Читать книгу Mission Unendlichkeit - Das 1529 Science Fiction Abenteuer Paket - Mara Laue - Страница 22

Kapitel 7: Jede gute Tat wird bestraft

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Ort: Megapolis-Planet Chutala, Chutala-City, untere Ebenen

Zeit: 4699,1 NSüdK

Genormte Galaktische Zeitrechnung

––––––––


ISAAK SANDERS STRECKTE sich genüsslich. Der Kopfgeldjäger hatte sich in seinen zerschlissenen Mantel gewickelt, da er sein Gepäck in seinem abgestürzten Gleiter hatte lassen müssen. Nun besaß er nichts mehr als er am Leib trug.

Aus seiner Manteltasche zog er einen Energieriegel.

Nicht unbedingt eine Delikatesse, doch es enthielt alles, was er zum Überleben brauchte. Ein erwachsener Mensch konnte sich wochenlang ohne Nebenwirkungen von ihnen ernähren. Es hieß, dass sie ein komplettes Festmahl enthielten. Und leider genauso schmeckten, als wenn das Festmahl gemischt würde.

Er hatte seine Manteltaschen vorsichtshalber damit gefüllt. So bald würde er nicht verhungern. Wenn Isaak bedachte, wo er war, war Verhungern auch die unwahrscheinlichste Todesart für ihn.

Er spielte mit dem Gedanken, die Rationen noch zu halbieren, ließ es dann aber vorerst. Er hatte Hunger. Und hungrige Kopfgeldjäger machten Fehler. Isaak nahm kurz seinen Handcomputer heraus und überprüfte seine Position. Dann wechselte er zu einem Bild. Eine Frau, nicht mehr allzu jung. Heute war ihr Geburtstag. Wäre ihr Geburtstag gewesen. Es war seine Mutter, die ihn alleine großgezogen hatte, bis man sie getötet hatte. Isaaks Blick wanderte von dem Bildschirm auf den Boden vor ihm. Er steckte den Handcomputer weg.

Seine Augen weiteten sich, als er es sah. Er erstarrte mitten in der Bewegung.

Ein Tier krabbelte wenige Zentimeter neben seinem Fuß entlang. Doch nicht irgendeines der kleinen Insekten, die in den Untiefen zu Hause waren. Es war deutlich größer. Eine Hachee. Die Hachee waren eine spinnenartige Spezies, die in den Untiefen Chutala-Citys lebte. Von welchem Planeten sie einst eingeschleppt worden waren oder ob sie schon immer hier gelebt hatten, wusste niemand.

Sie hatte zwölf Beine, die in spitzen Nadeln endeten. Isaak hatte gelesen, dass eines ihrer Beine genug Gift enthielt, um ihn im Verlauf eines Tages qualvoll sterben zu lassen. Wenn er nicht zufällig auf ein Gegenmittel stoßen sollte.

Die Hachee verharrte direkt neben seinem Fuß. Eines der Beine ruhte auf seinem Schuh.

Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Bewegen? Nach ihr treten? Schießen? Konnte sie gut sehen? Roch sie ihn vielleicht?

Isaak wusste, dass es viele Jäger gab, die ihre Beute nur rochen, aber kaum sehen konnten. Gerade in den Tiefen von Chutala-City war Licht eher Mangelware.

Er atmete langsam aus und wieder ein. Sein Herzschlag verlangsamte sich.

Die Hachee setzte ihren Weg fort und war bald mehrere Meter von ihm entfernt.

Erst als sie mehr als zehn Meter zwischen sich hatten, wagte er sich wieder zu bewegen.

Die Hachee erzitterte und drehte sich zu ihm um. Isaaks rechte Hand ruhte auf seinem Pistolengriff.

Isaak blickte derweilen auf seinen Handcomputer und überprüfte seine Position. Er war immer noch ein ganzes Stück von dem Gebiet der Stobos entfernt, einer Gang, zu der Julian Sanders, seine Zielperson, vermutlich geflohen war.

Die Hachee drehte sich um und krabbelte davon.

Isaak lief es immer noch kalt den Rücken herunter. Er fragte sich nicht zum ersten Mal, ob Menschen prinzipiell Abneigung hatten gegen Lebewesen, die vollkommen unhumanoid waren, oder ob es sich einschlich, wenn man wenig mit ihnen zu tun hatte.

Er spazierte mit großen Schritten über die Weite einer Einkaufspassage. Irgendwann einmal war diese Plattform eine teure Einkaufsstraße gewesen, was ihm die diversen Leuchtreklamen an den Seiten verrieten.

Manche Reklamen konnte er lesen, andere waren in Alienschriftzeichen geschrieben.

Ein schwacher Nebel waberte um ihn herum. Er konnte gute vierzig, fünfzig Schritt weit sehen, was ihm genügte.

Die Plattform schlängelte sich zwischen mehreren Gebäuden durch und er sparte Tage, indem er sie benutzte anstatt die Gebäude zu durchqueren. Auf Mund und Nase hatte er die Atemmaske, die ihm Roxane gegeben hatte. Noch hatte er einen kleinen Vorrat an Sauerstoff.

Letzte Nacht hatte er ein Feuer entzündet und dabei festgestellt, dass es hier Tiere gab, die sich keineswegs davon abgeschreckt sahen.

Einige hatten das Feuer gerochen und es gelöscht.

Ihn hatten sie in Frieden gelassen. Er konnte nur raten, wieso sie das Feuer regelrecht angegriffen und ausgetreten hatten.

Wussten sie, was Feuer war? Waren sie vielleicht intelligent? Kannten sie Feuer und die Gefahr eines Brandes?

Der Boden wurde immer wieder überwuchert von einem dunkelgrünen Moos. Manchmal wucherten auch Ranken aus einem Gebäude auf die Plattform. Hier und dort leuchteten einzelne Ranken schwach.

Isaak wanderte weiter die Plattform entlang, bis er schlussendlich am richtigen Gebäude angekommen war.

Hier musste er rein. Er hatte ein flaues Gefühl im Magen bei dem Gedanken daran offenes Terrain zu verlassen. Er schluckte und konzentrierte sich auf seine Aufgabe.

Er ging zielstrebig auf eine große ehemalige Leuchtreklame zu, die kaum noch zu lesen war wegen des pflanzlichen Bewuchses.

Er war angespannt und beobachtete immer wieder die Umgebung.

Jederzeit war er bereit seine Pistolen zu ziehen, um sich zu verteidigen.

Er ging auf die verschlossene Tür zu und betätigte den in der Wand befindlichen Öffnungsschalter. Tatsächlich leuchtete der Bildschirm, zu dem der Schalter gehörte, kurz auf.

Isaak öffnete nun die Tür.

Dahinter lag ein Verkaufsraum voller Regale.

Nur fehlte die Ware. Die war vermutlich schon vor Isaaks Geburt gestohlen worden. Ein paar Insekten huschten herum. Etwas Faustgroßes mit buschigem Fell huschte über den Boden und unter ein Regal.

Isaak zog eine kleine Taschenlampe aus seinem Mantel und leuchtete ein wenig in den Raum.

Draußen war es zwar ebenfalls dunkel bis auf einzelne flimmernde Reklamen und die leuchtenden Ranken, doch wollte er die Taschenlampe nur benutzen, wenn es wirklich nötig war. Immerhin hatte er keine Ahnung, wann er sie würde aufladen können.

Isaak schlich in den Verkaufsraum hinein.

Kleinteile lagen auf dem Boden verstreut. Hauptsächlich Verpackungen. Er besah sich eine genauer. Erleichtert atmete er auf.

Schuhe.

Er war in einem Schuhladen. Seine schlimmste Befürchtung war gewesen in einem Lebensmittelladen zu landen. Dort würden sich sicher mehr Tiere angesiedelt haben. Zumindest nahm er das an.

Er schlich weiter und fand schließlich die Tür, die ins Treppenhaus führte. Nach dem Aufzug sah er sich gar nicht erst um.

Der würde ihn nur Zeit kosten, um ihn zu aktivieren und war eine ideale Falle, um eingesperrt zu sein. Wenn er denn überhaupt funktionierte.

Isaak stieg die Treppe hinab und leuchtete immer wieder weiter unten ins Treppenhaus.

Er kniff die Augen zusammen. War da eine Bewegung gewesen?

Isaak schüttelte den Kopf. Er wurde langsam immer paranoider, je länger er hier unten war.

Vermutlich wieder nur irgendein Lebewesen, das dem Herzinfarkt nahe war, da es etwas so Helles wie seine Taschenlampe hier nie gesehen hatte. Während der langen Wanderung, die er inzwischen hier hinter sich hatte, hatte er sich ein ums andere Mal gefragt, ob nicht eine halbintelligente Tierart ihn vielleicht verewigen würde, wenn sie ihn hier unten sah. Der Dämon mit dem hellen Licht in der Hand oder etwas in der Art. Generationen dieser primitiven Spezies würden ihn dann anbeten. Er verscheuchte die erheiternde Vorstellung und begab sich auf den schier endlosen Abstieg.

Treppenstufe um Treppenstufe ging er weiter hinab in die Tiefe.

Bald hatte er neun Stockwerke. Dann waren es sechzehn.

Schließlich verließ er nach einem weiteren Blick auf seinen Handcomputer das Treppenhaus.

Er war auf einem Gang, der diverse Abzweigungen hatte, vermutlich ein Wohnstockwerk.

Isaak ging weiter. Seine Schritte wurden durch einen leichten Moosbewuchs am Boden gedämpft.

Hin und wieder wucherte eine Pflanze eine Wand entlang. Manche hatten seltsame, bernsteinfarbene Blüten, die von innen schwach zu glühen schienen.

Ein paar Gräser erregten Isaaks Aufmerksamkeit. Sie bewegten sich. Isaak legte die Linke auf eine Pistole, zögerte aber.

War da ein Tier? Das grasartige Gewächs war hüfthoch.

Doch dann entspannte er sich.

Das Gras bewegte sich tatsächlich. Es hielt ein kleines, vierbeiniges Wesen fest!

Das Tier knurrte und fauchte, doch dann wickelte sich ein Grashalm um seinen Hals und das Knurren erstarb.

Isaak hob die Augenbrauen und schüttelte den Kopf. Er war wirklich an einem seltsamen Ort. Er schob die Gedanken beiseite und ging weiter den Gang entlang.

Er mochte die unteren Ebenen immer weniger.

*


„HILFE“, HALLTE ES langgezogen durch den Korridor, den Isaak inzwischen betreten hatte.

Hier wucherte eine phosphoreszierende Pilzart an den Wänden und erhellte die Gänge schwach. Hin und wieder gab es tatsächlich noch aktive Lampen. Den Rest des Lichts spendete die Pilzart, die schwach aus ihrem Inneren heraus glomm. Isaak war bereits aufgefallen, dass das Glimmen rhythmisch war, wie ein Herzschlag.

Er konzentriere sich.

Da war der Ruf erneut. Lauter. Verzweifelter.

Isaak beeilte sich. Er schien aus einer Abzweigung vor ihm zu kommen.

Er eilte um die Ecke. Ein weiterer Korridor lag vor ihm.

Erneut ertönte der Hilferuf.

War das ein Kind? Es klang wie ein junger Mensch. Sein Puls beschleunigte sich. Sollte er zur Hilfe eilen? Wenige Sekunden rang er mit sich, bis der Instinkt gewann.

Die Neugier.

Isaak rannte nun.

Gerade als er erneut überlegte, ob er nicht lieber weiterziehen sollte, bog er um eine weitere Ecke und bekam etwas hart gegen den Kopf.

Er krachte nach hinten und griff nach seinen Pistolen. Er bekämpfte den Schwindel, der aufkam und zog sie.

Dann spürte er einen Einstich am Bein.

Eine Spritze? Ein Giftstachel? Er wusste es nicht. Alles verschwamm.

Es wurde dunkel.

Isaak versank in einen traumlosen Schlaf.

––––––––


„WACH AUF“, KNURRTE jemand. Isaak spürte einen harten Stoß in die Seite.

Er versuchte den Arm zu heben, die Augen zu öffnen.

Alles fühlte sich falsch an. Taub. Die Welt um ihn fühlte sich an wie durch einen Schutzanzug.

Er murmelte etwas.

„Kämpf dagegen an, Arschloch. Wenn du leben willst, benimm dich endlich wie ein Mann.“

Erneut diese Stimme.

Ein weiterer Stoß in seine Seite.

Dann eine Ohrfeige.

Langsam kam das Gefühl wieder. Die Schläge schienen an den Stellen die Durchblutung zu fördern. Das Gift wurde schneller abtransportiert. War das die Absicht der Stimme? Eine weitere Ohrfeige. Diesmal auf die andere Wange.

Isaak kamen Zweifel.

Vielleicht reagierte sich da auch nur jemand an ihm ab.

Während die Wut in ihm hochkochte, gewann er immer mehr die Kontrolle über seinen Körper zurück.

Er öffnete die Augen und schaffte es gerade noch, mit der Hand einen weiteren Schlag in sein Gesicht abzufangen.

„Na endlich, Schwächling. Ich habe halb so lange gebraucht.“

Er sah sich den Schläger genauer an.

Dann stutzte er.

Es war eine Frau. Menschlich. Zumindest glaubte er das.

Ganz sicher war er sich nicht.

Sie hatte eine drahtige, muskulöse Figur. Trotzdem die unverkennbaren Proportionen einer Frau. Allerdings hatte sie ihren Kopf glatt rasiert. Völlig glatt. Nicht einmal noch Augenbrauen waren an ihr. Sie war über und über tätowiert. Es schien, dass manche Tätowierungen schon viele Jahre alt waren, da sie durch Narben entstellt waren. Andere wiederum banden Narben kunstvoll mit in Muster ein und verbargen sie so.

Sie trug nur ein ärmelloses Hemd und eine abgewetzte dunkelblaue Hose.

Dazu Stiefel, Isaak vermutete mit Stahlkappen. An der Art, wie sie sich bewegte, glaubte er das zu erkennen.

„Na, lange keine Frau hier unten gesehen? Hoffe nicht so lang, dass ich anziehend wirke“, lachte die Frau rau und blickte ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Sie wirkte mürrisch.

„So lange noch nicht, nein“, stimmte er zu und setzte sich auf. Er merkte, dass er immer noch seine Kleidung trug, auch seinen Mantel. Doch seine Waffen waren weg.

Wieder einmal.

Er hasste das.

Sie waren beide in einem kleinen Raum, vielleicht einmal eine Abstellkammer.

„Haben uns weggesperrt. Etwas mürbe machen. Hatten keinen Platz mehr, sonst hätten sie sicher nicht zwei zusammengesperrt. Oder sie sind dumm“, sagte die Frau und spuckte das Wort „dumm“ regelrecht aus.

„Wer?“, brachte Isaak hervor und lehnte sich an die Wand. Ihm war immer noch schummerig.

„Sklavenjäger“, erklärte die Frau, als wäre das völlig ersichtlich. „Haben sie dich auch mit einem Hilferuf geködert?“

„Sklavenjäger?“

„Natürlich. Gute, gesunde Menschensklaven bringen einiges. Jemand wie du hat sicher ‘ne Lebenserwartung als Sklave von fünf, vielleicht zehn Jahren. Damit bist du fast schon ein gutes Jahresgehalt wert. Aber du bist nicht erzogen. Also wohl nur ein halbes Jahresgehalt“, erklärte sie. Sie lief dabei durch den kleinen Raum, immer in Bewegung. Isaak musste dabei irgendwie an einen Terranischen Tiger denken, der in einen viel zu kleinen Käfig gesperrt wurde.

„Wie heißt du?“, fragte sie nun. „Du bist ein Jäger. Oberweltler.“ Raubtierhaft schritt sie auf und ab im Raum.

„Wie kommst du darauf?“, fragte er.

„Einmal die Haut. Minimal dunkler als das, was du hier unten bekommen kannst bei Kunstlicht und der seltenen Sonne. Zweitens dein Aussehen. Kleidung. Die zwei kleinen Holster. Die meisten hier unten haben keine so gute Ausrüstung. Viele tragen lieber größere Waffen. Also? Mach ich mal den Anfang. Mein Name ist Vanadis. Vanadis Poe. Kannst mich aber auch Rabe nennen“, erklärte sie nun. Dabei deutete sie auf eine Rabentätowierung, die einen Teil ihres Rückens einnahm.

„Der Rabe? Wieso?“

„Weich nicht aus. Rabe, weil das ein Tier von der Erde ist, das auf andere Welten eingeschleppt wurde. Hartnäckig. Hat nun schon ‘ne ganze Menge überlebt. Zudem gilt es als hinterlistig, glaube ich.“

„Isaak“, stellte er sich nun vor. „Kopfgeldjäger.“

„Dacht‘ ich‘s mir. Willst den großen Wurf landen und einen hier unten fangen, der allen entkommen ist, nur nicht dir? Vergiss es. Es hat seinen Grund, wieso nur die Verzweifelten herkommen.“

„Ist das nicht gerade sowieso egal?“, bemerkte Isaak und deutete auf den Raum um sie herum.

Sie lachte und nickte.

„Ich will hier nicht sterben, klar?“

„Ach, hast du einen Plan?“

„Natürlich“, erklärte sie ruhig. Sie hatte etwas in ihrem Blick, das Isaaks Nackenhaare dazu brachte sich aufzustellen. Er bekam eine Gänsehaut. Das war der Blick einer Frau, die viel Leid erfahren hatte. Und der Blick einer Killerin.

Sie erschien ihm zwar einerseits wie ein Raubtier, das berechnete und gnadenlos tötete, aber da war mehr. Etwas, das unter der Oberfläche lauerte.

Isaak hatte in seinem Beruf ein gutes Gefühl für Menschen entwickelt. Sie war das, was man einfach als gefährlich bezeichnen musste.

„Wie sieht der Plan aus?“, fragte er.

„Sie werden dich gleich rausbringen aus der Zelle und mustern. Haben sie bei mir auch getan. Machen Fotos, nehmen Maße für die Sklavenauktion“, erklärte sie.

„Sie versteigern uns?“

„Ich denke mal, du bist bisher noch nicht oft mit Sklaverei in Kontakt gekommen“, schlussfolgerte Vanadis.

Er schüttelte den Kopf. „Es ist widerlich.“

„Urteilt der Kopfgeldjäger“, spie Vanadis aus, lachte dann aber erneut dieses raue, humorlose Lachen.

„Die Kerle würden sich gegenseitig verkaufen, wenn sie keine Angst voreinander hätten. Also, wenn sie dich holen wollen, versuchen wir sie zu überwältigen.“

„Genialer Plan, so tiefgründig und verschachtelt“, stimmte Isaak entnervt zu.

Sie zeigte ihm ein hintergründiges Lächeln.

„Du kennst mich nicht.“

Isaak nickte und sie versanken in angespanntes Schweigen.

––––––––


ENDLICH ÖFFNETE SICH die Tür.

Mehrere Stimmen waren zu hören.

Es wurden Befehle gebellt.

Dann trat ein glatzköpfiger Mensch mit üblen Narben auf Gesicht und Hals in den Raum. Er trug eine leichte Rüstung aus Platten, die vermutlich kleinere Projektile aufhalten würde.

Dafür schränkte sie definitiv seine Bewegungen ein.

Isaak bemerkte, dass er sich langsam und betont ruhig bewegte.

Vermutlich war die Rüstung neu. Darum wirkten die Bewegungen nicht flüssig.

„Steh auf“, knurrte Narbengesicht Isaak an.

Isaak tat wie geheißen und bewegte sich langsam, als würde das Betäubungsmittel noch wirken.

„Keine Hektik“, nuschelte er. Der Glatzkopf entspannte sich etwas.

Die Tür wurde geöffnet. Mehrere Humanoide standen im Halbkreis und warteten angespannt. Als Isaak langsam in den Türrahmen trat, entspannten sie sich. Zumindest die Mehrheit, wie Isaak aus leicht zusammengekniffenen Augen erkannte.

Dann drehte er sich um und schlug Narbengesicht ins Gesicht, so dass dieser taumelte und zu Boden ging.

Einer der Umstehenden fluchte.

Isaak wirbelte herum und trat nach dem nächsten Gegner, dessen Schienbein er erwischte.

Der Getroffene knickte ein.

Doch Isaak war bereits dabei, sich gegen einen bärtigen Menschen mit dunkler Haut zu wehren, der ihn im festen Würgegriff hatte.

Plötzlich ließ dieser locker und Isaak konnte sich befreien.

Was er nun sah, verschlug ihm glatt den Atem. Vanadis wirbelte im Raum umher, als wäre sie kein Mensch.

Sie duckte sich unter Schlägen weg, verpasste einem Angreifer einen Kinnhaken, der ihn ausknockte, und war in der gleichen Sekunde bereits zur Seite gerollt, um einem Tritt auszuweichen.

Schon war sie wieder auf den Beinen und schlug einen weiteren Angreifer so fest gegen die Wand, dass es vernehmbar knackte.

Isaak hatte allerdings kaum Zeit ihre Kampfkünste zu bewundern, denn ein anderer Gegner stellte sich ihm bereits gegenüber.

Er wich einem rechten Haken von Isaak aus, als plötzlich ein Schuss donnerte.

Dann ein weiterer.

Alle Anwesenden erstarrten und blickten in die Richtung, aus der er gekommen war.

Vanadis hatte einem der Sklavenhändler eine Pistole abgerungen und nun zwei erschossen.

„Duck dich“, rief sie noch, dann begann sie auf alle Anwesenden zu schießen.

Isaak ließ sich reflexartig einfach zu Boden fallen.

Blut spritzte, als ein nahe stehender Sklavenhändler am Kopf getroffen wurde.

Nach nur wenigen Sekunden war alles vorbei.

Um Isaak lagen ein Dutzend Leichen. Blutlachen bildeten sich.

Er sah Vanadis an.

Einerseits war er dankbar, andererseits hasste er unnötige Tote. Das war für ihn bestenfalls schlampige Arbeit.

„Was?“, keifte sie ihn an, als sie seinen Blick bemerkte.

„Nichts.“

Isaak betrachtete die Toten genauer.

„Wo sie wohl unsere Habseligkeiten aufbewahren?“, fragte er, während er einem Toten die Pistole abnahm. Der Mann war nicht alt, vielleicht gerade einmal zwanzig Jahre. Sein Kiefer wirkte unnatürlich, gebrochen und falsch zusammengewachsen.

„Keine Ahnung. Hast du was Wichtiges verloren?“, fragte Vanadis und begann dabei ebenfalls die Toten zu überprüfen. Ruppig wühlte sie in deren Taschen.

„Lebenswichtig“, erklärte Isaak. „Einen Handcomputer.“

Er überlegte, wie weit er ihr vertrauen konnte.

Als sich ihre Blicke erneut begegneten und er diesen Wahnsinn in ihrem sah, wusste er es.

Gar nicht.

„Eine Karte“, stellte sie fest. „Oberweltler, der etwas sucht, also eine Karte.“ Sie tippte sich dabei zufrieden an ihre Stirn.

Plötzlich ertönte ein Alarm. Eine Sirene erschallte, laut und unangenehm hoch.

„Sie haben unseren Ausbruchsversuch entdeckt“, stellte Isaak fest.

„Wieso Versuch?“ Vanadis eilte zu einem Lüftungsschacht-Eingang nicht weit von der Tür entfernt. Erneut hatte Isaak dabei das Bild einer Raubkatze im Sinn.

„Hilf mir meine Männer zu befreien, dann helfe ich dir mit deinem Computer“, sagte sie und hielt ihm die Hand hin.

Er sah sie kurz an und nickte dann. Er hatte keine Wahl. Isaak ergriff sie.

„Abgemacht“, sagte er.

Sie schoss das Gitter vor dem Lüftungsschacht weg und kletterte hinein. Sie musste auf allen Vieren krabbeln.

„Beeil dich. Diese Gebäudeart kenn ich. Sie werden uns ungern hier verfolgen. Die meisten haben sowieso Angst vor diesen Schächten.“

Isaak folgte ihr und verkniff sich zu fragen wieso. Wenn sie ihnen nicht folgen wollten in diese Tunnel, die die gigantischen Gebäude durchzogen, hatte das meist nur einen Grund.

Tiere. Gefährliche Tiere.

So schnell wie es ging eilte er Vanadis hinterher. Sie wandte sich immer wieder, nach links, nach rechts. Nach der zwanzigsten Abzweigung hatte Isaak jegliches Gefühl dafür verloren, wie er zurückkommen würde.

Ob sie wirklich wusste, wo es lang ging?

Plötzlich blieb sie stehen. Isaak krachte fast in sie hinein, konnte sich aber im letzten Moment stoppen.

„Was ist?“, zischte er ihr zu.

Er versuchte einen Blick über ihre Schulter zu werfen.

Ein unterarmlanges vielbeiniges ... Etwas lief vor ihr durch den Tunnel. Es hatte unzählige Beine in verschiedenen Längen. Manche dienten vielleicht nur zum Tasten, andere endeten in kleinen Klauen. Das Tier hatte einen dichten Schuppenpanzer.

Isaak wollte etwas sagen, doch sie hielt ihm die Hand auf den Mund.

Das Tier blieb stehen. Ein paar der Beine erzitterten.

Dann setzte es seinen Weg fort und verschwand um eine Ecke.

„Sind nicht gefährlich, wenn man nicht auf Ärger aus ist und sie in Ruhe lässt“, erklärte Vanadis und machte sich wieder auf den Weg. An der Abzweigung, an der das Tier verschwunden war, warf sie erst einen prüfenden Blick um die Ecke.

Dann, da es verschwunden war, lächelte sie zufrieden und machte sich wieder auf den Weg, gefolgt von Isaak.

Schließlich öffnete Vanadis eine Luke und trat aus dem Lüftungssystem heraus in eine kleine Kammer.

„Wo sind wir?“, fragte Isaak und musterte den Raum. Vermutlich ein kleines Schlafzimmer für Gäste in einer Wohneinheit, ging es ihm durch den Kopf.

Bis auf ein leeres Bettgerüst, das auf dem Boden verankert war, und einem in der Wand eingelassenen Regal war nichts mehr im Raum.

Einige Wandverschalungen fehlten und entblößten die dahinter liegenden Rohre und Kabel.

„Weit genug weg, um uns wieder reinzuschleichen“, stellte Vanadis fest.

„Ich dachte, du kennst dich aus?“

„Grob. Weißt du, wie groß solche Gebäudekomplexe sind? Wie viele Extrawünsche oft beim Bau berücksichtigt wurden? Manche ließen Geheimräume in ihre Wohneinheiten einbauen“, erklärte Vanadis und öffnete die Zimmertür. Da die Luft rein zu sein schien, trat sie hinaus.

Isaak folgte ihr. In eine Wand eingelassen war ein alter Bildschirm. Isaak tippte darauf. Der Bildschirm flammte auf und erwachte zu neuem Leben.

Vanadis blickte skeptisch zu Isaak.

„Manchmal gibt es Gebäudepläne im internen System“, erklärte er. Er rief den entsprechenden Plan auf den Bildschirm auf. Dieser flackerte zwar, war aber noch gut zu erkennen.

„Somit laufen wir nicht ganz blind.“

Vanadis lachte.

„Was?“, fragte Isaak.

Das Lachen verebbte langsam. „Wie wahrscheinlich ist es, dass einer dieser internen Rechner noch läuft? Du hattest gerade Glück, sonst hättest du dich nur blamiert.“

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Ein wenig von der Anspannung fiel von ihm ab. Dann nickte er. „Aber umso weiter unten man ist, umso primitiver die Technologie. Deswegen funktioniert sie manchmal noch. Es ist erstaunlich, wie langlebig manche Systeme sind.“

Er hatte nun den Gebäudeausschnitt von ihrer näheren Umgebung vor sich.

„Da kommen wir her, oder?“, fragte er und deutete auf einen Raum. Dann auf einen weiteren. „Oder von da.“

Sie zeigte auf den zweiten. „Eher von dort.“

„Dort werden sie vermutlich weitere Gefangene haben“, spekulierte Isaak. „Keine Fenster und hier, auch keine Lüftungsgitter. Zumindest keine, die groß genug für einen Menschen sind.“

Vanadis nickte langsam und kratzte sich am kahlen Schädel.

„Da kann ich uns hinführen“, stellte sie fest. Mit starrem Blick fixierte sie den Plan. Sie nickte wie zur Bestätigung. „Ja, das kann ich.“

Sie wirkte inzwischen etwas fahrig. Isaak bemerkte, dass sie schwitzte und manchmal aus den Augenwinkeln sah er, dass sie zitterte.

Als sie sich erneut in das Tunnelsystem der Lüftung begeben wollten, fragte er: „Alles in Ordnung?“

Sie erstarrte und fragte ausweichend. „Wieso nicht?“

„Du zitterst. Bist du von irgendwas auf Entzug?“

„Ich habe nur länger nichts gegessen“, knurrte sie ihn an und verschwand im Tunnel. Er folgte ihr. Er war sich sicher, dass sie von irgendeinem Stoff auf Entzug war.

––––––––


SIE FÜHRTE IHN ZIELSICHER durch die Tunnel. Nur hin und wieder blieb sie an einer Kreuzung stehen, schloss die Augen und presste die Hände gegen die Schläfen. Nach einigen Minuten, die sie so verharrte, eilte sie dann in eine der möglichen Abzweigungen. Ohne Kommentar, ohne Zögern.

Isaak folgte ihr misstrauisch. Er selbst war der Meinung, dass sie noch auf dem richtigen Weg waren. Aber beschwören würde er es nicht. Das Tunnelsystem verwirrte ihn, vor allem da sie mehrere Tunnel Umwege in Kauf nehmen mussten, wenn der direkte Weg von seltsamen Pflanzen zugewuchert war.

Natürlich hätten sie auch versuchen können sich durchzuquetschen, aber sie waren sich einig, nicht herauszufinden, was hier unten für Menschen giftig war und was nicht.

Plötzlich erstarrte Vanadis. Auch Isaak blieb stehen und lauschte.

Da war ein Geräusch, dumpf durch die Wände, die sie von den Fluren und Korridoren des Gebäudes trennten, aber doch hörbar.

„Ein Alarmton“, stellte Isaak fest. „Eine Sirene. So eine wie vorhin, als wir geflohen sind.“

„Da lang.“ Vanadis zeigte eine Abzweigung entlang.

„Ist das ein normaler Alarmton in so einem Gebäude? Wenn es brennt oder irgendwas?“ Auf Isaaks Frage hin schloss Vanadis die Augen und lauschte angestrengt.

„Nein, das ist kein normaler Ton. Nicht hier, ich hab schon mal den Feueralarmton gehört. Auch den für Einbruch.“

„Einbruch?“

„Manche Diebstahlsicherungen funktionieren hier unten noch. Irgendwann war das hier mal ganz oben, die Wohnungen der Reichen. Da gab es auch Einbruchsicherungen.“

Sie nahm die Abzweigung, aus der der Alarm kam, gefolgt von Isaak.

Der Lüftungsschacht endete vor ihnen. Dahinter lag ein Flur, in dem geschossen wurde. Stimmen waren zu hören. Befehle wurden gebrüllt. „Das sind meine Männer“, stellte Vanadis fest. „Meine Truppe. Der Alarm vorhin, das waren nicht wir, sondern sie.“

Vanadis sah glücklich zwischen den Schlitzen des Lüftungsgitters hervor.

„Wir müssen ihnen helfen“, stellte Vanadis fest. Sie lehnte sich etwas zur Seite, um ein Bein frei zu bekommen und trat mit aller Wucht das Lüftungsgitter aus seiner Befestigung.

Dann hängte sie sich in den Flur herein und schoss in die Richtung der Sklavenhändler.

Kugeln flogen haarscharf an ihr vorbei.

„Was auch sonst“, murrte Isaak.

Vanadis sprang nun komplett aus der Deckung heraus und schnellte in einen Wohnungseingang. Die Wohnungstür lag etwas tiefer als die Korridorwand und bot deswegen ausreichend Deckung.

Isaak sah aus dem Schutz des Lüftungsschachtes heraus in den Flur.

Er konnte mehrere Humanoide erkennen, die wild zusammengewürfelte Waffen und Kleidung trugen. Wegen Vanadis gut gezielter Schüsse duckten sie sich hinter einen breiten, stählernen Tisch, den sie als mobile Deckung vor sich her schoben.

Er wies bereits eine Menge Dellen auf.

Am anderen Ende des Korridors lagen mehrere Leichen.

In anderen Wohnungseingängen versuchten sich Menschen zu verbergen, was nicht jedem gut gelang.

Isaak wartete darauf, dass sich einer der Angreifer sehen ließ.

Gleichzeitig erhoben sich fünf Sklavenhändler aus ihrer Deckung und eröffneten das Feuer.

Isaak schaffte es einen zu erschießen, bevor ein anderer begann auf ihn zu zielen.

Schnell versteckte er sich erneut im Lüftungsschacht.

Dann duckte er sich erneut heraus und spürte wie etwas seine Wange streifte.

Isaak zielte und schoss.

Zusammen mit Vanadis erledigte er die Sklavenhändler.

Der Tisch kam zum Stehen.

Er nickte Vanadis zu, die gemeinsam mit ihm auf den Tisch zu schritt, jederzeit darauf vorbereitet, dass ein weiterer Sklavenhändler hinter dem Tisch hervor springen und auf sie feuern würde.

Hinter dem Tisch lagen nur verrenkte Körper.

Vanadis und Isaak kletterten um den Tisch herum und überprüften sie. Keiner war noch am Leben.

Während Isaak die Toten nach neuer Munition durchsuchte, wandte sich Vanadis an ihre Leute.

Nur noch einer von ihnen konnte sich auf den Beinen halten.

„Jefry, sind sie tot?“, setzte Vanadis an. Isaak bemerkte, dass ihr Zittern in der Hand wieder stärker wurde.

Der Mann, der sich an die Wand des Korridors lehnte, nickte. Er atmete schwer.

Jetzt bemerkte auch Isaak, dass Jefry blutete. Es sickerte durch seine Kleidung und färbte sie dunkel.

„Kenala ist woanders, sie wurde von uns getrennt. Ich denke, sie ist tot. Und wir“, setzte er an und rutschte dabei an der Wand herab, bis er saß. Er verzog das Gesicht. „Wir sind es auch gleich.“

Vanadis eilte zu ihm, riss ein Stück seiner gesplitterten Brustpanzerung weg und sah darunter das Einschussloch.

„Isaak, Verbandszeug“, rief sie. Isaak betrachtete die toten Sklavenhändler. Wo auch immer sie ihre medizinische Ausrüstung verwahrten, sie trugen kein Stück davon mit sich.

„Sie haben nichts“, stellte er fest und Vanadis fluchte.

Jefry lächelte matt. Blut lief über seine Unterlippe. Sein mattgrünes Hemd war inzwischen blutgetränkt.

„Du weißt, wie ich das sehe“, sagte er und hustete stark.

Vanadis nickte. „Es ist, wie es ist“, flüsterte sie und Jefry schloss die Augen.

Isaak begann derweil damit die anderen Toten anzusehen. Keiner zuckte mehr, keine Brust hob und senkte sich beim Atmen.

Trotzdem kontrollierte er, ob er einen Puls fand, einen Atem fühlen könnte.

Sie waren alle tot, genau wie Jefry.

Vanadis‘ Blick war leer.

Isaak ging zu den toten Sklavenhändlern, einer spontanen Eingebung folgend.

Gleich bei dem ersten von ihnen wurde er fündig.

Ein Handcomputer, seinem eigenen nicht unähnlich. Es waren nur Karten einiger Stockwerke und ihre Befehle darauf. Man hatte sie geschickt, den Gefangenen den Weg abzuschneiden.

Isaak las neugierig die weiteren Anweisungen. Sie sollten umgehend mit den wieder eingefangenen Sklaven zurückkommen. Sofern sie sich weigerten aufzugeben, sollten sie sie töten.

Der Befehl war noch nicht sehr alt. Er war erst vor einer knappen Stunde gegeben worden.

Von ihm und Vanadis las er dort nichts.

„Was Nützliches?“, fragte plötzlich Vanadis direkt neben ihm. Er zuckte zusammen. Isaak hatte kein Geräusch gehört. Ihre Augen waren etwas gerötet, doch keine einzige Träne kam über ihre Wangen.

Isaak überlegte, ob er ihr noch einen Moment geben sollte, entschied sich aber dagegen. Sie schien es verdrängen zu wollen, einfach in einen Winkel ihres Verstandes stecken und nie wieder hervorholen.

Doch was ging ihn das an?

„Hier“, sagte er und zeigte ihr den Handcomputer.

„Da sind unsere Sachen“, sagte sie und deutete auf einen Raum auf dem Plan. Er war markiert mit einem dunkelgrünen Symbol.

„Das ist ein Pikan, ein Zeichen für Wertvolles“, erklärte Vanadis.

„Dann wissen wir, wo wir hin müssen“, stellte Isaak fest „Wirst du mich begleiten?“

„Wieso sollte ich nicht?“, fragte Vanadis ehrlich überrascht.

„Ich konnte meine Hälfte des Deals nicht einhalten“, stellte Isaak mit Blick auf die Leichen von Vanadis‘ Truppe fest.

„Wir haben sie gefunden“, erwiderte Vanadis und blickte noch einmal auf die Karte, bevor sie losmarschierte. „Jetzt will ich Blut sehen.“

––––––––


SIE BRAUCHTEN EINE Weile, um zu einem Treppenhaus zu gelangen, von dem aus sie ein Stockwerk weiter nach oben kamen.

Langsam gingen sie die Korridore entlang, graue, kalte Gänge. Hier wucherten weniger Pflanzen, die wenigen, die sie sahen, wiesen Brandspuren auf. Isaak vermutete, dass man sie schlicht wegbrannte, um sie loszuwerden.

Bei einigen von ihnen erschien ihm das auch als das Sicherste.

Manchmal huschte etwas in eine geborstene Wandverkleidung, wenn sie um eine Ecke traten. Isaak sah ein paar Mal pelzige Hinterteile verschwinden. Und einmal sah er zwei gelbliche, geschlitzte Augen aus einem aufgerissenen Rohr in der Wand blicken. Wem auch immer sie gehörten, war gut verborgen. Nur die Augen musterten neugierig die beiden Menschen, ohne auch nur einmal zu blinzeln.

In regelmäßigen Abständen waren Lampen mit eigener Energieeinheit an Decken und Wänden befestigt, die sich aktivierten, sobald sie näher kamen. Sie waren vermutlich auch von den Sklavenhändlern angebracht worden.

„Du hast hier unten also einen Job“, bemerkte Vanadis irgendwann.

„Hätte nicht gedacht, dass du was auf Smalltalk gibst“, erwiderte Isaak ausweichend.

Er war angespannt, jedes Geräusch um sie herum konnte sowohl von einem Sklavenhändler als auch von einem Tier stammen. Es war dabei aber nicht gesagt, was gefährlicher für sie sein konnte.

„Dann behalte es eben für dich, Jäger“, fauchte sie.

Plötzlich erstarrten sie beide. Da war ein deutlich vernehmbares Geräusch. Es waren Schritte zu hören.

Sie entsicherten die Pistolen, die sie den Sklavenhändlern abgenommen hatten. Isaak wog die Waffe prüfend in der Hand. Sie war ihm zu schwer, zu klobig im Vergleich mit seinen eleganten, langgezogenen Pistolen.

Er und Vanadis verständigten sich mit Blicken. Sie nahmen Positionen an den Seiten des Flures ein und Vanadis kniete sich hin. Sie hielt die Waffe mit beiden Händen, um sicherer zu zielen. Isaak hingegen hielt sie locker neben sich.

Er wusste, dass er besser schoss, wenn er aus der Hüfte zog.

Ein Mensch trat um die Ecke und erstarrte, als er nur wenige Meter vor sich in die gezogene Waffe von Vanadis blickte.

„Keine Bewegung“, knurrte sie. Er kam dem reflexartig nach.

Isaak musterte den Mann. Ihm fiel auf, dass es nach menschlichen Maßstäben eher ein Junge war, mit braunen Augen und schwarzen Haaren.

Dann kam es Isaak wieder in den Sinn, woher er den Jungen kannte.

„Du bist mein blinder Passagier gewesen“, stellte Isaak fest.

Auf dem Gesicht des Jungen war Überraschung zu erkennen.

Er runzelte die Stirn und musterte nun Isaak genauer. Dabei warf er immer wieder nervöse Blicke auf den Lauf von Vanadis‘ Waffe.

Er nickte.

„Drew“, stotterte er. „Drew Nashen ist mein Name.“

„Und, Drew, was hast du hier zu schaffen?“, fragte Vanadis verächtlich.

„Ich bin unterwegs“, erwiderte dieser.

„Gehörst du zu den Sklavenhändlern?“, fragte Isaak und trat auf Drew zu. Dieser schüttelte den Kopf. Eine kurze Abtastung bestätigte Isaak, was er sagte. Drew war unbewaffnet.

„Kann ich ihn erschießen? Er hält uns nur auf. Ist ein Risikofaktor. Sieht nicht aus, als könnte er kämpfen“, zischte Vanadis Isaak zu. Dieser schüttelte den Kopf.

„Er hat uns nichts getan, also lass ihn.“

Sie seufzte und sicherte ihre Waffe, behielt sie aber in der Hand.

Sie ging an Drew vorbei. „Komm“, sagte sie an Isaak gewandt.

Während sie sich wieder auf den Weg machten, folgte ihnen Drew nun.

„Ihr könnt mich doch nicht einfach so stehen lassen“, sagte er. „Ich habe keine Waffen.“

„Selber schuld“, sagte Vanadis in dem Moment, in dem Isaak es dachte.

„Aber die Sklavenhändler“, rief er. „Sie werden mich irgendwann fangen. Ich bitte euch, nehmt mich mit.“

Sie ignorierten ihn und gingen weiter.

Irgendwann, nach einigen weiteren Abzweigungen, gab Isaak nach. Er hatte ein schlechtes Gewissen, da er den Jungen indirekt in diese Situation gebracht hatte.

„Du folgst uns, bis wir raus sind aus dem Territorium der Sklavenhändler. Danach ziehst du ab“, zischte er ihn an.

Drew strahlte und nickte begeistert.

Vanadis verdrehte nur entnervt die Augen, enthielt sich aber sonst jedes Kommentars.

Sie erreichten endlich den Raum, der auf der Karte verzeichnet war. Es schien keine Wachen zu geben.

Also öffneten sie die Tür, die surrend in der Wand verschwand. Dahinter lag eine kleine Wohnung. Auf mehreren Kisten, in denen wohl Proviant verstaut war, lagen diverse Dinge. Waffen, Kleidungsstücke und selbst Schmuck waren dort.

Isaak lächelte zufrieden, als er die klobige Sklavenhändler-Pistole weglegen und seine beiden eigenen in die Hände nehmen konnte.

Isaak durchwühlte die Sachen auf dem Tisch und fand schließlich seinen eigenen Handcomputer. Er aktivierte ihn und stellte fest, dass die Sklavenhändler ihn noch nicht benutzt hatten. Keine Veränderungen waren vorgenommen worden.

„Keine Bewegung“, sagte hinter ihm nun eine zittrige Stimme. „Hände hoch, keine hektische Bewegung, klar?“

Isaak drehte sich langsam herum und streckte die Hände hinauf.

Drew stand mit einem Gewehr der Sklavenhändler ein paar Schritte hinter ihnen und zielte auf Isaak.

Vanadis stand allerdings nicht weit von Isaak weg, so dass Drew beide gut im Visier hatte.

„Was wird das, Junge?“, fragte Isaak mit ruhiger Stimme. Er war sich nicht sicher, ob der Junge den Mut haben würde abzudrücken. Es war eine Sache eine Waffe zu tragen und auf Tiere oder auf leblose Dinge zu schießen. Selbst auf Aliens war einfacher zu schießen als auf Angehörige der eigenen Art.

Drew biss sich in die Unterlippe. Er schwitzte etwas.

„Was soll das werden, na?“, fragte Isaak ruhig. Er überlegte fieberhaft, wie er die Situation retten konnte. Würde Drew lange genug zögern mit dem Schießen, so dass Isaak an seine Waffen kam?

„Du knallst uns ab und dann?“, hakte Isaak nach. „Man braucht einen Plan. Das macht Intelligenz aus. Nicht mehr instinktgesteuert zu handeln, sondern nachzudenken. Sich zu entscheiden einem Instinkt nicht nachzugeben. Sich zu überlegen, was für einen selbst rausspringt.“

Drew begann inzwischen leicht zu schwitzen vor Nervosität. Er blickte abwechselnd von Vanadis zu Isaak.

„Dann versorge ich mich mit den Lebensmitteln der Sklavenhändler“, murmelte Drew. „Oder ich liefere euch aus.“

Das schien ihm erst jetzt in den Sinn gekommen zu sein.

„Vielleicht nehmen sie mich auf?“, fragte er mit hoffnungsvoller Stimme, mehr zu sich selbst als zu Vanadis oder Isaak.

Es knallte.

Drew blickte ungläubig von Vanadis zu Isaak. Dann brach sein Blick, wie man es nur bei einem Sterbenden sehen kann. Blut lief aus dem rauchenden Loch in seiner Stirn.

Drew sackte in sich zusammen und das Gewehr fiel klappernd zu Boden.

Isaak blickte über seine Schulter zu Vanadis. Er war nicht überrascht, sie mit ausgestrecktem Arm zu sehen, die Pistole in der Hand.

Sie schnaubte und sicherte die Pistole.

„Nicht reden, Junge“, nuschelte sie. „Wenn du blutige Arbeit zu tun hast, tu es. Wer redet, wird erschossen.“

Isaak ging zu Drew und schloss ihm die Augen. Dann wandte er sich wieder an Vanadis.

Sie hatte getan, was er getan hätte, eine Gelegenheit genutzt. So überlebte man.

Er sah auf seine Karte. Er würde ein wenig brauchen, um genau herauszufinden, wo er war. Es kamen mehrere Gebäude in Frage. Vorausgesetzt, die Sklavenhändler hatten ihn nicht weiter weggeschafft. Genau wusste er schließlich nicht, wie lange er betäubt worden war oder ob sie ihn in einem Gleiter mitgenommen hatten.

„Du hast, was du brauchst?“, fragte Vanadis. Die Art, wie sie fragte, ließ Isaak aufhorchen. Ihre Fassade schien zu bröckeln.

„Was wirst du tun?“, fragte er.

Sie schien erfreut, dass er nicht einfach zugestimmt hatte und gegangen war.

„Ich werde Kenala suchen“, erklärte sie und steckte weitere Magazine für die gestohlene Waffe ein.

„Kenala?“, fragte Isaak. „Ist sie nicht auch tot?“

„Jefry sagte, sie wurden getrennt. Er glaubte, sie sei tot. Er sagte nicht, dass er es gesehen hat“, belehrte ihn Vanadis. Es klang nicht wirklich überzeugend.

Isaak nickte. Nicht weil er Vanadis zustimmte, er hielt das für Schwachsinn. Eine Ertrinkende, die sich an jedes halbwegs schwimmfähige Etwas hängte. Deswegen nickte er. Er verstand, dass alles, was Vanadis noch hatte, ihre Hoffnung war.

„Wo willst du nach ihr suchen?“, fragte Isaak.

Vanadis reichte ihm einen der Handcomputer, die herumlagen. Sie hatte eine Karte aufgeschlagen.

„Dort sind auch Gefangene.“

„Also einfach auf gut Glück.“

Sie zuckte die Schultern. „Je mehr hier rumlaufen, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne gut rauskommen.“

Er kratzte sich nachdenklich am Kinn.

Ihm gefiel das nicht. Er hatte einen Auftrag, der nicht leichter wurde, wenn er sich mit anderen Dingen beschäftigte.

Schließlich sagte er ja.

„Ich begleite dich dabei.“

„Ist da nicht irgendein Mörder, Schmuggler oder Politiker, den du aus dem Verkehr ziehen musst?“

„Kann warten“, stellte Isaak fest.

Vanadis lächelte kurz, matt.

„Danke“, sagte sie und Isaak nickte. Er ging, gefolgt von ihr, aus dem Raum. Man war sich selbst der größte Feind, ging es Isaak durch den Kopf. Er war einfach zu gutmütig.

––––––––


SIE EILTEN DURCH DIE Korridore des Gebäudes.

Anstatt der erwarteten Sklavenhändler waren sie bisher auf niemanden gestoßen.

Isaak machte das nervös. Es gab nur eines, was schlimmer war als eine unbekannte Zahl von Feinden um sich herum: nicht zu wissen, wo sie steckten.

„Vielleicht macht Kenala ihnen Ärger“, spekulierte Vanadis, als hätte sie seine Gedanken gelesen. „Oder sie hat bereits andere befreit.“

Isaak nickte, zweifelte aber. Möglich war es, aber müssten sie dann nicht zumindest entfernt Schüsse hören? Einige der Sklavenhändler benutzten Waffen mit großem Kaliber. Niemand störte sich hier unten am Lärm.

Doch es war ruhig.

Still wie in einem Grab.

Plötzlich gellten Schüsse durch die Stille.

Vanadis und Isaak sahen sich kurz an und beschleunigten dann ihre Schritte.

Ohne ein weiteres Wort entsicherten sie ihre Waffen.

Die Schüsse waren nahe. Erneut mehrere.

Sie blickten um eine Wendung des Korridors und sahen, wie eine Gruppe Männer in die Dunkelheit vor ihnen feuerte.

Sie standen mit dem Rücken zu Isaak und Vanadis, so dass sie nicht sahen, worauf sie feuerten.

Schreie gellten. Sie riefen etwas, das Isaak nicht verstand.

„Nein“, hauchte Vanadis.

Plötzlich zog Vanadis Isaak von der Ecke weg.

„Wir müssen gehen“, flüsterte sie. „Sofort.“

Isaak sah sie verwirrt an, doch sie nahm seinen Arm und zog ihn mit sich in eine andere Abzweigung des Korridors.

Er hatte Mühe mit ihr Schritt zu halten, denn sie wurde immer schneller.

Schließlich rannte sie.

Als sie wieder langsamer wurde, brachte er zwischen zwei Atemzügen heraus: „Was sollte das?“

Schweiß glänzte auf ihrer Stirn. Angstschweiß, wie Isaak klar wurde.

Ihre Augen blickten nervös in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

„Sie dürften nicht hier sein“, flüsterte sie.

„Was denn, wer verdammt nochmal?“, knurrte Isaak nun. Sie legte ihm die Hand auf den Mund.

„Ruhig. Sei leiser“, zischte sie. „Die Peschark. So nennen wir sie.“ Ihre Stimme zitterte dabei leicht vor Angst.

„Ist das nicht ein Wort der Lonyken?“, flüsterte Isaak.

Sie nickte.

„Es ist einer ihrer Dämonen, glaube ich. Hier unten aber sind sie sehr real. Sie ernähren sich von Menschen und anderen Humanoiden. Es heißt, dass sie Kilto nur foltern, Menschen aber essen. Niemand weiß allzu viel über sie. Manche behaupten, es sind die früheren Bewohner der unteren Ebene, die wahnsinnig wurden, die dünne Hülle der Zivilisation abwarfen. Andere sagen, sie waren schon immer hier. Vielleicht ist es die ursprüngliche Spezies auf Chutala.“

„Und?“

„Wir ...“, setzte Vanadis an und zögerte. „Und was?“

„Steht dein Plan nicht mehr? Willst du die Sklaven nicht befreien?“

Sie blickte ihn an als wäre er wahnsinnig.

„Du hast noch nie gesehen, was die Peschark mit Gefangenen machen. Wenn sie dich kriegen, bring dich lieber um. Das ist besser als ihr Spielzeug zu werden.“

Isaak blickte sie nachdenklich an.

„Also ist es hiermit zu Ende?“, fragte er. „Dann gehe ich meines Weges.“

Er wollte sich gerade abwenden, da sagte Vanadis: „Halt, warte. Der Plan.“

„Ja?“

„Vielleicht ist Kenala noch dort draußen. Ich brauche deine Hilfe. Gerade wegen der Peschark.“

Isaak fragte sich, was ihm besser gefallen würde: Getrennte Wege zu gehen oder ihr zu helfen.

Gute Taten werden eigentlich immer bestraft, ging es ihm durch den Kopf.

Dann zuckte er mit den Schultern.

„Also wieder zurück?“

Sie nickte. „Aber wir müssen vorsichtig sein.“

„Das ist ja nichts Neues.“

––––––––


VANADIS UND ISAAK SUCHTEN sich dieses Mal einen anderen Weg durch das verzweigte System aus Gängen und Räumen.

Jedes Mal, wenn sie ein Geräusch hörten, erstarrten sie mit entsicherten Waffen.

Doch sie bekamen niemanden zu sehen, weder Sklavenhändler noch Peschark.

Langsam begann sich Isaak zu fragen, ob Vanadis nicht übertrieb. Sie lebte scheinbar hier unten, somit nahm sie die vermutlich überzogenen Geschichten über menschenfressende Peschark natürlich sehr ernst.

Aber wie oft war eine Legende nichts weiter als ein, zwei Fakten in einer dicken Ummantelung aus Übertreibungen?

Plötzlich hielt Isaak inne.

Ein Ruf ertönte. Nicht laut, ein gutes Stück weit von ihnen entfernt.

„Ist das ein Hilferuf?“, fragte Vanadis.

Isaak erinnerte sich daran, wie ihn die Sklavenhändler geschnappt hatten. Jede gute Tat ...

„Lass uns nachsehen“, entschied er.

Sie eilten den Korridor hinab und dem Ruf nach.

Das Rufen wurde lauter.

Es war kein Hilferuf.

Eine Frauenstimme fluchte.

Als sie um die Ecke traten, zögerte Isaak eine Sekunde.

Der Anblick, der sich ihm hier offenbarte, brauchte einen Moment, um von seinem Verstand verarbeitet zu werden. Eine Menschenfrau, vielleicht eine Asiatin, kämpfte mit einem Mann. Doch dieser Mann war kein Mensch. Humanoid, mit krankhaft weißer Haut, sabberte er, während sie versuchte ihn auf Abstand zu halten. Ihr Bein blutete.

Was Isaak kurz verwirrte, war die Tatsache, wie der Humanoide sie angriff.

Es ging nicht darum sie zu überwältigen.

Es ging darum in sie hineinzubeißen.

Vanadis zögerte keine Sekunde.

Sie feuerte auf den Humanoiden, der nach hinten sackte, aber immer noch nach der Frau griff.

Seine Kiefer schlugen aufeinander, während er in die Luft biss.

Vanadis feuerte erneut. Der Kopf der Kreatur ruckte nach hinten, als eine Kugel in seinem Schädel stecken blieb.

Dann lag er regungslos da.

Sein Blut hatte ein dunkles, fast schwarzes Rot.

„Kenala“, rief Vanadis, während sie sich zu der Verletzten hinunterbeugte. Kenala blutete aus einer Beinwunde. Bei näherem Hinsehen erkannte Isaak, dass es definitiv eine Bisswunde war.

Ein ganzes Stück Gewebe war herausgerissen worden.

„Ich habe mehrere erwischt“, erklärte Kenala fast entschuldigend. „Aber dann war das Magazin leer, er war so nahe, ich konnte nicht mehr laden.“

„Ist gut, ist gut“, beruhigte sie Vanadis. Sie besah sich die Wunde. Dann zog sie einen Sprühverband aus der Tasche. Auch Isaak hatte sich eine Dose davon aus dem Lager der Sklavenhändler mitgenommen. Sprühverbände waren in kleinen, handflächengroßen Dosen befindliche Kunstgewebe-Mischungen. Man sprühte sie auf noch offene Wunden. Der Körper zersetzte sie bei der Wundheilung Schritt für Schritt. Je nach Wunde reichte so ein Verband aus, um dem Körper die restliche Heilung zu überlassen. Zumindest reichte er im Normalfall aus, um bis zur nächsten medizinischen Einrichtung zu kommen.

„Woher wusstest du ...?“, fragte Kenala leise, doch Vanadis zuckte die Schultern.

„Glück gehabt“, stellte Kenala dann fest. Sie verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln.

Isaak half mit Vanadis zusammen Kenala auf. Sie stützte sich auf Vanadis, konnte das Bein aber einigermaßen belasten. Im Sprühverband war normalerweise immer ein leichtes Betäubungsmittel.

Schritte waren den Korridor hinab zu hören.

Viele Schritte.

„Da kommen sicher noch mehr“, presste Kenala hervor, während sie versuchte alleine zu stehen.

„Wir konnten dich ja auch hören, sie also auch“, stellte Vanadis fest.

Isaak deutete auf die Richtung, aus der sie gekommen waren.

„Geht. Ich verschaffe euch Zeit.“

„Was hast du vor, den Helden spielen?“

„Ich bin bewaffnet, ich bin gut. Geht“, entschied Isaak. Er hatte ein mulmiges Gefühl.

Was tat er da?

„Danke“, sagte Vanadis schlicht

Sie half Kenala beim Laufen.

Gemeinsam ließen sie Isaak zurück.

Dieser entspannte sich und nahm seine beiden Pistolen in die Hände.

Ihr Gewicht war ihm so vertraut wie das Gefühl seiner Kleidung.

*


„WAS SOLL DAS HEIßEN?“, fauchte Roxane, als sie das Datenmodul in Händen hielt. Sie fuchtelte damit herum und sah in Arakens Richtung.

„Das sind die Dienstpläne der nächsten Zeit“, erklärte er völlig ruhig mit unbewegter Mine.

„Wieso werde ich zu so einem Dienst eingeteilt? Ich! Der Kopfgeldjäger hat uns neue Möglichkeiten eröffnet. Wieso muss eine deiner Offizierinnen, eine Truppenführerin, Wachdienst an irgendeinem Depot schieben?“, erboste sie sich.

Araken lächelte hintergründig.

„Du weißt warum“, sagte er völlig ruhig, unbetont.

Sie wurde ruhiger.

„Du hast mir etwas vorenthalten“, erklärte Araken. „Ich habe nur eine Menge Sprengstoff, nicht die wichtige Zündvorrichtung. Du hast ihn weggeschafft, den Zünder. Leugne es nicht. Nigo hat es erzählt. Gut, dein Gewissen konnte es nicht ertragen, mir so viel Macht zu geben? Bitte. Dann kann mein Gewissen es nicht ertragen, wenn nicht auch Führungsoffiziere hin und wieder Dienst in ‚irgendeinem Depot‘ schieben müssen. Wir wollen doch nicht, dass jemand denkt, ich bevorzuge jemanden?“ Seine Stimme war nun völlig kalt.

Roxane ließ die Schultern hängen. Sie hatte gewusst, dass sie bestraft würde. Trotzdem war sie der Meinung, das Richtige getan zu haben.

„Sie können wegtreten“, sagte er.

„Ja, Sir“, stimmte sie zu und verließ resigniert das Büro.

*


ISAAK ATMETE RUHIG aus, als die ersten Peschark um die Ecke geschnellt kamen. Sie knurrten und geiferten.

Wie Hunde von der Erde sprinteten sie auf ihn zu.

Isaak zielte.

Jeder Schuss traf.

Er verschwendete nicht eine einzige Kugel.

Einer der Peschark nach dem anderen fiel getroffen zu Boden.

Bei einigen brauchte Isaak mehrere Schüsse, da sie sich durch Beintreffer nicht aufhalten ließen.

Sie waren zäh. Mehrere Treffer brauchte Isaak jeweils, um sie zu töten. Nur ein Kopfschuss beendete ihre Bestrebungen zuverlässig.

Schließlich war es vollkommen ruhig im Gang.

Vor ihm türmten sich zwei Dutzend Kadaver auf.

Er lud seine Pistolen nach.

Weiteres Kreischen und Knurren war zu hören, es kam langsam näher.

Er wandte sich ab und eilte in die entgegengesetzte Richtung von Vanadis und Kenala.

Er zog kurz seinen Handcomputer heraus und überprüfte, in welche Richtung er musste, wenn er wieder auf Kurs wollte.

Stobos Territorium war auch von hier aus gut zu erreichen.

Er hatte immer noch ein gutes Stück Weg vor sich.

Mission Unendlichkeit - Das 1529 Science Fiction Abenteuer Paket

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