Ursprungswelt waren sie jedoch friedlich geblieben. Sie wollten in Ruhe gelassen werden und nach ihren eigenen politischen, sozialen und kulturellen Strukturen leben.

Im Zuge des Ersten Gronthagu-Krieges knapp hundert Jahre später hatten die Frelsineh sich mit Terra und deren zweiter Kolonie Novalis zum Bund Terranischer Welten zusammengeschlossen, aber ihre Autonomie behalten. Mit dem Beitritt zum BTW waren schon damals etliche Frelsineh nicht einverstanden gewesen, hatten sich aber der demokratischen Entscheidung der Mehrheit des Volkes gebeugt. Seitdem gab es jedoch eine starke politische Strömung auf Frelsi, die den Austritt aus dem Bund betrieb.

Laut ihrer Personalakte war Captain Melori Mitglied dieser Bewegung und machte daraus keinen Hehl. Laut ihrem psychologischen Profil verfügte sie über eine starke Loyalität; andernfalls wäre sie niemals in die ISteP aufgenommen worden. Deshalb stand ihr Bekenntnis zu den Werten, für die die Interstellare Polizei stand, und den Aufgaben, die sie zu erfüllen hatte, für sie an erster Stelle. Andererseits änderten sich Personen im Laufe der Zeit. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass Meloris Loyalität gewechselt hatte. Was also hatte sie zu verbergen?

Trevayaas Gedanken wurden unterbrochen, als der Türmelder ankündigte, dass TolaiMur und Romanow gekommen waren, indem er ihre Biometrik scannte und per Lautsprecher ihre Namen nannte. Trevayaa bot ihnen mit einer Handbewegung Platz an. Seine Kom-Station meldete mit einem Signalton ein Gespräch.

„Ortung an Admiral Trevayaa.“

„Was gibt es, Captain Beruni?“

„Die Überprüfung der Ortungsgeräte ist abgeschlossen, Admiral. Es liegt kein Fehler vor. Die Analyse der Aufzeichnungen der Feinorter hat keinen Anhaltspunkt ergeben, anhand dessen es möglich gewesen wäre, die feindlichen Schiffe zu erfassen, bevor sie das Feuer auf uns und den Transmitter eröffnet haben. Erst in dem Moment wurden sie sichtbar. Alles deutet demnach auf eine Tarntechnologie hin. Möglicherweise besteht die ‚nur’ darin, dass sie irgendwie unbemerkt unsere Ortungsgeräte blockieren, aber was immer sie benutzen, es ist äußert effektiv.“

„Danke, Captain. Tun Sie Ihr Möglichstes, um einen Weg zu finden, durch was auch immer solche Schiffe früher aufzuspüren. Und sei es nur eine einzige Sekunde.“

„Ja, Admiral.“

Trevayaa unterbrach die Verbindung und las in den Gesichtern von TolaiMur und Romanow die Befürchtung, die er auch hegte: dass die SALAK vor einem solchen Feind nirgends sicher war, da sie nun mal nicht über die erforderliche Feinortung verfügte. Beruni war ein fähiger Mann, aber er konnte keine Wunder vollbringen.

„Wenn Sie mir eine Bemerkung erlauben, Admiral?“, fragte TolaiMur.

„Selbstverständlich.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob Transmitter C873-4 das taktisch beste Ziel ist.“

„Er liegt unserer Position am nächsten“, erinnerte Romanow ihn.

„Genau deshalb halte ich ihn für das falsche Ziel“, erklärte der Lantheaner. „Jeder kann sich ausrechnen, dass wir, nachdem C873-3 zerstört ist, den nächstgelegenen Transmitter anfliegen werden, um so schnell wie möglich nach Akision zu kommen. Wenn ich der Feind wäre, würde ich mich schnellstmöglich auf den Weg dorthin machen und uns entweder abfangen oder den Transmitter ebenfalls zerstören. Das käme darauf an, was die Unbekannten vorhaben.“

Der Gedanke war Trevayaa auch schon gekommen.

„Mich interessiert viel mehr, was der Feind ursprünglich geplant hatte“, wandte Romanow ein. „Daraus ließen sich Rückschlüsse auf seine nächsten Schritte ziehen. Es ist offensichtlich, dass das Rendezvous mit der Gesandtschaft gar nicht erst stattfinden sollte.“

„Und was dann?“, überlegte TolaiMur. „Die Gesandtschaft hätte den Grenztransmitter nicht passieren können. Jedenfalls nicht hierher.“

„Dazu wird uns Captain Melori etwas sagen können“, war Trevayaa überzeugt.

Wie aufs Stichwort meldete das Türsignal Meloris Ankunft – auf die Sekunde pünktlich.

„Hekah! Zweiter Captain Melori zum Rapport.“

Trevayaa stellte TolaiMur und Romanow vor. „Nehmen Sie Platz, Captain. Als Erstes will ich wissen, warum Sie den Zeitplan eigenmächtig geändert haben.“

„Das hat sich so ergeben, Admiral.“ Melori zögerte und blickte die Anwesenden an in einer Weise, als wäre sie sich nicht sicher, ob sie ihnen trauen könnte. „Ich hatte ein bisschen mit dem Kommandanten des Schiffes des Botschafters geplaudert. Er erwähnte, dass sein Kontingent auf dem Weg zur ISA-Grenze mehrfach angegriffen wurde. Das ist der Grund, warum die Delegation mit nur drei Schiffen angekommen ist. Die restlichen vierzehn wurden zerstört. Zum Glück wussten die Angreifer offenbar nicht, in welchem Schiff sich der Botschafter aufhält, weshalb er dem Tod eigentlich nur durch Zufall entronnen ist. Das brachte mich zu dem Schluss, dass der Feind mit großer Wahrscheinlichkeit nicht an der ISA-Grenze umkehren wird, sondern nicht eher aufgibt, bis er das letzte nagdanische Schiff vernichtet hat. Dem Botschafter habe ich vermittelt, dass er in unserer Mitte in Sicherheit ist. Dann habe ich die Kommandanten seiner Schiffe zu einem Wettflug zum Grenztransmitter herausgefordert. Da wir deshalb über längere Strecken mit Höchstgeschwindigkeit geflogen sind, erreichten wir den Transmitter vor der berechneten Zeit. Ich habe nicht eingesehen, dass ich auf der anderen Seite die Zeit abwarten soll und ihn passiert. Wie es aussieht war das gerade rechtzeitig.“

Die Grenztransmitter wurden zwar so genannt, weil sie den Grenzen des ISA-Gebietes am nächsten lagen, waren aber alle aus Sicherheitsgründen fünf Lichtjahre von der eigentlichen Grenze entfernt. Eine Entfernung, die die meisten ISA-Schiffe in etwa sechs Stunden ISA-Zeit bewältigten. Die Jäger der Protektor-Klasse, die auch als Kurierboote eingesetzt wurden, schafften es aufgrund ihrer geringen Masse notfalls in vier Stunden.

„Sie haben vorhin behauptet, dass Sie es nicht für ratsam hielten, mich über die verfrühte Ankunft zu informieren, Captain“, erinnerte Trevayaa sie. „Ein harmloser Wettflug dürfte wohl kaum der Grund für die Geheimniskrämerei gewesen sein.“ Er blickte Melori auffordernd an.

Sie blickte wieder misstrauisch in die Runde, ehe sie antwortete. „Admiral Rhan hat mir aufgetragen, äußerste Vorsicht walten zu lassen. Er deutete an, dass die Möglichkeit bestünde, dass die Beitrittsgegner innerhalb und außerhalb der ISA gemeinsame Sache machen, da beide dasselbe Ziel verfolgen. Offensichtlich gibt es ein Informationsleck innerhalb der ISA.“

„Und Rhan soll ausgerechnet Ihnen das gesagt haben?“, fauchte TolaiMur.

„Nein, Subadmiral. Aber aus dem, was er gesagt hat, habe ich diesen Schluss gezogen. Und die Ereignisse bestätigen mir das. Irgendjemand muss den Angreifern mitgeteilt haben, dass die Delegation an diesem Transmitter aufgenommen werden soll. Solche Information werden schließlich nicht in den Interstellaren Nachrichten gesendet. Das Rendezvous sollte aber offensichtlich verhindert werden. Wenn ich der SALAK über Funk mitgeteilt hätte, dass wir früher eintreffen, bin ich mir sehr sicher, dass auch die Angreifer davon erfahren und den Transmitter zerstört hätten, bevor wir hier gewesen wären. Dieses Risiko wollte ich nicht eingehen.“

„Was mich zu der Frage bringt, warum Sie die Notfallkennung gesendet haben“, warf TolaiMur ein. „Woher haben Sie gewusst, dass ein Angriff erfolgen würde?“

Melori schüttelte den Kopf. „Das wusste ich nicht. Es erschien mir nur in Anbetracht der Gesamtumstände als eine vertretbare Vorsichtsmaßnahme. Schließlich gibt es auf dem Weg nach Akision nicht allzu viele Möglichkeiten, die ganze Mission zum Scheitern zu bringen. Deshalb habe ich entschieden, dass ein unbegründeter Notfallalarm besser ist als gar kein Alarm und eine damit einhergehende mangelnde Kampfbereitschaft.“

Trevayaa musste zugeben, dass das strategisch gut durchdacht war. Doch die Selbstsicherheit, mit der Melori ihre Handlungen erklärte, besaß einen Unterton von typisch frelsischer Arroganz, der ihm nicht gefiel. „Wurden Sie auf dem Weg zum Grenztransmitter angegriffen?“

„Nein. Dort war alles ruhig.“

TolaiMur beugte sich vor und fixierte Melori mit seinen leuchtendgrünen Augen. „Wenn C873-3 bereits vor Ihrer Ankunft zerstört gewesen wäre, was hätten Sie getan?“

„Außer dass ich Admiral Rhan und der SALAK unverzüglich Meldung gemacht hätte, wäre ich in den Andromeda-Quadranten geflogen und hätte einen der dortigen Transmitter benutzt, um erst mal nach Troyla zu gelangen. Falls Admiral Rhan nichts anderes entschieden hätte. Vor dort aus hätte ich über die Transmitter einen unberechenbaren und spontan ausgewählten Zickzackkurs durch das halbe ISA-Gebiet absolviert und hätte für die letzte Strecke nach Akision garantiert keinen Transmitter mehr benutzt, sondern wäre auf ganz profanem Flug dorthin gereist.“

„Das hätte einen immensen Umweg bedeutet, der Sie Tage oder sogar einen Monat gekostet hätte“, stellte TolaiMur fest.

Melori grinste. „Und eben deshalb wäre es eine Route gewesen, die kein Feind hätte voraussehen können. Der einzige, in dem Fall verbleibende Gefahrenpunkt, wäre Akision selbst gewesen. Aber durch die Verzögerung – ich hätte sie notfalls sogar auf zwei Monate ausgedehnt – hätten die Sicherheitskräfte genug Gelegenheit gehabt, Akision nachhaltig zu sichern und vielleicht herauszufinden, wer hinter dem Angriff steckt und die Leute dingfest zu machen, bevor wir angekommen wären.“

Trevayaa musste zugeben, dass das ein brillanter Schachzug war, den er selbst kaum anders gemacht hätte. Und mit größter Wahrscheinlichkeit hätten die Feinde damit nicht gerechnet. Wenn er sich in deren Lage versetzte, wäre er davon ausgegangen, dass Melori mit der Gesandtschaft den Grenztransmitter benutzt hätte, um sich zum nächsterreichbaren Transmitter bringen zu lassen, der in Richtung Akision lag. Da das ISA-Gebiet mittlerweile recht weitläufig war, die Weltraumtransmitter aufgrund ihres immensen Energiebedarfs aber nur eine begrenzte Reichweite besaßen, konnte man nur über Relaisstationen von einem Ende zum anderen oder zum Mittelpunkt, nach Akision, gelangen.

Plan A der Feinde war also durch Meloris verfrühte Ankunft gescheitert. Die Delegation befand sich an Bord der SALAK und damit in den Umständen entsprechender größtmöglicher Sicherheit. Die Frage war nun, wie gut der unbekannte Gegner im Improvisieren war. Abgesehen von der immer noch dringenden Frage, wie er sämtlichen Ortungsgeräten und Feinscannern hatte entkommen können.

Noch dringender war die Frage, wer der Gegner überhaupt war und wie er von der Flugroute nach Akision erfahren hatte. Denn die war, soweit Trevayaa wusste, nur ihm selbst, Rhan und seinem engsten Stab und TolaiMur, Melori, ihrem Stellvertreter und bis zum Grenztransmitter der nagdanischen Delegation bekannt. Melori hatte vollkommen recht: Irgendwo in diesem Kreis musste jemand sitzen, der mit den Angreifern gemeinsame Sache machte. Für Erster Admiral Rhan konnte Trevayaa ebenso die Hand ins Feuer legen wie für TolaiMur. Er arbeitete nicht nur seit Jahrzehnten mit dem Lantheaner zusammen, sie waren auch Freunde. Es gab niemanden an Bord, dem er mehr vertraute. Melori konnte er dagegen noch nicht einschätzen. Und dass sie etwas zu verbergen hatte, machte ihn misstrauisch.

„Warum wurden Ihrer Staffel drei Nagdaneh zugeteilt?“, fragte er aus diesem Gedanken heraus. „Die Vorschriften verbieten die Aufnahme von Mitgliedern eines Nicht-ISA-Volkes in die IsteP. Besonders wenn in einem Fall wie diesem dessen Aufnahme in die ISA mehr als fraglich ist.“

„Diese Frage müssen Sie Admiral Rhan stellen. Ich wurde über die Gründe für seine Entscheidung nicht informiert.“

Sie log. Das spürte Trevayaa mehr als deutlich. Diese Tatsache machte ihm die Frelsini nicht sympathischer. Die Frage war, warum sie das tat. Bei näherer Betrachtung konnte er es sich jedoch denken. Admiral Rhan hatte ihr, einem einfachen Zweiten Captain der Jägerstaffeln, ganz bestimmt nicht seine Gründe für diese Entscheidung genannt. Höchstwahrscheinlich hatte sie die belauscht – zufällig oder absichtlich –, was sie natürlich nicht zugeben konnte.

„Ich begrüße jedoch die Gelegenheit, durch diese drei die Mentalität der Nagdaneh besser kennenzulernen, da Botschafter Skelosk apat Taskesk darauf besteht, dass ich in seiner Nähe bleibe, wann immer sich das einrichten lässt.“

Die ebenfalls von Admiral Rhan gegebene entsprechende Anordnung hatte Trevayaa bereits dem Überstellungsprotokoll entnommen. Diese Sonderstellung erklärte natürlich Meloris Arroganz. Normalerweise bekam ein Staffelkommandant keinen direkten Zugang zu einem Staatsgast. Er würde so oder so mit Rhan sprechen müssen. Da konnte er ihn auch danach fragen.

„In Ordnung, Captain Melori. Ihren Dienstplan erhalten Sie von Main Captain Kenaról. In Anbetracht der Umstände haben Ihre Dienste für den Botschafter jedoch Vorrang. Sollte er Sie anfordern, werden Sie dem Folge leisten und sind für die Zeit, die er Sie beansprucht, vom regulären Dienst befreit. Ich erwarte, dass Sie solche Fälle mir und Captain Kenaról melden. Wenn Sie keine Fragen mehr haben, können Sie gehen.“

„Danke, Admiral. Hekah!“

Melori verließ die Kabine.

„Die bedeutet Ärger“, stellte Romanow fest. „Falls sich die Körpersprache von Frelsineh in den letzten Jahrhunderten nicht gravierend von der terranischen wegentwickelt hat, dann müsste ich mich schwer täuschen, wenn sie nicht etwas verbirgt.“

„Das tut sie“, bestätigte Trevayaa. „Allerdings kann ich nicht sagen, ob das, was sie verbirgt, etwas Dienstliches oder Privates ist. Vielleicht kann Admiral Rhan uns das sagen.“

Er betätigte ein Touchfeld an seiner Kom-Anlage, das eine Direktverbindung mit Rhan herstellte. Es gehörte zu den Privilegien der Oberkommandanten eines Sternenkommandos, ihren obersten Vorgesetzten jederzeit erreichen zu können.

„Admiral Trevayaa, was gibt es?“, fragte Sekunden später Rhans Stimme. Da kein Bild übertragen wurde, bestand die Verbindung offensichtlich nur über die mobile Kom-Einheit an Rhans Uniform.

Trevayaa lieferte ihm einen knappen Bericht. „Ich wollte ursprünglich Transmitter C873-4 anfliegen“, fügte er hinzu. „Aber das scheint mir doch ein zu berechenbares Manöver zu sein. Ich würde stattdessen lieber C873-1 anfliegen. Er ist von unserer gegenwärtigen Position am weitesten entfernt.“

Er hörte Rhan einen Laut von sich geben, der wie eine Mischung aus Schnaufen und Schnalzen klang. „Wenn ich der Feind wäre, würde ich an jedem infrage kommenden Transmitter ein Abfangkommando stationieren. Nur für alle Fälle. Falls der Feind aber nicht ganz so schlau ist, erscheint mir Transmitter 1 die sicherste Alternative zu sein. Nehmen Sie also den.“

„Ja, Admiral. Eine Frage noch, wenn Sie gestatten. Warum haben Sie drei nagdanische Piloten meiner neuen Jägerstaffel zugeteilt. Aus meiner Sicht erscheint mir das politisch heikel.“ Womit er Rhan nicht vorgeworfen hatte, die Vorschriften zu missachten. Was ohnehin in dessen Befugnis lag; zumindest in gewissen Grenzen.

„Das ist in der Tat ein politisches Manöver. Es soll den Gegnern des Beitrittes zeigen, dass der Interstellare Rat sich von ihren massiven Protesten nicht einschüchtern lässt.“

Trevayaa unterdrückte ein Stöhnen. Politisches Taktieren war ihm zuwider. Es erinnerte ihn zu sehr an Intrigen und Ränkespiele. Was es in vielen Fällen tatsächlich war. Das erklärte aber nicht, warum Rhan ihm vorab nichts von den nagdanischen Piloten gesagt und ihm auch deren Personalakten nicht übermittelt hatte. „Mir fehlen noch deren Personalakten.“

„Die bekommen Sie. Admiral Trevayaa, passen Sie gut auf den Botschafter auf.“ Rhan klang sehr ernst. „Nach den nagdanischen Gepflogenheiten ist Skelosk apat Taskesk der einzige Nagdaner, der berechtigt ist, bei uns für sein Volk zu sprechen. Einen Stellvertreter gibt es nicht. Wenn ihm etwas zustößt, das ihn hindert, an den Verhandlungen teilzunehmen, werden die nicht stattfinden. Und welche Folgen es hätte, wenn er oder ein anderer Nagdaner in unserem Hoheitsgebiet zuschaden kommt, können Sie sich denken.“

Dessen war sich Trevayaa nur allzu bewusst. „Sie können sich darauf verlassen, Admiral, dass wir den Botschafter mit allen unseren Kräften schützen werden.“

„Das tue ich. Hekah!“ Rhan unterbrach die Verbindung.

Trevayaa blickte Romanow an. „Ich habe alle, wirklich alle Vorkehrungen für die Sicherheit des Botschafters getroffen, die nur möglich sind“, bekräftigte der Terraner unaufgefordert. „Meine Leute lassen ihn keine Sekunde aus den Augen, in der er sich nicht in seiner Unterkunft aufhält.“

Trevayaa drehte die Handfläche seiner linken Hand nach oben, die troylanische Entsprechung eines menschlichen Nickens. „Das sollte genügen. Schließlich wollen wir nicht hoffen, dass es unter unseren Crewmitgliedern jemanden gibt, der so pflichtvergessen wäre, dass er sich am Botschafter vergreift.“

„Außer einem oder mehreren Fanatikern“, erinnerte ihn TolaiMur. „Die Pflicht, der wir uns verschrieben haben, hindert uns nicht an persönlichen Meinungen und Ansichten, auch nicht an radikalen. Die meisten von uns haben schon mindestens eine Situation erlebt, in der unsere berufliche Pflicht und die beruflichen Verhaltensprotokolle mit unseren persönlichen Werten und unserer Moral beziehungsweise unsere anerzogenen Begriffe von Schicklichkeit und Höflichkeit derart kollidiert sind, dass wir Probleme hatten, damit zurechtzukommen. Und schon so manches IsteP-Mitglied hat in so einer Situation reflexartig nach seiner Natur reagiert und nicht nach den Protokollen. Das gilt auch für politische Veränderungen oder Krisen. Gerade für Krisen wie die, in der die ISA momentan steckt.“

„Sie sind ja so ermutigend, Subadmiral“, meinte Romanow sarkastisch.

Trevayaa musste TolaiMur jedoch recht geben. Es hatte nach der Gründung der IsteP fast ein halbes Jahrhundert gedauert, bis funktionierende Verhaltensprotokolle entwickelt worden waren, die jeder uneingeschränkt befolgen konnte, ohne dass sie in inakzeptabler Weise an die religiöse Identität des einen, die Moralbegriffe des anderen oder die Intimsphäre eines Dritten rührten. Jeder hatte Zugeständnisse machen müssen. Inzwischen fühlte sich zwar jedes IsteP-Mitglied als Teil einer eingeschworenen Gemeinschaft, die eigenen Regeln folgte. Jedoch lauerten herkunfts- und kulturell bedingte Ressentiments immer noch unter der Oberfläche, um bei entsprechender Provokation auszubrechen.

Und selbstverständlich hatten die Leute ihre eigenen Ansichten, auch wenn eins der wichtigsten Verhaltensprotokolle besagte, dass jedes IsteP-Mitglied sich politisch neutral zu verhalten hatte beziehungsweise gemäß der Politik des Interstellaren Rates handeln musste, der der oberste Dienstherr der IsteP war. Neutrales Verhalten ging aber nicht zwangsläufig mit neutralem Denken einher.

Dazu kam, dass viele Schäden auf den Planeten, die beim letzten Gronthagu-Krieg von den gronthischen Streitkräften angerichtet worden waren, noch lange nicht verheilt waren. Zerstörte Oberflächen, die unbewohnbar geworden waren, oder zersprengte Planeten konnten nicht repariert werden. Manche Familien, die damals ihre Heimat verloren hatten, fühlten sich immer noch heimatlos, obwohl sie seit über zweihundert Jahren auf anderen Welten lebten. Gerade unter diesen Leuten gab es erhebliche Ressentiments gegen den Beitritt der Nagdaneh zur ISA. So ungern Trevayaa das auch in Erwägung ziehen wollte, er konnte und durfte nicht davon ausgehen, dass alle seine Crewmitglieder die gebotene Professionalität wahrten.

„Hoffen wir das Beste, aber halten wir alle die Augen offen“, entschied er und deutete zur Tür. „Ich werde mich erst mal um den Botschafter kümmern.“

*


ALS TREVAYAA EIN PAAR Minuten später die Unterkunft von Skelosk apat Taskesk betrat, wunderte es ihn nicht, Melori dort anzutreffen. Offenbar war gerade so etwas wie Sprachunterricht im Gange. Melori versuchte sich zumindest in der Aussprache des nagdanischen Idioms, das hauptsächlich aus pfeifenden Tönen, Zischlauten und Klicken bestand. Sie erhob sich augenblicklich, als Trevayaa eintrat.

„Ah, Admiral Trevayaa.“ Der Botschafter schlängelte ein paar seiner Tentakel, was, wie Trevayaa wusste, eine Einladung darstellte, näherzutreten.

Die Crew der SALAK war im Vorfeld natürlich darin geschult worden, nagdanische Gesten zu interpretieren nach einer Informationsdatei, die der ISA von der nagdanischen Regierung zur Verfügung gestellt worden war. Den größten Teil ihrer Emotionen drückten die Nagdaneh durch willkürliche Veränderung in der Färbung ihrer Haut aus. Nur die Ringe auf ihrer Haut wechselten nie die Farbe.

„Ich hoffe, die Unterkunft entspricht Ihren Bedürfnissen, Botschafter.“

„Ja.“

„Und ich entschuldige mich dafür, dass ich Sie habe warten lassen.“

„Pflicht geht immer vor“, bekräftigte Skelosk apat Taskesk das, was er bereits im Hangar gesagt hatte. „Besonders wenn sie dazu dient, einen Angriff abzuwehren.“

Trevayaa fand, dass er den Angriff recht gelassen nahm. „Ich versichere Ihnen, Botschafter, dass Sie und Ihre Leute an Bord dieses Schiffes vor solchen Angriffen weitgehend geschützt sind. Sofern wir nicht von einer erdrückenden Übermacht attackiert werden, halten die Verteidigungsvorrichtungen der SALAK auch heftigen Stürmen stand.“

„Das hat mir Captain Melori schon versichert. Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln.“ Seine Haut verdunkelte sich. „Wir sind Gefahren dieser Art gewohnt, Admiral. Unser Freiheitskampf gegen die Grontheh dauerte viele verlustreiche Jahre. Was uns letztendlich gerettet hat, ist unsere überragende Technologie. Deshalb wollen die Grontheh uns unbedingt wieder versklaven, damit wir sie nicht anderen Völkern verkaufen, die sie ebenfalls nutzen wird, sich ihre Unabhängigkeit zu erkämpfen oder die Gronthagu Liga in Schach zu halten.“

Was der Botschafter selbstverständlich deshalb betonte, um hervorzuheben, wie wichtig es für die ISA war, die Nagdanische Planetenunion als vierundzwanzigstes Mitglied aufzunehmen. Trevayaa stimmte ihm darin zu, wenn auch aus anderen Gründen. Jedes Volk, jedes Individuum hatte das Recht auf Freiheit. Die Mitgliedschaft in der ISA würde den Nagdaneh diese Freiheit garantieren. Und im selben Zug unter Umständen Hunderttausenden, wenn nicht sogar Millionen von anderen Wesen den Tod bringen.

Trevayaa hielt ihm ein Datenpad hin, auf dem das Bild eines der Schiffe zu sehen war, die die SALAK angegriffen hatten. „Sind Ihnen solche Schiffe bekannt, Botschafter?“

Skelosk apat Taskesk richtete die Spitzen von sieben seiner Tentakel und damit alle seine Augen darauf. „Nein. Solche Schiffe kenne ich nicht. Aber das will nichts heißen. Die Grontheh haben viele Völker unterjocht. Ständig kommen neue hinzu. Dieser Schiffstyp könnte durchaus zu einem Volk gehören, mit dem wir noch nichts zu tun hatten.“

„Danke, Botschafter.“

Trevayaa fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Seit die Ghrimbal-Stationen die Grenzen schützten, war es nahezu unmöglich, dass ein Schiff unbemerkt die Grenzen passierte, von einer 57 Schiffe starken Flotte ganz zu schweigen. Die Stationen umgaben das ISA-Gebiet im Abstand von je zehn Lichtjahren und waren mit den leistungsfähigsten Langstreckenortern ausgestattet, die die ISA-Techniker hatten entwerfen können. Auf jeder Station waren fünfhundert Raumjäger untergebracht, und die Bewaffnung der Station selbst stand dem eines Trägerschiffes wie der SALAK in nichts nach. Den Stationen vorgelagert befanden sich unzählige vollautomatische Ortungsrelais, die als zusätzliche „Augen“ fungierten und jedes Schiff meldeten, das sich der Grenze näherte, sodass im Fall eines zu befürchtenden Angriffs die Verteidigung rechtzeitig organisiert werden konnte. Weder im Normalraum noch im Ultraraum konnte ein Schiff unbemerkt die Grenze passieren. Es sei denn, es verfügte über Tarntechnologie.

Somit blieb die Frage immer noch ungeklärt, ob die unbekannten Angreifer von innerhalb oder außerhalb der ISA gekommen waren. Trevayaa beschloss, eine Anfrage an alle Ghrimbal-Stationen zu senden, die sich an der Grenze in Richtung der Gronthagu Liga befanden, ob es in letzter Zeit irgendeinen ungewöhnlichen Vorfall gegeben hatte, auch wenn er als harmlos eingestuft worden war.

„Botschafter, bei uns ist es üblich, einen Gast als besondere Aufmerksamkeit zu bewirten. Wenn Ihnen das recht ist, lade ich Sie und Ihren Stab für achtzehn Uhr Bordzeit zu einer gemeinsamen Mahlzeit mit mir und meinen Führungsoffizieren ein.“

„Das ist sehr freundlich von Ihnen. Wir passen uns gern Ihren Sitten an.“

Zweifellos eine weitere Demonstration dafür, wie „pflegeleicht“ die Nagdaneh waren als Hinweis, wie vorteilhaft ihre Aufnahme in die ISA wäre.

„Dann sehen wir uns um achtzehn Uhr im Offiziersspeisesaal. Ich lasse Sie abholen.“

„Captain Melori ist auch eingeladen?“, vergewisserte sich Skelosk apat Taskesk. „Dann kann sie mich hinbringen. Wir fühlen uns in ihrer Gegenwart wohl“, betonte der Botschafter.

Meloris Gesichtsausdruck zeigte, dass das für sie ebenso überraschend kam wie für Trevayaa. Ihm blieb jedoch nichts anderes übrig als zuzustimmen. Er hoffte nur, dass diese bevorzugte Behandlung Melori nicht zu Kopf stieg und sie sich wichtiger fühlen ließ, als sie tatsächlich war. In dem Fall würde er sie, sobald diese Mission beendet war, nachdrücklich wieder auf Normalgröße zurückstutzen.

Er verabschiedete sich von Skelosk apat Taskesk und kehrte in die Zentrale zurück. Seine Schicht dort war noch nicht zu Ende.

*


08.06.344, 18:65 UHR Bordzeit

Trevayaa freute sich auf und über jedes offizielle Essen, an dem er im Rahmen seiner Stellung als Kommandant der SALAK teilnehmen konnte. Er liebte Geselligkeit wie die meisten Troylaneh und hatte deshalb an Bord eingeführt, dass sich die Führungsoffiziere alle zehn Tage zu einem zwanglosen Abendessen mit ihm trafen. Das war die Gelegenheit, einmal außerhalb des offiziellen Protokolls Geselligkeit zu pflegen und einander in dem Zug besser kennenzulernen. Je besser man sich kannte, umso besser konnte man einander einschätzen und sich aufeinander verlassen.

Jetzt nutzte er die Gelegenheit, die Nagdaneh zu beobachten, sich mit ihnen zu unterhalten und auch zu sehen, wie sich Captain Melori machte. Entgegen seinen Befürchtungen, dass ihr die Aufmerksamkeit, die nicht nur der Botschafter, sondern seine gesamte Delegation ihr entgegenbrachte, ihr zu Kopf steigen könnte, bewahrheitete sich nicht. Sie hielt sich im Hintergrund und unterhielt sich hauptsächlich mit Dr. Ailaron, dem frelsischen Chefarzt der SALAK. Der Botschafter war derjenige, der ständig Meloris Nähe suchte.

Im Moment stand er mit ihr, Ailaron, Skrrrkt und Romanow an dem Tisch, auf dem das Buffet aufgebaut war, und hatte je einen seiner Tentakel auf einen von ihnen gerichtet. Wenn Trevayaa die nagdanische Physiognomie richtig erinnerte, handelte es sich bei diesen Tentakeln um jene, die das Gehör bildeten. Trevayaa gesellte sich zu ihnen.

„Sie haben eine ausgesprochen interessante Sprache“, sagte Skelosk apat Taskesk. „Ich habe eine Sprache mit solchen Strukturen noch nie gehört.“

„Sie ist artifiziell“, erklärte Ailaron. „Künstlich geschaffen. Nach der Gründung der ISA wurde beschlossen, dass die Einheit und vor allem die Einigkeit der in ihr zusammengeschlossenen Völker auch durch eine gemeinsame Sprache demonstriert werden soll. Damit alle untereinander sich verständigen können, ohne jedes Mal ein Übersetzungsgerät zu bemühen. Jedes Volk reichte dem Sprachkomitee seinen gesamten Wortschatz ein, aus dem der Gesamtwortschatz des ISArru zusammengestellt wurde, wie man sie nannte. Dann teilte man diesen Wortschatz durch die Anzahl der Bündnisvölker und übernahm von jedem Volk die entsprechend gleiche Anzahl von Vokabeln ihrer Sprache, die alle anderen ebenfalls in der Lage waren auszusprechen. Da die ISA damals von elf Nationen gegründet wurde, besteht der Urwortschatz des ISArru aus zehn verschiedenen Sprachen, die zu einer einzigen verschmolzen wurden. Wobei man darauf geachtet hat, sie so einfach wie möglich zu gestalten.“

„Interessant. Sehr interessant. Aber warum nur zehn Sprachen, wenn es elf Gründungsvölker gibt?“

Romanow grinste. „Weil die Sprache der Castoreh für jeden anderen außen ihnen unaussprechlich ist. Castoreh besitzen drei Zungen und sieben Stimmbänder. Die Bandbreite der Laute, die sie damit erzeugen können, ist phänomenal. Aber für andere Wesen ohne diese körperliche Voraussetzung nicht imitierbar. Viele ihrer Laute können neunzig Prozent aller uns bekannten Wesen nicht mal hören. Und eine Sprache, die man nur teilweise hören kann, kann man nicht sprechen. Umgekehrt fällt es den Castoreh nicht schwer, ISArru zu sprechen.“

„Hochinteressant.“ Skelosk apat Taskesk tauchte einen Tentakel in einen durchsichtigen Schlauch, den er mit einem anderen Tentakel umklammert hielt, in dem eine violettgrüne Flüssigkeit blubberte. Er sog sie schlürfend bis zum letzten Tropfen ein.

„ISArru ist eine armselige Sprache“, sagte Skrrrkt mit Nachdruck. Er nahm eine volle Karaffe mit einem schmalen Aufsatz zum Ausgießen und füllte den Trinkschlauch des Botschafters nach. „Ihr fehlen all die Laute, die eine melodische Sprache erst ermöglichen. Nehmen Sie nur meinen Namen. Ich heiße S...k...r...rr...k...t. Das klingt wundervoll, nicht wahr? Aber das Einzige, was diese halb tauben Leute hier verstehen, ist Skrrrkt.“ Er stieß ein frustriertes Zischen aus. „Ich habe gelernt, auf diese Verstümmelung zu hören.“

Melori lachte. „Nun tun Sie mal nicht so, als wäre das eine so entsetzliche Strafe, Captain. Es hätte schlimmer kommen können. Man hätte Ihnen einen unschmeichelhaften Spitznamen verpassen können. Zum Beispiel ‚Zweizungen’.“ Ein unter Castoreh gebräuchliches Schimpfwort, das ausdrückte, dass man den so Geschmähten für unzulänglich hielt.

Der Castorer brachte sein längliches Echsengesicht dicht vor Meloris und fletschte die Zähne. „Ich glaube nicht, dass ich auf so eine Beleidigung gehört hätte.“ Begleitet von einem bedrohlichen Grollen.

Melori grinste. „Sehen Sie, was ich meine?“ Sie trommelte mit den Fingerspitzen auf der größten Schuppe seiner Haupthand, ein Zeichen der Freundschaft unter den Castoreh. „Ihr nächster Drink geht auf mich.“

Skrrrkt stieß eine Reihe von rhythmischen Zischlauten aus – ein castorisches Lachen. Melori stimmte darin ein.

Der Botschafter sah von einem zum anderen. „Ich glaube zu verstehen, dass Sie einen Scherz gemacht haben. Aber ich begreife ihn nicht.“

Melori wandte sich ihm zu. „Da hier an Bord nichts bezahlt werden muss, weil alle Nahrungs-, Genuss- und sonstige Mittel des täglichen Lebens kostenfrei sind, ist es unmöglich, jemandem ein Getränk zu kaufen. Das war aber in der Vor-ISA-Zeit durchaus üblich bei Veranstaltungen wie dieser, weil damals die Ressourcen erheblich knapper waren.“

„Überaus interessant. Mein Volk ist leider noch nicht in der Lage, Dinge kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Der Krieg gegen die Gronthagu Liga hat zu viele unserer Ressourcen verschlungen.“

Das war, wie Trevayaa fand, ein klarer Hinweis darauf, dass alle Errungenschaften, die die Nagdaneh auch nach ihrem möglichen Beitritt zur ISA mit deren Mitgliedern teilen würden, nicht kostenlos abgegeben würden. Aber auch andere Mitgliedsvölker hatten nichts zu verschenken und trieben Handel. In einem Ausmaß, das kriminelle Begehrlichkeiten weckte. Die Freie Handelrepublik von Caprilos lebte ausschließlich von solchen Transaktionen. Sehr zur Freude der Piratengilde, deren Überfälle immer dreister wurden.

Skelosk apat Taskesk steckte seinen Tentakel in den von Skrrrkt frisch gefüllten Trinkschlauch und schlürfte. Sekunden später wurde seine Haut schwarz, dann graugrün, dann braun. Er stieß eine Reihe von pfeifenden Lauten aus, brach zusammen und wand sich am Boden. Seine Tentakel peitschten abwechselnd die Luft und rollten sich spiralförmig zusammen.

Dr. Ailaron reagierte sofort und betätigte sein Uniform-Kom-Gerät. „Med-Alarm! Stufe 1!“

Die in jedem Raum des Schiffes angebrachten Kommunikationsanlagen leiteten die Notfallkennung, die für akute Lebensgefahr stand, sofort an die Krankenstation weiter. Aus der Wand klappte eine Robotertrage, deren Scanner sofort erfassten, wo sich der Notfall befand, worauf sie auf Antigravkissen eilends hinschwebte.

Einer der Nagdaneh hatte die Enden einiger seiner Tentakel mit denen des Botschafters verbunden. „Er ist vergiftet worden. Ich versuche, das Gift zu neutralisieren.“

„Bringen wir ihn in die Krankenstation“, sagte Ailaron. „Die Trage besitzt einen integrierten Transmitter, der sie sofort in die Krankenstation bringt. Legen wir den Botschafter drauf. Dann müssen Sie nur noch mit der Trage in Kontakt sein, um ebenfalls transportiert zu werden.“

Der Nagdaner hob den Botschafter hoch und legte ihn auf die Trage, die mit den beiden Nagdaneh und Ailaron verschwand. Die restlichen Nagdaneh eilten profan durch die Tür hinaus, ohne noch ein Wort zu sagen.

Trevayaa war ein zu beherrschter Mann, um lauthals zu fluchen. Dabei hätte er nichts lieber als das getan. Leonid Romanow hatte den Trinkschlauch vom Boden aufgehoben, den der Botschafter hatte fallen lassen, und hielt einen daumengroßen Scanner darüber, der zur Standardausrüstung jedes Mitglieds der Sicherheitsabteilung gehörte. Die gescannten Daten wurden in Sprache umgewandelt und über das Empfängerheadset, das jedes Sicherheitsmitglied im Dienst trug, bekannt gegeben.

„Keine giftige Substanz“, teilte er Trevayaa mit. Er hielt den Scanner über die Karaffe, aus der Skrrrkt dem Botschafter eingeschenkt hatte. „Nichts.“ Er prüfte eine andere Karaffe mit demselben Getränk, aus der andere Nagdaneh sich bedient hatten. „Oh. Orangensaft. Das Getränk, das Sie dem Botschafter eingeschenkt haben, Skrrrkt, enthält im Gegensatz zu den anderen Orangensaft.“

Der Castorer gab ein scharfes Zischen von sich. „Das ist eines der Nahrungsmittel, die für Nagdaneh giftig sind. Ich habe im Vorfeld eine ganze Liste von Dingen bekommen, die unsere Gäste nicht vertragen. Ascorbinsäurehaltige Mittel stehen an erster Stelle. Und ich versichere, dass ich jede einzelne Speise für die Delegation eingehend auf ihre Inhaltsstoffe geprüft habe, als sie an Bord gebracht wurde.“

„Aber Sie haben dem Botschafter aus dieser Karaffe eingeschenkt“, sagte Romanow. „Warum aus dieser und nicht aus einer anderen?“

Skrrrkt grollte wütend. „Wollen Sie mir unterstellen...“

„Ich unterstell Ihnen nichts, ich habe Ihnen ein Frage gestellt und warte in meiner Eigenschaft als oberster Sicherheitschef der SALAK auf eine Antwort.“

Der Castorer schnappte die Karaffe und hielt sie Romanow so heftig vor das Gesicht, dass nicht viel gefehlt hätte, ehe sie mit seiner Nase kollidiert wäre. Er zeigte auf einen hellblauen Streifen am oberen Rand. „Die Karaffen haben die Nagdaneh mitgebracht. Und ich wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Botschafter allein und ausschließlich aus seinen persönlichen Karaffen verköstigt wird, die mit diesem Streifen gekennzeichnet sind. Deshalb habe ich ihm aus dieser und keiner anderen nachgefüllt.“

„Wer hat sie abgefüllt? Sie?“

„Natürlich nicht! Ich habe Wichtigeres zu tun. Solche Dinge erledigen die Roboter.“

Da viele Handreichungen und Dienstleistungen an Bord eines so großen Schiffes wie die SALAK eine erhebliche Zahl von Personal erfordert hätten, wurden diese Dinge schon lange von Robotern erledigt, derer es an die tausend in unterschiedlicher Größe und Funktion an Bord gab und eine ebenso große Zahl inaktiver Ersatzdrohnen.

Trevayaa erkannte, dass die Aufklärung des Anschlages soeben komplizierter geworden war. Falls der Roboter, der die Speisen und Getränke für die Nagdaneh abgefüllt hatte, nicht zufällig zu der vergifteten Charge gegriffen hatte, musste ihn jemand dafür programmiert haben, genau diese zu nehmen oder sie sogar selbst zu vergiften. Das erweiterte den Kreis der Verdächtigen auf die Mitglieder der kybernetischen Abteilung, die für die Programmierung und Wartung der Roboter zuständig war sowie auf jeden, der gewisse Grundkenntnisse darin besaß. Und das war die halbe Besatzung.

„Captain Romanow, finden sie heraus, wie das Gift in das Getränk gelangt ist. Vor allem wann. Geschah es erst hier an Bord, oder wurde es schon mit dem Gift an Bord gebracht?“

„Ausgeschlossen!“, beharrte Skrrrkt. „Ich verbürge mich dafür, dass alle nagdanischen Nahrungsmittel in für die Nagdaneh einwandfreiem Zustand waren, als sie an Bord gebracht wurden. Ich habe das selbst überprüft. Das können Sie in meinen entsprechenden Berichten nachlesen, Admiral.“

Trevayaa glaubte ihm auch so. Skrrrkt war wie alle Castorer überaus gründlich in allem, was er tat, beinahe schon penibel. Und falls er für das Gift im Getränk verantwortlich sein sollte, wäre es reichlich dumm von ihm gewesen, derjenige zu sein, der es dem Botschafter verabreichte. Verdammt, die ganze Mission entwickelte sich zu einer Katastrophe.

Sein Blick fiel auf Melori, die immer noch am Tisch stand, keine Miene verzog, aber aufmerksam allem zuhörte. Sie könnte sehr wohl ihre Finger im Spiel haben. Immerhin hatte sie nicht damit rechnen können, dass der Botschafter auf ihrer Anwesenheit bei diesem Essen bestand. Aber das ließ sich herausfinden. Erstens wurde jede Bewegung in jedem Raum außer in den privaten Quartieren der Besatzungsmitglieder von den Schiffssensoren erfasst, aufgezeichnet und archiviert. Zweitens verfügte die Sicherheitsabteilung nicht umsonst über Retrospektionsscanner, die anhand von abgesonderter Körperstrahlung und Haut-, Fell- und Schuppenpartikeln, rekonstruieren konnten, wer außerhalb der Erfassung der Schiffssensoren zu welcher Zeit an welchem Ort gewesen war. Vorausgesetzt diese Zeit lag nicht länger als vierzig Stunden zurück. Darum würden sich Romanow und seine Leute kümmern. Der nickte Trevayaa zu und verließ mit seinen Leuten den Raum, um seine Nachforschungen anzustellen.

Trevayaa wandte sich an Melori. „Captain, wem haben Sie von dem Abendessen erzählt.“

Melori blieb völlig gelassen. „Ich habe mit meiner befohlenen Teilnahme nicht herumgeprahlt, falls Sie das meinen, Admiral. Ich habe selbstverständlich Captain Kenaról darüber informiert, da sie meine Staffel ab siebzehn Uhr zur Bereitschaft eingeteilt hatte, und natürlich auch meinen Stellvertreter Captain Shar. Darüber hinaus habe ich mit niemandem darüber gesprochen.“

Trevayaas spürte, dass sie die Wahrheit sagte. Sein Uniform-Kommunikator gab einen Signalton von sich. Er aktivierte die Verbindung. „Ja?“

„Der Botschafter hat das Bewusstsein verloren“, meldete Dr. Ailarons Stimme. „Aber vorher hat er noch verlangt, dass Captain Melori persönlich den Schutz seines kostbaren Körpers übernimmt. Und sein Arzt besteht darauf, dass Melori auch auf ihn aufpasst.“ Das klang ausgesprochen sarkastisch.

„Sie kommt.“ Trevayaa unterbrach die Verbindung und nickte Melori zu. „Gehen Sie. Noch eine Frage, Captain. Wie gut kennen Sie Ihre drei nagdanischen Piloten? Wie schätzen Sie die ein?“

„Sie sind ordentliche Piloten, die ihr Handwerk verstehen, sie befolgen alle Anweisungen und geben sich die größte Mühe, sich in die Staffel einzufügen, was ihnen gut gelingt. Ansonsten kenne ich sie so gut, wie man jemandem kennen kann, dem man vor fünf Tagen zum ersten Mal begegnet ist. Falls Sie, wie ich glaube, vermuten, dass einer von ihnen etwas mit dem Anschlag zu tun haben könnte, so halte ich das für unwahrscheinlich. Das Getränk des Botschafters muss entweder schon vergiftet worden sein, bevor es an Bord gebracht wurde – was schon vor Tagen geschehen ist, in denen die drei unter Admiral Rhans Aufsicht standen und keine Gelegenheit dazu hatten – oder in der Zeit, seit es sich an Bord befindet. Für diese Zeit kann der Aufenthalt der drei aber durch die Bioscanner lückenlos nachgewiesen werden. Das ist denen bewusst. Sie wären reichlich dumm, wenn sie das Getränkt trotzdem vergiftet hätten. – Hekah!“

Sie verließ den Saal. Auch ungefragt die eigene Meinung zu sagen oder eine Hypothese aufzustellen, war typisch frelsisch. Trevayaa musste Melori aber recht geben. Auch wenn niemand gegen Dummheit gefeit war, so war es doch recht unwahrscheinlich, dass einer der drei Piloten für den Anschlag verantwortlich war. Er hoffte, dass Romanows Analyse einen Verdächtigen lieferte. Noch mehr hoffte er, dass Skelosk apat Taskesk überlebte.

*


„... GARANTIERT EINER von den Sternenwanderern“, hörte Melori eine Männerstimme sagen, die mit deutlich sretallesischem Akzent sprach, als sie die Krankenstation betrat. Sie gehörte einer der Sicherheitswachen, die zu fünft an strategisch günstigen Plätzen im Behandlungszimmer standen. „Ich habe schon immer gesagt, dass Sternenwanderer in der IsteP nichts zu suchen haben.“

Melori sah an seinem Rangabzeichen – zwei daumengroße weiße Sterne unter dem IsteP-Logo auf seiner Uniform –, dass er Lieutenant war. Sein Namensschild über dem Logo wies ihn als Nissu Kashann aus. Melori baute sich vor ihm auf.

„Ich empfehle Ihnen, Lieutenant, Ihre private Meinung für sich zu behalten und sie nicht noch einmal in Gegenwart von Nagdaneh zu äußern, die dadurch in ihrer Vermutung bestätigt werden, dass das Attentat von einem unserer Leute begangen wurde“, sagte sie in Sretallesisch, was ihn zu einem überraschten Zischen veranlasste. Da diese Sprache nicht in die Translatoren der Nagdaneh eingespeist worden war, konnten die sie nicht verstehen. „Ihnen ist bekannt, dass Sternenwanderer, die temporär in die IsteP aufgenommen werden, eine noch strengere Überprüfung durchlaufen als jedes reguläre Mitglied. Ich wäre an Ihrer Stelle also sehr vorsichtig damit, solche Verdächtigungen laut auszusprechen.“

„Jawohl, Captain.“

„Wenn ich der Attentäter wäre“, fuhr Melori in ISArru fort, „würde ich genau auf dieses Vorurteil bauen und sogar falsche Spuren legen, um einen Sternenwanderer zu belasten.“ Sie schüttelte den Kopf. „Wir gehören alle derselben Organisation an und haben uns dem Schutz unserer Mitwesen verschrieben. Unterstehen Sie sich, noch einmal nur aufgrund Ihrer persönlichen Vorurteile pauschal eine Gruppe von Kameraden zu verdächtigen. Verstanden?“

„Ja, Captain. Es tut mir leid.“

„Entschuldigen Sie sich bei den Sternenwanderern.“

Es war immer wieder dasselbe. Auch nach Jahrhunderten von Kontakten mit Fremdvölkern und mit inzwischen dreiundzwanzig von ihnen in der ISA unter einer einzigen Regierung vereint, gab es immer noch Rassenvorurteile und Diskriminierung. Da die gegenüber einem ISA-Volk zum schlechten Ton gehörten, nahm man in der Regel die Sternenwanderer aufs Korn. Die meisten sammelten nur ein paar Jahre bei anderen Völkern praktische Erfahrung, ehe sie bei ihrem eigenen Volk eine feste Arbeitsstelle antraten. Andere fanden am häufigen Wechsel ihres Arbeitsplatzes und im selben Zug auch des Volkes, bei dem sie arbeiteten, so großen Gefallen, dass sie Berufssternenwanderer wurden und bis zu dem Tag, an dem sie aus Altersgründen aufhörten zu arbeiten, wie Nomaden ständig auf Wanderschaft waren. Gerade diese Berufssternenwanderer litten unter dem Vorurteil einer zweifelhaften Loyalität, da sie sich keinem Volk genug verbunden fühlten, um bei ihm sesshaft zu werden; nicht einmal ihrem Ursprungsvolk.

Von so her kam Lieutenant Kashanns Verdacht keineswegs überraschend. Dennoch ging es nicht an, dass ein IsteP-Mitglied ein anderes derart öffentlich verdächtigte. Melori ließ ihn stehen und trat zu Dr. Ailaron, der die Tentakelgriffe seines nagdanischen Kollegen am Körper des Botschafters ebenso wachsam verfolgte wie die Anzeigen der Vitalwerte auf der Diagnosetafel. Das Bett des Botschafters war in eine senkrechte Position gestellt worden, da Nagdaneh ihr ganzes Leben stehend verbrachten und auch im Stehen schliefen. Der Körper war festgeschnallt, damit er nicht in sich zusammenfiel.

„Wie steht es, Doktor?“, fragte Melori in Frelsisch.

„Er lebt noch“, stellte Ailaron nüchtern fest und deutete auf die Diagnosetafel. „Aber das Gift hat ihn schlimm erwischt. Wie Sie an den grünen Werten sehen, die nach den uns von den Nagdaneh übermittelten Daten die Normalwerte darstellen, ist sein Organismus ziemlich durcheinander. Ich kann nicht sagen, ob er durchkommt. Das weiß auch mein nagdanischer Kollege noch nicht.“ Er nickte zu einem Nagdaner mit gelben Tentakelringen hin, der vor dem Botschafter stand, ihm mit seinen Tentakeln über den Körper strich und mit anderen etwas in dessen Mundtentakel übertrug.

„Captain Romanow hat rausgefunden, dass er mit Orangensaft vergiftet wurde.“

Ailaron nickte. „Das hat er mir schon mitgeteilt. Wir haben im Vorfeld eine Liste der Stoffe erhalten, die bei Nagdaneh zu Vergiftungen, allergischen Reaktionen oder harmloseren Unverträglichkeiten führen. Einer davon ist Ascorbinsäure – simples Vitamin C. Eine geringe Dosis reicht schon aus, um einen Nagdaneh umzubringen. Irgendjemand, der das wusste, hat etwas Orangensaft in das Getränk des Botschafters gemischt. Da das sowieso eine stark zitronige Geruchsnote hat, ist das nicht aufgefallen. Und nein, ich werde keine Spekulationen darüber anstellen, wer das gewesen sein könnte. Das überlasse ich Captain Romanow und seinen Leuten.“

Melori seufzte und blickte sich um. „Was soll ich eigentlich hier?“

„Dem Botschafter und seinem Leibarzt Händchen halten, wenn sie welche hätten.“ Ailaron grinste. „Wenn ich das richtig verstanden habe, fühlen sich unsere Gäste sicherer, wenn Sie in deren Nähe sind. Fragen Sie mich nicht warum.“

„Tue ich nicht, da ich die Antwort selbst nicht kenne.“

Er deutete auf einen kleinen Tisch mit einem Sessel daneben. „Machen Sie es sich bequem und genießen Sie Ihre Freizeit. Da liegt ein Lesepad, dort drüben ist die Snackbar, und das Bett da ist frei, falls Sie müde sind.“ Er nickte zu einem Bett hinüber, das ein paar Meter von dem des Botschafters entfernt stand. „Und das Bad ist dort.“ Er zeigte auf eine Tür.

„Danke.“

„Wo haben Sie eigentlich so gut Sretallesisch gelernt?“

Melori lächelte. „Ich bin mit einer sretallesischen Adoptivschwester aufgewachsen. Damit sie sich nicht völlig fremd bei uns fühlt, habe ich ihre Sprache gelernt. Das hat sich schon mehr als einmal als sehr nützlich erwiesen.“

Melori setzte sich in den Sessel, nahm das Lesepad und scrollte durch das Titelangebot. Zwischendurch warf sie immer wieder einen Blick auf den Botschafter und seinen Arzt. Dass Skelosk apat Taskesk sie dauernd in seiner Nähe haben wollte, war äußerst ungünstig für ihre Mission. Dadurch stand sie in gewisser Weise im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Schließlich war es ungewöhnlich, dass ausgerechnet eine einfache Staffelkommandantin derart bevorzugt wurde. Noch dazu, wo es dafür keinen logischen Grund gab. Wenn es dem Botschafter auf seine Sicherheit ankam, war dafür die Sicherheitscrew der SALAK sehr viel besser geeignet, die zu gewährleisten, als sie. Trevayaa war schon misstrauisch geworden. Romanow war das von Berufs wegen sowieso. Sogar Lieutenant Kashann warf ihr Blicke zu, die in Verbindung mit seiner Körperhaltung Misstrauen ausdrückten.

Das passte nicht in ihre Pläne und erst recht nicht in die ihres Auftraggebers. Gut, sie war neu an Bord. Auch wenn alle IsteP-Mitglieder sich weitgehend als große Familie betrachteten, wurden Neuzugänge in einer Crew zunächst grundsätzlich zurückhaltend behandelt, bis man sich besser kannte. Doch dadurch, dass sie gezwungenermaßen so dicht am Geschehen war, war es nur eine Frage der Zeit, bis man sie verdächtigte, die Attentäterin zu sein beziehungsweise mit den unbekannten Gegnern unter einer Decke zu stecken. Ihre verfrühte Ankunft hatte schon genug Misstrauen erregt. Sollte Trevayaa auf den Gedanken kommen, bei den Kommandanten der nagdanischen Schiffe nachzufragen oder das Thema bei einer zwanglosen Plauderei zur Sprache bringen, würde ihre Geschichte von dem angeblichen Wettflug sehr schnell auffliegen.

Falls Skelosk apat Taskesk überlebte, musste sie ihn dazu bringen, einen größeren Abstand zu ihr zu halten. Andererseits gab es für sie kein besseres Alibi als ihr Zusammensein mit ihm. Sie seufzte. Sie musste ihre nächsten Schritte gut durchdenken, damit nichts schiefging.

Sie wählte einen troylanischen Roman aus der Datenbank und gab vor zu lesen, während ihre Gedanken um ihren Auftrag kreisten.

*


09.06.344, 7:22 UHR Bordzeit

Leonid Romanow blickte Admiral Trevayaa an und wartete auf dessen Reaktion. Trevayaa sah sich die Aufzeichnung der Schiffsscanner auf dem Bildschirm in seinem Bereitschaftsraum an. Darauf war zu sehen, wie Kom-Offizier FenorKano zwei Stunden vor dem desaströsen Abendessen den Lagerraum betrat, in dem die Nahrungsmittel für die nagdanische Gesandtschaft untergebracht waren – einschließlich der speziell für den Botschafter vorgesehenen Karaffen. Er nahm eine kleine Kapsel aus der Tasche seiner Uniform, schüttete deren Inhalt in eine Karaffe, goss die Flüssigkeit darüber, die der Botschafter zuletzt getrunken hatte und stellte die Karaffe so hin, dass die Roboter, die die Nahrungsmittel holten, sie garantiert mitnahmen, ehe er den Lagerraum wieder verließ.

Trevayaa lehnte sich zurück und legte die Hände auf die Tischplatte. Romanow wartete schweigend ab, bis er etwas sagen würde.

„Das ergibt keinen Sinn“, stellte Trevayaa nach einer Weile fest. „FenorKano weiß, dass die Bordscanner alles aufzeichnen. Er kann doch nicht ernsthaft so dumm gewesen sein zu glauben, dass wir nicht herausfinden, wer das Getränk vergiftet hat.“

„Es fällt mir auch schwer zu glauben, Admiral. Auch wenn FenorKano ein Sternenwanderer ist, arbeitet er schon seit über einem Jahr auf der SALAK, in dem aus meiner Sicht nie ein Grund bestand, an seiner Loyalität zu zweifeln. Aber die Bioscanner belegen zweifelsfrei, dass die Person, die das Orangensaftkonzentrat in das Getränk mischte, FenorKano ist.“ Romanow machte eine Pause und wartete, dass Trevayaa etwas sagen würde. „Natürlich besteht die Möglichkeit“, fuhr er fort, als der Admiral schwieg, „dass jemand die Aufzeichnungen nachträglich manipuliert hat. Dazu bedarf es aber einer Zugangsautorisierung zu den entsprechenden Archiven, die er definitiv nicht hat. Falls also manipuliert worden sein sollte...“

„Sagen Sie es nicht, Captain. Allein der Gedanke, dass es an Bord meines Schiffes eine solche Verschwörung geben könnte, wie sie erforderlich wäre, um das durchzuziehen, ist mehr als erschreckend. Leider können wir die Möglichkeit nicht ausschließen. Befragen Sie FenorKano, suchen Sie in seinem Quartier und anderswo nach Beweisen für oder gegen seine Schuld und halten Sie mich auf dem Laufenden.“

Die Kom-Anlage meldete sich. „Krankenstation an Admiral Trevayaa.“

Trevayaa seufzte. „Hoffentlich ist das nicht die ultimative Katastrophenmeldung.“ Er aktivierte die Verbindung. „Was gibt es, Dr. Ailaron?“

„Der Botschafter hat es überstanden. Er lebt und wird sich erholen. Laut Aussage seines Arztes ist er in ein paar Stunden wieder wohlauf.“

„Das ist eine gute Neuigkeit. Danke, Doktor.“

„Wir müssen aber etwas wegen Captain Melori tun, Admiral. Sie kann nicht rund um die Uhr bei den Nagdaneh präsent sein. Ich habe sie in ihr Quartier geschickt, damit sie eine Runde schläft und das den Nagdaneh als medizinische Anordnung begründet. Es wäre aber von Vorteil, wenn Sie als Kommandant der SALAK denen klarmachen würden, dass unsere Sicherheitscrew ein adäquater Ersatz für Melori ist.“

„Das werde ich tun, Doktor. Hekah!“ Er machte eine Handbewegung in Romanows Richtung. „Kümmern Sie sich um FenorKano.“

„Hekah!“, grüßte Romanow und verließ Trevayaas Bereitschaftsraum.

Er beorderte die für so einen Fall vorgeschriebenen fünf Begleiter zu FenorKanos Quartier und traf zur selben Zeit mit ihnen dort ein. Melori ging an ihnen vorbei, offensichtlich auf dem Weg zu ihrer Unterkunft. Sie sah tatsächlich müde aus und warf einen neugierigen Blick auf die Ansammlung von Sicherheitsleuten, ging aber kommentarlos ihres Weges.

FenorKanos Tür öffnete sich. Der Lantheaner hatte wohl geschlafen, denn er trug nur eine lockere Robe, die er zurechtrückte, als hätte er sie sich gerade erst angezogen. Er blickte die Sicherheitsleute erstaunt an.

„Lieutenant FenorKano, Sie stehen in Verdacht, Botschafter Skelosk apat Taskesk vergiftet zu haben. Ziehen Sie sich bitte an und folgen Sie uns zur Befragung. Außerdem haben wir die Anweisung, Ihr Quartier zu durchsuchen.“

Der Lantheaner fauchte verblüfft. Seine Handkrallen fuhren reflexartig aus, aber er zog sie sofort wieder zurück. „Bitte, tun Sie das, Captain. Ich weiß zwar nicht, wie Sie auf diesen Verdacht kommen, aber da ich unschuldig bin, werde ich selbstverständlich in vollem Umfang kooperieren.“

Er ging in den Schlafraum hinüber, um sich umzuziehen, während Romanows Leute mit der Durchsuchung begannen, indem sie das Zimmer mit ihren Handscannern abtasteten, die ihnen jeden Gegenstand, jede Substanz nannten, die sich im Raum oder in den Schränken befanden. Sie wurden schnell fündig. In einem in einem Fach stehenden Kästchen lagen mehrere Kapseln, von denen jede eine Substanz enthielt, die für einen Nagdaneh tödliche Folgen hätte.

FenorKano starrte ungläubig darauf. „Das habe ich noch nie gesehen“, beteuerte er.

„Wenn dem so ist, werden wir das beweisen“, versicherte Romanow. „Wenn nicht, finden wir auch das heraus. Kommen Sie.“

Der Lantheaner folgte den Sicherheitswachen, ohne Widerstand zu leisten. Der hätte auch kaum Sinn gehabt, da es auf dem Schiff keine Fluchtmöglichkeit gab. Selbst wenn er sich bis zu den Rettungskapseln hätte durchschlagen und mit einer von Bord kommen können, so wäre er mit den Transmittern sofort wieder an Bord zurückgebracht worden.

„Captain Romanow.“

„Was gibt es, Lieutenant Kashann?“

„Es hat möglicherweise nichts zu bedeuten, aber in Anbetracht der Situation kann ich nicht verschwiegen, dass mir die Sache merkwürdig vorkommt.“

„Nicht nur Ihnen, Lieutenant.“

„Es geht um Captain Melori. Während meines Dienstes auf der Krankenstation vor einigen Stunden bin ich mit ihr über das Attentat ins Gespräch gekommen. Sie machte eine Bemerkung, die mir jetzt bedeutsam erscheint. Sie sagte, wenn sie der Attentäter wäre, würde sie die gängigen Vorurteile gegen Sternenwanderer ausnutzen und Beweise so fälschen, dass ein Sternenwanderer belastet wird. Und Lieutenant FenorKano ist ein Sternenwanderer, Captain. Wie gesagt, Captain Meloris Bemerkung könnte eine allgemeine Betrachtung gewesen sein, aber auf dem Hintergrund dessen, dass jetzt ausgerechnet FenorKano unter Verdacht steht...“

„Danke, Lieutenant. Wir werden das überprüfen.“ Zunächst war er aber gespannt, was FenorKano zu sagen hatte.

*


14:33 UHR BORDZEIT

Trevayaa legte das Datenpad zur Seite, auf dem er Romanows Bericht gelesen hatte und blickte den Sicherheitschef ernst an.

„Sie halten FenorKano also für unschuldig, Captain.“

Romanow nickte. „Obwohl die Indizien gegen ihn sprechen, sprechen aber weitaus mehr und vor allem gravierende Dinge dafür, dass er nichts damit zu tun hat. Allen voran die Tatsache, dass er nicht an zwei Orten gleichzeitig sein konnte. Während er angeblich im Lagerraum das Getränk des Botschafters vergiftet hat, war er nach den Aufzeichnungen der Bordscanner in seinem Quartier. Eine von beiden Aufnahmen ist also gefälscht. Für FenorKano spricht außerdem, dass sich an der Box mit den schädlichen Substanzen keine Biorückstände von ihm befinden. Außerdem halte ich ihn für zu intelligent, um belastende Beweise derart offen herumliegen zu lassen. Und falls er oder ein Komplize irgendwelche Aufnahmen der Bordscanner fälscht, dann hätte er garantiert dafür gesorgt, dass die, die ihn im Lagerraum zeigen, gelöscht oder durch eine ersetzt wird, auf der gar nichts zu sehen ist, aber auf keinen Fall er. Ich habe das schon überprüft. Keine der Aufzeichnungen wurde manipuliert. Ich weiß zwar noch nicht wie das Ganze gemacht wurde, aber ich habe einen Verdacht, wer möglicherweise in die Sache involviert sein könnte: Captain Melori.“

Er berichtete, was er von Nissu Kashann erfahren hatte.

Bevor Trevayaa dazu etwas sagen konnte, meldete der Türmelder seines Bereitschaftsraums, dass Melori draußen stand. „Wie sagt man bei den Terraneh: ‚Wenn man vom Teufel spricht, dann kommt er’?“

„So lautete das Sprichwort, Admiral.“

Trevayaa ließ Melori ein und bot ihr Platz an. „Was gibt es, Captain?“

„Ich habe etwas erfahren, Admiral, das möglicherweise eine Erklärung für das Auftauchen der unbekannten Angreifer aus dem Nichts liefern könnte und vielleicht auch zur Entlastung von Lieutenant FenorKano beiträgt.“

Trevayaa blickte sie misstrauisch an. „Wie kommen Sie darauf, dass FenorKano belastet wird?“

Melori nickte Romanow zu. „Wenn der Sicherheitschef mit fünf Leuten Einlass in das Quartier eines Crewmitgliedes begehrt, kommen sie garantiert nicht vorbei, um eine Partie Sirengo zu spielen.“

„Da haben Sie recht“, stimmte Romanow ihr zu.

„Sprechen Sie, Melori“, forderte Trevayaa sie auf.

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass die Nagdaneh in letzter Zeit verstärkt an der Entwicklung von Tarntechnologie arbeiten und dabei schon einige Fortschritte erzielt haben, die aber noch im Experimentierstadium steckt.“

„Und das wissen Sie woher?“

Melori verzog das Gesicht. „Botschafter Skelosk apat Taskesk ist überaus geschwätzig und liebt es, die Errungenschaften seines Volkes herauszustreichen. Um bei jedem, der ihm zuhören muss, Eindruck zu schinden, damit die ISA sich so beeindruckt zeigt, dass sie notfalls auch einen neuen Krieg mit der Gronthagu Liga riskiert, um die Nagdaneh als neues Mitglied zu gewinnen.“ Sie winkte ab. „Falls Lieutenant FenorKano unschuldig ist, was ich glaube, und die Informationen des Botschafters über diese Technologie korrekt sind, wovon ich überzeugt bin, dann bedeutet das, dass der Attentäter Zugang zu nagdanischer Technik haben muss.“

Leonid Romanow fixierte sie mit einem misstrauischen Blick. „Wie kommen Sie darauf, dass der Verdacht gegen FenorKano etwas mit Tarntechnologie zu tun haben könnte?“

„Nun, Captain, ich weiß zwar nicht, wer von Ihren Leuten nicht dichtgehalten hat, aber man spricht bereits im Begegnungszentrum davon, was dem Lieutenant zur Last gelegt wird. Ich habe es gehört, als ich dort mein Frühstück aß. Und auf dem Hintergrund dessen, was der Botschafter mir über diese experimentelle Technologie mitteilte, dass sie nämlich auch in der Lage sein soll, äußere Formen zu imitieren, statt sie nur unsichtbar zu machen, habe ich mir meinen Teil gedacht und hielt es für meine Pflicht, Ihnen davon Mitteilung zu machen. Der Botschafter ist Politiker. Er ist, wie alle Politiker, die ich kenne, garantiert nicht auf dem Laufenden, was den aktuellen Stand der technologischen Entwicklung seines Volkes betrifft. Das würde mich zumindest wundern.“

Trevayaa blickte Romanow an. „Ich brauche Ihnen ja nicht zu sagen, wie Sie mit demjenigen Ihrer Leute zu verfahren haben, der seinen Mund nicht halten konnte.“

„Nein, Admiral.“ Das klang ausgesprochen grimmig. „Der kann sich auf was gefasst machen.“ Romanow blickte Melori an. „Aber Sie, Melori, könnten auch Zugang zu dieser Technologie haben. Sie stecken dauernd mit den Gesandten zusammen, der Botschafter traut sich kaum etwas zu tun, wenn Sie nicht bei ihm sind und ihm ermutigend die Tentakel drücken, und, wie Sie selbst sagen, ist er sehr geschwätzig. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er Ihnen gern eine praktische Demonstration jeder Technologie gibt, wenn Sie ihn darum bitten oder das sogar schon getan hat. Da er, wie Sie sagen, sehr bestrebt ist, die ISA von dem Wert seines Volkes als neues Mitglied zu überzeugen, brauchten Sie ihn wahrscheinlich nicht mal zu bitten.“

Melori hielt seinem Blick stand. „Wie Sie vielleicht wissen, beschäftige ich mich ausschließlich aufgrund eines entsprechenden Befehls von Erster Admiral Rhan mit der Gesandtschaft, der von Admiral Trevayaa bestätigt wurde. Glauben Sie mir, ich gäbe eine Menge darum, wenn mich mal jemand davon erlösen würde und der Botschafter zur Abwechslung jemand anderem mit der permanenten Beweihräucherung seines Volkes auf den Geist ginge. Und nein, er hat mir keinerlei Technologie vorgeführt.“

Trevayaa konzentrierte sich darauf, was er von ihr ausgehen fühlte, auf die subtilen Emissionen ihrer Aura, und versuchte herauszufinden, was sie empfand. Sie verbarg etwas; soviel war sicher. Auch in diesem Moment sagte sie nicht alles, was sie über die Angelegenheit wusste.

„Captain Romanow, lassen Sie mich bitte mit Captain Melori allein.“

Romanow verließ ohne zu zögern den Raum.

Trevayaa wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. „Wir sind jetzt unter uns, Melori. Was immer Sie mir sagen, werde ich streng vertraulich behandeln, sofern das möglich ist. Ich weiß, dass Sie etwas verheimlichen.“

Melori schwieg.

Er nahm einen neuen Anlauf. „Wir kennen uns erst seit einem Tag. Deshalb haben Sie sicherlich noch nicht bemerkt, dass ich Wert darauf lege, für meine Crew nicht nur der Kommandant zu sein, sondern auch ein Ansprechpartner, wenn jemand einen beruflichen oder persönlichen Rat braucht und sich niemand anderem anvertrauen kann oder will. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir genug Vertrauen entgegenbringen könnten, um mir zu sagen, was Sie wissen.“

„Das habe ich gerade getan, Admiral. Mit dem Erfolg, dass Captain Romanow mich verdächtigt, die Attentäterin zu sein.“

„Das hat er nicht gesagt.“

„Aber stark in Erwägung gezogen, wie wir beide wissen. Ich wiederhole, Admiral: Ich habe Ihnen gesagt, was ich weiß. Was ich für mich behalte, sind pure Spekulationen, die ich nicht aussprechen werde, bis ich sie beweisen kann. Oder sie erst recht für mich behalte, wenn ich sie widerlegt habe.“ Sie zögerte einen Moment. „Ich versichere Ihnen, dass ich nichts tue oder getan habe, was die Mission oder dieses Schiff gefährdet.“

Trevayaa konnte nicht erkennen, ob das die vollständige Wahrheit war. Was er mehr als deutlich spürte war, dass Melori ihm nach wie vor auswich. Er deutete zur Tür. „Sie können gehen. Schicken Sie bitte Captain Romanow wieder herein.“

„Hekah!“, grüßte Melori und verließ den Raum. Dass Romanow draußen neben der Tür wartete, erkannte Trevayaa daran, dass sie eine einladende Geste zur Tür hin machte.

Romanow trat ein und blickte Trevayaa fragend an. Der machte eine verneinende Handbewegung, ehe er die Kom-Station einschaltete und die verschlüsselte Direktleitung zu Admiral Rhan aktivierte.

Nur Sekunden später erschien das Gesicht des Oberkommandanten der IsteP auf dem Bildschirm. Rhan Karmin gehörte zum humanoiden Volk der Yobaneh, die in der grauen Vorzeit ihrer Geschichte vogelartig gewesen waren. Rudimente dieses Erbes hatten sich in ihrem Aussehen erhalten. Mund und Nase besaßen die Form eines kurzen Schnabels, die großen runden Augen wurden von einer roten Iris dominiert, und auf Kopf, Rücken und Schultern wuchsen bis zur Taille weiche Federn. Zusätzlich besaßen die Männer einen Federkamm, an dem man ihr Alter erkennen konnte, da alle neun Yoba-Jahre eine Feder hinzukam. Rhan befand sich mit sechs Kammfedern im besten Alter.

„Admiral Trevayaa, hekah!““, grüßte er, wartete aber Trevayaas Gegengruß nicht ab. „Was gibt es? Ich hoffe nicht noch einen Angriff.“

„Nicht auf das Schiff, Admiral. Man hat versucht, den Botschafter zu vergiften. Er lebt und kommt durch. Der Schuldige scheint einer unserer Sternenwanderer zu sein. Aber es spricht einiges dafür, dass ihm die Tat angehängt werden sollte. Noch dazu in sehr plumper Weise. Die Untersuchung läuft noch. Sie erhalten den vollständigen Bericht, sobald sie abgeschlossen ist. Ich kontaktiere Sie wegen Captain Melori. Es haben sich Hinweise ergeben, dass sie möglicherweise mehr über diese Angelegenheit weiß, als sie uns sagt. Meine Frage an Sie, Admiral, ist daher, wie sicher Sie sich hinsichtlich Meloris Vertrauenswürdigkeit sind. Ich weiß, sie hat alle Loyalitätstests bestanden, andernfalls sie kein IsteP-Mitglied geworden wäre. Aber Leute ändern sich ebenso wie ihre Lebensumstände und ihre persönlichen Ansichten. Und gegen Korruption oder gar Erpressung ist nicht jeder gefeit. Jeder hat seinen Preis, wie wir wissen.“

Eigentlich war allein der Verdacht, den er damit gegen Melori ausgesprochen hatte, eine schwerwiegende Sache. Aber in Anbetracht der Situation riskierte er lieber eine Rüge als die Mission zu gefährden, weil er zu sehr auf den bedingungslosen Zusammenhalt innerhalb der IsteP baute.

Rhan schwieg und starrte Trevayaa reglos an. Nur sein Federkamm richtete sich in rhythmischer Folge auf und faltete sich wieder zusammen.

„Nun, ich habe Captain Melori persönlich als Liaison für die Nagdaneh ernannt, weil sie die Fähigkeit besitzt, sich relativ schnell auf fremde Mentalitäten einzustellen und sie bei dem ersten Probekontakt mit den Nagdaneh sehr gut abgeschnitten hat. Botschafter Skelosk apat Taskesk hat sie selbst vorgeschlagen, weil er mit ihr gut auskommt. In dem Zug habe ich selbstverständlich nochmals ihre Loyalität überprüft. An der ist nichts auszusetzen. Es gab auch keinen Hinweis darauf, dass sie ein Interesse haben könnte, den Beitritt der Nagdaneh zur ISA zu hintertreiben. Aber Sie haben selbstverständlich recht, Admiral, dass, wenn der Preis stimmt, nahezu jeder korrumpierbar und auch erpressbar ist. Wer keinen dunklen Punkt in seiner Vergangenheit hat – Melori hat keinen, auch das wurde überprüft – kann immer noch mit anderen Dingen unter Druck gesetzt werden, die ihm mehr wert sind als seine Loyalität und sein eigenes Leben.“ Er neigte den Kopf zur einen, dann zur anderen Seite. „Ich werde das akribisch überprüfen. Behalten Sie Melori im Auge. Wir dürfen bei dieser brisanten Mission kein Risiko eingehen.“

„Jawohl, Admiral.“

Rhan unterbrach die Verbindung.

Romanow nickte mit grimmigem Gesicht. „Und ob ich Melori im Auge behalten werde. Höchstpersönlich.“

Trevayaa schüttelte den Kopf. „Das halte ich für wenig sinnvoll, denn dann ist sie gewarnt. Immer vorausgesetzt, sie hat tatsächlich negativ mit der Sache zu tun. Ohne Ihnen vorgreifen zu wollen, schlage ich vor, dass Sie jemanden auf sie ansetzen, der bei ihr den Eindruck erweckt, dass erstens die Begegnung zufällig ist und zweitens er oder sie Melori als neues Mitglied der Crew mit der SALAK und den Gepflogenheiten an Bord vertraut machen will. Von den üblichen subtilen Beobachtungen durch mehrere weitere Personen ganz zu schweigen.“

Romanow nickte. „Ich kümmere mich darum. Halten Sie es eigentlich für wahrscheinlich, dass jemand sich nagdanischer Technologie bedient hat, um ganz gezielt FenorKano zu belasten?“

Trevayaa seufzte. „Ich halte das ebenso wenig für ausgeschlossen wie die Möglichkeit, dass Melori uns mit dieser Vermutung auf eine falsche Fährte locken will.“ Er stützte beide Hände an der Tischkante ab. „Verdammt, Captain, wir sitzen nackt mitten in einem Blitzesturm, wie man bei uns zu sagen pflegt. Und einer dieser Blitze könnte nicht nur uns vernichten.“

Romanow nickte. „Dessen bin ich mir bewusst, Admiral. Ich leite alles in die Wege, um den Botschafter noch intensiver zu schützen.“

„Hekah!“, entließ Trevayaa ihn.

Er wusste, dass Romanow sich Vorwürfe machte, weil der Giftanschlag trotz aller seiner Sicherheitsvorkehrungen überhaupt hatte durchgeführt werden können. Er wusste aber auch, dass sein Sicherheitschef bereits alles nur Mögliche zum Schutz der Gesandtschaft getan und das Maximum zur Gefahrenabwehr durchgeführt hatte. Mehr war beim besten Willen nicht möglich. Und doch war es einer Person beinahe gelungen, den Botschafter zu töten. Wenn Trevayaa sich bewusst machte, was für alle Parteien auf dem Spiel stand, war er sich sicher, dass das Attentat nicht der letzte Versuch gewesen war zu verhindern, dass die Gesandtschaft ihr Ziel erreichte.

Und der Weg nach Akision war noch weit.

*


FORTSETZUNG FOLGT

ANHANG

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

im Anschluss an jeden Roman erhalten Sie Informationen über die Crew der SALAK, das Schiff, Besonderheiten und Gepflogenheiten innerhalb der ISA und andere nützliche Dinge, die Ihnen Hintergrundwissen über das „Universum“ liefern, in dem die Handlung angesiedelt ist.

***


PERSONALAKTE KENDRO TREVAYAA

Name: Trevayaa

Rufname: Kendro

Dienstgrad/Funktion: Admiral, Kommandant der SALAK 221, Oberkommandant des Sternenkommandos im Cassiopeia-Quadranten

Herkunft: Troyla

Alter: 68 (nach ISA-Zeit) = 57 (nach Troyla-Zeit)

Aussehen: humanoid; dunkelrotes Haar, hellgrüne Haut, schwarze Augen

Größe: 1,73 m

Geburtstag: 228. Tag des Jahres 13.465

Geburtsort: Haus 2931, Trehainu-Tempelbezirk

Mutter: Saika Trevayaa, Priesterin

Vater: Dono Trekitaa, Arzt

Geschwister: Kibor (13.463), Naya (13.465, Zwillingsschwester), Tari (13.473)

Familienstand: ohne Partnerin

Kinder: Simaya Trebikaa (geb. 13.488), Kendro Trekunaa (geb. 13.501) und Fali Trekunaa ( geb. 13.504)

––––––––


LEBENSLAUF:

Als Sohn einer Priesterin besitzt Kendro Trevayaa die (bei ihm inaktive) Veranlagung zur Telepathie. (Auf Troyla hat sich Telepathie evolutionsmäßig schon früh entwickelt und gilt als Gabe der Götter, weshalb alle telepathisch begabten Troylaneh – zu 98,2 % Frauen – die Priesterschaft stellen.) Deshalb erhält er seit seinem zweiten Lebensjahr eine Sonderausausbildung seiner geistigen Fähigkeiten. Er durchläuft nebenbei eine normale Grundausbildung (Schule). Nachdem sich im Alter von elf Jahren (Beginn der Pubertät) herausstellt, dass seine telepathischen Fähigkeiten inaktiv bleiben werden und deshalb der Beruf des Priesters für ihn nicht infrage kommt, entscheidet er sich zunächst für eine schwerpunktmäßige Ausbildung in Astrophysik. Im Rahmen der dafür erforderlichen „Feldforschungen“ entdeckt er seine Begeisterung für die Raumfahrt und tritt im Alter von 16 der Troylanischen Raumflotte bei. Er absolviert eine Ausbildung zum Navigator. Da er wie jedes Mitglied der Raumflotte auch in aktiver Verteidigung ausgebildet wird und politisch interessiert ist, erkennt er schnell, dass die Interstellare Polizei der Dreh- und Angelpunkt nicht nur für die Sicherheit, sondern auch für die innere Stabilität der ISA ist. Deshalb tritt er im Alter von 24 Jahren (28 Jahre ISA-Zeit) der IsteP bei.

Zunächst macht er als Jägerpilot Karriere und arbeitet sich erst zum Kommandanten einer Jägerstaffel hoch, danach zum Kommandoleiter der Jägerstaffeln auf dem Trägerschiff KRONAR 619. Als im Rahmen eines schweren Gefechts mit tinuskischen Streitkräften die KRONAR schwer beschädigt und im Zuge dessen sowohl ihr Kommandant wie auch der Erste Offizier getötet werden, übernimmt Trevayaa interimsweise das Kommando. Dabei bewährt er sich in herausragender Weise, sodass er, nachdem die KRONAR ein paar Monate später ausgemustert wird, das Kommando über die neu in Dienst gestellte SALAK 221 erhielt. Trevayaa ist zu diesem Zeitpunkt 50 Jahre alt (ISA-Zeit) und erhält mit dem Kommando den Rang Subadmiral (siehe unten, Rangfolge in der IsteP). Zehn ISA-Jahre später (336 ISA-Zeit) wird die SALAK 221 nach dem in einem Gefecht mit Piratenschiffen zerstörten Cassiopeia-Führungsschiff KSERKSES 108 zum Führungsschiff bestimmt und Trevayaa zum Admiral befördert.

Persönliches:

Aufgrund der besonderen Ausbildung seiner geistigen Fähigkeiten in einem Tempel, besitzt Kendro Trevayaa eine stark ausgeprägte Intuition und ein hervorragendes Gedächtnis (sehr zum Leidwesen mancher Untergebener). Er ist sehr religiös und zieht aus seinen täglichen Gebeten und Meditationen die für seinen Job erforderliche Kraft und Stabilität.

Er hatte bisher drei Lebenspartnerinnen – Kiri Trebikaa, Sena Trekunaa und Vera Galucci (Terrani) – und aus diesen Verbindungen drei Kinder. Sein Verhältnis zu den Expartnerinnen ist freundschaftlich, das zu seinen Kindern sehr liebevoll. Wenn er es einrichten kann, feiert er einmal im Jahr zusammen mit ihnen auf Troyla das neuntägige Götterfest, zu dem auch Vera Galucci meistens kommt.

Er ist gesellig, mitfühlend und humorvoll. In seiner Freizeit liest er viel, schreibt Gedichte und hört troylanische Chormusik.

***


RANGFOLGE IN DER ISTEP

(Von hoch nach niedrig; in der terranischen Übersetzung der jeweiligen Begriffe aus dem ISArru. Hinweis: Da seit dem terranischen Jahr 2101 die Kunstsprache „Globalor“ als weltweite offizielle Amtssprache festgeschrieben wurde, die sich aus allen existierenden terranischen Sprachen zusammensetzt, mischen sich in den terranischen Übersetzungen deutsche, englische und französische Wörter.)

Erster Admiral – (Anrede: Admiral) Oberkommandant der IsteP (diesen Rang gibt es daher nur einmal in der IsteP)

Admiral – Oberkommandant eines Sternenkommandos oder erster, zweiter und dritter Stellvertreter des Ersten Admirals oder Leiter der IsteP-Verwaltung

Subadmiral – (Anrede: Subadmiral; im Gefecht: Admiral) Zweiter Kommandant eines Sternenkommandos (Erster Offizier) oder Kommandant eines Trägerschiffes oder Ressortleiter in der IsteP-Verwaltung; in Ausnahmefällen Oberkommandant eines Sternenkommandos

Chef de Bord – (Anrede: Chef) Sonderrang, der ausschließlich für die Kommandanten der Ghrimbal-Stationen gilt; ein Chef de Bord ist aber auch gegenüber niedrigeren Rängen anderer IsteP-Abteilungen weisungsbefugt.

Main Captain – (Anrede: Captain) Kommandoleiter eines Jägerstaffelkontingents oder Ressortleiter (z. B. der Navigation oder Versorgungsabteilung) oder eine leitende Position in der Verwaltung

Zweiter Captain – (Anrede: Captain) Kommandant einer Jägerstaffel oder stellvertretender Ressortleiter oder stellvertretender Ressortleiter in der IsteP-Verwaltung

Dritter Captain – (Anrede: Captain) Stellvertreter eines Staffelkommandanten oder 2. Stellvertreter des Ressortleiters in der Flotte oder Verwaltung

Main Lieutenant – (Anrede: Lieutenant) Normale Tätigkeit in jedem beliebigen Ressort mit der Befähigung und Befugnis, im Bedarfsfall Kommandofunktion auszuüben.

Lieutenant – Normale Tätigkeit in jedem beliebigen Ressort mit Weisungsbefugnis gegenüber den unteren Dienstgraden.

Cadet-Lieutenant – (Anrede: L-Cadet) Unterste Stufe der Offizierslaufbahn. Normale Tätigkeit in jedem beliebigen Ressort mit Weisungsbefugnis gegenüber den unteren Dienstgraden.

Main Ensign – (Anrede: Ensign) Oberster Dienstgrad der Mannschaftsgrade. Normale Tätigkeit in jedem beliebigen Ressort mit Weisungsbefugnis gegenüber den unteren Dienstgraden.

Ensign – 2. Mannschaftsdienstgrad. Normale Tätigkeit in jedem beliebigen Ressort mit Weisungsbefugnis gegenüber den unteren Dienstgraden.

Subensign – (Anrede: Ensign) 3. Mannschaftsdienstgrad. Normale Tätigkeit in jedem beliebigen Ressort mit Weisungsbefugnis gegenüber dem Caporal.

Caporal – (Anrede: Capo) Unterster Mannschaftsdienstgrad. Normale Tätigkeit in jedem beliebigen Ressort. Sofern Neulinge nicht bereits z. B. in der IsteP-Verwaltung oder in der Flotte eines ISA-Mitgliedsvolkes Karriere gemacht haben und dort einen höheren Rang erworben haben, ist dies der Einstiegsdienstgrad in die IsteP.

Bei gleichem Rang entscheidet das Dienstalter darüber, wer das Kommando hat. Der Dienstgrad wird an der Uniform durch die entsprechende Anzahl von weißen Sternen unter dem IsteP-Logo gekennzeichnet. 1 – 4 kleinere Sterne für die Mannschaftsgrade, 1 – 8 größere Sterne für die Offiziere, 1 großer Stern über 8 Offizierssternen für den Ersten Admiral.

***


ANREDE/GRUSS IN DER IsteP:

Eine Anrede, die dem im Englischen gebräuchlichen „Sir“ entspricht, gibt es nicht. Vorgesetzte werden entweder nur mit ihrem Rang oder mit dem Rang + Namen oder mit der Bezeichnung der Position angesprochen, die sie innehaben (z. B. „Erster Navigator“). Im dienstlichen Gespräch ist die alleinige Rangbezeichnung am gebräuchlichsten.

Da nicht alle IsteP-Angehörige denselben Körperbau haben, konnte keine Grußgeste gefunden werden (z. B. Hand an die Stirn), die alle identisch oder annähernd identisch ausführen können. Deshalb hat man auf eine Geste verzichtet und den verbalen Gruß „Hekah!“ festgelegt. Das ist das ISArru-Wort für „Gruß“ und entspricht in etwa dem „Guten Tag!“, ist aber unabhängig von der Tageszeit. Es wird sowohl als Begrüßung wie auch als Verabschiedung gebraucht.

***


DIE ISA-ZEIT:

Mit der Gründung der ISA wurde neben einer einheitlichen Sprache (ISArru) und einer Einheitswährung (der ISAtu, Plural: ISAti) eine einheitlich gültige ISA-Zeit eingeführt, deren Zählung ab dem Gründungstag (1. Mai 2196 irdischer Zeit) rechnet. Ein ISA-Jahr besteht aus 10 Monaten à 40 Tagen à 20 Stunden à 100 Minuten à 100 Sekunden.

Zum Vergleich: 1 ISA-Zeit-Sekunde entspricht 0,6 Erdsekunden, 1 ISA-Tag entspricht 21,9 Erdstunden (1 ISA-Jahr entspricht also bis auf ein paar Minuten Unterschied zufällig einem Erdjahr).

***


VÖLKERBEZEICHNUNGEN

Im Roman werden die im ISArru gebräuchlichen Volksbezeichnungen mit ihren spezifischen Endungen benutzt: –eh oder –neh für das gesamte Volk oder mehrere seiner Vertreter (z. B. Nagdaneh), –er oder –ner für ein männliches Mitglied eines Volkes (z. B. Terraner), –i oder –ni für ein weibliches Mitglied (z. B. Frelsini) und –a oder –na für doppel- oder mehrgeschlechtliche Wesen (z. B. Nilama vom Volk der Nilameh).

Mission Unendlichkeit - Das 1529 Science Fiction Abenteuer Paket

Подняться наверх