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Kapitel 4: Der Deal

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Ort: Raumstation Kalagath im Orbit um den Planeten Dalagotha, äußerster Rand des Galaktischen Kaiserreichs

Zeit: 4699,1 NSüdK

Genormte Galaktische Zeitrechnung

––––––––


NARLIE LEHNTE SICH zurück. Sie trank einen Schluck des dampfenden Getränkes, das sie sich bestellt hatte. Angewidert verzog sie das Gesicht.

„Wie viel würden wir denn bekommen?“, fragte sie nach einem Moment. Ihr Mund fühlte sich pelzig von innen an. Das war auch nicht normal bei diesem Getränk. Nicht wenn es noch haltbar war.

„Nun“, antwortete Parlius, „wenn man den Wert bedenkt, wären fünfzehntausend Kaiserliche Jarin doch recht angebracht.“ Jarin war die gängige Währungseinheit im Kaiserreich und vielen Grenzwelten. Selbst auf gesetzlosen Welten wurde diese Währung akzeptiert. Nur die Allianz weigerte sich offiziell, nur die Allianzwährung der Alizes waren gültig. Inoffiziell waren Jarin aber auch auf Grenzwelten der Allianz gut zu tauschen.

„Und wo genau sollen wir den Datenblock abliefern?“, fragte nun Jerel.

„Diareon, schon mal von dieser Welt gehört?“, fragte Parlius.

„Nein, nicht wirklich“, antwortete Jerel.

„Das ist nicht verwunderlich, es ist eine abseits der wichtigen Handelsrouten gelegene Welt. Hat auch keine besonderen Ressourcen. Es gibt nur eine große Stadt mit vielleicht etwas mehr als drei Millionen Einwohnern, hat einen einige Systeme weit reichenden Einfluss als Agrarproduzent“, erklärte Parlius. „Dort hat das Kaiserreich keinen spürbaren Einfluss mehr, der Planet liegt jenseits der imperialen Grenze. Je nachdem wen Sie fragen, liegt er aber auch noch innerhalb des Kaiserreichs. Es scheint da unterschiedliche Auffassungen zu geben. Jedenfalls ist die Welt unbedeutend.“

Er reichte Jerel eine kleine Speicherkarte. „Die Koordinaten. Damit Sie Diareon auch finden. Der Planet ist nämlich wirklich sehr unbedeutend.“

„Und das macht den Planeten perfekt für das Verstecken einer kleinen Widerstandsarmee, richtig? Keine Garnisonstruppen. Keine Flottenstützpunkte“, spekulierte Jerel. Er steckte die Speicherkarte ein. „Gut. Wem genau sollen wir diesen Datenblock nun bringen?“

„Es gibt dort ein paar Schiffe. Sie werden sicher angefunkt, wenn Sie in das System kommen. Es kommen selten ungeladene Besucher. Fragen Sie nach Darien Kolas“, begann Parlius. „Erzählen Sie ihm, dass Sie mich getroffen haben und dass ich Ihnen gesagt habe, dass er hat, was Sie suchen. Merken Sie sich das Codewort gut, Darien Kolas.“

„Gut“, willigte Jerel ein. „Wie wird bezahlt?“

„Fünftausend jetzt und der Rest bei Übergabe“, antwortete Parlius.

„Einverstanden“, sagte Jerel. Der Fremde erhob sich und legte einen kleinen Beutel mit den fünftausend Jarin, aufgeladen auf diversen Chipkarten, auf den Tisch.

„Dann viel Glück Ihnen beiden“, verabschiedete er sich und verließ das Lokal.

„Glaubst du ihm?“, fragte Jerel. Er verlor den Unterhändler aus den Augen.

„Ja, er meinte es ehrlich, als er sagte, er würde beschattet, und dass er die Ware nicht selber abliefern könne, war auch keine Lüge, denke ich. Du weißt, dass man mich im Lesen von Körpersprache geschult hat“, erwiderte Narlie. „Ich irre mich selten.“

„Es ist wirklich praktisch, einen Lügendetektor dabei zu haben“, sagte Jerel grinsend, was sie allerdings nicht sehen konnte, da er seine volle Rüstung trug. Die Dämonenfratze seines Helms verbarg dabei sein Gesicht.

„Glaub mir, ich kann mehr in den Leuten lesen als ich manchmal wissen will“, erwiderte sie.

„Wenn du wirklich so gut darin wärst, wie du behauptest, könnte ich es mir dann nicht oft sparen etwas zu sagen? Vielleicht ganze Erklärungen?“, sagte er und sah Narlie an.

„Du hast so eine ‚sympathische‘ Art, dass es mich nicht wundert, dass du im ganzen Kaiserreich gesucht wirst“, erwiderte sie.

„Wir wissen beide, warum ich gesucht bin, und mein Charme ist nicht der Grund.“

„Tut mir leid“, sagte sie plötzlich, als sie begriff, dass sie zu weit gegangen war.

Damals auf der AGGRESSOR, einem Paladin-Klasse-Schlachtschiff, hatte er sie vor der Exekution gerettet. Er hatte als Söldnerkommandant in der Kaiserlichen Marine gedient, sie war als Kaiserliche Wache die Augen, Ohren und der Wille der Kaiserin gewesen. Nun wurde er als Hochverräter im gesamten Kaiserreich gesucht, weil er sie nicht wie befohlen wegen Befehlsverweigerung getötet hatte. Er hatte damals alles verloren. Das Kaiserreich hatte fast sämtliche Konten in seinem Besitz sperren lassen. Sie hatten ihm alles genommen, auf das sie Zugriff bekommen hatten. Nur sein Schiff war ihm geblieben. Er hatte sich nie offen über seine Entscheidung damals beschwert, aber von Zeit zu Zeit sah man ihm an, dass er überlegte, ob es richtig gewesen war. Sie wunderte sich bis heute, wieso er nicht einfach in seine Heimat geflohen war oder sie ausgeliefert hatte.

„Schon okay, es war kein Fehler“, antwortete er und rief die Bedienung zu ihnen, um zu zahlen. Sie überlegte einen Moment, ob er ihre Worte von vorhin oder seine Entscheidung meinte, ließ den Gedanken aber fallen.

Nachdem sie das Lokal verlassen hatten, schlenderten sie noch eine Weile schweigsam über einen weiten Platz, der eine gigantische Fensterfront zum Weltall hin hatte. Es war eine beeindruckende Aussicht auf den Planeten.

„Es ist eine so friedliche Welt“, murmelte Narlie.

„Die Frage ist, wie lange noch“, sagte Jerel. „Die Einheimischen sind eine friedliebende Spezies. Das Kaiserreich beansprucht dieses System bereits seit langem. Man will den Freihandel auf dieser Station unterbinden. Wenn sie kommen, können die Einheimischen sich sicher kaum wehren. Und das Kaiserreich wird kommen. Zusätzlich zu dieser Raumstation, auf der ihnen Profite entgehen, wird auf dem Planeten ein Stoff namens Dearban abgebaut, der zur Verstärkung von Schiffsrümpfen eingesetzt wird. Sie sind damit weniger anfällig gegen bestimmte Waffensysteme. Natürlich ist der Preis dafür auch höher, aber ich bezweifele, dass das Kaiserreich überhaupt für derlei Ressourcen zahlt, wenn es sie sich auch nehmen kann. Vermutlich wird es die Gegenleistung für den ‚Schutz‘, den dieses System genießen wird.“

„Trotzdem fände ich eine kleine Atempause ganz nett. Was hältst du davon, wenn wir ein paar Tage hier bleiben?“, fragte sie. „Das Kaiserreich weiß sicher nicht, dass wir hier sind.“

„Ein paar Tage nicht gejagt zu werden, wäre sicher mal eine angenehme Abwechslung. Ein, vielleicht zwei Tage“, stimmte Jerel zu.

„Gut, irgendein Ort, wo du gerne mal hin möchtest?“

„Ja, ich würde mir gerne mal wieder ein wenig ansehen, was an Modifikationen für meine Waffen verfügbar ist, kommst du mit?“

Narlie rollte mit den Augen.

„Klar, Waffen shoppen, immer gerne“, erwiderte sie und folgte ihm in Richtung des Handelsdistrikts.

––––––––


EINIGE STUNDEN SPÄTER saß Narlie am Rand einer Plattform des Handelsdistrikts und blickte durch eine Sichtluke in den Sternenhimmel. Der Handelsdistrikt wurde von viel Sicherheitspersonal bewacht. Er wirkte weniger zwielichtig als einige andere Bereiche dieser Station.

Nach einer Weile gesellte sich Jerel zu ihr. Er hatte noch immer seine Rüstung an, allerdings trug er den Helm unter dem Arm.

Natürlich wurden hier viele der Bereiche der Station mit Kameras überwacht. Doch es war bekannt, dass hier niemanden interessierte, was man irgendwo im Kaiserreich verbrochen hatte. Es zählte nur, was man hier tat.

„Was glaubst du, wie es für uns enden wird?“, fragte sie, nachdem sie schweigend nebeneinander gesessen hatten.

„Nun, wir werden die Ware abliefern und uns eine Weile nicht im Kaiserlichen Raum blicken lassen. Mit dem Geld kommen wir recht weit. Wenn es knapp wird, gibt es auch andere Leute, die Söldner und Kuriere benötigen“, antwortete er.

„Das meine ich nicht“, erwiderte sie. „Ich meine, was wird aus uns? Ich will nicht ewig auf der Flucht sein, aber was können wir tun? Das Kaiserreich ist alles, was ich kenne, und es hat immer noch Expansionsabsichten, es wird sich weiter ausbreiten ... Es muss bekämpft werden!“

„Von uns?“, fragte er spöttisch. „Ein dratikanischer Söldner und eine abtrünnige Kaiserliche Wache gegen das Galaktische Kaiserreich. Das klingt nach einem guten Drama. Oder nach einer Grabaufschrift“, fügte er etwas leiser hinzu.

„Danke für deinen Optimismus“, erwiderte sie.

„Tral‘agar“, antwortete er. Nach ein paar Sekunden wurde ihm klar, dass er in seiner Muttersprache Dratikanisch gesprochen hatte, und wiederholte seine Aussage in der Allgemeinsprache.

„Gern geschehen.“

„Es gibt dort draußen noch andere“, begann sie, doch Jerel unterbrach sie. „Ja, das hatten wir schon ein paar Mal, Narlie. Es gibt noch andere Feinde des Kaiserreichs und sie verstecken sich. Es gibt da draußen nun mal keinen Widerstand. Es gibt niemanden, der sich dem Kaiserreich in den Weg stellt. Die Allianz weiß, was das Kaiserreich mit anderen Spezies macht. Aber solange sie es auf ihrem eigenen Territorium machen und nicht in Sichtweite der Allianz, ist es ihnen egal. Das Kaiserreich wird immer mächtiger, aber was willst du tun? Was können wir tun? Nadelstiche, mehr nicht.“

Er hatte sich in Rage geredet, ohne es zu wollen. Sie hatten sich schon öfter deswegen gestritten.

Narlie wollte einen offenen Widerstand gegen das Kaiserreich aufbauen. Sie war einfach zu sehr Kommandantin, sie war es gewöhnt Truppen zu befehligen. Allerdings hatte sie in den letzten Monaten immer weniger davon gesprochen, sodass Jerel angenommen hatte, sie hätte von der Idee Abschied genommen. Sie schien begriffen zu haben, dass sie nun keinen Krieg mehr führte, keine Offizierin mehr war. Jerel verstand ihre Situation. Sie hasste das Kaiserreich für den Völkermord, den man ihr befohlen hatte. Aber sie liebte es auch. Sie war schließlich ein Klon, sie war gezüchtet worden, um für das Reich sterben zu wollen. Die Loyalität war nicht einfach abzuschalten. Sie hatte einen nicht zu überwindenden Bruch zwischen dem Kaiserlichen Ideal und der Realpolitik gesehen und das verkraftete sie nicht.

Das Einzige, was sie tun konnte, war sich zu verstecken.

„Ja, du hast recht“, antwortete sie. Bevor sie noch etwas sagen konnte, wurde sie vom hektischen Piepen von Jerels Kommunikator unterbrochen. Sie schaute ihn fragend an. „Was hat das zu bedeuten?“

„Ich habe den Schiffscomputer so eingestellt, dass er mich warnt, wenn Schiffe mit Kaiserreichskennung auf seinen Sensoren erscheinen“, antwortete er. „Leicht paranoid, ich weiß.“

„Glaubst du, dass sie wegen uns hier sind?“

„Ich hab nicht die geringste Ahnung“, antwortete Jerel und blickte auf die Nachricht auf seinem Kommunikator, der in den rechten Arm seiner Rüstung eingelassen war.

„Es sind drei. Drei Paladin-Klasse-Schlachtschiffe. Ich weiß gar nicht, was schlimmer wäre. Wenn sie hinter uns her sind oder wenn sie das System dem Kaiserreich einverleiben sollen.“

„Lass uns abhauen.“

Sie machten sich zur ENTDECKUNG auf.

Plötzlich knisterte es um sie herum. Ein Mensch mit starkem Akzent machte eine Durchsage innerhalb der Raumstation.

„Das Kaiserreich vermutet auf der Station eine Bedrohung des Reiches. Entflohene Gefangene befinden sich hier und alle Starts und Landungen sind vorerst nur mit Autorisierung des Kommandanten möglich. Wer Informationen hat, bekommt sie bezahlt. Wir bitten Sie, Ruhe zu bewahren und die Kaiserlichen ihre Arbeit tun zu lassen.“

Anschließend wurde die Durchsage noch einmal in den verbreitetsten Sprachen wiederholt.

„So viel zu den paar Tagen Entspannung“, murmelte Narlie.

*


ZAREN BLICKTE AUS DEM Fenster des Parak-Landungsschiffes hinaus, das auf eine große, mit Ausbuchtungen übersäte Raumstation zuflog. Hundert Landungsschiffe pendelten ohne Unterbrechung zwischen den Schlachtschiffen und der Raumstation, um Truppen herüberzubringen.

Zudem waren dreißig Jäger gestartet worden, die eventuell ankommende Schiffe direkt zur Station eskortieren sollten. Zaren war zufrieden. Er würde den Dratikaner bald in seiner Gewalt haben.

„Es wurde eine Frau, menschlich, auf der Handelsstraße in Richtung des Raumhafens gesichtet. Die Truppen, die sie dort aufhalten sollten, wurden niedergemetzelt. Möglicherweise ist sie unsere Zielperson. Das Alter scheint zu stimmen. Noch haben wir keine Bestätigung, ob sie es ist.“

„Versucht sie aufzuhalten, aber unser vorrangiges Ziel ist trotzdem der Dratikaner. Ich will jeden Dratikaner an Bord dieser Station“, befahl Zaren.

„Ja, Sir“, antwortete der Kommandant und gab die entsprechenden Anweisungen.

„Sir, wir bekommen eine Meldung, dass ein Frachter gestartet ist, von einem Hangar nahe der Handelsstraße“, meldete Major Drest plötzlich.

Zaren wirbelte herum.

„Was?“, rief er. „Verbinden Sie mich mit Kapitän Tarest.“ Er griff nach einem kleinen Headset, das ihm einer der anderen Soldaten im Transporter reichte.

„Kapitän Tarest?“, fragte er. „Ich will, dass der Frachter gefangen genommen wird, unter allen Umständen. Setzen Sie den ganzen Verband auf ihn an. Er darf uns nicht entkommen. Keine unautorisierten Starts.“

„Ja, Sir. Wir haben ihn auf dem Schirm. Ein Frachter, der durchaus auf die Beschreibung eines Xem.T-Frachters passt. Das könnte er sein. Die Jäger beginnen bereits damit, ihn zu beschießen. Wir haben ihn schon fast“, antwortete Tarest.

„Das will ich für Sie auch hoffen“, antwortete Zaren und beendete die Verbindung.

„Bringen Sie mich zurück auf die VERTEIDIGER“, befahl Zaren.

––––––––


AN BORD DER VERTEIDIGER landete ein demolierter Xem.T-Frachter im Hangar. Er hatte grob die Form eines T in der Standardschrift der Menschen, was ihm seinen Namen eingebracht hatte. Es war ein ramponierter Frachter, wie man ihn vielerorts sehen konnte. Fast hundert Soldaten standen im Hangar und hatten die sich senkende Laderampe des Frachters im Visier. Kapitän Tarest stand neben Zaren und beobachtete, wie eine junge Menschenfrau in den Zwanzigern die Rampe hinunterging. Sie war recht klein, vielleicht 1,60 Meter. Sie hatte schulterlanges schwarzes Haar und trug ein blaues eng anliegendes Shirt zu einer dunklen Hose.

Sie trat in die Mitte der Soldaten und wirkte einen Moment verunsichert durch die mehr als hundert Gewehrläufe, die man auf sie richtete. Doch nach ein paar Sekunden gewann sie ihre Fassung zurück.

„Zaren, das ist die Frau, die auf der Handelsstraße Widerstand leistete“, sagte Major Drest nach einem Blick auf die Aufnahmen der Soldaten auf der Handelsstraße.

„Durchsucht das Schiff“, befahl Zaren einigen Soldaten neben sich. Er begann zu zweifeln, ob das der richtige Transporter war. Das war nicht Narlie, da war er sich sicher. Sein Headset piepte. Er betätigte die Taste daran, um die Nachricht anzunehmen.

„Ja?“, fragte er gereizt.

„Sir, es ist ein weiterer Frachter gestartet. Er versucht durch die Lücke in der Blockade zu gelangen, die entstand, als wir diesen hier verfolgten“, erklärte der erste Offizier des Schiffes, Leutnant Niod.

„Nein“, hauchte Zaren. Er wirbelte herum und lief zu seinem Jäger, der weiter hinten im Hangar stand. Er hatte ein ganz mieses Gefühl.

„Sir, was ist mit der Frau?“, fragte Tarest.

„Sperren Sie sie ein, heiraten Sie sie, es ist mir egal, es ist die Falsche! Ich muss verhindern, dass die Kaiserin einen Grund hat meine Fähigkeiten anzuzweifeln und unzufrieden mit mir zu sein“, rief Zaren, während er in seinen schwarz lackierten Sternjäger sprang, der einem liegenden Flugdinosaurier der Prä-Weltraum-Ära ähnelte.

Für Zaren war Versagen keine Option.

Dazu hatte man ihn nicht geschaffen.

*


„DA“, MURMELTE NARLIE. Sie deutete auf eine Lücke in der Blockade. Auf dem Sensorenschirm war sie sofort ersichtlich. „Wenn wir uns beeilen, sind wir durch, bevor sie die Lücke wieder schließen.“

„Das wird knapp, aber wir haben keine Wahl“, stimmte Jerel ihr zu. Er beschleunigte das Schiff. Eine kleine Warnlampe leuchtete auf seiner Steuerkonsole. Er ignorierte sie. Das Schiff konnte das aushalten.

„Mehrere Jäger nähern sich uns“, informierte sie ihn.

„Wenn alles klappt, dann sind wir weg, bevor die auch nur lange genug in Feuerreichweite sind, um uns gefährlich zu werden“, erwiderte Jerel.

„Die Berechnung für den Sprung zu den Koordinaten, die uns Parlius gab, läuft“, erklärte Narlie.

„Da kommt etwas sehr schnell auf uns zu“, murmelte Jerel. „Ein Kaiserlicher Raptor-Jäger und eine Gruppe Seeker. Narlie, geh sofort in den Geschützturm.“ Sie nickte und verließ das Cockpit.

Jerel blickte auf die Anzeige des Navigations-Computers. Sieben Minuten. In sieben Minuten würden sie auf Überlicht gehen können. Das Schiff erbebte, als der erste Laser-Schuss des Raptor-Jägers an den Heckschilden des Schiffes auftraf. Raptor-Jäger erinnerten Jerel immer an Flugdinosaurier von Denka II. Unter dem Cockpit des Raptor-Jägers war ein einzelnes Lasergeschütz angebracht. Der Raptor war einer der wenigen Jäger, die über ein solches Geschütz verfügten. Aufgrund des hohen Energieverbrauchs konnte damit nur in großen Intervallen geschossen werden. Dafür besaß der Raptor aber auch noch zwei Projektil-Kanonen, die nun Schuss um Schuss auf die Panzerung der ENTDECKUNG abfeuerten. Jerel begann damit, immer gewagtere Ausweichmanöver zu fliegen.

Narlie hatte sich hinter das Geschütz der ENTDECKUNG geklemmt. Sie feuerte und schaffte es, zwei der Seeker-Jäger abzuschießen.

Das wuchtige Geschütz, das auf der Oberseite der ENTDECKUNG angebracht war, feuerte krachend Schuss um Schuss in Richtung der Feinde.

Den Rückstoß der großkalibrigen Waffe konnte Jerel bis ins Cockpit spüren.

Seeker-Jäger, oder einfach oft Seeker genannt, waren unbemannte tonnenförmige Jäger, die entweder von künstlichen Roboterhirnen oder durch Piloten von einem Kommandoschiff aus gesteuert wurden. Natürlich erhöhte letzteres ihre Effizienz immens.

Nach den anfänglichen zwei Treffern schaffte es ein dritter Jäger, erneut mehrere Treffer zu landen. Sie schossen nur mit Projektilen, die regentropfenartig im Inneren des Schiffs zu hören waren. Nach einer weiteren Salve von Narlie wurde der dritte Seeker so schwer beschädigt, dass er die Verfolgung abbrechen musste.

Erneut erzitterte das Schiff unter Treffern. Ein hoher Alarmton verriet Jerel, dass sie einen Hüllenbruch hatten. Ein kurzer Blick auf einen Bildschirm beruhigte ihn aber. Nur eine unbedeutende Sektion des Schiffes. Ein Lagerraum, der sofort automatisch versiegelt und abgeschottet worden war. Der Raptor-Jäger war der härteste Gegner, den Jerel bisher erlebt hatte. Er flog in einer Weise, dass man denken konnte, dass er wusste, wohin Jerel fliegen würde, bevor es Jerel selber wusste. Außerdem wunderte Jerel noch etwas anderes.

Raptor-Jäger waren im Kaiserreich eher unüblich. Die Allianz hingegen benutzte sie gerne, wenn auch nur in kleinen Staffeln wegen ihres hohen Preises. Aber hier draußen, am Rand des Kaiserreichs, war das der erste, den er zu Gesicht bekam.

„Den Raptor-Jäger wäre ich gern los“, sagte Jerel ins schiffsinterne Kommunikationsnetz. Es knisterte, als Narlies Antwort kam. Jerel machte sich in Gedanken eine Notiz, die interne Schiffskommunikation irgendwann einmal zu warten wegen des Knisterns.

„Generell gerne, aber ich bekomme ihn nicht vernünftig ins Ziel“, sagte sie. Erneut fraß sich einer seiner Laser-Schüsse in die Schiffsschilde.

„Er ist verdammt gut“, fügte sie entschuldigend hinzu. Das Geschütz der ENTDECKUNG heulte erneut auf und spuckte Tod und Verderben ins All.

Sie traf einen der Seeker-Jäger. In einem Glutball verschwand dieser. Ein kurzes Aufleuchten in der Dunkelheit, dann war er verschwunden.

„Man könnte fast meinen, dass er in der Kaiserlichen Wache mit uns ausgebildet wurde“, fügte Narlie noch leise hinzu. Allerdings so leise, dass sich ihr Mikrofon nicht aktivierte, so dass Jerel es nicht hörte.

„Halt ihn uns noch eine Minute vom Leib und ich bring uns hier raus“, antwortete Jerel. Dabei sah er auf den Countdown des Navigationscomputers, der den Kurs durch den Lazaris-Raum berechnete.

Jerel begann eine steile Rechtskurve zu fliegen, und nach einem weiteren Manöver zeigte der Computer mit Hilfe eines lauten Piepen an, dass die Berechnungen vollendet waren.

„Auf Nimmerwiedersehen“, murmelte Jerel, als er den Hebel für den Lazaris-Kristall umlegte.

Am Bug öffnete sich ein Schott und der Kristall wurde ausgefahren. Ein Energieimpuls wurde abgefeuert.

Der Weltraum vor ihnen riss auf und sie verschwanden in den wirbelnden Farben des Lazaris-Raums.

Im letzten Moment brach der Raptor die Verfolgung ab. Im Lazaris-Raum hätte er wegen der geringen Panzerung und der hohen Strahlung nur wenige Minuten überlebt.

*


ERLEICHTERT ATMETE Jerel aus. Er wandte sich von den Kontrollen ab und begab sich in den Aufenthaltsraum in der Mitte des Schiffes. Narlie betrat den Raum und setzte sich neben ihn auf die runde Bank. Sie schloss die Augen und lehnte sich zurück.

„Das wäre geschafft“, murmelte er. Er fühlte, wie das Adrenalin nachließ und die Erschöpfung sich in ihm breit machte.

Narlie nickte, sah ihn aber nicht an. Sie wirkte abwesend. Inzwischen hatte sie die Augen wieder geöffnet und blickte ins Leere. Etwas schien an ihr zu nagen.

„Dieser Raptor-Jäger ...“, begann sie, brach aber ab. Jerel sah sie interessiert an, er hatte sie selten so aufgewühlt gesehen.

„Nicht üblich für hier“, stimmte er zu. Er wollte wissen, worüber sie nachdachte. Sie nickte nur.

Eine Weile starrte sie wieder vor sich hin. Ihr Verstand schien fieberhaft an etwas zu arbeiten. Ihre Stirn legte sich in Falten.

„Der Pilot des Jägers“, begann sie erneut, „er ... scheint die gleiche Ausbildung genossen zu haben wie ich. Vielleicht ... war er eine Kaiserliche Wache. Einige Manöver von ihm waren Teil unserer Ausbildung.“

„Das ist es, was dir so zu schaffen macht? Dass er eine Wache ist?“, begriff Jerel. Sie nickte.

„Ich hab zwar vermutet, dass ich irgendwann einer regulären Kaiserlichen Wache begegnen würde, aber ... ich möchte ihn nicht bekämpfen, ich bemitleide sie, weißt du? Ich war zufrieden, dass mir keine begegneten.“

Sie war sichtlich erschüttert.

„Naja, er hat weniger Skrupel dabei als du. Was ja auch euer größter Unterschied ist, du bist ... dratikanischer. Man bekämpft nicht die eigene Art“, versuchte er sie zu beruhigen.

Jerel legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie entspannte sich kaum merklich. Er sagte nicht menschlich, doch es war nicht als Beleidigung gemeint. Er war äußerlich zwar menschlich, doch die Dratikaner waren viele hundert Jahre ohne Kontakt zur Erde gewesen und hatten sich zu einem harten, zähen Volk entwickelt, das sich mit den Menschen im Allgemeinen so verbunden fühlte wie ein Mensch mit einem Schimpansen. Die Dratikaner waren Menschen, die mit einem Generationenschiff von der Erde gestartet waren, lange bevor es das überlichtschnelle Reisen gegeben hatte. So hatten sie sich weiterentwickelt. So waren sie besser geworden, ihrer Meinung nach. Sie hatten den Ruf, die besten und härtesten Krieger des Universums zu sein.

Jerel konnte Narlies Verzweiflung nachvollziehen. Sie war wie alle Kaiserlichen Wachen ein Klon. Man hatte die erste Generation der Kaiserlichen Wache immer wieder geklont. Genetisch optimiert, nannten sie es. Jede Generation hatte man geringfügig modifiziert. Mehr Gehorsam. Schnelleres Denken. Gesteigerte Leistungsfähigkeit. Doch war es Narlies Generation gewesen, die als erste ihr Schicksal bedauert hatte, das Leben bedauerte, in das man sie gezwängt hatte.

Sie waren anders gewesen. Ein Experiment. Sie hatten einen unliebsamen Defekt gehabt.

Sie hatten Skrupel. Ein Gewissen. Einen eigenen, unabhängigen Verstand. Sie hatten Befehle verweigert.

Ohne recht zu wissen, was er tat, nahm Jerel sie in den Arm.

„Schhh, es ist gut“, flüsterte er. Er war seiner Meinung nach nicht gut in so etwas. Dratikaner weinten nicht. Nicht, dass sie es nicht konnten. Manchmal, vor Schmerzen oder vor Freude. Aber vor Verzweiflung weinen, das war ihnen kulturell unbekannt. Dratikanische Frauen weinten nicht einmal bei der Geburt, was ihnen zum Beispiel viele Frauen des Kaiserreichs als Herzlosigkeit auslegten. Dratikanische Frauen sahen dafür aber diese wiederum als schwach und verweichlicht an.

Jerel konnte Krieg führen und es problemlos mit einer Überzahl Gegner aufnehmen, aber mit dem Trösten seiner ehemaligen Kommandantin, einer Person, die ihm einst Befehle erteilt hatte, fühlte er sich überfordert. Emotionen zu zeigen war bei dem Volk der Dratikaner nur unter engsten Vertrauten erlaubt, und Jerel war nie gut in solchen Sachen gewesen.

Sie schien erst etwas unschlüssig, erwiderte dann aber die Umarmung. Eine Weile saßen sie schweigend da. Schließlich sagte sie leise: „Danke.“

Mission Unendlichkeit - Das 1529 Science Fiction Abenteuer Paket

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