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Kapitel 5: Die Bombe

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Ort: Zentralwelten der Terranischen Allianz Freier Völker, Megapolis-Planet Chutala, Chutala-City, untere Ebenen

Zeit: 4699,1 NSüdK

Genormte Galaktische Zeitrechnung

––––––––


ISAAK FAND SCHLIEßLICH nach einigen Biegungen und Abzweigungen den Fahrstuhlschacht.

Er war versiegelt. Die Türen hatte man aneinandergeschweißt.

Isaak seufzte. Soviel dazu. Er steckte den Handcomputer kurz in seine Hosentasche und wollte nachdenken, als eine Stimme ertönte.

„Wer da?“, fragte ein Mensch, der hinter Isaak auftauchte. Er hatte eine kleine Pistole auf ihn gerichtet.

Isaak drehte sich ruhig um und lächelte den Neuankömmling an.

„Gut, dass ich Sie treffe“, erklärte er. „Ich habe mich gnadenlos verlaufen.“

„Verlaufen, ja?“, knurrte der Mann.

Isaak war sich sicher, dass er nicht bei denen gewesen war, die ihn gefangen genommen hatten. Die Statur verriet ihm das.

„Ja, ich bin neu hier“, erklärte Isaak. Er blickte unterwürfig zu Boden. „Und es ist mir verdammt peinlich, aber ich bin irgendwo falsch abgebogen.“

Der Mann entspannte sich etwas und ließ die Waffe sinken. Nur ein Stück weit.

Aber das war alles, was Isaak gewollt hatte. In einer fließenden Bewegung zog er eine seiner Pistolen, schlug deren Griff dem Mann gegen den Kopf. Dieser sackte mit einer blutigen Schramme an der Stirn und verdrehten Augen nach hinten. Er hob seine Waffe, die er verkrampft festhielt, richtete sie in Richtung Isaaks. Sein Finger krümmte sich um den Hahn. Isaak zögerte keine Sekunde lang. Er zielte und schoss.

In der Stille der Korridore hallte der Knall unnatürlich laut wider.

Mit einem rauchenden Loch in der Stirn und einem fragenden Blick sackte der Wachmann zusammen.

Isaak verschwendete keine Zeit.

„Entschuldigung“, sagte Isaak, als er den Toten filzte.

Er besaß einen kleinen Handcomputer, der auch als Schlüssel für einige Türen fungierte. Zufrieden besah sich Isaak die Pläne.

Dann zog er seinen eigenen Handcomputer heraus. Er verglich die Pläne miteinander.

Seine waren unvollständig. Entnervt strich er sich mit der Hand über seine Glatze. Einige wenige Stoppeln waren zu spüren. Viel mehr würde da auch nicht kommen, im Gegensatz zu seinem inzwischen dunklen vollen Bart. Trotzdem wünschte er sich für einen kurzen Moment eine Rasur. Dann verscheuchte er den Gedanken.

Er eilte den Korridor herunter und folgte der Wächterkarte zu einem anderen Fahrstuhlschacht.

Dieser war nicht verschweißt. Vermutlich nutzte man ihn hin und wieder als geheimen Zugang. Von dort ging es direkt in tiefere, gefährlichere Ebenen.

Isaak benutzte den Handcomputer des Wächters, um den Fahrstuhl zu öffnen. Vor ihm gähnte ein leerer dunkler Schacht. Vereinzelt brannten noch die Lampen, von denen jede ein Stockwerk markierte.

Viele fehlten. Isaak vermochte kein Ende zu sehen, weder nach oben noch nach unten.

Er zog Handschuhe an, die ihm die Roten Hachee gegeben hatten, und atmete tief durch.

„Jede gute Tat wird sicher bestraft“, murmelte er und versuchte sich zu beruhigen. Dann sprang er. Eine Sekunde lang hatte er das Gefühl, sein Herz setze aus, als er nach dem dicken Metallseil in der Mitte des Fahrstuhlschachts griff.

Dann bekam er es zu packen. Er rutschte nur ein kleines Stück tief. Die Handschuhe waren extra beschichtet, um ihm einen guten Halt zu gewährleisten.

Trotzdem musste er sich nun vornehmlich mit seinen Händen halten.

Er kletterte vorsichtig nach unten.

Nach wenigen Metern begann es in seinen Arme bereits zu ziehen und zu schmerzen.

Bald darauf schmerzten sie bei jeder Bewegung.

Isaak nahm sich fest vor, weniger zu essen oder mehr zu trainieren.

Nach weiteren dreißig Metern entschied er sich, einfach nie wieder auf diese Weise ein Stockwerk tiefer zu gelangen.

Er hielt inne und betrachtete die Wand neben sich. Dann schwang er sich mit letzter Kraft auf einen kleinen Vorsprung, der das Ende eines Wartungstunnels bildete.

Er öffnete ihn. Kleine Insekten liefen aufgescheucht herum, als er mit seiner Taschenlampe hineinleuchtete.

Isaak hoffte inständig, auf nichts Giftiges zu treffen.

Geduckt ging er durch den niedrigen Tunnel. Immer wieder überprüfte er seinen Weg mit dem Handcomputer. Nach mehreren Abzweigungen erreichte er sein Ziel. Er betätigte den Signalgeber, den ihm die Roten Hachee gegeben hatten, und wich um eine Biegung zurück.

Eine Weile passierte nichts.

Dann brach ein Stück der Wand ein.

Roxane, gefolgt von Nigo und einigen anderen Roten Hachee, kroch in den Wartungstunnel hinein.

Roxane lächelte ihm zufrieden zu.

„Hast es ja doch geschafft“, stellte sie fest. Mit dem Impulsgeber hatte er ihnen ein Ortungssignal gegeben. Dadurch konnten sie gezielt die Wand sprengen, die ihnen Zugang zum Wartungstunnel verschaffte. Sie waren durch tiefere Ebenen ins Gebäude gekommen.

„Weiß jemand, dass du da bist?“, fragte Roxane, während sie Isaak folgte. Er schüttelte den Kopf.

„Habe zwei Wachen erledigt. Wenn das hier schnell gehen soll, müssen wir uns beeilen. Noch weiß keiner von mir. Eine Wache ist ausgeknockt, eine erschossen“, erklärte er.

„Wieso hast du sie nicht einfach beide getötet?“, zischte Roxane und steigerte das Tempo. Sie drängte an Isaak vorbei, der sich beeilte ihr zu folgen. „Was, wenn sie aufwacht?“

„Meine Pistolen sind für sowas zu laut“, erklärte er.

„Du hättest welche von uns bekommen können. Außerdem, hast du die tote Wache etwa mit bloßen Händen erledigt?“

„Ich mag meine Pistolen. Ich mag, wie sie sich anfühlen. Außerdem mag ich, wenn man Kollateralschaden vermeidet. Aber nicht alles ist planbar.“

Roxane funkelte ihn böse an, ließ es aber dabei bewenden.

Sie kamen zum Ende des Schachtes und sie zog sich Handschuhe über, dann kletterte sie das Seil hinauf.

Isaak zwang sich dazu, ihr Tempo beim Aufstieg zu halten, trotz seiner rebellierenden Arme.

Er würde ihr keine Schwäche zeigen.

Oben angekommen bekam er endlich einen Einblick in die Größe ihrer Truppe. Nach und nach erschienen die Soldaten am oberen Ende des Schachtes. Roxane und Nigo waren mit mehr als vier Dutzend Roten Hachee hier.

„Ausschwärmen“, gab Roxane den Befehl und die Gruppe teilte sich auf.

„Wohin geht es mit mir?“, fragte Isaak Roxane.

„Du bleibst bei mir“, bestimmte sie. Sie nickte Nigo zu, der gemeinsam mit zwei anderen Roten Hachee um eine Biegung verschwand.

Nun waren nur Isaak, Roxane und zwei Rote Hachee übrig.

Sie sah auf ihr Datenmodul.

„Wohin?“, fragte Isaak erneut.

„Da lang“, erklärte sie und deutete den Gang hinunter. „Dann die erste rechts, wenn unsere Informanten nicht gelogen haben.“

Während sie sich auf den Weg machten, geführt von Roxane, erklärte diese: „Ich dachte, dass es in deinem Interesse ist, dich mitzunehmen zur Bombe. Die anderen halten nichts davon. Sie befürchten Verrat, sind misstrauisch.“

„So wird man hier unten wohl“, erwiderte Isaak. Er hatte bereits bemerkt, dass die sie begleitenden Roten Hachee nicht beide die Umgebung absicherten.

Einer von beiden zielte auf ihn.

„Was ist die Mission der anderen Gruppen?“, fragte Isaak.

„Wir lassen es uns nicht entgehen hier ein wenig aufzuräumen.“

„Sie schlachten sich durch die Kenar?“

„Es ist nicht dein Krieg, Kopfgeldjäger.“

Isaak blieb stehen.

„Aber ich bin verantwortlich für das, was ich tue. Es war nicht abgemacht, dass sie ...“

„Was glaubtest du, was wir tun würden? Da schafft es ein Fremdling, uns einmal einen wirklichen Vorteil gegen die Kenar zu geben. Das lassen wir nicht einfach so verstreichen“, sagte Roxane. Sie blickte ihn böse an. „Wage es ja nicht, unsere Entscheidung in Frage zu stellen.“

„Sonst was?“, erwiderte Isaak und legte ruhig die Hand auf eine seiner Waffen.

„Wirklich? Du glaubst, dass du so gut bist gegen drei gleichzeitig zu bestehen?“, fragte Roxane voller Spott.

Isaak nickte. Außerdem war er davon überzeugt, dass sie es nicht darauf ankommen lassen würde. Nicht wegen so etwas.

Er hatte recht.

Sie pfiff anerkennend und lächelte dann. Sie würde nicht angreifen. Er hatte gewonnen.

„Was willst du jetzt tun?“

„Ich werde dafür bezahlt eine Bombe zu finden. Für nichts sonst.“

Er ging neben Roxane durch die Korridore, die ihn aus den Augenwinkeln immer wieder verstohlen musterte.

Plötzlich trat ein müde wirkender Melur, ein humanoider Alien mit beigem Fell, nicht weit vor ihnen aus einer Abbiegung und schrie erschrocken, als er sie sah.

Er zog eine Handfeuerwaffe und schoss sofort.

Isaak schaffte es gerade noch Roxane zur Seite zu stoßen. Die Kugeln schossen dicht an ihnen vorbei. Einer ihrer Begleiter bekam einen Streifschuss am Arm. Der andere sprang rechtzeitig zur Seite und presste sich an die Wand.

Isaak zog am Boden liegend, mit der linken Hand seine Waffe und deckte den nur knapp eins fünfzig großen Meluren mit einem Kugelhagel ein. Dieser duckte sich in die Sicherheit der Abzweigung.

„Danke“, schaffte es Roxane in dem kurzen Moment zu sagen, bevor Isaak aufgestanden war und in Richtung des Meluren rannte.

Er konnte ihn nicht sehen, doch er vermutete, dass er noch da war, hinter der Ecke lauerte, bis Isaak nachladen musste.

Nun war eine seiner Pistolen leer. Er nahm die andere hervor und schoss alle paar Schritte auf die Ecke, darauf bedacht dem anderen keine Sekunde zu geben um zurückzuschießen.

Schließlich war er an der Ecke und warf sich herum.

Der Melur sah ihn mit entsetzten großen bernsteinfarbenen Augen an und schrie kurz auf. Dann brach er in sich zusammen, als Isaaks Kugel ein Loch in seine Stirn geschlagen hatte.

„Bist du wahnsinnig?“, konnte Roxane sich die Frage nicht verkneifen, als sie zu ihm eilte, gefolgt von den beiden Roten Hachee. Der Angeschossene hatte keine tiefe Wunde, er hatte sie provisorisch mit einem Wundheilverband versehen.

„Wer noch lebt, hat die richtige Entscheidung getroffen“, erwiderte Isaak ruhig und besah sich den Toten.

Er fluchte.

„Was?“, fragte Roxane.

„Er hat einen Armbandkommunikator“, stellte Isaak fest und deaktivierte diesen.

„Und?“

„Er hat um Hilfe gerufen.“

Roxane fluchte ebenfalls.

Sie machten sich wieder auf den Weg.

„Vermutlich sind sie alarmiert“, gab Roxane durch ihren eigenen Kommunikator bekannt. Kurz darauf bekam sie mehrere Rückmeldungen.

„Wie steht es?“, fragte Isaak.

„Einige sind auf Widerstand gestoßen, die anderen kommen gut voran. Kaum Verluste.“

Schließlich mündete das Gewirr an Gängen in einen schnurgeraden Korridor. Wie alle Gänge bisher wirkte er auf Isaak verbraucht und abgenutzt. Jemand hatte über den abgelaufenen Boden große Metallplatten gelegt. Vielleicht verbargen sich darunter auch Löcher und offene Leitungen. Der Korridor fand ein abruptes Ende durch ein schweres Schott, das ihnen den Weg versperrte.

Als sie vor dem Schott standen, betätigte Roxane den an der Wand eingelassenen Schalter.

Nichts geschah.

„Wär ja auch noch schöner“, murmelte sie, als sie sich die Meldung auf dem kleinen Bildschirm neben dem Schalter ansah.

Ein Signalgeber musste davorgehalten werden. Isaak zog den hervor, mit dem er den Fahrtstuhl entriegelt hatte. Der Sensor blinkte kurz rot auf, als er ihn ausprobierte.

„Na dann, Plan B. Wir machen uns eine eigene Tür“, erklärte sie und nickte einem der beiden Roten Hachee zu. Er gackerte dabei. Isaak musterte den Mann misstrauisch. Er trug eine abgenutzte Uniformjacke und darüber einen Werkzeuggurt, in dem allerlei Utensilien steckten. Kleinere Beutel baumelten an dem Gurt, genauso wie Isaak mehrere Messer erkannte.

Der Angesprochene zog aus einer kleinen Tasche an seinem Gürtel nun einen eindeutig selbstgebauten Sprengsatz und befestigte ihn magnetisch an der Tür. Als Gehäuse des Sprengsatzes diente etwas, das Isaak an eine Lebensmittelverpackung erinnerte. Den farbenprächtigen Aufdruck konnte er allerdings nicht mehr entziffern.

„Zwei Minuten“, sagte der Hachee lapidar und machte sich lächelnd ohne ein weiteres Wort auf, um hinter der Ecke des Korridors in Deckung zu gehen.

Die anderen taten es ihm nach.

Isaak stand wie die anderen hinter der Ecke des Korridors und wartete, überprüfte stumm seine Waffen. Er zählte dabei die Sekunden. Anschließend packte er sie weg und steckte sich die Finger in die Ohren. Roxane runzelte erst die Stirn, tat es ihm dann aber wie die anderen beiden nach.

Dann explodierte es. Das Geräusch war ohrenbetäubend und wurde durch den nackten Korridor noch um ein Vielfaches verstärkt. Isaak hatte das befürchtet. Selbst mit den Fingern in den Ohren hatte er das Gefühl, alles klänge dumpfer, als er die Finger herausnahm.

Er stürmte, gefolgt von den anderen, den Korridor entlang in einen großen Raum voller Maschinen, in dem Ausrüstung und Personen verstreut lagen und verwirrt zu ihm blickten.

Einer zog eine Pistole und kassierte dafür direkt eine Kugel von Roxane.

„Hände weit von euch strecken“, brüllte Isaak, der sich nicht sicher war, ob ihn alle wirklich hören konnten. Immerhin musste die Explosion auch im Inneren des Raums laut gewesen sein. Er selbst hörte sich dumpfer als sonst. Wie durch einen Helm.

Alle kamen der Aufforderung nach, manche warfen sogar ohne weitere Worte ihre Pistolen zu Boden und kamen zu ihnen herüber. Es war ein bunt gemischter Haufen. Viele Menschen, aber auch pelzige, katzenhafte Lonyken und grauhäutige Vokem.

Die Vokem waren ein Volk wie die Dratikaner, das sich einst von den Erdmenschen wegentwickelt hatte. Nur war diese Trennung deutlich sichtbarer als bei den wie kräftige Menschen aussehenden Dratikanern. Die Vokem waren Humanoide mit gräulicher Haut und flachen Nasen. Sie entstammten den allerersten Kolonisten-Schiffen, die das Sonnensystem der Erde verlassen hatten. Nur wenige Ausgestoßene lebten nicht im dichten sozialen Gefüge der Vokem.

Zufrieden nickte Isaak Roxane zu, die mit den beiden Roten Hachee begann die neuen Gefangenen zu fesseln. Dafür zweckentfremdeten sie einige Kabel, die in dem Raum waren.

„Also“, sagte Isaak und setzte sich gegenüber einem der Gefangenen, einem Menschen, der bereits gefesselt war. „Wir haben gehört, ihr habt da eine Bombe?“

Der grauhaarige Mann in den Dreißigern erwiderte nichts, doch er warf einen kurzen Blick zu einem anderen im Raum.

Isaak kratzte sich kurz an seiner Glatze und seufzte. Dann ging Isaak zu diesem.

„Irgendetwas sagt mir, du weißt mehr“, begann er. Es war ersichtlich, dass der Mensch vor ihm in der Hierarchie weiter oben stand. Die Blicke der anderen verrieten es. Er hatte dunkle Ränder unter den Augen und war sicher doppelt so alt wie Isaak mit seinen neunundzwanzig Jahren.

Dieser Mensch wiederum sah Isaak gelassen an und lächelte dümmlich. Völlig unschuldig.

„Wo ist sie?“, fragte Isaak betont ruhig und lud seine in der rechten Hand getragene Pistole nach.

„In ein, zwei Minuten wird es hier von unseren Leuten wimmeln. Dann werdet ihr aufgeknüpft. Vielleicht wirft man euch ein paar echten Hachee-Spinnen zum Fraß vor. Hätte doch eine gewisse Komik, nicht?“ Der Mann lächelte immer noch betont gelassen.

Roxane war inzwischen zu ihnen getreten.

„Wo ist sie?“, fragte Isaak erneut. „Rede oder trag die Konsequenzen.“

Der Mann lachte nur.

Isaak sah zu Roxane und sah in ihren Augen die Ungeduld.

Roxane zog ihre Waffe und richtete sie auf den Mann.

„Schieß, Schlampe. Denkst du, dass ich dann reden kann? Ihr Roten Hachee seid wirklich so dumm, wie man sagt“, lachte der Gefesselte.

Roxane schnaubte, lächelte freudlos und schoss ihm in den Fuß.

Er jaulte vor Schmerz wie ein getretenes Tier.

„Du Verrückte“, setzte er an, doch Roxane schlug ihm den Kolben ihrer Pistole ins Gesicht. Es knackte. Blut schoss aus seiner Nase und spritzte auf sein Oberteil.

„Ich stelle dir erneut seine Frage. Wo ist eure Bombe?“, sagte sie. „Ich kann das hier den ganzen Tag spielen.“

Inzwischen durchsuchten ihre beiden Begleiter den Raum.

Isaak besah sich den Mann.

„Du hättest es mir sagen sollen“, stellte er fest und wandte sich ab, um sich ebenfalls den Raum genauer anzusehen.

Er hörte, wie Roxane den Gefesselten erneut schlug.

Isaak vermutete, dass es eine ganze Weile dauern würde ihn zu brechen. Er kannte solche Leute. Nicht, dass Isaak jemand war, der gerne folterte, doch er hatte über die letzten Jahre ein Gespür für die Psyche von Menschen entwickelt. Manche, die es weit brachten, waren sehr labil, stiegen auf, weil sie sich verkaufen konnten, Schauspieler waren.

Der da hingegen war das Gegenteil. Solche stiegen in den meisten Hierarchien nur langsam auf. Sie waren nicht ehrgeizig. Sie waren viel eher überzeugt von etwas.

Das machte sie so zuverlässig und so schwierig.

Isaak blickte sich im Raum um, sein Blick suchte nach der Bombe, nach einem Hinweis.

Der Raum war vollgestopft mit allerlei Technik, aber nichts war hier, das im Entferntesten auch nur die halbe Größe eines derartigen Sprengkörpers hatte.

„Wo ist die Fusionsbombe?“, fragte nun Roxane erneut. Der Mann vor ihr war inzwischen im Gesicht blutüberströmt. Mehrere Stellen seines Gesichts schwollen bereits an.

„Na gut, der nächste“, sagte sie gelassen und schritt zu einem anderen.

Es war ein schmächtiger Mensch mit kurzem blondem Haar und kleinen Narben im Gesicht. Er trug einen dunkelblauen Overall.

Gerade als sie die Pistole ansetzte und auf sein Knie schießen wollte, schrie der Bedrohte mit schriller Stimme: „Ich zeige es Ihnen.“

Roxane lächelte zufrieden. Ihr und Isaaks Blick trafen sich. Er nickte ihr zu.

„Bescheißen Sie uns und ich lasse Sie in Ihrem eigenen Blut ertrinken“, knurrte Roxane, als sie ihn hochriss und auf die Beine stellte. Isaak zweifelte nicht eine Sekunde an der Echtheit ihrer Aussage. Sie schien ziemlich unter Anspannung zu stehen. Inzwischen nahm er ihr ab, dass es eine Bombe gab, eine, die sie wirklich alle bedrohte.

„Wo?“

„Dort“, sagte er und führte sie zu einem Abschnitt der Wand. Sie war völlig leer. Isaak erkannte, dass es die einzige Wand des Raumes war, vor der keine Kisten oder Regale standen. Und sie war etwas heller als die anderen. Neuer.

Auf Roxanes fragenden Blick hin drehte er sich um und drückte mit seinen gefesselten Händen gegen die Wand. Ein verborgener Schalter, durchzuckte es Isaak.

Ein Paneel der Wand erzitterte und schob sich dann nach hinten weg.

Schüsse krachten aus der entstandenen Öffnung. Isaak warf sich reflexartig zur Seite. Er spürte, dass einer der Schüsse durch seinen Mantel fetzte.

Ein weiterer riss den Denunzianten von den Füßen.

Sein Gesicht explodierte regelrecht. Mit einem widerlichen Geräusch schlug er auf den Boden auf. Blut breitete sich aus.

Isaak fluchte.

Er sah sich nach Roxane um. Sie hatte sich in die andere Richtung in Sicherheit gebracht und hockte dort.

Isaaks Blick sprang hektisch durch den Raum. Roxane runzelte die Stirn. Er sah ihrer Meinung nach in die völlig falsche Richtung. Entgegengesetzt zu dem offenen Wandpaneel, aus dem nun die Schüsse kamen.

Isaak fand schließlich etwas, das ihm genügte.

Einer der deaktivierten Bildschirme stand so, dass er ihm einen Einblick in den Geheimraum ermöglichte. In der Spiegelung konnte er undeutlich zwei sich bewegende Humanoide ausmachen.

Er atmete tief durch und entspannte sich. Dann warf er sich in die Feuerlinie und schoss.

Der eine Schütze im Geheimraum brach sofort zusammen, getroffen von einer Kugel in die Brust.

Der andere schaffte es in Deckung zu kommen.

Isaak sprang auf.

„Rauskommen, mit erhobenen Händen. Dann wirst du nicht hingerichtet“, erklärte Isaak mit so viel Selbstsicherheit in der Stimme, wie er aufbringen konnte.

„Du hast keine Chance“, fügte er hinzu.

„Ich kann immer noch dich töten“, erwiderte der Verschanzte.

„Stimmt“, Isaak nickte. „Aber dann selbst sterben. Kein allzu großer Gewinn. Denk nicht daran ein Held zu sein. Das bedeutet nämlich zu sterben.“

Eine Weile geschah nichts. Niemand bewegte sich.

Isaak war, als würde er ein Seufzen hören. Dann warf der Verschanzte eine Pistole aus seiner Deckung heraus weg.

„Schön, ich ergebe mich“, sagte er.

Er stand auf, eine andere Pistole in der Hand, und feuerte.

Isaak reagierte sofort.

Eine Kugel traf den Schützen in den Kopf. Sein Schuss ging dicht neben Isaak her.

Er hatte das Gefühl ihn spüren zu können.

Als er sich seinen Ärmel besah, entdeckte er ein kleines Loch. Die Kugel hatte seine Haut nicht geritzt, nur durch seine Kleidung gerissen.

Er steckte seine Waffen weg und versuchte erneut tief durchzuatmen.

Ihm wurde übel bei dem Gedanken, wie knapp es gewesen war.

„Das ist sie“, stellte Roxane fest. Isaak sah sie an und folgte ihrem Blick.

Am Ende des Raums waren mehrere Kisten. Einige waren offen und offenbarten kleine Zylinder und elektronische Komponenten.

„Diese Kisten?“, fragte Isaak skeptisch. Doch dann kam ihm in den Sinn, was auch Roxane antwortete.

„Sie mussten sie ja transportieren können.“

Sie besahen sich die Kisten genauer und öffneten vorsichtig einige unverriegelte. In den meisten war Sprengstoff, in anderen waren mehrere Zylinder. Es schien sowohl einen Zeitzünder als auch einen Funkzünder zu geben.

Roxane erklärte ihm, woran er Zeit- und Fernzünder erkennen konnte. Isaak sah dabei über ihre Schulter hinweg zu.

Sie vermutete, dass es wirklich idiotensicher hatte sein sollen, deswegen die beiden Zündsysteme.

Isaak deutete auf die Kisten.

„Was nun?“, fragte er schließlich an Roxane gewandt. Sie sah ihn verwirrt an.

„Was nun?“

„Was passiert als nächstes? Soviel Sprengstoff ist schwer unschädlich zu machen. Nehmen wir sie mit? Was ist mit den Gefangenen?“

Er ahnte die Antwort bereits.

Doch er fühlte sich trotzdem irgendwie seltsam, als sie antwortete. Schuldig, auf eine seltsame Weise.

„Wir übernehmen ihre Basis. Mach dir keine Sorgen wegen der Bombe. Die anderen Teams haben bereits vor einiger Zeit strategisch wichtige Eingänge geöffnet. Das hier ist jetzt Hachee-Territorium.“ Sie lächelte. „Dank dir.“

Isaak schnaubte verächtlich. Es widersprach seinem persönlichen Kodex als Kopfgeldjäger. Wenn er seine Arbeit gut machte, verschwanden Menschen und niemand erfuhr je davon, dass Isaak überhaupt existierte.

„Dann bin ich hier raus“, stellte er fest.

Sie nickte. „Gib uns nur noch ein wenig Zeit. Sobald sich hier alles beruhigt, bekommst du deine Karten des Gebietes. Du wirst reich belohnt.“

Isaak vermutete eher einen Hinterhalt, um sich seiner zu entledigen.

Trotzdem nickte er. Er hoffte darauf, dass man nicht Roxane schicken würde, um ihn zu töten. Sie gefiel ihm gut genug, um zu zögern beim Abdrücken. Er gestand ihr immerhin eine Sekunde zu. Diese könnte seinen Tod bedeuten.

Er vermutete, dass eine Frau etwas anderes dachte, wenn man sagte, dass sie zum Sterben schön war.

*


EIN UNANGENEHMER SUMMTON war zu hören. Isaak schloss seinen Gürtel und legte die Hand auf eine Pistole. Er hatte ein Zimmer von den Hachee zugewiesen bekommen. Der Raum erinnerte ihn an ein preiswertes Hotelzimmer. Er wurde dominiert von einem Bett in der Mitte mit einem kleinen Tisch daneben, bei dem ein Stuhl stand. Dazu gab es einen schmalen Seitenraum, in dem das Bad untergebracht war. Darin hatte er sich gewaschen und anschließend etwas ausgeruht. Schlafen würde er nicht, solange die Möglichkeit bestand, dass die Roten Hachee ihn um seinen Lohn betrügen wollten.

Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass jemand das bei ihm versucht hätte.

Trotzdem war er froh über die Pause in dem verhältnismäßig sauberen Raum.

Der Summton verstummte, als Isaak die Tür zu dem Raum öffnete.

Roxane stand dort. Sie lächelte. Ihr Blick wanderte dabei kurz zu seinem Kopf. Nun hatte er wieder eine perfekt rasierte Glatze. Isaak kannte das bereits. Bei den meisten Leuten wanderte der Blick immer erst kurz dort hinauf.

„Ich hab was für dich“, stellte sie fest. „Darf ich reinkommen?“, fügte sie hinzu, als er keine Anstalten machte die Tür freizugeben. Er nickte und trat einen Schritt zur Seite. Er war angespannt, zögerte aber die Hand auf die Waffe zu legen, um sie nicht zu beleidigen.

Hinter ihr schloss er die Tür.

„Also?“, fragte er. Sie schien enttäuscht, dass er direkt zur Sache kam. Vielleicht auch bestürzt.

„Ich habe hier deine Karten.“ Sie reichte ihm einen Speicherstick, den sie aus ihrer Tasche zog. Sie hatte einen kleinen Beutel dabei. Aus diesem zog sie nun eine Handvoll Chipkarten.

„Zweihundertfünfzig Alizes“, erklärte sie. Er besah sich die Chips. Die Hologramme waren echt. Auf einigen konnte er das Geld direkt ablesen. Manche Chips hatten kleine Digitalbildschirme, auf denen die aktuelle Geldmenge angezeigt wurde. Er nickte langsam.

„Zweihundertfünfzig Alizes“, murmelte er. „Mehr ist euch die Vernichtung eures ärgsten Gegners nicht wert?“

Roxane schnaubte.

„Vernichtung? Wir haben ihnen wehgetan. Wir werden selbst in einer idealen Welt Jahre brauchen, um sie auszurotten. Und dann? Was glaubst du, was dann ist?“

Er lächelte verhalten. „Dann ist hier unten Friede und Freude. Bis der nächste Herausforderer kommt.“

Sie nickte. „So wie wir einst ein Herausforderer waren.“

„Wie die Terranische Allianz einst die Traniatische Föderation herausforderte.“ Isaak steckte die Chips in seine Manteltasche.

„Und nun?“, fragte sie schließlich, während Isaak seinen Mantel anzog und sich zur Tür wandte.

„Werde ich meine Jagd fortsetzen“, erwiderte er und öffnete die Tür.

„Wer ist es wert, dass man hier unten nach ihm sucht?“

Sie folgte ihm auf den Korridor.

„Ich erwarte nicht, dass ihr mich in die Pläne der Roten Hachee einweiht. Also sollte jeder vielleicht bei seinem Beruf bleiben.“

Er erreichte das Ende des Korridors und bog ab. Inzwischen hatte er den Datenstick in seinen Handcomputer gesteckt und besah sich die Karten, die sie ihm gegeben hatte.

Sie überschnitten sich teilweise mit denen, die er hatte. In vielem waren sie genauer. Er war zufrieden.

Er bemerkte, dass Roxane ihm immer noch folgte. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sie etwas sagen wollte, Worte in ihrem Kopf wälzte, aber nicht das Richtige zu finden schien.

Innerlich seufzte er. Er hatte zu tun.

Schließlich schien Roxane den Mut zu finden, etwas zu sagen.

„Das hier“, begann sie und Isaak stoppte. Er drehte sich zu ihr um. „Das hier ist noch für dich. Da draußen wirst du es immer wieder brauchen.“

Sie reichte ihm eine kleine Maske, die man über Mund und Nase stülpen konnte. Wie eine mattschwarze Schale war sie geformt und wurde mit einem Riemen hinten am Kopf befestigt.

„Die schnellsten Wege führen immer wieder ins Freie. Es wäre doch schade, wenn du erstickst, bevor du erschossen werden kannst.“

Er lächelte. Sie erwiderte das Lächeln sofort.

„Danke“, sagte er. Was sollte er auch sonst sagen? Sie hatte Interesse an ihm gefunden. Zumindest hatte er seit einer Weile diesen Verdacht, der sich nun zu bewahrheiten schien. Aber er hatte schlicht keine Zeit für so etwas. Seine alte Rechnung ging vor. Julian Sanders ging vor.

„Leb wohl“, fügte er noch hinzu und sie nickte. Ihr Lächeln erstarb, als sie erwiderte: „Du ebenfalls. Viel Glück bei deiner Suche.“

Er wandte sich ab und eilte den Korridor hinunter.

Isaak schaute sich die Gasmaske genauer an. Sie filterte die Luft für Stunden, Wochen, wenn er nicht zu giftige Dinge durch die Filter sog.

Glück? Das Glück war immer mit denen, die sich gut vorbereiteten.

Nach einem kurzen Kontrollblick auf seine Karte bog er erneut ab, öffnete eine Schleuse und trat ins Freie.

Mission Unendlichkeit - Das 1529 Science Fiction Abenteuer Paket

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